Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können stolz auf die Willkommenskultur sein, wie sie Asylbewerber und Flüchtlinge derzeit in Bayern erleben, sowohl in den Städten als auch auf dem Land. Dafür danken wir allen ganz herzlich, die sowohl im Hauptals auch im Ehrenamt dazu beitragen.
Wenn der Freistaat Bayern im gesamten ersten Halbjahr 2014 nur 165 Asylbewerber aufgenommen hätte, hätte er sich mit Sicherheit eine Menge Kritik anhören müssen, und zwar völlig zu Recht. Ich würde auch zu den Kritikern gehören; denn allein in Deutschland haben im gleichen Zeitraum – Januar bis Juni 2014 – rund 75.000 Menschen einen Asylantrag gestellt. Das sind 31,3 % aller Flüchtlinge in der EU.
Es gibt aber ein Land in Europa – das ist nicht das einzige; mit rund 11 Millionen Einwohnern ist es durchaus vergleichbar mit Bayern –, in dem tatsächlich im gesamten ersten Halbjahr des Jahres 2014 nur 165 Asylbewerber einen Asylantrag gestellt haben. Dabei handelt es sich um Portugal. Meine Damen und Herren, die Zahl von 165 aufgenommenen Asylbewerbern in Portugal entspricht 0,1 % aller Flüchtlinge in der Europäischen Union. Das ist eine verschwindend geringe Zahl. Das bedeutet, jeder Landkreis in Bayern hat im gleichen Zeitraum ein Vielfaches mehr an Asylbewerbern aufgenommen als das gesamte Land Portugal. Selbstverständlich kann man berechtigterweise einwenden, dass Portugal aufgrund seiner schwächeren Wirtschaftskraft nicht so viele Asylbewerber aufnehmen kann wie beispielsweise Deutschland und Schweden, die zusammen allein die Hälfte aller Asylbewerber innerhalb der Europäischen Union aufnehmen. Grundsätzlich ist dieses Argument nachvollziehbar. Trotzdem bleibt die zentrale Frage offen, wie viele Asylbewerber gerechterweise auf jedes einzelne europäische Land verteilt werden müssten. Die Aufnahme von lediglich 165 Asylbewerbern für ein Land mit 11 Millionen Einwohnern ist jedenfalls nicht gerecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb muss sich die Europäische Union dringend die grundsätzliche Frage stellen, wie künftig eine gerechte Verteilung der schutzbedürftigen Asylbewerber auf ihre einzelnen Mitgliedsstaaten erreicht werden kann. Neben einer naheliegenden Verteilung nach Einwohnerzahl sind auch andere Modelle denkbar. Unserer Meinung nach wäre es wünschenswert, die Wirtschaftskraft der einzelnen Aufnahmestaaten zu berücksichtigen. Nach einem solchen Verfahren – Stichwort Königsteiner Schlüssel – werden die Asylbewerber bekanntermaßen innerhalb Deutschlands verteilt. Wie krass die Diskrepanz zwischen der Einwohnerzahl und der Wirt
schaftskraft vieler Staaten in Europa im Hinblick auf die Verteilung der Asylbewerber ist, zeigen folgende beispielhafte Berechnungen.
Bitte anschließend. – Bei einem Verteilungsschlüssel nach Einwohnern hätte Portugal im ersten Halbjahr 2014 4.944 Menschen aufnehmen müssen. Das wären 2,1 %. Legt man den Verteilungsschlüssel das Bruttoinlandsprodukt zugrunde, kommt man auf 3.131 Menschen. Das wären nur 1,3 %. Wenn man beide Kriterien miteinander kombinieren würde, käme man auf 3.669 Menschen. Das wären immerhin 1,5 %. Die 165 Menschen, die Portugal, wie erwähnt, tatsächlich aufgenommen hat, sind nicht einmal 5 % dieser Summe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich stelle die Frage: Ist das gerecht?
Andere Beispiele gibt es selbstverständlich auch. Großbritannien müsste nach der Kombination beider Kriterien 13,9 % der Asylbewerber aufnehmen. Es sind aber nur 6 %. Nach Kombination beider Kriterien müsste Spanien 8,3 % der Asylbewerber aufnehmen. Tatsächlich sind es jedoch nur 0,9 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann europäische Solidarität nicht aussehen.
