Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung und bitte, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können.
Antrag der Abgeordneten Kathi Petersen, Arif Taşdelen, Martin Güll u. a. (SPD) Islamunterricht in deutscher Sprache dem Bedarf entsprechend ausbauen (Drs. 17/4809)
Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. Erste
Sie haben heute noch einmal die Gelegenheit, unserem Antrag, den Islamunterricht in deutscher Sprache dem Bedarf entsprechend auszubauen, zuzustimmen.
In den Ausschüssen hat sich die CSU-Fraktion leider dagegen ausgesprochen. Aber Sie haben jetzt die Chance, die Offenheit und Veränderungsbereitschaft, die Sie heute in der Aktuellen Stunde so wortreich für sich in Anspruch genommen haben, unter Beweis zu stellen. Das dürfte Ihnen gerade bei diesem Thema nicht so schwerfallen; denn Sie haben schon einmal einen Schritt in die richtige Richtung getan.
Kaum zehn Jahre nach den ersten diesbezüglichen Anträgen im Landtag hat sich die Staatsregierung dazu durchgerungen, einen Modellversuch "Islamischer Unterricht" zu starten. Es sollte explizit kein islamischer Religionsunterricht nach Artikel 7 des Grundgesetzes sein. Dem standen rechtliche Probleme entgegen, vor allen Dingen die fehlende Anerkennung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft. Man suchte und fand also eine pragmatische Lösung, den deutschsprachigen Islamunterricht, der – ich zitiere aus einem Bericht des Kultusministeriums – die Entwicklung der religiösen Kompetenz der muslimischen Schülerinnen und Schüler unterstützen sollte.
Die Modellphase wurde zunächst bis 2014 befristet. Es haben sich 177 Grundschulen, 78 Mittelschulen, 4 Realschulen und 2 Gymnasien an diesem Modellversuch beteiligt. Damit hat man im Bereich der Grund- und Mittelschulen 19 % der muslimischen Schülerinnen und Schüler erreicht. Die durchgeführte Evaluation ergab, dass das Modell erfolgreich war. Die Akzeptanz des Islamunterrichts bei Eltern, Schülern und Lehrern war sehr hoch. Die Ziele, die man sich mit dem Modellversuch gesteckt hatte, nämlich die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler zu fördern, die Integration in die Gesellschaft zu unterstützen und die interreligiöse Dialogfähigkeit zu stärken, wurden erkennbar erreicht. Das hat die Evaluation ergeben. Die Konsequenzen: Das Modell ist erfolgreich. Die angestrebten Ziele werden erreicht. Also wird das Modell zur Regel. Das wäre logisch. Aber mit der Logik hat es die CSU offensichtlich nicht.
Vielmehr hat sie beschlossen: Der Modellversuch wird auf fünf Jahre verlängert. Warum? – Als Gründe wurden Hürden im Staatskirchenrecht genannt. Diese Hürden sind da, aber sie sind nicht neu. Genau deshalb wurde damals kein islamischer Religionsunterricht eingeführt, sondern ein Islamunterricht.
Das zweite Argument war, es gäbe nicht genügend Lehrkräfte. An der Universität Erlangen, wo die Lehrer für den Islamunterricht ausgebildet werden, heißt es aber, genügend personelle Kapazitäten seien vorhanden, um den Bedarf an Lehrern für eben diesen Unterricht zu decken. Das haben wir in unserem Antrag berücksichtigt; denn wir haben nicht ab sofort, sondern erst für das Schuljahr 2017/2018 die flächendeckende Einführung des Islamunterrichts beantragt. Außerdem: Kultusminister Dr. Spaenle, der Ihrer Partei angehört, hat sich für die Ausweitung des Islamunterrichts ausgesprochen und im letzten Jahr 37 zusätzliche Lehrerstellen zugesagt. Sie haben ihn dabei nicht unterstützt; denn im Doppelhaushalt 2015/2016 tauchen diese Lehrerstellen nicht auf.
Die Integration ist keine Einbahnstraße. Wichtig dabei ist, dass auch wir andere Religionen anerkennen. Wir haben die Religionsfreiheit im Grundgesetz, und wir haben einen religiösen Pluralismus in Deutschland, auch in Bayern. Der Islam gehört auch zu Bayern. Deshalb gehört der Islamunterricht an die Schulen; denn er signalisiert den muslimischen Schülerinnen und Schülern, dass wir sie akzeptieren, wie sie sind. Außerdem schützt Bildung vor Fundamentalismus.
