Protokoll der Sitzung vom 03.02.2015

und aufklären muss, wenn er seiner Verantwortung gerecht werden will. Er darf die Entscheidungen nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen und sie sich hinterher erklären lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, ich bitte Sie, noch einmal über Ihr eigenes Selbstverständnis und Ihre Rolle in diesem Entscheidungsprozess nachzudenken. Was Sie bei diesem Thema an Entscheidungswillen und Beratungsbereitschaft einbringen, ist zu wenig. Hier geht es um wichtige und schwierige Fragen. Wenn Behörden in den ländlichen Raum verlagert werden, entstehen spannende Fragen. Betroffene Bedienstete aus München werden sagen: Wenn schon in den ländlichen Raum, dann wenigstens in größere Orte. In Oberfranken wären etwa Coburg oder Bayreuth akzeptable Adressen. In Niederbayern kämen Passau, Landshut, Deggendorf und Straubing infrage.

(Michael Hofmann (CSU): Regen!)

- Ja, lieber Herr Kollege. Die spannende Frage lautet, ob wir nur auf die zentralen Orte oder auch darüber hinaus schauen sollten. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir an dieser Stelle dieses Stichwort geben; denn bei uns zu Hause gibt es ein sehr gutes Beispiel dafür, dass auch Verlagerungen in den klassischen ländlichen Raum und in kleinere Orte sehr Gutes bewirken können. Ich nenne nur die Zentrale Bußgeldstelle in Viechtach. Wir alle tun das Unsere dafür, dass diese Stelle kontinuierlich Arbeit hat. Dort sind 200 Mitarbeiter beschäftigt. Das ist ein Segen für die Region. Es wird spannend sein, wenn wir darüber diskutieren, ob wir über die Oberzentren und die Mittelzentren hinaus auch in die kleineren Orte gehen können. Das ist nicht nur ein Thema für die Exekutive; es kostet auch Geld. Wir in diesem Hohen Hause haben eine Verantwortung für den Gesamtprozess. Deshalb hätte es beste Gründe dafür gegeben, diesem Berichtsantrag zuzustimmen, um über diese Themen zu beraten.

Ich möchte jetzt noch auf die betroffenen Mitarbeiter zu sprechen kommen, weil dies ein wichtiges Thema ist. Diese Mitarbeiter sollten im Vorfeld von Entscheidungen beraten werden. Deshalb werden wir diesem Berichtsantrag zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Kollege Hofmann, bitte.

Herr Kollege Muthmann, ich bin grundsätzlich der Auffassung, dass dies eine Frage der Exekutive ist. Die Exekutive wird einen Vorschlag unterbreiten. Es ist dann Sache des Landtags,

inwieweit dafür Mittel zur Verfügung gestellt werden. Deshalb halte ich den Vortrag, den Sie gerade gehalten haben, für äußerst problematisch. Ich glaube nicht, dass den Beamten des Freistaats Bayern damit gedient ist, wenn über Zwischenberichte Wasserstandsmeldungen abgegeben werden. Es ist sinnvoller, ein Gesamtkonzept vorzulegen.

Sie haben erklärt, dass Sie gerne Anregungen gegeben hätten und Ihnen dies verwehrt worden sei. Ich habe Sie vorhin so verstanden, dass Sie nicht in der Lage gewesen wären, die entsprechenden Anregungen weiterzugeben. Ich gehe aber davon aus, dass Sie zumindest als Vertreter Ihrer Region einen Brief an den Minister geschrieben und darin Vorschläge gemacht haben, wo eine Behördenverlagerung möglich wäre. Können Sie mir sagen, was Sie in dieser Hinsicht vorgeschlagen haben?

Herr Kollege Muthmann, bitte.

