Protokoll der Sitzung vom 26.03.2015

lasten. Dieses Gutachten liegt seit Mitte März unbewertet vor. Damit sind zunächst einmal die Grundlagen dafür gegeben, dass auf Bundesebene zeitnah Gespräche mit den Energieversorgern stattfinden können.

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion der GRÜNEN, Ihr Dringlichkeitsantrag ist natürlich schon in der Sache problematisch, um es einmal so auszudrücken. Sie wollen spontan den Betreibern die Rückstellungen entziehen und nehmen in Kauf, dass die Energieversorgungsunternehmen ein Stück weit aus der Verantwortung entlassen werden können. Damit erreichen Sie eigentlich genau das, was Sie nicht wollen, dass nämlich am Ende gegebenenfalls der Steuerzahler gefordert werden kann. Das ist genau das, was wir nicht wollen, Herr Stümpfig.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte noch eine Anmerkung machen: Sie haben in Ihrem Antrag auch beschrieben, dass Sie in der Zukunft die Probleme verstärkt sehen. Also wäre es ja eigentlich geboten, dass die bereits stillgelegten Kraftwerke möglichst zeitnah abgebaut werden. Dann verstehe ich nicht, dass gerade die GRÜNEN momentan vehement intervenieren, dass in Landshut das Kraftwerk rasch abgebaut wird.

(Zuruf von der CSU: Sehr richtig!)

Wir von der CSU sehen aber gerade die Betreiber in der Verantwortung. Das bedeutet, dass die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der Atomkraftwerke definitiv von den Betreibern der Atomkraftwerke zu tragen sind.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir fordern die Staatsregierung auf, das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Gutachten detailliert zu prüfen. Darüber hinaus soll der Bund aufgefordert werden, in Kürze die avisierten Gespräche mit den Energieversorgungsunternehmen zu führen. Dabei sind erstens eine Bewertung der Entwicklung der Kernenergierückstellung mittels eines Stresstests der Jahresabschlüsse der Betreiber zu forcieren, damit wir nicht spekulieren, sondern wissen, was eigentlich Sache ist, zweitens die Gewährleistung der Haftung der Energieversorgungsunternehmen auch bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und drittens die Überprüfung der Etablierung eines internen oder externen Fonds zur Sicherung der Rückstellungen, die heute auch angesprochen wurde. Wie aber auch mehrfach gesagt wurde, sind an der Stelle jetzt primär der Bund und auch die Betreiber gefordert. Was wir hier brauchen, ist ein als Agreement formulierter und rechtlich belastbarer Konsens, der die Dinge absichert, wie wir sie wollen.

Die Anträge der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab, weil in beiden Anträgen sehr stark eine Vorfestlegung formuliert ist und die in Kürze stattfindenden Gespräche mit einer Vorfestlegung nicht flexibel gestaltet werden können. Zu diesem Zeitpunkt ist sie darüber hinaus kontraproduktiv. Klar ist aber auch, dass die Staatsregierung den Grundsatz zu vertreten hat, dass das Verursacherprinzip uneingeschränkt im Vordergrund steht und daran festzuhalten ist.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kirchner, bitte bleiben Sie noch am Redepult. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Stümpfig.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Herr Kirchner, Sie haben uns jetzt angegriffen und gesagt, wir wollten auf einen Schlag das Geld von den Atomkonzernen nehmen. Sie müssen einfach unseren Antrag gründlich lesen. Dann sehen Sie: Wir wollen das natürlich Stück für Stück. Wir wissen auch, dass das sicherlich keine einfache Lösung wird, aber wir wollen langfristig, mittelfristig darauf achten, hier die Hand darauf zu halten.

Noch ein Wort zum Rückbau von Isar 1: Die Problematik ist sicherlich groß. Aber momentan haben wir keine Castoren zur Verfügung, weil die Strahlenschutzbehörde in Berlin lange Zeit keine Genehmigung erteilt hat und derzeit nur sehr wenige Castoren vorhanden sind. Die wenigen Castoren gehen dann wiederum nach Gundremmingen, in AKWs, die aktiv betrieben werden, um dort die Leistung aufrechtzuerhalten und um das Nasslager wieder zu füllen. Im Umkehrschluss stehen jetzt keine Castoren für den Rückbau von Isar 1 zur Verfügung.