Mit dem zweiten Teil unseres Dringlichkeitsantrags fordern wir deshalb die Staatsregierung auf, sich auf Bundes- und Europaebene für eine gerechtere Verteilung der in die EU einreisenden Asylbewerber auf alle Mitgliedstaaten einzusetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist weder gerecht noch solidarisch, dass lediglich 5 von 28 Mitgliedstaaten über 70 % aller Flüchtlinge aufnehmen. Deshalb ist es an der Zeit, die Aufnahme der Asylbewerber endlich als gesamteuropäische Aufgabe anzupacken und sie nicht länger einigen wenigen Mitgliedstaaten zu überlassen.
Dies ist umso dringlicher, als der Flüchtlingsdruck auf Europa durch wirklich verfolgte Menschen wegen der anhaltenden Krise im Nahen Osten und der bestialischen Gewalt des IS in Syrien und im Irak sicherlich weiter steigen wird. Ich rede wohlgemerkt von in Krisengebieten verfolgten Menschen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kosovo ist ein armes Land; aber er ist kein Krisengebiet. Des
halb soll nach unserer Vorstellung der Krisenbewältigungsmechanismus nach Artikel 33 der Dublin-III-Verordnung weiterentwickelt werden. Eine Verteilung nach einem geeigneten Verteilungsschlüssel muss in diesem Sinne angestrebt werden. Ziel muss die Entlastung einzelner Mitgliedstaaten sein, die über ein gerechtes Maß hinaus überlastet sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte betonen, dass die Dublin-III-Verordnung im Übrigen unberührt bleiben soll. Insbesondere ist daran festzuhalten, dass jeweils nur ein Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Wir von der CSULandtagsfraktion sind davon überzeugt: Wenn wir weiterhin eine möglichst breite Unterstützung der Menschen in Deutschland und in den anderen EUMitgliedstaaten für die Aufnahme von Asylbewerbern erhalten bzw. erreichen wollen, müssen wir es in Zukunft schaffen, die Asylbewerber gerechter zu verteilen. Wir dürfen nicht riskieren, dass das großartige humanitäre Engagement der bayerischen Bevölkerung, auf das wir alle zu Recht stolz sein können, irgendwann als überstrapaziert empfunden wird. Schauen Sie nach Schweden. Die "SZ" berichtete erst am 9. Februar auf Seite 8 unter dem Titel "Abschied vom Willkommensland": Schweden ächzt unter dem Flüchtlingsstrom, und die Toleranz schwindet. Wollen wir solche Zustände auch bei uns? Der "Münchner Merkur" schreibt heute: "Mehr Angriffe auf Asylbewerberheime … Die Zahl rassistischer Angriffe auf deutsche Asylbewerberheime steigt dramatisch an". Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Rattenfänger, die mit Parolen wie "Das Boot ist voll" schon einmal zu hören waren, dürfen keinen Nährboden finden. Das geht auf Dauer aber nur, wenn die Menschen die europäische Asylpolitik als gerecht empfinden. Deshalb bitte ich Sie alle, dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag zuzustimmen.
Vielen Dank, Herr Kollege Huber. – Wir haben zwei angemeldete Zwischenbemerkungen, zunächst eine von Herrn Kollegen Pfaffmann.
Dazu gäbe es viel zu sagen, Herr Kollege. Ich will nur auf einen Umstand hinweisen und Sie fragen, ob Sie wissen, dass die SPD-Fraktion gestern im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen exakt das, was Sie hier fordern - nämlich eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa, eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik, eine Berücksichtigung von Wirtschaftskraft und der Größe des Landes bei der Verteilung der Flüchtlinge in Europa -, in einem Antrag gefordert hat, und ob Sie wissen, dass
Ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen exakt diesen Antrag abgelehnt haben? Wie würden Sie erklären, dass Sie am Tag vorher das ablehnen, was Sie am nächsten Tag im Plenum dieses Hauses fordern? Wie würden Sie das beurteilen? Sind Sie bereit, dieses doppelzüngige Abstimmungsverhalten zu revidieren und den Anträgen, die eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa fordern, zuzustimmen?