Darüber können wir gerne berichten. Herr Kollege Hofmann, zu dem ersten Gedanken, den Sie vorgetragen haben: Wichtig ist, dass die Dinge miteinander verflochten werden und der Landtag, der ein maßgebliches Wort bei der Umsetzung mitzusprechen hat, eingebunden wird, und zwar bevor die Entscheidung getroffen wird. Ich möchte das nicht noch einmal wiederholen. Das habe ich bereits gesagt. Deshalb geht es hier nach meinem Verständnis nicht nur um eine exekutive Entscheidung, da wir das Vorhaben nachher noch einmal bewerten müssen.

Natürlich gibt es eine ganze Reihe von Themen und Aufgaben, aber auch Anregungen. Ich möchte Ihnen nur zwei Beispiele nennen, die in der Region bekannt sind. Zum einen geht es um die Stärkung der Finanzämter und zum anderen um die Stärkung der Technologiecampus, um in der Region eine wissenschaftliche Stärkung zu erreichen. Dies ist eine Aufgabe des Staates. Hier gibt es immer noch kommunale Mischfinanzierungen, die wir nicht akzeptieren. Hier gibt es viele Möglichkeiten weiterzukommen.

Im Übrigen ist es wichtig, dass das Know-how der Exekutive in diese Beratungen einbezogen wird. Ich würde nicht für mich in Anspruch nehmen, für alle Ministerien erkennen und bewerten zu können, wo Verlagerungen möglich sind. Gerade darauf hat dieser Berichtsantrag abgezielt. Leider verwehren Sie uns die Möglichkeit, in dieser Frage zu besseren Entscheidungen zu kommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Vielen Dank. - Jetzt darf ich Frau Kollegin Stamm das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Man darf die Frösche nicht fragen, wenn man den Teich austrocknen will. Sehr geehrte CSU, hier geht es aber nicht um Frösche, sondern um Menschen, sogar um gestandene Menschen. Das haben Sie so weit inzwischen verstanden. Sie wollen Ihrem damaligen Minister und dem jetzigen Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses nicht mehr folgen. Das ist gut so; denn Behördenverlagerungen machen schlicht keinen Sinn, ohne die Menschen mitzunehmen und ohne sich danach zu richten, was sie wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Seien Sie doch einmal ehrlich, sogenannter Heimatminister Dr. Söder: Der große Wurf, der ganz große Coup, den Sie hier mehrfach angekündigt haben, wird es nicht. Sie wollten mit dem Konzept zur Rettung des ländlichen Raumes bereits vor der Sommerpause rauskommen, also vor einem knappen Dreivierteljahr. Dann hieß es, es kommt im Herbst; dann hieß es: Es kommt auf der Klausur in Kreuth, und jetzt heißt es: Es kommt im März. Dann sollen wir eben Anteil an der großen Erkenntnis haben, wie der ländliche Raum gerettet oder gestärkt werden soll.

Ehrlich gesagt, es ist auch ganz gut, dass dieses Konzept nicht kommt, weil man erstens, wie gesagt, die Beschäftigten mitnehmen muss. Zweitens – das zeigt die Antwort auf meine Anfrage ganz klar – hat die Behördenverlagerung strukturpolitisch keinerlei nachweisbare Effekte, 0,0. Mit keinem Cent wird das in einer sehr ausführlichen Antwort – dafür bedanke ich mich bei den Ministerien mit Ausnahme des Finanzministeriums; das erkläre ich nachher noch - beziffert. Drittens ist festzuhalten, dass wir es da, wo es sinnvoll ist, gut finden, wenn man verlagert. Ein Beispiel dafür gibt es beim Finanzamt München: Bereiche wie die Bearbeitung der Einkommensteuer, die man auslagern kann und die gut von der Ferne aus gemacht werden können, können gerne verlagert werden.

Dann gibt es noch ein weiteres Kriterium: Wenn verlagert wird, dann sollte das dahin geschehen, wohin die Versetzungswünsche zielen. – All diese Kriterien sind bei der zuletzt beschlossenen Auslagerung aus dem Finanzamt München nicht berücksichtigt. Da spielten offensichtlich andere Gründe eine Rolle. Oder ist Höchstädt an der Donau der perfekte Standort, um Grundstücke in München zu bewerten? Ist Nürnberg das Zentrum der bayerischen Heimat oder das des ländlichen Raumes?

