Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

- Hören Sie doch bitte zu, worüber Sie jetzt abstimmen sollen. Der federführende Ausschuss empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass § 1 eine neue Nummer 4 angefügt wird. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 17/5746. Der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu. Ergänzend schlägt er vor, in

§ 2 Absatz 1 als Datum des Inkrafttretens den "1. Mai 2015" und in Absatz 2 als Datum des Außerkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes vom 3. August 1982 den "30. April 2015" einzufügen.

Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich nun um sein Handzeichen. – Das ist die CSU. Gegenstimmen, bitte. – SPD, FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine Enthaltung. Dann ist das so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir nun gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Die Schlussabstimmung soll auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß § 127 Absatz 2 der Geschäftsordnung in namentlicher Form erfolgen. Abstimmungsgrundlage ist der Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses. Für die Stimmabgabe sind die Urnen auf beiden Seiten des Sitzungssaales und auf dem Stenografentisch bereitgestellt. Mit der Stimmabgabe kann gleich begonnen werden.

Ich weise darauf hin, dass wir in Abstimmung mit den Fraktionsspitzen nach der namentlichen Abstimmung noch Tagesordnungspunkt 8 vorziehen, das ist die Abstimmung über die Antragsliste. Bitte gehen Sie dann also noch einmal auf Ihren Platz zurück. Ich eröffne jetzt die Abstimmung, es stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 12.46 bis 12.51 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die fünf Minuten sind um. Die Stimmabgabe ist geschlossen. Ich bitte, draußen auszuzählen. – Bitte nehmen Sie noch kurz Platz; wir haben noch eine Abstimmung zu erledigen.

Zunächst möchte ich bekannt geben, dass sich die Fraktionsspitzen darauf geeinigt haben, die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7 auf die nächste Plenarsitzung nach den Osterferien zu verschieben.

(Unruhe)

Bitte noch einen Moment Geduld, dann können Sie in die Mittagspause gehen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Abstimmung über eine Verfassungsstreitigkeit und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. Anlage 2)

Ausgenommen von der Abstimmung sind die Nummer 16 der Anlage zur Tagesordnung – das ist der Antrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Dr. Fahn und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "CDA-Anflugverfahren prüfen – Steeper Approach darf CDA nicht verzögern", Drucksache 17/4613, der auf Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER einzeln beraten werden soll – und die Nummer 17 – das ist der Antrag der Abgeordneten Rinderspacher, Halbleib, Rosenthal und anderer und Fraktion (SPD) sowie Aiwanger, Streibl, Dr. Fahn und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "Machbarkeitsstudie Ortsumfahrung B 19", Drucksache 17/4714, der auf Antrag der SPD-Fraktion ebenfalls einzeln beraten werden soll.

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(Siehe Anlage 2)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens beziehungsweise des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Das sind CSU, SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Auch keine Stimmenthaltungen. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir unterbrechen jetzt die Sitzung und machen wie auf der Tagesordnung vorgesehen um 13.30 Uhr mit den Dringlichkeitsanträgen weiter.

(Unterbrechung von 12.53 bis 13.33 Uhr)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir fahren nach der Mittagspause in der Tagesordnung fort. Bevor ich den Tagesordnungspunkt 9 – Dringlichkeitsanträge – aufrufe, gebe ich zunächst das Ergebnis der namentlichen Schlussabstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes auf Drucksache 17/3113 bekannt: Mit Ja haben 97 Abgeordnete und mit Nein 61 Abgeordnete gestimmt; Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist das Gesetz angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Es trägt den Titel: "Gesetz zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes". Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der soeben beschlossenen Fassung hat der Änderungsantrag auf Drucksache 17/4989 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Atomrückstellungen sichern - Atomkonzerne nicht aus der Verantwortung entlassen (Drs. 17/5849)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Thorsten Glauber u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Kosten für AKW-Rückbau und AtommüllEndlagerung nicht dem Steuerzahler aufbürden Übertragung der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds (Drs. 17/5878)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Karl Freller, Erwin Huber u. a. und Fraktion (CSU) Rückbau der Kernkraftwerke und Entsorgung sichern (Drs. 17/5879)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Stümpfig.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer eine besondere Ehre, direkt nach der Mittagspause vor einem "vollen" Plenarsaal zu sprechen. Herzlichen Dank dafür.

