Dieser Natur sind die rechtlichen Hilfskonstruktionen, die sich die Kommunalverwaltung einfallen lassen muss, um selbst den offensichtlichsten, menschenunwürdigsten Zuständen ein Ende zu setzen. Man könnte gratulieren, wenn das Ganze nicht so empörend wäre. Gottverlassen ignorant könnte man sagen: Willkommen in der Realsatire! Da müssen erst die Matratzen gezählt werden! Was noch? Die Wanzenpopulation im Verhältnis zur Quadratmeterzahl des Flurstücks? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, der Gesetzgeber, haben es in unserem Deregulierungswahn versäumt, verbindliche Mindeststandards für menschenwürdiges Wohnen zu setzen, wie sie in einem Wohnraumaufsichtsgesetz geregelt sein sollen.
Erst seit der Abschaffung des bayerischen Wohnungsaufsichtsgesetzes sind die Kommunen gezwungen, solche – man kann es nicht anders bezeichnen waghalsigen Ersatzkonstruktionen aus anderen gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen zu basteln, weil eine klare einzelgesetzliche Grundlage fehlt. Daher glaubt die SPD, es ist hohe Zeit, wieder ein Wohnraumaufsichtsgesetz zu erlassen.
Nun könnte man sich hinstellen und sagen - ich bin sicher, dass wir dieses Argument gleich wieder im Saal hören werden -: Das war doch nur ein spektakulärer Einzelfall, wie er nur in München mit seiner Wohnungsnot vorkommen kann. - Wer aber so argumentiert, der greift zu kurz. Das Fachgespräch im Sozialausschuss hat nämlich bewiesen: Solche Fälle gibt es in ganz Bayern. Der Städtetag berichtete von Vorkommnissen in Nürnberg und Erlangen, die Oberste Baubehörde bestätigte Fälle in Erding, Vaterstetten und Regensburg. Das sind Einzelfälle, gewiss. Ich behaupte, nein, ich sage Ihnen voraus: Wir werden nicht lange darauf warten müssen, bis es mehr werden. Warum? - Weil Bayern boomt. Wenn Sie die Liste der, wohlgemerkt, bekannt gewordenen Fälle von Erding bis Erlangen betrachten, dann sehen Sie, dass die bayerischen Metropolregionen betroffen sind. Zwar ist Regensburg noch keine Metropolregion, hat aber als Universitätsstandort schon in den letzten Jahren Miet
zuwächse von über 60 % aufzuweisen. Bayern boomt, und wenn die Bayerische Staatsregierung die Energiewende nicht völlig versemmelt, dann wird das auch so bleiben, und das ist gut so. Das ist übrigens ein Erfolg, den sich nicht allein die CSU aufs Panier schreiben kann, sondern das ist auch die erfolgreiche Kommunalpolitik der SPD.
Bayern boomt, daher sagen alle Prognosen bis 2023 einen erheblichen Bevölkerungszuzug voraus, und zwar nicht nur nach München, sondern in alle wirtschaftlich prosperierenden Regionen des Freistaats. Ich sage Ihnen hier und heute auch voraus: Dann wird sich das geschilderte Problem nicht nur auf Nürnberg oder München beschränken. Es wird Elendsunterkünfte in Ingolstadt geben, in Würzburg, in Deggendorf, in Augsburg, eben überall dort, wo sich die Menschen Arbeit erhoffen. Die in den genannten Städten bereits heute zum Teil drastischen Mietpreissteigerungen sind das erste Anzeichen für eine solche Entwicklung.
Die finanzielle Situation der Kommunen ist uns natürlich bekannt. Daher fordert die SPD schon seit Jahren eine bessere Finanzausstattung der Gemeinden. Das werden wir auch in Zukunft tun. Darauf können sich die Kommunen verlassen. Bei allem Verständnis für die beklagenswerte Situation der Kommunen ist sie aber kein Argument gegen die Wiedereinführung des Wohnraumaufsichtsgesetzes. Die Wohnungsaufsicht ist schon jetzt, auch ohne dieses Gesetz, Aufgabe der Gemeinden. Einen entsprechenden Auftrag zur Ausübung der Wohnungsaufsicht enthält die Bayerische Verfassung in Artikel 83. Da kommen die Gemeinden auch nicht aus.