(Jürgen W. Heike (CSU): Haben Sie was gegen Nürnberg?)

Viertens. Die Antwort auf meine Anfrage ergibt, dass die Verlagerung von Behördenarbeitsplätzen viel Geld kostet. In der Antwort heißt es, dass circa 1.000 Stellen in den letzten fünf Jahren verlagert wurden; das hat circa. 11 Millionen Euro gekostet. Das heißt, die Kosten pro verlagerten Arbeitsplatz betragen 11.000 Euro. In diese Summe ist die Installierung des sogenannten Heimatministeriums in Nürnberg noch gar nicht eingerechnet, weil – darauf bekomme ich keine Antwort – das keine Verlagerung, sondern eine Neueinrichtung ist.

Jetzt spricht tatsächlich die Haushälterin in und aus mir: 11.000 Euro pro Arbeitsplatz! Mit so viel Geld darf ich einen Arbeitsplatz nicht einfach verlagern; das Geld muss anders eingesetzt werden, auch im und besonders für den ländlichen Raum. Damit darf keine Show-Politik betrieben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei den Summen, die mir da genannt wurden – 11.000 Euro pro Arbeitsplatz –, ist noch gar nicht eingerechnet, was an Synergieeffekten verloren gegangen ist, weil die Beamtinnen und Beamten auf mehrere Standorte verteilt sind. In den letzten fünf Jahren gab es in Bayern zahlreiche Behördenumstrukturierungen und eine einzige große Verlagerung, nämlich die des Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung. Sie erfolgte gegen viel Widerstand der Beamten und Beamtinnen, die dort gearbeitet haben. Kaum jemand wollte mitgehen. Auslöser war keinesfalls irgendeine Strategie zur Stärkung des ländlichen Raumes, sondern einfach die Pleite der Firma Quelle in Fürth. Die Regierung musste der Öffentlichkeit irgendetwas präsentieren, und deshalb wurde das Landesamt von dem einen Ballungsraum, nämlich von München, in den anderen Ballungsraum, nämlich nach Nürnberg, verlegt. Trotzdem bleibt die Behördenverlagerung, die sich meist nur als Teilverlagerung entpuppt, einer der Hauptpfeiler der Bestrebungen des sogenannten Heimatministers Söder, den ländlichen Raum zu stärken.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es auf die Frage, ob Behördenverlagerungen dem ländlichen Raum wirklich etwas bringen, selbst von Befürwortern der Verlagerungen keine nachvollziehbare und belegbare Antwort gibt. Deswegen erstaunt es mich auch nicht, dass Sie diesem Berichtsantrag nicht zugestimmt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zwischenbemerkung, Herr Kollege Heike. Bitte.

Frau Kollegin, könnte es sein, dass Sie vergessen haben, dass da eine ganze Reihe von anderen Verlagerungen war? – Ich will Ihnen nur eine nennen: das zentrale Mahngericht für ganz Bayern in Coburg mit immerhin 200 Arbeitsplätzen. Diese Verlagerung hat der Region verdammt gut getan.

(Beifall bei der CSU)

Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Kollege, ich habe eine Anfrage gestellt. In der Anfrage beziehe ich mich auf die letzten fünf Jahre. Über das, was ich an Antwort bekommen habe – das ist tatsächlich sehr gut und ausführlich beantwortet worden -, mögen Sie sich bei der Exekutive beschweren. Da ist alles sehr ausführlich drin – bis auf den Bereich des Finanzministeriums, das ausweicht. Diese Zahlen und das, was da ausgerechnet wurde, habe ich Ihnen hier vorgetragen.

