Kathi Petersen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist durchaus sinnvoll, dass wir uns unmittelbar vor der Sommerpause mit der Gesundheitsversorgung beschäftigen. Dort gibt es erhebliche Probleme. Herr Kollege Seidenath hat schon einiges angesprochen. Diese Probleme müssen wir gemeinsam lösen; denn es geht um den wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge.
Mit ihrem Antragspaket, das heute zur Abstimmung steht, wollen die Kolleginnen und Kollegen der CSU, die im Gesundheitsausschuss sehr gerne Antragspakete produzieren, die Situation der Heilmittelerbringer verbessern. Dass Quantität nicht zwingend für Qualität bürgt, zeigt sich auch bei diesen Anträgen. Deshalb können wir einigen von ihnen nicht zustimmen. Da wir aber nicht beckmesserisch unterwegs sind und nicht immer nach dem Haar in der Suppe suchen, unterstützen wir die Anträge, bei denen die Richtung stimmt. Das gilt beispielsweise für den Antrag, der den Einsatz der Staatsregierung für eine bessere und leistungsgerechte Vergütung fordert. Weil wir dies für sinnvoll halten, stimmen wir dem Antrag zu und las
sen uns von den Gemeinplätzen im zweiten Abschnitt nicht weiter irritieren.
Unterstützen können wir auch die Forderung, den Direktzugang modellhaft zu erproben, den Berichtsantrag auf Drucksache 17/22289 sowie die Prüfanträge für die Praxiszulassungsbedingungen und das Heilmittelwerbegesetz. Nicht zielführend ist unseres Erachtens ein Mitbestimmungs- und Mitspracherecht im G-BA für eine einzelne Gruppe. Andere würden das gleiche Recht beanspruchen. Wenn man solche Überlegungen anstellt, müsste man generell überlegen, was sinnvoll wäre. Da die CSU im Gesundheitsausschuss nicht bereit war, auf die Festlegung eines Turnus für die Fortbildungen zu verzichten, können wir auch dem Antrag auf Drucksache 17/22294 nicht zustimmen.
Im Hinblick auf die Software zur Heilmittelverordnung gibt es bei den Akteuren im Gesundheitsbereich genügend hinreichend versierte Fachleute, sodass sich die Landespolitik darum nicht kümmern muss. Wir sehen durchaus eine Zuständigkeit gegeben, wenn es um ein positives Berufsbild geht. Wir wünschen uns eine höhere Wertschätzung für viele in Gesundheitsberufen Tätige, die sich in der Pflege und bei der Versorgung von Menschen engagieren. Eine Imagekampagne ist nicht schädlich, sie lässt sich aber im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel nicht realisieren. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.
Viel wichtiger ist uns – das haben Sie eben auch schon angesprochen –, dem Fachkräftemangel grundsätzlich zu begegnen, und zwar indem wir bessere Rahmenbedingungen für die Gesundheitsberufe schaffen. An dieser Stelle haben wir gemeinsam noch viel zu tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dem Dank kann ich mich gleich zu Anfang anschließen. Zum Inhalt hat die Kollegin Dr. Eiling-Hütig bereits vieles gesagt, und vieles wurde schon bei der Ersten Lesung dargelegt, sodass ich mich kurz fassen kann.
In der heutigen Plenarsitzung ist wieder einmal zweierlei deutlich geworden: Erstens, wir sind uns in vielen Themen nicht einig. Zweitens, politische Bildung tut allenthalben not. Zu beiden Punkten gibt es erfreulicherweise einen Kontrapunkt: die Erwachsenenbildung. Wir haben einen interfraktionellen Gesetzentwurf für ein neues Erwachsenenbildungsförderungsgesetz, der bereits im Plenum vorgestellt wurde und im Bildungsausschuss einhellige Zustimmung gefunden hat.
Außerdem haben wir einen gemeinsamen Entschließungsantrag vorgelegt – meine Vorrednerin hat bereits darauf hingewiesen –, der im Ausschuss ebenfalls positiv beschlossen wurde. Diese konstruktive Zusammenarbeit, für die ich meiner Kollegin Ute sowie meinen Kollegen Michael und Thomas ganz herzlich danke, ist uns deswegen gelungen, weil wir ein gemeinsames Anliegen haben. Wir wollen die Erwachsenenbildung stärken und den Trägern der Erwachsenenbildung ein gutes Arbeiten ermöglichen.
Ich freue mich, dass heute Abend trotz der vorgerückten Stunde Prof. Dr. Meisel und Herr Lang sowie ein Vertreter der Träger – den Namen weiß ich leider nicht – hier sind und dieser Zweiten Lesung beiwohnen. Das ist schön. Wir haben im Vorfeld konstruktiv zusammengearbeitet. Und dem geben Sie Ausdruck, indem Sie heute Abend da sind.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, wir hoffen auch, damit die Voraussetzungen zu schaffen, dass Einrichtungen, die in den letzten Jahren aus der Förderung herausgefallen sind, wieder in deren Genuss kommen; denn wir wollen eine pluralistische Erwachsenenbildung, die möglichst viele und gerade auch bildungsferne Menschen mit ihren Angeboten erreicht.