Wir sind daher der Meinung, dass der vorliegende Entwurf, sollte er Gesetz werden, nicht konnexitätsrelevant ist. Sie, meine Damen und Herren, können sich jetzt entscheiden, ob Sie den Kommunen für den ohnehin verfassungsrechtlich gebotenen Vollzug der Wohnungsaufsicht eine belastbare Richtschnur vorgeben, also ob Sie ihnen standardisierte und klare Regelungen für eine effektive Verwaltungstätigkeit an die Hand geben, oder ob Sie die kommunalen Verwaltungen weiter im Trüben stochern lassen, in rechtlichen Grauzonen, wo Matratzen gezählt werden, bis Leib und Leben in Gefahr sind.
Wenn jetzt noch jemand mit dem Argument kommt, die Kommunen haben zu wenig Personal, um dieses Gesetz auch vollziehen zu können, dann sei dem die Frage gestellt, ob es nicht schneller geht, in einem Gesetzwerk nachzuschlagen, als mit viel Hirnschmalz aus einer Vielzahl von Vorschriften in diversen Geset
Meine Damen und Herren, wir haben in der Expertenanhörung auch gehört, dass diejenigen, um die es hier geht, die in prekären Wohnverhältnissen mit einer lebensgefährdenden Stromversorgung leben, mit selbstverlegten Kabeln und feuchten Wänden, aufgrund der Erfahrung in ihren Heimatländern so wenig Vertrauen in Behörden und öffentliche Institutionen haben, dass sie noch nicht einmal die kostenlose Mieterberatung der Landeshauptstadt München in Anspruch nehmen. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch das letzte Argument gegen das Wohnraumaufsichtsgesetz entkräftet, nämlich jenes, dass die Betroffenen das Recht der Zivilklage hätten. Wer so zu wohnen in Kauf nimmt, der gibt das sauer verdiente, wenige Geld nicht für einen Anwalt aus.
Insgesamt hat mich die Expertenanhörung am 5. Februar von einem überzeugt: Ein Wohnungsaufsichtsgesetz ist heute mehr denn je notwendig.
Abschließend möchte ich Sie, meine Damen und Herren, noch an eines erinnern: Es geht hier nicht um Staatspartei oder Opposition, es geht hier nicht um das übliche politische Platzhirschgehabe, für das unsere Bürgerinnen und Bürger schon lange kein Verständnis mehr haben. Es geht um ein Menschenrecht. Lassen Sie mich deshalb zum Abschluss die Bayerische Verfassung, Artikel 106 Absatz 1 zitieren: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, seien Sie nicht nur sozial, sondern handeln Sie christlich!
Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation in notdürftigen Unterkünften mit baulichen Mängeln, mit hohen Mietzinsen oder wie immer man das bezeichnen will, was da verlangt wird, ist eine Verletzung nicht nur der Wohnungskultur in diesem Land, sondern sie ist menschenverachtend und gehört nicht in unsere soziale Ordnung. Deswegen muss man diese Aktivitäten von Geldschneidern auf das Entschiedenste zurückweisen. Man muss Handlungen in diese Richtung entschieden bekämpfen. Wir haben deshalb nach einem Antrag der SPD-Fraktion im sozialpolitischen Ausschuss ein Fachgespräch durchgeführt. Daran haben Vertreter der Kommunen wie auch der kommunalen Spitzenverbände teilgenommen. Anwesend war auch die Sozialreferentin der Landes
hauptstadt München, sozusagen als Vertreterin der Wohnungsaufsicht. Auch Vertreter der Haus- und Grundbesitzervereinigung waren anwesend, ebenso Vertreter der Bayerischen Staatsregierung und der Mieterverbände.