Der E.ON-Radikalumbau führt zu Rekordverlusten. Der E.ON-Verlust im Jahr 2014 lag in einer Höhe von 2,3 Milliarden Euro. So stand es im "manager magazin". Der Gewinn bei RWE sank im Jahr 2014 um 25 %. Ein weiterer Gewinnrückgang wird erwartet. Auch EnBW rutscht in die Verlustzone: eine Dreiviertelmilliarde Euro Verlust im Jahr 2014. So stand es im "Handelsblatt". Bei Vattenfall schaut es nicht besser aus: unter dem Strich ein Verlust von 818 Millionen Euro.

Diese Meldungen haben uns veranlasst, unseren Dringlichkeitsantrag zu stellen; denn die Lage der vier deutschen Atomkonzerne ist so schlecht wie selten zuvor. Mein Mitleid hält sich in Grenzen. Aber das Risiko, dass am Schluss alles auf die Steuerzahler abgewälzt wird, muss jetzt beseitigt werden.

Bereits im Mai des letzten Jahres hatten wir hier eine Debatte zu dem Thema Bad Bank. Schon damals geisterten Geheimpläne der Atomkonzerne herum, die die Einrichtung einer Bad Bank wollten. Momentan steht eine Abspaltung des E.ON-Konzerns in zwei Gesellschaften zur Debatte, und über 30 verschiedene Verfahren von Atomkonzernen sind anhängig. Die Bundesregierung und Landesregierungen werden verklagt. Es ist also angezeigt, dass wir als Politiker hellhörig werden.

Die Rückstellungen in Höhe von momentan 36 Milliarden Euro, die die Atomkonzerne geleistet haben, sind jetzt in den Händen von vier großen, hoch verschuldeten Stromkonzernen, und wir wissen nicht, was damit passiert.

Wir GRÜNEN haben die geltende Regelung schon lange für falsch gehalten, und jetzt wird die Problematik sogar noch unterstrichen. Nicht nur Rückstellungen für risikoreiche und, wie sich jetzt herausstellt, verlustreiche Beteiligungen im In- und Ausland standen den Atomkonzernen zur Verfügung. Viel gravierender ist, dass es keine Sicherheit dafür gibt, dass die Rückstellungen zum einen tatsächlich ausreichen und zum anderen im Bedarfsfall wirklich zur Verfügung stehen.

Hier möchte ich gleich den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der CSU aufgreifen. Er geht hauptsächlich in Richtung der finanziellen Verantwortung. Das ist klar, das steht fest. Uns geht es darum, dass am Schluss wirklich noch Geld vorhanden ist, das man abgreifen kann. Das aber ist momentan mehr als fragwürdig. Wir werden deshalb den CSU-Antrag ablehnen. Seine Formulierung lässt alles offen. Da kann eine Bad Bank eingerichtet werden, womit am Schluss doch wieder alle Kosten und Probleme auf die öffentliche Hand abgewälzt werden. Mit der sehr offenen Formulierung des CSU-Antrags ist alles zu machen. Wir aber wollen eine tatsächliche und finanzielle Verantwortung durch die Atomkonzerne, und dieses Vorhaben muss jetzt angepackt werden.

Es ist schon erstaunlich, wie betreiberfreundlich der Rückbau von Atomkraftwerken in Deutschland geregelt wurde. Es gibt keine Verpflichtung zum Rückbau von Atomkraftwerken. Die Atomkonzerne können also ihre Atomkraftwerke noch 40 Jahre in der Pampa stehen lassen. Das verstößt gegen kein Gesetz. Dafür

bekommen sie auch noch steuerfreie Rückstellungen, mit denen sie nach Gutdünken wirtschaften können.

