Protokoll der Sitzung vom 11.03.2015

Wir kommen nun zu den namentlichen Abstimmungen über die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 17/5664 und 17/5665.

Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf der Drucksache 17/5664 abstimmen. Die Urnen sind bereitgestellt. Ich eröffne die Abstimmung. Sie haben fünf Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 15.48 bis 15.53 Uhr)

Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir in der Sitzung fortfahren können. - Bitte nehmen Sie Ihre Plätze wieder ein! Es folgt noch eine weitere Abstimmung. Ich kann nicht fortfahren, solange noch so viele Menschen nicht auf Ihren Plätzen sitzen. – Danke schön.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/5665 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion. Auch diese wird in namentlicher Form durchgeführt. Sie haben drei Minuten Zeit. Ich eröffne die Abstimmung. Bitte schön.

(Namentliche Abstimmung von 15.55 bis 15.58 Uhr)

Die drei Minuten sind um. Ich schließe die Abstimmung. Das Ergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Peter Winter u. a. und Fraktion (CSU) Arbeitsplatzfreundliche Erbschaftsteuer für Familienunternehmen (Drs. 17/5649)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Mütze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erbschaftsteuer gerecht gestalten (Drs. 17/5652)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Bernhard Pohl u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Erbschaft- und Schenkungsteuer abschaffen (Drs. 17/5668)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Dr. Linus Förster u. a. und Fraktion (SPD) Verfassungsgemäße und bundeseinheitliche Ausgestaltung der Erbschaftsteuer - Keine Steueroase Bayern für Superreiche! (Drs. 17/5669)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Unser erster Redner ist der Kollege Fackler. Bitte schön, Herr Fackler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal zwingt uns das Bundesverfassungsgericht zu einer Änderung des Erbschaftsteuergesetzes. Die vorgelegten Eckpunkte zur Erbschaftsteuerreform seitens des Bundesfinanzministeriums sind enttäuschend. Enttäuschend sind sie aus politischer Sicht, und sie haben auch in Wirtschaft und Beraterschaft für Aufregung gesorgt. Unter dem Begriff "erben" verstehen wir nicht nur den Übergang von Vermögenswerten wie Immobilien oder Geld an die nachfolgende Generation. Erben hat auch etwas mit Respekt und Verantwortung zu tun. Unsere vielen Familienunternehmen in Bayern sind ein gutes Beispiel dafür.

Über Generationen aufgebaut und weiterentwickelt – der unternehmerische Mittelstand hat sich zum Innovations- und Wirtschaftsmotor bei uns entwickelt, er ist das Rückgrat unserer Volkswirtschaft und stellt jede Menge Arbeitsplätze. Der Mittelstand hat einen

großen Anteil am Wohlstand und sozialen Frieden. Familienbetriebe sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe haben nicht den kurzfristigen Erfolg im Blick, sondern richten ihre Unternehmensstrategie langfristig aus. Sie sind standorttreu und arbeitnehmertreu. Das sorgt auch bei den Beschäftigten für Stabilität und wirtschaftliche Sicherheit.

(Beifall bei der CSU)

Wir von der CSU wissen das zu schätzen. Deshalb ist es gerade in der derzeitigen Diskussion um die Erbschaftsteuer wichtig, dass die Verdienste der Unternehmen vor Augen geführt werden. Wir müssen uns vehement dafür einsetzen. Das wollen wir mit unserem Dringlichkeitsantrag unterstreichen.

Unser Fraktionsvorsitzender Thomas Kreuzer hat das heute Morgen in seiner Pressemitteilung auf den Punkt gebracht: Wir brauchen eine arbeitsplatzfreundliche Erbschaftsteuer für unsere Familienunternehmen. Die Erbschaftsteuer ist eine Steuer auf die Substanz. Das sind Werte, die bereits einmal versteuert wurden. Familienunternehmen dürfen auch in Zukunft keine Wettbewerbsnachteile durch die Erbschaftsteuer haben. Betriebe müssen ohne Existenzbedrohung an Kinder übergeben werden können. Wir müssen neue Unsicherheiten vermeiden. Wir müssen das Schutzinteresse der Unternehmen berücksichtigen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.

Die Signale, die von unserem sonst so geschätzten Bundesfinanzminister ausgehen, sind fatal. Minimale Änderungen wurden angekündigt – herausgekommen sind Unsicherheiten. Die Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums verfolgen in erster Linie fiskalische Zwecke. Offenbar sieht man im Vorgang der Vererbung von Familienbetrieben eine große Einnahmequelle. Aus unserer Sicht liegt an dieser Stelle ein Denkfehler vor. Selbstverständlich liegt der Erbschaftsteuer auch der Grundsatz der Umverteilung zugrunde. Dieser mag bei der Vererbung von Aktien, Immobilien oder Geldvermögen gerechtfertigt sein, jedoch nicht bei Betriebsvermögen oder land- oder forstwirtschaftlichen Vermögen. Diese eignen sich nicht für die Umverteilung; denn bei den Betrieben geht es um etwas anderes. Die Firmen und ihre Ideen müssen fortgeführt werden, um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und von Arbeitsplätzen zu gewährleisten.

