Protokoll der Sitzung vom 03.03.2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Plätze einzunehmen. Ich eröffne die 39. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Starke Frauen für ein starkes Bayern geschlechtergerechte Gesellschaft jetzt verwirklichen!"

Über die Regeln der Aktuellen Stunde brauche ich Sie nicht im Einzelnen zu informieren; sie sind in der Geschäftsordnung festgehalten. – Ich beginne mit den Wortmeldungen. Erste Rednerin ist die Frau Kollegin Dr. Strohmayr von der SPD. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein die Anwesenheit der CSU-Fraktion zeigt mir, welche Wichtigkeit das Thema Frauen für die CSU hat.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir feiern am 8. März dieses Jahres, also in wenigen Tagen, den 104. Internationalen Frauentag. Ich möchte diesen geschichtsträchtigen Tag nützen, um auf die Lebensrealität von Frauen in Bayern hinzuweisen.

Bei seinem Amtsantritt hat sich Horst Seehofer als der große Frauenförderer dargestellt. Vollmundig hat er erklärt, die CSU müsse weiblicher werden. Das Jahr 2011 hat er sogar zum Jahr der Frau erklärt. Was ist daraus geworden, Herr Seehofer? Was ist daraus geworden, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU?

Auf der Suche nach Frauen scheinen Sie fast ausschließlich Männer zu finden. Unter den 101 CSU-Abgeordneten hier im Bayerischen Landtag finden sich gerade einmal 21 Frauen – magere 20,7 %. In der 16. Legislaturperiode waren es gerade einmal 19 Frauen von 92, also magere 20,1 %. Die CSUFraktion konnte damit ihre Frauenquote in fünf Jahren um 0,6 Prozentpunkte verbessern. Gratulation, Herr Seehofer!

Nicht viel besser sieht es in der Staatsregierung aus. Von 17 Posten sind gerade einmal 5 an Frauen gegangen, magere 27 %. Man kann feststellen: Frauenförderung unter Horst Seehofer findet allenfalls in Sonntagsreden statt. So ist es auch nur konsequent, dass 2013 bei der Neugestaltung des Ressorts der Zusatz "Frauen" aus dem Namen des Sozialministeriums gestrichen wurde.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

So unwichtig war anscheinend das Betätigungsfeld "Frauen und Gleichstellung", dass es im Namen nichts mehr zu suchen hatte. Und so ist es auch nur konsequent, dass in der Vergangenheit Personal aus dem Sozialministerium, Ressort Gleichstellung, abgezogen und in die Staatskanzlei gesteckt wurde. So unwichtig waren anscheinend die Vorhaben, der Gleichstellungsbericht oder die Überarbeitung des Gleichstellungsgesetzes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Bayerisches Gleichstellungsgesetz ist längst in die Jahre gekommen. Es gilt seit 1996 und ist dringend reformbedürftig. Wir hinken hier weit hinter dem Bund und den anderen Bundesländern hinterher. Ein Gleichstellungsbericht nach dem anderen macht deutlich, dass das Gesetz ein zahnloser Papiertiger ist und viel zu wenig Wirkung hat. So erklären sich auch die Zahlen hier in Bayern. In der Staatskanzlei gibt es gerade einmal 23 % Frauen in Führungspositionen.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Die Amtsche- fin der Staatskanzlei ist eine Frau, die erste in der Geschichte!)

- Ich habe hier die Funktionsämter ab der Referatsleitung aufwärts.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Die Amtsche- fin der Staatskanzlei ist eine Frau!)

Mag sein; aber eine Frau, sehr geehrter Herr Seehofer, macht keine Frauenförderung.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Eine Frau macht keine Frauenförderung! Jetzt wird er ein bisschen rot, der Herr Seehofer!)

Im Staatsministerium des Innern, Herr Seehofer, sind 21 % Frauen in Führungspositionen, und in der Obersten Baubehörde – Herr Seehofer, hören Sie gut zu! – sind gerade einmal 12,8 % Frauen in Führungspositionen.

Ganz ähnlich sieht es im Übrigen in den Beteiligungsunternehmen aus, also in den Unternehmen, an denen der Freistaat Bayern beteiligt ist. Seit Jahren

bewegt sich in der Führungsetage dieser Unternehmen gar nichts. In der Geschäftsführung und im Vorstand waren 2014 von 110 Führungskräften lediglich 14 weiblich. Das war eine Frau mehr als im Vorjahr und übrigens keine einzige mehr als 2012. Ganz ähnlich sieht es in den Aufsichtsgremien aus. Von 110 Aufsichtsräten waren gerade einmal 17 Frauen. Auch hier konnten wir kaum eine Steigerung verbuchen.