Vergleichen wir das zum Beispiel mit der Situation bei der Windkraft. Bei den Windkraftanlagen verlangen die Genehmigungsbehörden, dass der Rückbau über eine Bürgschaft abgesichert wird. Da sehen Sie den Unterschied. Bei den AKW-Betreibern gibt es eine klare Bürgschaftsregelung, und sie dürfen mit den Rückstellungen steuerfrei wirtschaften. Das ist nicht gerecht, und so wird auch die Energiewende nicht gelingen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Positiv ist, dass seit sechs Tagen ein Gutachten bei uns auf den Tischen liegt. Deswegen haben wir auch unseren Dringlichkeitsantrag gestellt. Das Gutachten wurde von Bundeswirtschaftsminister Gabriel in Auftrag gegeben, und darin geht es genau um die Probleme der Unsicherheit der Rückstellungen. Aus diesem Gutachten geht klar hervor, dass die Rückstellungen eben nicht sicher sind und dass bei einem Umbau der Konzerne, wie E.ON ihn gerade vollziehen möchte, die Möglichkeit besteht, sich aus den Forderungen mittelfristig herauszustehlen. Das Gutachten zeigt auch, dass eine Kombination von internen und externen Fonds, also die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds, den wir schon lange fordern, eine sehr gute Möglichkeit wäre.

Das Prozedere schmeckt den Atomkonzernen natürlich nicht; das wissen wir. Aber es geht jetzt wirklich darum, dass der Staat, die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion – Sie sind ja in der Großen Koalition Koalitionspartner – auf eine klare Lösung und eine Überführung der Rückstellungen in einen externen, öffentlichen Fonds drängen.

Derzeit wird hinter verschlossenen Türen debattiert, und die Bundesregierung hat auf verschiedenen Ebenen mit den Atomkonzernen Gespräche geführt. Die Ergebnisse dieser Gespräche verstehen wir nicht. Was soll denn das Ergebnis sein? - Den großen Energiekonzernen, den Atomkonzernen, wird es nicht schmecken, wenn wir die Hand auf ihre steuerfreien Rückstellungen legen wollen; das ist ganz klar.

Ich danke an dieser Stelle noch einmal unserer Bundestagskollegin Sylvia Kotting-Uhl, die aufgedeckt hat, dass derzeit sehr viele Verhandlungen mit den Atomkonzernen stattfinden. Es stellt sich wirklich die Frage, welches das Ziel dieser Verhandlungen ist. Wir sagen ganz klar: Die Verhandlungen müssen klar und offen erfolgen. Wir wollen keine Geheimverhandlungen mit den Atomkonzernen. Die Bundesregierung hat das Problem erkannt. Das Gutachten sagt klar,

was jetzt zu machen ist, und das muss man jetzt endlich anpacken.

Meine Damen und Herren, ich vermute, die CSUFraktion wird heute unserem Antrag wieder einmal nicht zustimmen. Wahrscheinlich werden Sie argumentieren, alles ist sicher. Diese Argumentation hat bei Ihnen im Atomkraftbereich Tradition. Sie wiederholen sie gebetsmühlenartig schon seit den Atomplänen des ersten deutschen Atomministers Franz Josef Strauß: Alles ist sicher, alles ist bestens.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

- Das war etwas vor meiner Zeit, Herr Huber. Da haben Sie recht. Doch ich kann durchaus Protokolle lesen.

Angesichts der fünf großen bayerischen Atomkraftwerke muss es im Interesse der Bayerischen Staatsregierung liegen, genau hinzuschauen, dass die Kosten nicht auf die Staatsregierung abgewälzt werden, sondern das Ganze in einen öffentlich-rechtlichen Fonds kommt. Deswegen sagen wir Ihnen: Nicht nur die Atomkraft ist nicht sicher, auch die Rückstellungen sind nicht sicher. Handeln Sie jetzt, und warten Sie nicht wie im Jahr 2011, dass Sie erst wieder eine Katastrophe zur Umkehr bringt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)