Der Islam gehört an alle Schulen. Selbst die bayerischen katholischen Bischöfe, die ja nicht genereller Neuerungssucht verdächtig sind, haben dies mittlerweile erkannt. Der Würzburger Bischof Hofmann hat kürzlich einen Islamunterricht auch für die Berufsschulen gefordert.
Kurzum: Es gibt keinen vernünftigen Grund, unseren Antrag abzulehnen. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Modellversuch "Islamischer Unterricht" war zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2013/2014 angelegt. Er hat zu guten Ergebnissen geführt. Das hat die Kollegin bereits ausgeführt. Dies zeigte die Evaluation des
Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung, und das zeigte auch die positive Rückmeldung, die wir vonseiten der Elternschaft, der Lehrerschaft und auch von den Schülern bekommen haben. Ich selbst habe mich von der positiven Wirkung dieses Modells an einer Grundschule in meinem Stimmkreis überzeugen können. Dort habe ich den Unterricht miterlebt und bin der Meinung, dass hier eine großartige Arbeit geleistet wird.
Das bayerische Modell entspricht dem Bedarf der bayerischen Schulen, weil es pädagogische Funktionen erfüllt. Es vermittelt authentisches Wissen über Glaubensinhalte, auch über religiöse Traditionen, und unterstützt die Persönlichkeitsbildung. Der Unterricht legt eine wichtige Grundlage für die Wertebildung an unseren Schulen; denn muslimische Jugendliche erkennen, dass traditionelle Tugenden, moderne Menschenrechte und die Grundwerte der Demokratie keinesfalls im Widerspruch zur islamischen Glaubenslehre stehen. Nicht zuletzt trägt der islamische Unterricht zur Integration bei, vor allem dadurch, dass er in deutscher Sprache gehalten wird, was für mich ganz wichtig ist.
In all den genannten Aspekten bewegt sich islamischer Religionsunterricht im Rahmen des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags und wird der Forderung von Artikel 131 der Bayerischen Verfassung gerecht. Demnach vermittelt Schule nicht nur Wissen und Können, sondern bildet auch Herz und Charakter. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, bis hierhin sind wir uns fraktionsübergreifend einig. Doch aus meiner Sicht gilt hier ein afrikanisches Sprichwort: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Unser Anliegen muss es doch sein, den beschrittenen guten Weg gemeinsam weiterzugehen. Wir sollten dabei den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun.
Gerade weil der Modellversuch so erfolgreich ist und die Qualität und Akzeptanz stimmen, sollten wir jetzt nicht überhastet vom Kurs abweichen. Der nächste richtige Schritt ist, den Modellversuch in vergleichbarem Zuschnitt mit einer neuen inhaltlichen Agenda zu verlängern, so wie es das Kabinett bereits am 20. Mai letzten Jahres beschlossen hat. Das ist logisch.
In dem Verlängerungszeitraum von fünf Jahren sollte der islamische Unterricht inhaltlich weiterentwickelt werden. Wir wollen und müssen diese Zeit nutzen, um die Lehrpläne nach Schularten zu differenzieren. Der Lehrplan ist qualitativ gut; er wurde aber ursprünglich nur für die Grundschulen und für die Mittelschulen konzipiert. Daher muss der Lehrplan jetzt auch für die Realschulen und Gymnasien kompetenzorientiert wei
Wir brauchen außerdem vertiefende Materialien zur Fachsprache Deutsch wie Glossare, Handreichungen oder auch die Zulassung von Koranübersetzungen. Wir müssen für das Gymnasium eine akademische Lehrerbildung aufbauen und diese in der Lehramtsprüfungsordnung fest verankern. Die fachliche Weiterentwicklung der Inhalte erfolgt dabei in enger Kooperation mit der Universität Erlangen. Andere bayerische Universitäten haben sich bislang noch nicht für eine Einbeziehung gemeldet. Im Hinblick auf die Standorte wurde übrigens bereits eine Größenordnung erreicht, die sich sehen lassen kann. Es wurde bereits erwähnt, dass der Unterricht an 177 Grundschulen, 78 Mittelschulen, 4 Realschulen und 2 Gymnasien eingerichtet wurde. An bayerischen Grund-, Mittel- und Realschulen sind an allen Standorten alle Jahrgangsstufen ausgebaut. Deutschlandweit einzigartig ist der islamische Unterricht an den Gymnasien in Bayern.
