Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Bitte verbleiben Sie am Rednerpult, Herr Stümpfig. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Hofmann.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Stümpfig, Sie haben gerade Franz Josef Strauß angesprochen, der vor Ihrer Zeit tätig war. Deswegen will ich nicht ganz so weit in die Vergangenheit schweifen. Sie haben gesagt, Sie seien schon lange dagegen, dass es so läuft, wie es derzeit läuft. Ich darf daran erinnern: Von 1998 bis 2005 waren SPD und GRÜNE in der Verantwortung und haben den Atomausstieg beschlossen, haben jedoch zu der Frage, wie die Finanzmittel gesichert werden sollen, nichts unternommen. Das heißt, wenn Sie vorhin sagten, Sie seien schon seit langer Zeit dagegen, dass es so ist, kann es jedenfalls nicht länger als zehn Jahre her sein, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.

(Zuruf von der SPD)

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es zu der Zeit der rot-grünen Koalition – auch die Protokolle würde ich Ihnen empfehlen durchzulesen – vehemente Dis

kussionen darüber gab, dass man in Zeiten finanzieller Knappheit versucht hat, die finanziellen Mittel der Atomkraftwerksbetreiber zu entziehen, um sie dem Haushalt einzuverleiben. Also, auch das war damals schon ein Thema.

Was den öffentlich-rechtlichen Fonds angeht, möchte ich Sie fragen: Wer wird die Verantwortung für die Anlage des Vermögens tragen? Wer wird die Verantwortung dafür tragen, wenn man diesen Vermögensfonds schlecht managt? Angesichts der Tatsache, dass die Schweiz es auch so gehandhabt hat – ich sage nicht, dass ich generell dagegen bin -, würde mich interessieren, wie Sie bestimmte Probleme handhaben wollen. Die Schweiz hat genau dieses Problem so gelöst und hatte im Jahr 2008 im Zusammenhang mit der Lehman-Pleite einen lockeren Verlust von 20 %.

Ich frage noch etwas vor dem Hintergrund, dass wir eine Problematik mit dem Abzinsungseffekt haben. Wenn wir jetzt die finanziellen Mittel für den Fonds zur Verfügung stellen, müssen wir 4,8 % Rendite erwirtschaften und letzten Endes den Abzinsungseffekt auffangen. Was machen wir, wenn wir diese 4,8 % nicht erwirtschaften und die Kernkraftwerksbetreiber uns sagen, wenn wir es bei ihnen belassen hätten, dann hätten sie das locker gepackt, aber wir hätten es gemanagt?

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Deswegen sind es zu wenige. - Das ist ein Problem, das ich durchaus gern mit Ihnen diskutieren möchte, ohne dass ich von vornherein sage, Sie liegen komplett verkehrt. Doch es würde mich schon interessieren.

Bitte schön.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herzlichen Dank für Ihre Einwendung und vor allem für Ihr Entgegenkommen zu sagen, es mache durchaus Sinn, einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzurichten. Als wir im letzten Jahr um diese Zeit über die Bad Bank diskutiert haben, war von rechtlicher Seite – da gebe ich Ihnen recht – noch nicht alles in trockenen Tüchern. Wir haben jedoch jetzt durch dieses sehr detaillierte Gutachten viele neue Informationen, wie es gemacht werden kann. Es geht darum, dass man sagt, man kann einerseits einen Internetfonds einrichten, andererseits – das geht aus dem Gutachten sehr gut hervor – ist gerade für diese langfristigen Forderungen, für diese langfristige Finanzierung der Verbleib bei den Atomkonzernen die schlechteste Möglichkeit. Das ist ganz klar.

Von daher gesehen ist es wichtig, dass wir als Staat hier die Hand drauflegen und es aus den Konzernen

herausnehmen. Ich glaube, dann geht es nicht darum, ob 4,5 % oder mehr oder weniger. Das ist nicht die entscheidende Frage; denn die Gefahr, die in dem Gutachten klar prognostiziert wird, ist, dass durch eine Aufspaltung von einem Tochter- oder Mutterkonzern hier eine Befristung bestehen kann, sodass ich nach fünf Jahren nicht mehr auf dieses Vermögen zugreifen kann. Wenn sich der Konzern spaltet, wenn der Konzern insolvent geht, dann steht viel mehr im Raum, Herr Hofmann, als 1 % Rendite.