Herr Kollege Pfaffmann, ich habe den Antrag natürlich genau angeschaut. Ich bin zwar kein Mitglied dieses Ausschusses, bin aber extra zwischen zwei anderen Sitzungen in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie regionale Beziehungen gegangen und habe diesen Antrag sehr genau angeschaut. Die Kolleginnen und Kollegen der CSU haben ihn zu Recht abgelehnt. Sie haben in diesem Antrag für einen Ersatz des DublinSystems plädiert. Ich zitiere aus Ihrem Antrag.
- Hören Sie mir doch einmal zu! Sie haben mir eine Frage gestellt. Geben Sie mir also die Möglichkeit, Sie zu beantworten. – Wir wollen im Rahmen von Dublin III eine Weiterentwicklung. Sie wollen eine Ersetzung des bestehenden Systems. Das bekommen wir auf europäischer Ebene nicht hin. Wir sind der Auffassung, dass der grundsätzliche Mechanismus nicht infrage gestellt werden darf. Unserer Rechtsauffassung nach kann temporär im Rahmen des Artikels 33 der Dublin-III-Verordnung eine von der üblichen Asylbewerberzuteilung abweichende Verteilung hergestellt werden. Sie fordern einen Ersatz, also einen Wechsel des Systems.
Sie haben jetzt sehr ausführlich vorgerechnet, welche Zahl an Asylbewerbern Portugal hätte aufnehmen müssen, wenn ein anderer Verteilungsschlüssel bestünde. Da geben wir Ihnen recht. Das entscheidet aber leider nicht der Bayerische Landtag. Vielleicht können Sie uns kurz darüber informieren – Sie sind als CSU an der Regie
rung in Berlin beteiligt -, was eine Frau Merkel dort tut, um eine Änderung des Verteilungsschlüssels herbeizuführen, ob sie sich dort bei ihren Verhandlungspartnern nicht durchsetzen kann und sie deswegen die Unterstützung der Opposition im Bayerischen Landtag braucht. Was tut ein Kollege Weber von der CSU, Vorsitzender der EVP im Europaparlament, um diese Dinge voranzubringen?
Herr Kollege Aiwanger, ich beziehe mich auf Ihren Antrag im Vergleich zu unserem, der auch in der Formulierung fordert, dass die Staatsregierung sich auf Bundes- und Europaebene einsetzt.
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wir haben eine Kanzlerin! – Eva Gottstein (FREIE WÄH- LER): Wir sind nicht in der Verantwortung, Sie schon!)
Ich gehe nicht auf die Inhalte der Forderungen ein. Wir sind hier der Bayerische Landtag. Wir können durchaus als Legislative unsere Staatsregierung bitten oder auffordern, sich für etwas einzusetzen. Nichts anderes tun wir hier.
Vielen Dank für Ihren Redebeitrag, Herr Kollege Huber. – Die nächste Wortmeldung für die FREIEN WÄHLER kommt von Herrn Kollegen Hanisch. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich wieder von Portugal in den Freistaat Bayern zurückkommen, in den Bayerischen Landtag. Hier können wir leider Gottes nicht darüber entscheiden, welches Land wie viele Asylbewerber aufzunehmen hat. Wenn ich die Äußerung der Frau Ministerin von vorhin heranziehen darf: Sie hat gesagt, dass gigantische Herausforderungen vor uns liegen, die täglich zu bewältigen sind. Der Freistaat Bayern hat diese mit Sicherheit zu bewältigen, aber auch die Kommune draußen vor Ort, jeder Landkreis und jede Gemeinde. Das Thema ist inzwischen ein Problem für uns alle geworden. Wenn wir nicht Obacht geben, droht die Gefahr, dass die Stimmung draußen in der Bevölkerung kippt. Meine Damen und Herren, wir haben Demonstrationen und Ähnliches hinter uns. Es
Ich muss lesen, dass 50 bis 70 % der Asylbewerber, die täglich ankommen – das ist je nach Tag ein bisschen unterschiedlich -, aus dem Kosovo kommen und dass von diesen Asylbewerbern letztlich nur 0,1 % als Asylberechtigte anerkannt werden. Meine Damen und Herren, das sind Zahlen, die uns veranlassen müssen zu handeln, so menschlich verständlich es durchaus sein kann, dass der Einzelne, der in einem wirtschaftlich und politisch instabilen und perspektivlosen Land wohnt, zu uns kommen will, in das Land, das überall sehr positiv dargestellt wird. Aber es ist politisch logisch, dass wir nur dann Hilfe und Schutz geben können, wenn das Leben bedroht ist.