(Beifall bei der CSU)

In den kommenden Jahren stehen 350.000 Arbeitsplätze vor Betriebsübergaben. Für all diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen wir politische Verantwortung. Deshalb sehen wir das Erbschaftsteuerrecht als wirtschaftspolitisches Handlungsfeld und nicht als fiskalpolitisches Instrument zur Umverteilung. Kurz

um: Wir lassen unseren unternehmerischen Mittelstand nicht allein. Wir haben klare Vorstellungen. Im Mittelpunkt steht für uns, dass es weiterhin eine erbschaftsteuerfreie Übertragung von Unternehmensvermögen auf die kommende Generation geben muss. Deshalb müssen Spielräume genutzt werden, die unser Fünf-Punkte-Plan vorsieht. Dabei handelt es sich um spezielle Korrekturen und keine scharfen Vorgaben.

Erstens. Es darf keine Nachteile für Betriebe und deren Eigentümer geben. Im Gesetz muss als Ziel verankert werden, dass mittelständische familiengeprägte Unternehmensstrukturen erhalten werden.

Zweitens. Wir wollen keinen Systembruch. Was bitte ist eine Bedürfnisprüfung? Warum soll vorhandenes Privatvermögen in einen Betriebsübergang einbezogen werden?

(Beifall bei der CSU)

Warum ist für das Bundesfinanzministerium schon ab einer Grenze von 20 Millionen Euro Schluss? Das Bundesverfassungsgericht hat eine Grenze von 100 Millionen Euro vorgeschlagen. Warum gibt es eine Freigrenze und keinen Freibetrag? Dies alles führt aus meiner Sicht zu einer ungerechten Verzerrung, weil vor allem sparsame Erben oder Beschenkte im Vergleich zu Vermögenslosen benachteiligt werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen keine indirekte Vermögensteuer. Wir wollen eine volle Steuerbefreiung, wenn der Betrieb fortgeführt wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Drittens. Wir wollen Praktikabilität und Schutz für kleine Unternehmen. Nicht der Unternehmenswert darf entscheiden, sondern die Anzahl der zu schützenden Arbeitsplätze muss für die Befreiung vom Lohnsummennachweis maßgebend sein.

Viertens. Wir wollen keine neue Bürokratiewelle. Die bisherige Definition von Verwaltungsvermögen muss beibehalten werden, weil sie sich bewährt hat. Das wurde auch vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Wir brauchen keine neuen Probleme oder neuen Fragen, vor allem nicht für die Beraterschaft.

(Volkmar Halbleib (SPD): Sie schaffen neue Probleme!)

- Wir schaffen keine neuen Probleme, wenn wir das nicht machen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Was Sie vorschlagen, ist verfassungswidrig!)

- Das stimmt doch nicht. Herr Halbleib, das wissen Sie genau. Lassen Sie das überprüfen.

Fünftens. Wir wollen die Erbschaftsteuer zur Ländersache machen.

(Beifall bei der CSU)

Wir streben eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer an: höhere Freibeträge und niedrigere Steuersätze in Bayern. Wir als Landtag sollen bei der Erbschaftsteuer mitreden und entscheiden können.

(Volkmar Halbleib (SPD): Für die Superreichen!)

Herr Halbleib, das bedeutet, mehr Mitsprache, mehr bayerische Interessen sowie die Entlastung bayerischer Unternehmer. Was spricht eigentlich dagegen? Schließlich geht es um Ländereinnahmen. Wettbewerb ist immer etwas Positives. Im Übrigen geht es bei der Gewerbe- und der Grundsteuer auch auf kommunaler Ebene. Die Grunderwerbsteuer auf Länderebene ist ebenfalls möglich.

Wir wollen keine Rückwirkung. Rückwirkend darf es nicht zu einer verschärften Versteuerung und Belastung der Unternehmerinnen und Unternehmer kommen. Die Familienunternehmen brauchen bis zu einer neuen Regelung Rechtssicherheit. Deshalb streben wir eine zügige und mittelstandsfreundliche Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an, vor allem im Interesse der Länder. Deshalb muss überarbeitet und verbessert werden. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Die anderen Anträge werden wir ablehnen, weil wir die Forderung nach Abschaffung der Erbschaftsteuer für unseriös halten. Das ist reiner Populismus.

(Lachen bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN – Volkmar Halbleib (SPD): Das sagt die CSU!)

Die Regionalisierung wird von uns vorgeschlagen. Umverteilung sieht für uns anders aus. Hinsichtlich dieser Fragen haben wir großes Vertrauen, vor allem in unseren eigenen Reformvorschlag. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Fackler – Als Nächstem gebe ich Herrn Kollegen Mütze das Wort. Bitte schön.

(Vom Redner nicht autori- siert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Erbschaftsteuer halten wir für so

wichtig, dass wir namentliche Abstimmung zu unserem Antrag beantragen.

Lieber Kollege Fackler, ich finde das gut. Wir haben schon öfter erlebt, dass die CSU in Bayern als Tiger gestartet und in Berlin als Bettvorleger gelandet ist. Das wird bei diesem Thema ebenfalls der Fall sein, weil sie sich im Bund nicht nur gegen die SPD durchsetzen müssen, sondern sich auch mit ihrem eigenen konservativen Finanzminister anlegen müssen. Viel Spaß dabei!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es passiert nicht oft, dass ich den Bundesfinanzminister lobe. In diesem Fall muss ich das jedoch tun. Der Bundesfinanzminister hat einen Entwurf vorgelegt, der das Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickelt und achtet, der die Anmerkungen des Bundesverfassungsgerichts umsetzt und Betriebsübergänge weiter ermöglicht.

Was kommt heute von der CSU, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Es ist sehr auffällig, dass die konkreten Forderungen in der Begründung stehen. Das habe ich selten so erlebt. Offenbar hat Sie beim Formulieren Ihres Antrags der Mut verlassen. Die Begründung ist nicht Gegenstand der Entscheidung. Das muss man so stehen lassen.