Ohne den Beratungen in den Ausschüssen vorgreifen zu wollen, denn dort sollte im Detail und inhaltlich über den Gesetzentwurf gesprochen werden, muss ich sagen: Mir scheint, Sie sind auf einer ganz anderen Veranstaltung gewesen als ich. Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, dass eine überwiegende Mehrheit der Teilnehmer des Fachgesprächs ein solches Gesetz nicht will. Das heißt nicht, dass wir nicht alle Bemühungen und Bestrebungen aufgreifen sollten, um solche Zustände zu vermeiden. Im Gegenteil, das ist unsere Verpflichtung, unsere ordnungs-, unsere wohnungs-, unsere gesellschaftspolitische und unsere sozialpolitische Verpflichtung. Wenn jemand auf Kosten von Menschen in Notsituationen ausbeuterisch tätig ist, dann muss das unsere gemeinsame Verachtung finden, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Rotter hat im Jahr 2004 als wohnungspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion die Aufhebung des Wohnungsaufsichtsgesetzes begründet. Sie haben gesagt, es gebe andere Instrumente. Wenn es aber nur vier oder fünf konkrete Fälle gibt, die als Fallgrundlagen bayernweit vorhanden sind, und zwar in einem langen Zeitraum, dann muss man sich doch fragen, ob ein Gesetz der richtige Weg ist, um eine Entwicklung tatsächlich wirksam zu bekämpfen.
Das beste Mittel ist – darüber sollten wir uns einig sein –, Wohnungsbaumaßnahmen in den Kommunen mit absoluter Priorität zu versehen, das heißt, den Wohnungsbau an die erste Stelle zu setzen. Trotz aller sonstigen Maßnahmen, die zum Mieterschutz erforderlich sind, bleibt es dabei, dass Wohnungsbau der beste Mieterschutz ist. Dieser muss in der Kommunalpolitik wie in der Landespolitik Priorität haben.
(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Deswegen hat die CSU die Staatswohnungen verkauft? Super!)
Aus den genannten Gründen müssen wir über den Gesetzentwurf sehr kritisch in den Ausschüssen beraten. Die Anhörung hat gezeigt, dass bereits die heutige Rechtslage Möglichkeiten bietet, gegen Missstände ordnungsrechtlich vorzugehen. Insoweit verweise ich auf die Bayerische Bauordnung, das Landesstrafund Verordnungsgesetz und die Zweckentfremdungsverordnung. Wir verfügen also über ein Bündel von
Meine Damen und Herren, ich halte es für notwendig, dass wir offen und ehrlich analysieren, woran es liegt, dass die vorhandenen Instrumente nicht ausreichend genutzt werden. Diese Frage stellt sich umso mehr, als diese Instrumente den Haus- und Grundbesitzern, den Mietervereinen und vor allen Dingen der Wohnungsaufsicht, bis hin zur Obersten Baubehörde, bekannt sind. Es ist sicherlich auch im Rahmen des bestehenden Rechts möglich, intensiver durchzugreifen. Darauf sollten auch wir unser Augenmerk legen.
Kolleginnen und Kollegen, die Verantwortung dafür, wie die Wohnungsaufsicht gehandhabt wird, liegt bei den Kommunen. Wenn eine Kommune nicht in der Lage ist, die Wohnungsaufsicht umfassend und rasch auszuüben, dann hilft auch ein solches Gesetz nicht. Die Kommunen müssen die Prioritäten richtig setzen, damit sie eine entsprechende Personalausstattung haben. Das ist auch in der Kommunalpolitik notwendig.
Die Expertenrunde im Sozialausschuss hat verdeutlicht, dass insbesondere die kommunalen Spitzenverbände ein solches Gesetz nicht als zielführend bzw. nicht als tauglich ansehen, um prekären, zum Teil dramatischen Wohnverhältnissen entgegenzuwirken. Wenn die Vertreter des Bayerischen Städtetages, des Bayerischen Landkreistages und des Bayerischen Gemeindetages übereinstimmend feststellen, dass dieser Weg nicht beschritten werden sollte, dann muss uns das zu denken geben.
Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, welche Erwartungshaltung wir mit der Verabschiedung eines solchen Gesetzes wecken würden. Wir wissen doch, dass die Kommunen nicht entsprechend ausgestattet sind. Auch deshalb ist ein solches Gesetz möglicherweise der falsche Weg. Über die inhaltlichen Details sollten wir in den Ausschüssen beraten. Ziel muss es sein, einen Weg zu finden, prekären Mietverhältnissen erfolgreich entgegenwirken zu können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn es prekäre Wohnverhältnisse gibt, müssen wir etwas dagegen tun. Das ist auch uns völlig klar. Die Frage ist, welches Instrument dafür genutzt werden sollte. Darum dreht sich letztlich die gesamte Diskussion.