Was der E.ON-Konzern derzeit macht, kritisieren wir stark. Obwohl alle Brennelemente noch im Abklingbecken vorhanden sind, soll außen herum die Hülle abgebaut werden. Das kann kein sicherer Rückbau sein. Ich kann nicht diese hohen Konzentrationen im Reaktorbehälter haben und außen herum die Hülle abbauen. Bitte, bleiben Sie hier einfach bei den Tatsachen. Uns geht es um die Sicherheit für die Bevölkerung vor Ort und nicht darum, dass der E.ON-Konzern einen schnellen Abbau vornimmt und vielleicht Geld spart. Das muss geregelt vonstattengehen, und wenn es ein Jahr länger dauert, ist das sicherlich auch kein riesiges Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kirchner, bitte.

Herr Stümpfig, beim letzten Punkt ist das Atomgesetz relevant. Dort ist auch geklärt, wie ein solcher Abbau stattzufinden hat. Insofern sind die Dinge dort geordnet.

Was den ersten Punkt betrifft, möchte ich schon ein wenig sensibilisieren; Sie haben das vorher in Ihrer Rede auch gefordert. Ich greife niemanden an, sondern ich versuche zu argumentieren. Ihren Antrag habe ich sehr wohl gelesen. Darin steht das Wort "entziehen". Dieses Wort ist für mich eindeutig. Ich weiß nicht, ob man das dann interpretieren kann. Für mich ist damit aber eine Grundlage geschaffen, die schon in die Richtung geht, dass das Geld weggenommen werden soll. Deswegen sind wir durchaus bei der Sache.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Stümpfig (GRÜNE))

- Das steht darin aber nicht so eindeutig. Sie sollten den Antrag vielleicht entsprechend ausformulieren; dann kann man auch verstehen, wie Sie das meinen.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist der Herr Kollege Scheuenstuhl.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst vielleicht ein paar Bemerkungen zu den Wortmeldungen.

Nummer 1: Es gibt keine Verschwörungstheorie, dass etwas hinter verschlossenen Türen verhandelt werden muss. Aber natürlich finden Gespräche nicht auf dem Marktplatz statt. Wir werden mit Offenheit mit den Betreibern und den Verbänden sprechen, aber auf dem Marktplatz muss das nicht stattfinden, und auch nicht in der Parteizentrale der GRÜNEN.

Zu Herrn Hofmann: Ihre Einwendungen sind mit Sicherheit zu überlegen. Sie haben gefragt, wie viel Zinsen wir bekämen. Wie machen wir denn das? - Diese Fragen muss man sich stellen. Vor allem bei den Rentenpapieren, die angesprochen wurden, möchte ich wissen, welche das sind. Vielleicht kann man hier die mündelsicheren "herausklauben".

Aber, Herr Hofmann, zu Ihrer Frage: Es gibt nur zwei Alternativen - vielleicht gibt es auch mehrere, aber ich nenne jetzt nur zwei -, entweder ein halbes Prozent oder den Totalverlust. Wir möchten den Totalverlust vermeiden. Das wäre auch die Antwort, die die Kollegen vor mir eigentlich hätten geben müssen; denn das sind die Alternativen. Ich glaube deshalb, dass

wir hier in die richtige Richtung gehen, wenn wir das in der Großen Koalition in Ruhe besprechen.

Vielleicht noch kurz zur Problematik insgesamt: Der Atomausstieg als solcher ist glücklicherweise besiegelt. Die Energiewende ist eingeleitet. Sie wird uns den Weg in eine sichere, umweltverträgliche und wirtschaftliche Zukunft weisen. Was bleibt, ist die Frage, wer den Rückbau der Kernkraftwerke bezahlt, falls sich die aktuellen Befürchtungen, wie sie in dem Dringlichkeitsantrag erläutert werden, bewahrheiten sollten.

Bundesweit existieren 36 Kernkraftwerke. Neun von diesen Kernkraftwerken sind bis zum heutigen Tag in Betrieb. Weitere acht Kraftwerke befinden sich durch die im Jahr 2011 in Kraft getretene Atomgesetznovelle dauerhaft in einem "Nichtleistungsbetrieb"; eine sehr schöne Formulierung. Weitere 19, insbesondere Demonstrationsprototypen und Versuchsanlagen überwiegend aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, sind stillgelegt.