Eine Ausweitung der Zahl der Schulen im Modellversuch von 260 auf geplant 400 ist sicher nachfrage und bedarfsgerecht. Ich gebe aber zu bedenken: Die Stellen aus der demografischen Rendite ab dem Schuljahr 2015/2016 stehen weder unbegrenzt zur Verfügung noch können sie mehrfach verteilt werden. Hier müssen wir ehrlich sein. Wir müssen gemeinsam sehr verantwortungsvoll beurteilen und entscheiden, wie wir den Bedarf an Unterrichtsversorgung sinnvoll abdecken. Die Themen, die uns hierbei ganz besonders am Herzen liegen, kennen Sie alle: Das sind der Ganztag, die Inklusion sowie, ganz aktuell und menschlich drängend, die Beschulung von schulpflichtigen Asylbewerbern und Flüchtlingen. Die Angestelltenverträge sind dabei natürlich befristet, weil auch der Modellversuch befristet ist. Erforderlich wären in jedem Fall, auch für befristete Angestelltenverträge, Stellenmittel aus der laufenden Personalversorgung der Schulen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, noch mehr spricht dafür, beim Thema islamischer Unterricht an unseren Schulen Schritt für Schritt verantwortungsvoll vorzugehen. Für die gewünschte Etablierung des islamischen Unterrichts als Regelangebot müsste eine zentrale Voraussetzung erfüllt sein, deren Erfüllung nicht in unserer Hand liegt. Wie Sie wissen und wie schon erwähnt wurde, setzt ein islamischer Religionsunterricht auf der Grundlage von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes eine islamische Religionsgemeinschaft als Kooperationspartner des Staates voraus. Diese muss von ihren Mitgliedern legitimiert sein und verbindliche Aussagen zu Glaubenswahrheiten machen. Sie muss die Gewähr der Dauer bieten – auch
das ist wichtig - und ausreichend Mitglieder haben, um landesweit an den Schulen repräsentiert zu sein und die Bildung von Religionsgruppen zu ermöglichen, die den Klassenbildungsrichtlinien entsprechen. Die Mitglieder müssen zudem bei der Religionsgemeinschaft verwaltet werden und sind im Einzelnen den Schulen vor Ort zu melden, damit dort der Besuch des Pflichtunterrichts im Fach Religion gewährleistet werden kann. Bis sich eine islamische Religionsgemeinschaft mit festen Strukturen und mit einem konsolidierten, auf die Schule bezogenen Mitgliederstamm konstituiert, setzen wir auf Übergangslösungen wie auf den Modellversuch, der sich unstrittig wirklich fabelhaft bewährt hat.
Das Kultusministerium hat zudem einen Runden Tisch mit Vertretern islamischer Elternvereine und der islamischen Dachverbände zum islamischen Unterricht eingerichtet. Dieser Runde Tisch soll ein wichtiges Forum bieten und der Beratung in Fragen der Inhalte und der Akzeptanz des islamischen Unterrichts dienen.
Keine Frage: Rein fachlich gesehen wäre eine Ausweitung des Modellversuchs "Islamischer Unterricht" auf alle Schulen mit einer entsprechenden Schülerstruktur durchaus wünschenswert. Aber dieser Wunsch trifft auf die bekannten verfassungsrechtlichen Hürden; denn eine solche Ausweitung wäre im Rahmen eines Modellversuchs nicht denkbar, sondern nur als Regelunterricht realisierbar. Der vorliegende Antrag ist deshalb abzulehnen.
Danke schön, Frau Trautner. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER folgt Kollege Felbinger. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, über das Anliegen in der Überschrift Ihres Antrags "Islamunterricht in deutscher Sprache dem Bedarf entsprechend ausbauen" sind wir uns alle einig; aber in der Tiefe Ihres Antrags liegen die Fallstricke. Ich war in der vergangenen Woche an der Ostseeküste. Mir fällt ein passender Vergleich zum Inhalt Ihres Antrags ein: Wie bei einer Schiffsreise wissen Sie grundsätzlich, welches Ziel Sie erreichen wollen, nämlich einen Ausbau des Islamunterrichts; aber es wäre schon wichtig, dass Sie sich auch Gedanken machen, welchen Kurs Sie wählen, ob der Kompass überhaupt funktioniert und ob Wind weht. Zwingend nötig wäre auch, einen Blick auf die Seekarte zu werfen. Leider sieht es hier beim Antrag der SPD nicht mehr so gut aus. Die SPD
bestimmt zwar das Ziel, wählt aber den Kurs nach dem Motto "Pi mal Daumen" und segelt einfach in die offene See los.