Nochmal: Es ist ganz klar, dass wir sagen: Behördenverlagerungen gerne dahin, wo es Sinn macht; das Finanzamt München ist genau so ein Beispiel. Den Einkommensteuerbereich kann man gut verlagern, aber nicht die Bewertungsstelle. Um es noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Wo es Sinn macht, wohin es Versetzungswünsche gibt, sehr gerne. Aber alles andere macht keinen Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Jetzt hat Staatsminister Dr. Söder das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ganze hat jetzt gerade wieder offenbart, welches Verständnis für den ländlichen Raum Sie haben. Wenn es um Großinvestitionen in München geht, gibt es keine Diskussion von der Seite. Wenn es aber um ein paar Euro für den ländlichen Raum geht, wird alles schlechtgeredet.

(Beifall bei der CSU)

So schaut’s aus. – Die GRÜNEN haben – die anderen vielleicht schon, aber nicht die GRÜNEN – null Verständnis für die Probleme und Sorgen des ländlichen Raumes in Bayern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben eine große Herausforderung; das hat der Heimatbericht diese Woche gezeigt: Bayern geht es im Grunde genommen gut, und wir haben im Vergleich zu allen anderen Bundesländern top Zahlen. Die einzige strukturelle Herausforderung ist die Demografie. Die Demografie ist ganz leicht zu erklären: Wir haben fast überall weniger Geburten als Sterbefälle; das können wir übrigens schwer durch politische Entscheidungen beeinflussen. Selbst ein Beschluss des Landtages wird das nicht auf einen Schlag verändern können. Deswegen entscheidet die Zuwanderung am Ende über die Frage der Bevölkerungsentwicklung. Die Zuwanderung kommt bei uns im Wesentlichen aus Deutschland selber, weil Menschen Heimat und Arbeitsplätze suchen. Deswegen stellt sich die Frage, wie wir die Balance zwischen Räumen extremer Verdichtung und Räumen, die nicht dieselben Möglichkeiten haben, gestalten. Dafür braucht es verschiedene Elemente, die den jeweiligen ländlichen Räumen flexibel und passgenau Hilfe bieten. Dazu gehört beispielsweise der kommunale Finanzausgleich.

Oft wird man hier kritisiert: Macht doch mal was. Dann haben wir etwas gemacht: Wir haben Stabilisierungshilfen eingeführt. Wenn ich dann einmal die Frage der Beteiligung anschaue, muss ich sagen: Es gibt kaum ein anderes Verfahren, das so transparent ist und an dem auch die kommunalen Spitzenverbände beteiligt werden und durch das so viele Gemeinden eine echte Hilfe und Unterstützung bekommen, wie beispielsweise die Stabilisierungshilfen.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Wir haben letztes Jahr um diese Zeit über drei, vier Monate alle zwei, drei Wochen die Diskussion gehabt: Bei Breitband geht ja nichts voran! Sie versprechen doch bloß; was ist denn jetzt los? Wann macht denn der Söder mal was? Der macht doch nur Show, der tut doch nichts! Da läuft doch gar nichts!

(Volkmar Halbleib (SPD): Dann macht er das, was wir seit fünf Jahren fordern! Sie waren doch bisher auch schon Mitglied der Staatsregierung, Herr Söder!)

Meine Damen und Herren, das respektiere ich, dass Sie das gesagt haben. - Ja, ja, Herr Halbleib, wir haben jetzt in einem halben Jahr geschafft, das komplett zu überarbeiten, bei der EU durchzubringen und genehmigen zu lassen;

(Volkmar Halbleib (SPD): Kaum sind zehn Jahre rum, schon passiert was!)

nach einem Jahr sind 78 % der bayerischen Gemeinden im Verfahren, und die Breitbandversorgung im

ländlichen Raum ist von 15 auf 25 % erhöht. Wer schafft denn das in Deutschland außer dem Freistaat Bayern? – So.

(Beifall bei der CSU)

Ich will nur drei oder vier Elemente erwähnen, weil sie alle dazu gehören; denn das Argument, die Behördenverlagerung allein sei es, stimmt natürlich nicht. Das ist klar. Darum sagen wir: Es gibt mehrere Elemente.