In Bayern gibt es fünf kerntechnische Anlagen. Vorhin haben wir gehört, es sind sechs. Anscheinend gibt es auch von der Nomenklatur, von der Bezeichnung her eine andere Zählweise. Ich zähle sie jetzt einmal nach unserer Auffassung auf. Es sind das Kernkraftwerk Isar 1, das seit dem Jahr 2011 abgeschaltet ist, das Kernkraftwerk Isar 2, Grafenrheinfeld, Gundremmingen und der Forschungsreaktor München II, der jedoch keinen Strom erzeugt. Hier müssten wir uns einigen, wie wir das bezeichnen, wobei wir aber alle wissen, wie viele Kernkraftwerke bei uns bestehen. Davon gehe ich jetzt natürlich aus.

Die Kosten, die aus einer Stilllegung bzw. einem Rückbau und einer anschließenden Entsorgung entstehen, belaufen sich Schätzungen zufolge auf circa 34 Milliarden Euro. Nach dem Verursacherprinzip – es freut mich, dass wir alle der Meinung sind, dass gemäß den gesetzlichen Vorgaben das Verursacherprinzip gilt und dass kein anderer für die Kosten aufkommen soll – sind die Betreiber dafür verantwortlich. Dazu gehören natürlich auch die Planungskosten und die Standortsuche für eine Endlagerung; deshalb habe ich vorher süffisant dazwischengefragt, wo wir in Bayern ein Endlager haben, wenn der Abbau so schnell geht. Wir müssen uns an dieser Endlagersuche beteiligen, dazu haben wir uns verpflichtet.

Die Kernkraftwerksbetreiber sind jeweils gesetzlich dazu verpflichtet, nukleare Rückstellungen in Form von Geld zu bilden. Mehrfach wurden jedoch gegen die bestehenden Regelungen bezüglich einer Rückstellungspflicht Kritikpunkte vorgetragen. Diese möchte ich gerne erläutern. Man kann keine genaue Aus

sage darüber machen, ob die bestehenden Rückstellungen überhaupt reichen werden. Nominal betrugen die Rückstellungen aller Atomkraftwerksbetreiber im Dezember 2014, wie gesagt, rund 36 Milliarden Euro. Im Augenblick geht man ohne die von Herrn Hofmann gewünschte Zinssteigerung bei 34 Milliarden Euro davon aus, dass das Geld gerade so reichen wird, wenn nichts Neues dazukommt. Darin enthalten sind auch die Kosten für die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente.

Wie bereits erwähnt, liegen die geschätzten Kosten für den Rückbau eines Atomkraftwerks – man höre und staune, hier gibt es eine sehr große Spanne – aber auch bei 34 Milliarden Euro, und ich habe ja vorher erklärt, wie viel Geld wir in der Rücklage haben. Was machen wir dann, wenn der Rückbau für das eine schon so viel kostet? - Da gibt es noch große Differenzen und Spreizungen, die wir berücksichtigen müssen.

Des Weiteren fehlt es noch an Finanzierungssicherheit. In Bezug auf die Frage, wie viel Geld wir den Unternehmen wirklich wegnehmen können, damit sie überleben, sind die Bedenken groß. Dieser Faktor muss berücksichtigt werden. Das ist ganz, ganz wichtig. Es wurde von einer Erdrosselung gesprochen; das darf und kann nicht unser Ziel sein.

Sollten die Betreiber oder ausgelagerte Tochtergesellschaften insolvent werden, stehen die Rückstellungen unter Umständen gar nicht zur Verfügung, wie vorhin bereits von mir erwähnt wurde. Dies bestätigt auch das bereits von Minister Gabriel in Auftrag gegebene Gutachten. Daran sieht man, dass wir uns um all diese Themen bereits kümmern. Aber natürlich benötigt es eine gewisse Zeit, um hier die Absprachen zu treffen.