Brauchen wir tatsächlich ein neues Gesetz? Wir müssen konstatieren, dass vor zehn Jahren die Abschaffung des damaligen Wohnungsaufsichtsgesetzes als Meilenstein des Bürokratieabbaus gefeiert wurde. Heute aber wird ein neuer Anlauf unternommen. Wir müssen schon fragen, warum.
Auch wir kennen die Zustände, die schon zutreffend geschildert worden sind. Das Haus in Kirchtrudering wurde als "Elendshaus" bezeichnet. Es gab aber auch Fälle in Regensburg und Nürnberg. Dort wurden Notsituationen von Menschen gezielt ausgenutzt. Opfer waren oft Arbeitsmigranten aus Mittel- und Osteuropa.
Auf der Grundlage von Artikel 83 der Bayerischen Verfassung - die Vorredner haben schon darauf verwiesen - kann man durchaus vorgehen. Die Behörden sind allerdings darauf angewiesen, dass ihnen entsprechende Fälle gemeldet werden. In München stellt sich zusätzlich die Frage, wo die Menschen dann untergebracht werden sollen.
Auch ich war bei dem Fachgespräch am 5. Februar 2015 anwesend. Wenn sich sowohl der Bayerische Städtetag als auch der Bayerische Gemeindetag gegen eine solche gesetzliche Regelung aussprechen - Herr Unterländer hat es gesagt -, dann müssen wir das zumindest aufnehmen und uns Gedanken machen. Der Vertreter des Gemeindetages sagte ganz klar, dass kleine bayerische Gemeinden mit dem Vollzug eines solchen Gesetzes überfordert wären. Übereinstimmend wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine neue gesetzliche Regelung ein stumpfes Schwert wäre.
Die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und der Baubehörden – auch sie waren anwesend – waren sich einig, dass es keines neuen Gesetzes bedürfe. Es verursache zu viel Bürokratie; zudem fehle es an Personal. Letzteres ist ein entscheidender Punkt: Wenn man schon Instrumente hat, aber zu wenig Personal, dann muss man das Personal verstärken. Es reicht jedenfalls nicht aus, ein neues Gesetz von oben aufzupfropfen.
nungen zu überwachen und einzuschreiten, sofern konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit vorhanden sind. Das Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum eröffnet den Gemeinden eine weitere Möglichkeit, gegen Missstände vorzugehen. Die Stadt München hat eine Satzung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erlassen. Nach § 13 Absatz 3 der Satzung kann die Stadt, wenn Wohnraum unbewohnbar geworden ist, eine Instandsetzung anordnen. Da das mit dem bestehenden Instrumentarium möglich ist, fragen wir: Warum brauchen wir dann ein neues Gesetz?
Das Landesstraf- und Verordnungsgesetz enthält einen Artikel, der die Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Sicherheitsbehörden ermächtigt, Anordnungen zu treffen, um konkrete Gefahren abzuwenden oder Störungen zu beseitigen, wenn Leben oder Gesundheit bedroht sind. Es gibt also schon entsprechende Instrumente. Wir können aber durchaus überlegen, wie wir sie noch verbessern können, und sollten auf ihre intensivere Nutzung hinwirken. Das ist der Punkt.
Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, es ist sicherlich auch für Sie interessant, nach Baden-Württemberg zu schauen. Auch dort wird zurzeit die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes überprüft. Von der SPD in Baden-Württemberg ist zu hören, man prüfe derzeit, ob ein neues Gesetz tatsächlich wirksam wäre, um gegen Ausbeutung von Mietern vorzugehen.
(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Wir in Bayern sind halt schneller als die baden-württembergischen Kollegen!)
Die GRÜNEN in Baden-Württemberg sagen, ein solches Gesetz komme nur in Betracht, falls sich zeigt, dass die Kommunen ihre Möglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft haben.
Die FDP – in Bayern gibt es sie nicht mehr; in BadenWürttemberg scheint es sie noch zu geben – spricht von einer neuen Wohnungsbaupolizei.
Selbst der Mieterbund, der dem Gesetz grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberstehen müsste, gibt sich in Baden-Württemberg skeptisch. Er sagt, zur Umsetzung des Gesetzes brauche man viel Personal. Aber gerade da hakt es hier.
Wir sollten zunächst einmal prüfen, welche Gesetze und Verordnungen bereits vorhanden sind, und darüber beraten, wo mehr Personal gebraucht wird, an