(Michael Hofmann (CSU): 1 % entspricht 24 Milliarden Euro!)

- In der Schweiz hat es durchaus funktioniert. - Wir sind der festen Überzeugung, jetzt haben wir eine gute Grundlage, und da muss man einfach anpacken. Deswegen der Appell an die Bayerische Staatsregierung, an Sie als CSU-Fraktion: Schauen Sie sich das Gutachten detailliert an. Es hat sehr viel Inhalt und zeigt einen Weg auf, der möglich ist.

(Zuruf des Abgeordneten Michael Hofmann (CSU))

- Ich sage nicht, dass es einfach wird. Der Weg wird nicht einfach, aber trotzdem bestehen die Möglichkeiten. Jetzt geht es ums Anpacken, und man sollte die Atomkonzerne nicht immer mit Samthandschuhen anfassen. Die Samthandschuhe müssen wir jetzt endlich ausziehen und klare Kante zeigen, dass der Staat die Hand drauflegen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Ich bitte jetzt den Kollegen Glauber von den FREIEN WÄHLERN ans Rednerpult.

Frau Präsidentin, verehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Besuchertribüne, liebe Oberfranken!

(Zuruf von der SPD: Liebe Zuschauer in Öster- reich und der Schweiz!)

Ich sage den GRÜNEN danke. Seit unserem Einzug in den Bayerischen Landtag 2008 haben wir das Ziel gehabt, endlich dem Thema näherzutreten und den Energiekonzernen, den vier großen Atombetreibern Schranken aufzuweisen. Es ist von meinem Vorredner Martin Stümpfig genau erklärt worden, dass die momentane Situation die ist – das bekommen wir aus den Jahresberichten der Atomkonzerne mit -, dass die Atomkonzerne ein Stück weit den Umstieg auf die erneuerbaren Energien verschlafen haben. Und nun haben wir es mit dramatischen Einbrüchen zu tun.

Am Horizont dämmern schon die Fragen: Wie bekommen wir dieses Thema mit einer Bad Bank hin? Wie bekommen wir es hin, Kraftwerke auszulagern? - Es geht nicht nur um Atomkraftwerke, sondern es geht auch um einen anderen Kraftwerkspark, den die Atomkonzerne ausgliedern wollen. Mit diesem Ausgliederungseffekt will man die Kosten für den Rückbau sozialisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es muss im Interesse des Freistaats Bayern sein, es muss im Interesse des Bayerischen Landtags sein, dass wir das verhindern.

Wir haben auf der einen Seite in Bayern mit den Blöcken in Grafenrheinfeld, mit den drei Blöcken in Gundremmingen und mit Isar 1 und 2 sechs Blöcke, die zurückgebaut werden müssen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Deutschland ein Atomkraftwerk, das aktuell zurückgebaut wird. Das steht als Erbe aus der Wiedervereinigung in Greifswald. Dort ist der Rückbau momentan im Gange, und dieser Rückbau hat schon Milliarden Euro verschlungen. Wir haben aber auf der anderen Seite Rückstellungen von 36 Milliarden Euro, die zurzeit für den Gesamtrückbau zur Verfügung stehen. Das große Risiko ist zu sagen: Diese Kosten, wie sie sich aktuell entwickeln, werden nicht ausreichen, um die Atomkraftwerke deutschlandweit rückzubauen.

Jahrelang wurden die Atomkonzerne in der Förderung, in der Entwicklung und in der Forschung ganz stark durch öffentliches Geld gefördert. Sie wurden nicht nur national, sondern sie wurden auch europaweit gefördert. Es kann doch nicht sein, dass eine Ausgliederung in eine andere Unternehmensform, in eine Bad Bank dazu führt, dass die Gewinne im Prinzip im Unternehmen kapitalisiert werden und am Ende die Bürgerinnen und Bürger für den Rückbau geradestehen müssen.