Ferner werden Wettbewerbsvorteile durch den Einsatz der Rückstellungen beispielsweise bei Investitionen kritisiert. Das ist auch richtig. Andere Energieerzeuger sagen: Ihr nehmt diese Rückstellungen steuerfrei, die euch gar nicht gehören; die könnt ihr nicht verwenden, um uns Konkurrenz zu machen.

Wie Sie sehen, muss hier etwas passieren. Dank der SPD wird auch etwas passieren. Die SPD hat hier sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene die klare Position: Es kann und darf nicht sein, dass diese Kosten letztendlich auf die öffentliche Hand und somit auf die Bürgerinnen und Bürger übertragen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Koalitionsvertrag wurden mit den kernkraftwerksbetreibenden Energieunternehmen Gespräche über eine Realisierung ihrer rechtlichen Verpflichtungen

vereinbart und darüber, wie die Kosten für den Rückbau der Kernkraftwerke und der Entsorgungen radioaktiver Abfälle zu tragen sind. Das Bundesministerium für Wirtschaft ist hier unter der Leitung von Minister Gabriel schon tätig geworden. Wir haben bereits entsprechende Schreiben bekommen. Darin heißt es, dass das Gutachten "Finanzielle Vorsorge im Kernenergiebereich - Etwaige Risiken des Status quo und mögliche Reformoptionen" – so nennt sich das Gutachten – öffentlich ist. Es handelt sich also um kein Geheimgutachten und nicht um Dinge hinter verschlossenen Türen, wie die GRÜNEN mit ihrer Verschwörungstheorie durchblicken lassen, sondern um ein öffentlich einsehbares Gutachten. Im Ergebnis lässt sich sagen, dass das Gutachten und die Schlüsse, die daraus gezogen werden können, dem Inhalt des GRÜNEN-Antrags entsprechen. Die FREIEN WÄHLER haben sich nicht viel Mühe gemacht, sondern einfach abgeschrieben.

Beim CSU-Antrag sind wir uns, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher. Deswegen werden wir uns enthalten.

(Erwin Huber (CSU): Stimmt zu!)

- Stimmt zu? Wenn wir uns nicht sicher sind? - Aber wir können euch natürlich genauso gut trauen wie ihr uns traut.

Aber jetzt soll zunächst ein Stresstest der Jahresabschlüsse der Betreiber stattfinden. Danach wird ein Konzept erstellt, um die genannten Umstrukturierungen zu begleiten und sicherzustellen, dass das Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt und nicht in die Taschen anderer fließt, wo es nicht hingehört.

Danke schön. Herr Kollege, bitte bleiben Sie noch am Rednerpult. Der Herr Hofmann hat eine Zwischenbemerkung.

(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Kollege Scheuenstuhl, angesichts unserer Großen Koalition in Berlin könnte ich mir schon vorstellen, dass Sie unserem Dringlichkeitsantrag zustimmen; denn in diesem Dringlichkeitsantrag steht letztlich nichts anderes als das, was wir in Berlin nach der Anhörung am 5. März tun werden, nämlich uns damit beschäftigen, wie wir die Expertenanhörung und die Gutachten bewerten.

Herr Scheuenstuhl, ich möchte aber auf einen anderen Punkt hinaus: Meines Wissens war die Stadt München auch Anteilseigner an einem Kernkraftwerk. Ob sie es immer noch ist, habe ich nicht im Kopf.

(Erwin Huber (CSU): Ja!)

- Sie ist es noch, Erwin. - Die Stadt München ist also Anteilseigner. Jetzt wird vom SPD-Abgeordneten Scheuenstuhl bezweifelt, dass die Rücklagen, die die Unternehmer bilden, ausreichen. Deshalb zwei Fragen:

Erstens. Was würde der Abgeordnete Scheuenstuhl bei der Stadt München tun, damit sie in Zukunft innerhalb der Gesellschaft darauf einwirkt, dass diese Rücklagen ausreichen?

Zweitens. Was würde der SPD-Abgeordnete tun, damit offensichtlich nicht ausreichende handelsrechtliche Regelungen, nach denen die Unternehmen derzeit ihre Rückstellungen bilden, so geändert werden, dass sie in Zukunft ausreichen? Denn Unternehmer leisten bisher nichts anderes, als den gesetzlichen Vorschriften zu entsprechen.