Lassen Sie mich auf die Gründe eingehen, warum die FREIEN WÄHLER und im Übrigen auch alle anderen Fraktionen außer der SPD dem Antrag der SPD nicht zustimmen können. Natürlich klingt das, was die SPD fordert, erst einmal gut. Sie verlangt, den Islamunterricht in deutscher Sprache als ordentliches Lehrfach bis zum Schuljahr 2017/2018 an allen Schularten in Bayern einzurichten. Dieses Ziel kann man sich setzen, und es ist auch wichtig, dass man sich dieses Ziel setzt. Die Fallstricke aber liegen auf dem Weg dorthin. Nach Artikel 7 des Grundgesetzes hat jede Glaubensrichtung Anspruch auf Religionsunterricht. Doch Absatz 3 legt fest, dass dieser in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden muss. Zu den rechtlichen Voraussetzungen für die Einrichtung eines Islamunterrichts gehört also, dass sich der Staat einer Religionsgemeinschaft als Ansprechpartner gegenübersieht, die legitimiert ist, Aussagen über die Glaubensinhalte zu treffen.
Hier liegt das Problem. Es gibt nämlich keine islamische Kirchenorganisation, die verbindlicher Ansprechpartner sein könnte. Vielmehr gliedert sich der Islam in verschiedene Strömungen und Rechtsschulen, die jeweils von ganz unterschiedlichen Verbänden repräsentiert werden. Daher wird in Bayern derzeit kein islamischer Religionsunterricht im formellen Sinne von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes eingerichtet. Um der Nachfrage, die zweifelsohne vorhanden ist, gerecht zu werden, treten Übergangslösungen, die einem islamischen Religionsunterricht inhaltlich nahekommen, an dessen Stelle. Damit meine ich den Modellversuch "Islamischer Unterricht", den die Kollegin Trautner schon erwähnt hat. Darin besteht unserer Meinung nach ein guter und gangbarer Weg, weil der islamische Unterricht derzeit nicht auf die Erziehung im Glauben zielt, sondern Wissen über die Religion und religiöse Kompetenzen vermittelt.
Die Evaluation hat ergeben, dass das ein erfolgreiches Modell ist. Auch das wurde schon angesprochen. Die Staatsregierung hat seine Fortsetzung um weitere fünf Jahre beschlossen, was wir sehr begrüßen. Sie hat beschlossen, die Lehrpläne entsprechend zu differenzieren. All das hat die Kollegin Trautner schon ausgeführt. Das halten wir auch für richtig.
Deswegen sollten wir die Weiterentwicklungen abwarten und nicht den zweiten vor dem ersten Schritt gehen. Wir können den Inhalt der Nummer 1 des An
trags der SPD unterstützen; denn es ist wichtig, die Ergebnisse des Modellversuchs in der Fläche bekannt zu geben und den befristet angestellten Lehrkräften eine Planungssicherheit zu geben. Zudem müssen zusätzliche Stellen im Haushalt bereitgestellt werden. Dafür ist der Landtag als Haushaltsgesetzgeber zuständig.
Bei den beiden anderen Nummern können wir FREIE WÄHLER allerdings nicht mitgehen. Hier gibt es vernünftige Gründe, sie abzulehnen, Frau Kollegin Petersen. Ich muss schon darauf hinweisen: Es kann nicht sein, dass wir pauschal alle Absolventen eines Studiengangs einstellen, ohne dass irgendeine im Studium erzielte Leistung berücksichtigt wird. Wo kommen wir da hin? – Es wäre mehr als absurd, wenn wir Lehrkräfte einstellen würden, nur weil sie ein bestimmtes Fach studiert haben, und wir keinen Wert auf ihre Ausbildung in Pädagogik und Didaktik legen würden.
Ich komme zu Nummer 3. Das Anliegen, dass an einem weiteren Universitätsstandort ein Lehrstuhl für islamischen Religionsunterricht eingerichtet werden soll, ist durchaus nachvollziehbar. Man muss aber berücksichtigen, dass darüber die Universitäten aufgrund ihrer Autonomie entscheiden. Die Zuständigkeit dafür, einen solchen Lehrstuhl einzurichten, liegt also bei den Universitäten und nicht bei der Staatsregierung. Aus diesen Gründen können wir dem SPD-Antrag leider nicht zustimmen. Ich bedanke mich aber für das Zuhören.