Unser Petitum an die bayerische Wirtschaftsministerin ist, dass sie sich auf Bundesebene dafür einsetzt, dass wir diese 36 Milliarden Euro in eine sichere Finanzform bekommen. Wenn der Kollege Hofmann die Frage stellt, welche Form der Geldanlage sicher ist, dann ist es natürlich berechtigt zu fragen, ob eine Stiftung das Geld besser anlegen kann. Aber, Kollege Hofmann, wir haben die Bayerische Landesstiftung mit 800 Millionen Euro. Diese war nicht immer ganz stabil aufgestellt. Aber man hat die Landesstiftung in den letzten Jahren in eine sehr sichere Geldanlageform umgebaut. Der Freistaat Bayern hat in der Landesstiftung das Kapital in Rentenpapieren über die Versicherungskammer Bayern und über die Allianz angelegt. Ich würde doch sagen, wenn wir hergehen und unser Geld in Rentenpapieren, in Rentenversicherungen anlegen, dann ist es zukunftsträchtig angelegt. Damit haben wir eine Anlageform gewählt, die

für künftige Generationen zumindest mehr Sicherheit bedeutet, als wenn wir das Kapital übernehmen lassen und bei einer Pleite das Geld letztendlich dem Zugriff der öffentlichen Hand entzogen wird und wir am Ende die Gesamtkosten sozialisiert bekommen.

Daher unser Antrag: Wir wollen dieses Geld in einen öffentlichen Fonds übergeführt haben, wie es auch im Antrag der Kollegen von den GRÜNEN gefordert wird. Dem Antrag der CSU können wir leider nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Antrag enthalten, weil Sie vom Status quo sprechen und wir nach wie vor beim Status quo die Sorge haben, dass es bei all den Ankündigungen, die momentan gemacht werden, eigentlich darum geht, eine Bad Bank zu schaffen. Das kann nicht im Interesse unserer bayerischen Bevölkerung und auch bundesweit nicht im Interesse der Gesellschaft sein. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. Bitte bleiben Sie am Rednerpult, Herr Glauber. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Hofmann.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Glauber, die Frage, ob wir mit Rentenpapieren 4,8 % erwirtschaften, ist eine spannende Frage. Ich fand es ein wenig schade, dass der Kollege Stümpfig gemeint hat: Um die 4,8 % geht es nicht. Diese 4,8 % sind derzeit den Unternehmen auferlegt. Diese müssen zuerst einmal die Maßgaben der Rücklagen hochrechnen, und dann müssen sie den Betrag wieder abzinsen. Das ist das, was das HGB und das internationale Handelsrecht ihnen vorgibt. Wir können ihnen nicht einfach das Geld entziehen und sagen: Uns ist aber wurscht, ob ihr die 4,8 % erwirtschaftet oder nicht. Deswegen halte ich das für problematisch.

Übrigens: Wer sagt, dass das kein Problem ist? - Bei 18 bis 20 Milliarden Euro über 28 Jahre reden wir von 4,8 % über 24 Milliarden Euro haben oder nicht haben durch den Zinseffekt. Das ist schon ein Punkt, der, wenn wir das dann nicht haben, möglicherweise ein Problem bedeutet, das auf den Steuerzahler zukommt und nicht auf die Unternehmen, wie es zumindest bis jetzt geregelt ist. Deswegen möchte ich darauf schon einmal hinweisen.

Ich komme zu einem anderen Punkt, weil Sie bei diesem Thema einen externen Fonds befürworten. Wie wollen Sie das Problem, das von vielen Verfassungsrechtlern angeführt wird, mit der sogenannten erdrosselnden Wirkung auf die Unternehmen handhaben? Das würde mich interessieren. Und vor allem würde mich interessieren, welche Reaktion Sie von den

Kernkraftwerksbetreibern erwarten, wenn wir diesen Eingriff mit einem externen Fonds vornehmen. Werden die sich das einfach gefallen lassen, oder werden sie dagegen klagen? Und wenn sie dagegen klagen, wie soll so etwas vor dem Bundesverfassungsgericht möglicherweise enden, angesichts des Grundrechtskatalogs von Eigentumsfreiheit, von Berufsausübungsfreiheit usw. usf.?

Bitte schön.