Meine Damen und Herren, dazu ist es erforderlich, die Spreu vom Weizen zu trennen. Dazu gehört, mehr Personal einzustellen. Das können wir in kleinen Bereichen; aber im Wesentlichen muss das durch die Bundesregierung erfolgen. Hier beantragen Sie das zwar, aber dort, wo Sie in der Regierung sind, tun Sie nichts dafür. Das können wir nicht verstehen.
Wir brauchen mehr Personal. Wir brauchen eine drastische Kürzung der Verfahrensdauer, weil die Bevölkerung draußen die langen Verfahrensdauern am wenigsten versteht. Das können wir alle nicht hinnehmen. Dann muss man das Wort "Herkunftsland" besser definieren und klarere Regelungen schaffen. Deshalb stellen wir unseren Antrag. Ich möchte die drei Punkte kurz erläutern. Wir haben als Überschrift "Flucht aus dem Kosovo – Hilfe vor Ort statt Überlastung des Asylsystems" gewählt. In unseren Augen ist die einfachste Lösung, vor Ort zu helfen. Dazu muss die wirtschaftliche Situation in den Herkunftsländern verbessert werden; wir müssen helfen, dort die Not zu lindern; wir müssen helfen, instabile Verhältnisse zu verbessern, Armut zu beseitigen bzw. zu lindern und Diskriminierung zu beenden, damit Kriminalität reduziert, Korruption vermieden und die Abwanderung gestoppt wird. – Meine Damen und Herren, das vor Ort zu tun, wäre der erste Schritt. Damit können wir sicherlich am meisten erreichen.
Zweitens. Das Kosovo soll als sicheres Herkunftsland eingestuft werden. Ich war zweimal im Kosovo und habe die Situation dort erlebt. Als ich vor einem Jahr dort war, hieß es ganz salopp: Wenn jemand vom Kosovo nach Deutschland reist und sich hier als Asylbewerber meldet, dann kann er von dem Geld, das er hier bekommt, im Kosovo die nächsten zwei Jahre leben. Meine Damen und Herren, das sind Realitäten. Damit machen Leute vor Ort Werbung. Sie organisie
ren Busse und karren die Leute an die Grenzen anderer Länder, über die sie nach Deutschland kommen, und wir wissen nicht mehr, wie wir mit dem Zustrom fertig werden. Deshalb ist unsere klare Forderung: Das Kosovo ist neben Albanien als sicheres Herkunftsland einzustufen. Es kann nicht sein, dass die Sozialleistungen in Deutschland auf diese Weise ganz gravierend missbraucht werden.
Ich habe es schon gesagt: In der Nummer drei unseres Antrags fordern wir mehr Personal und schnellere Verfahren. Das ist eine Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Das Bundesamt ist nicht in bayrischer Verantwortung. Hier muss endlich mehr getan werden. Hier kann die CSU mehr tun, weil sie in der Regierungsverantwortung steht.
Meine Damen und Herren, zu den Anträgen der CSU und der GRÜNEN werden wir uns enthalten, weil wir glauben, dass unser Antrag besser ist. – Vielen Dank.
Herr Hanisch, eine Frage: Offensichtlich gibt es unterschiedliche Meinungen in Ihrer Fraktion. Als Rednerin war ursprünglich Ihre sozialpolitische Sprecherin Frau Gabi Schmidt vorgesehen. Aus welchen Gründen sie jetzt nicht spricht – –