In den letzten Jahren hat sich also hier in Bayern so gut wie gar nichts geändert. Es wird deutlich: Die Chancengleichheit von Frauen steht unter Seehofer in Bayern auf verlorenem Posten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Das geltende Bayerische Gleichstellungsgesetz hat die Gleichstellung der Frauen im öffentlichen Dienst nicht entscheidend vorangebracht. Dabei hat gerade der öffentliche Dienst Vorbildfunktion. Wie sollen wir die Wirtschaft für Geschlechtergerechtigkeit begeistern, wenn Frauen nicht einmal im öffentlichen Dienst gefördert werden? Auch 19 Jahre nach Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes durch den Bayerischen Landtag kann von gleichen Chancen für Frauen und Männer hier in bayerischen Ämtern und Behörden leider nicht die Rede sein.

Wir fordern deshalb eine Reform des Gleichstellungsgesetzes. Wir brauchen die Erweiterung des Gleichstellungsgesetzes auf einen weiteren Geltungsbereich. Es muss zum Beispiel auch für die Beteiligungsunternehmen gelten. Wir brauchen eine Aufforderung an die Unternehmen der Privatwirtschaft, dass die Grundsätze des Gleichstellungsgesetzes auch dort Anwendung finden. Wir müssen die Gleichstellungsbeauftragten besser ausstatten; wir müssen sie freistellen, damit sie ihren Tätigkeiten wirkungsvoll nachkommen können. Wir brauchen in allen Laufbahnen, Berufsfachrichtungen, Leitungsebenen und Funktionsstellen eine Quotenregelung. Bei gleicher Qualifikation läge sie idealerweise bei 50 %.

(Beifall bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass der öffentliche Dienst in Bayern weit hinter dem zurückbleibt, was in Berlin beschlossen wurde. Auf Bundesebene hat man die Quote für Aufsichtsräte und den öffentlichen Dienst des Bundes beschlossen, und in Bayern bleibt alles beim Alten. Das kann doch nicht sein!

(Beifall bei der SPD)

Vor allem fordern wir auch einen aussagekräftigen Bericht vom Freistaat Bayern, aus dem hervorgeht, ob

die Dienststellen ihren Verpflichtungen nachkommen, und ob sich die Gleichstellung von Männern und Frauen im Freistaat wirklich verbessert hat. Es ist unglaublich: Der letzte Gleichstellungsbericht wurde 2011 für den Zeitraum 2005 bis 2009 vorgelegt. Angeblich soll jetzt der Fünfte Gleichstellungsbericht Ende dieses Jahres erscheinen - also fast fünf Jahre später. Aussagekräftiges, aktuelles Zahlenmaterial liegt damit nicht vor.

Ich frage mich: Will die Staatsregierung hier vertuschen, dass wir auf der Stelle treten? Ich finde, das ist ein Skandal! Wer es ernst meint mit Gleichstellung, muss Zahlen erheben und Entwicklungen darstellen. Der Gleichstellungsbericht muss alle zwei bis drei Jahre erscheinen; das ist für mich unabdingbar.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kollegen der CSU, ich möchte Sie ganz explizit ansprechen: Gleichstellung ist das effektivste Mittel, Frauenarmut auch hier bei uns im reichen Bayern zu bekämpfen. Frauen machen hier nämlich die besseren Schulabschlüsse, und trotzdem arbeiten sie häufiger im Niedriglohnbereich,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

trotzdem schaffen Frauen seltener den Sprung in die Führungsebene, und trotz besserer Schulabschlüsse haben Frauen ein höheres Armutsrisiko als Männer. Ja, Armut in Bayern ist weiblich; besonders alleinstehende Frauen, alleinerziehende oder ältere Frauen sind betroffen.

Ich habe letztes Wochenende beobachtet, wie eine ältere Frau im benachbarten Supermarkt die Abfalleimer durchwühlte. Mich wundert das nicht.

(Zurufe von der CSU)

Frauen haben im Freistaat durchschnittlich 530 Euro Rente zur Verfügung.

(Lachen und Unruhe bei Abgeordneten der CSU)

- Da brauchen Sie gar nicht zu lachen! – Männer haben fast das Doppelte, nämlich durchschnittlich über 1.000 Euro zur Verfügung.

Aber damit nicht genug, liebe Frauen. Der Gipfel der Ungerechtigkeit ist die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen hier in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

In Bayern gibt es zwischen den Geschlechtern eine Lohndifferenz zulasten der Frauen in Höhe von 26 %. Was heißt denn das? - Das heißt, dass wir Frauen

durchschnittlich um ein Viertel länger arbeiten müssen, um das gleiche Geld zu verdienen. Liebe Kolleginnen, das können wir doch nicht hinnehmen! Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz, wie es jetzt im Bund von der SPD vorgelegt wurde. Ich kann Sie nur auffordern: Fassen Sie Mut, stimmen Sie diesem Gesetz zu, damit wir endlich auch in diesem Bereich Verbesserungen erzielen!

(Beifall bei der SPD)

Damit bin ich am Ende meines Beitrags. Ich möchte mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Dr. Ute Eiling-Hütig von der CSU das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Strohmayr, nur ein kurzer Einschub: Was die Anwesenheit anbelangt – da werde ich jetzt vielleicht doch einmal etwas persönlich -: Wir arbeiten und reden nicht nur.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Hier ist die Arbeit! – Zuruf von der SPD: Unverschämtheit! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)