Kollege Hofmann, wir sind ein bayerisches Parlament. Wir sind bundesweit dafür da, die Bevölkerung vor zunehmenden Kosten zu schützen. Sie sprechen davon. Ich meine, die Diskussion über eine Bad Bank haben doch die Unternehmen ins Spiel gebracht. Die Unternehmen malen ein Szenario an den Horizont: Wie sozialisiere ich Kosten? - Da sind doch wir als Politiker gefordert und, ich glaube, auch der Bayerische Landtag, zu sagen: Dieses Szenario am Horizont, Kosten zu sozialisieren, kann doch nicht in unserem Interesse liegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ob dann am Ende 4,8 % wirklich als Rendite dastehen: Sicher muss sein, dass am Ende diese 36 Milliarden Euro plus für den Rückbau in der Zukunft mindestens zur Verfügung stehen. Ich kann das heute nicht voraussagen, und ich bin dann wahrscheinlich auch nicht mehr politisch tätig, aber ich bin davon überzeugt – das wird auch im Protokoll stehen -: Die heutigen Kosten, die als Rückstellungen dastehen, werden für den Rückbau der AKWs in Deutschland nicht reichen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. – Als nächsten Redner bitte ich jetzt den Kollegen Kirchner zum Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie wir gerade gehört haben: Der Atomausstieg kommt immer näher. Gerade gestern ist wieder im Bayerischen Rundfunk ein Bericht ausgestrahlt worden, der aufzeigt: Aus den Kühltürmen des Kernkraftwerks in Grafenrheinfeld steigt kein Wasserdampf mehr auf. Zugegeben, dieses Kernkraftwerk befindet sich momentan in der Revision. Aber bereits Ende Mai, also in knapp zwei Monaten, wird dieses Kernkraftwerk vom Netz gehen und, nebenbei bemerkt, viel, viel früher als geplant.

Bereits jetzt hat E.ON den Antrag für den kompletten Rückbau der Anlagen in Grafenrheinfeld gestellt.

Wenn man die Nachbetriebsphase einberechnet, den Abbau und dann den tatsächlichen Abbruch, erkennt man, dass ein Zeitfenster von circa 15 Jahren avisiert ist.

Richtig ist auch festgestellt worden: Insgesamt sind momentan noch neun Atomkraftwerke in Betrieb, acht sind ohne Stilllegung abgeschaltet, 16 befinden sich in der Stilllegungsphase, bei drei Kraftwerken ist die Stilllegung bereits abgeschlossen.

Zu Recht werden vor diesem Hintergrund immer wieder das Rückstellungssystem und insbesondere die Sicherstellungen der Finanzierung für den Rückbau und die Endlagerung diskutiert. Einige Argumente meiner Vorredner sind diesbezüglich auch zutreffend und sollten unsere Sensibilität hervorrufen und herausfordern.

Aber die Energieversorgungsunternehmen haben die Verpflichtung für den Rückbau und die Entsorgung übernommen. Aktuell – das müssen wir uns vor Augen halten, Herr Glauber und Herr Stümpfig – gilt das Verursacherprinzip, nach dem derjenige, der die Umweltbelastungen potenziell verursacht hat, grundsätzlich die Kosten ihrer Vermeidung, Verringerung oder Beseitigung zu tragen hat. Für die Stilllegungsvorsorge gelten bezüglich von Rückstellungen die allgemeinen Vorschriften des Handelsrechts. Daran müssen wir uns auch orientieren, wenn wir über dieses Thema diskutieren.

Entscheidend aber für uns alle sollte in dem ganzen Zusammenhang sein, dass der sichere Betrieb unserer Kernkraftwerke bis zum Laufzeitende gewährleistet ist. Herr Glauber, natürlich muss sicher sein, dass die Werthaltigkeit und die Verfügbarkeit der benötigten finanziellen Mittel für den Rückbau und die Endlagerung dauerhaft – das ist das Wichtige – gesichert sind. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir, die CSU, sind diesbezüglich wie immer proaktiv.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN: Da müssen Sie selber lachen!)

Ich kann es Ihnen auch beweisen. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass die Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen Gespräche über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtung für Rückbau und Entsorgung führen wird. Darüber hinaus hat nicht die Bundesregierung, sondern der Bundesrat - im Übrigen auch auf Initiative Bayerns – im Herbst 2014 den Bund aufgefordert, eine unabhängige Studie zu den erwarteten Kosten des Atomausstiegs in Auftrag zu geben, bei der geprüft werden soll, wie werthaltig und insolvenzsicher die Rückstellungen der Energiekonzerne sind – und jetzt kommt der springende Punkt -, ohne die öffentliche Hand zu be

lasten. Dieses Gutachten liegt seit Mitte März unbewertet vor. Damit sind zunächst einmal die Grundlagen dafür gegeben, dass auf Bundesebene zeitnah Gespräche mit den Energieversorgern stattfinden können.