Die Entschließung haben wir erarbeitet, weil wir damit den Geist des Gesetzes verdeutlichen wollten. Wir wollen, dass die Umsetzung von diesem Geist geprägt ist, vor allem die auf dieser Basis zu erstellenden Verwaltungsvorschriften. Einige Punkte möchte ich dabei nennen. So geht es uns darum, dass gewachsene Strukturen nicht zerstört, sondern geachtet werden und dass man auf ihnen aufbauen kann. Wichtig ist uns auch ein weit gefasster Begriff von Dritten, deren man sich für die Umsetzung von Erwachsenenbildungsangeboten bedienen kann. Genauso wichtig sind uns Kooperationen mit ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen und regionalen Akteuren.
Neu an unserem Gesetz ist die Projektförderung. In der Entschließung machen wir deutlich, dass wir uns dabei keine kurzfristigen Projekte, keine "Projektitis", vorstellen, sondern längerfristige Projekte und Programme, bei denen man auch etwas ausprobieren kann. – Auf die Familienbildung hat meine Vorrednerin ebenfalls schon hingewiesen.
Last but not least: Es gibt deutlich mehr Geld für die Erwachsenenbildung. Das ist auch dringend notwendig. Insgesamt sind es 20 Millionen mehr – so wird es jedenfalls dem Haushaltsgesetzgeber empfohlen –, gestaffelt bis 2022. Das ist eine ebenso erfreuliche wie deutliche Erhöhung der Förderung.
Ich finde auch, das ist einen Applaus wert für alle, die daran mitgewirkt haben. – Bezogen auf den Bildungshaushalt von etwa 20 Milliarden sind es aber natürlich immer noch weniger als 0,25 %. Bis man damit eine Säule assoziiert, ist noch ein weiter Weg zurückzulegen, weil noch sehr viel Luft nach oben ist. Für heute aber freuen wir uns über das, was wir ge
meinsam, auch mit den Trägern der Erwachsenenbildung, in dieser Legislaturperiode erreicht haben.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist, wie meine Vorrednerin schon gesagt hat, sehr erfreulich, dass heute alle vier Fraktionen gemeinsam einen Entwurf für ein neues Erwachsenenbildungsförderungsgesetz vorlegen.
Das kommt im Parlament nicht so häufig vor, weil wir in der Regel von unterschiedlichen politischen Ansätzen zu unterschiedlichen Problemlösungen kommen. In diesem Fall haben wir ein Thema zu unserer gemeinsamen Sache gemacht. Et voilà.
Dabei hat es durchaus einer gewissen, teils erheblichen Überzeugungskraft bedurft, bevor Frau Dr. Ute Eiling-Hütig, Thomas Gehring, Prof. Dr. Michael Piazolo und ich unsere jeweiligen Fraktionen für unser
Anliegen gewinnen konnten. Herzlichen Dank euch dreien.
Einen erheblichen Anteil am Gelingen haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung. Einige sind heute auch hier. Herzlich willkommen!
Bei aller unterschiedlichen Interessenlage haben sie sich in vielen Gesprächen untereinander und mit uns eine gemeinsame Position erarbeitet. Dafür danke ich Ihnen allen, namentlich Herrn Dr. Schuller und Herrn Dr. Hörmann von der Katholischen Erwachsenenbildung, die derzeit den Vorsitz innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Erwachsenenbildung hat, sowie Herrn Prof. Dr. Meisel, dem Vorsitzenden des Landesbeirats für Erwachsenenbildung.
Gut und schön, denkt sich mancher. Aber hätte es das alles gebraucht? Gibt es nicht schon ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz? – Doch, das gibt es. Es ist 1974 in Kraft getreten und war 40 Jahre lang eine gute Grundlage für eine vielfältige, pluralistische Erwachsenenbildung in Bayern. Aber andere Zeiten stellen neue Anforderungen. Darauf hat Frau Kollegin Dr. Eiling-Hütig schon hingewiesen. Nach den letzten Prüfungen der Bildungsträger durch den Obersten Rechnungshof stellte das Kultusministerium bisher geltende Absprachen infrage mit dem Resultat, dass die beiden gewerkschaftlichen Bildungswerke sowie das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft ganz aus der EbFöG-Förderung herausgefallen sind und den Bildungswerken der beiden Kirchen und des Bauernverbands unter anderem durch Rückforderungen die Arbeit erheblich erschwert wurde.
Da aber, wie das der frühere Kultusminister Prof. Dr. Maier formulierte, Tatkraft, Fantasie und eigene Prägung der einzelnen Kräfte der Erwachsenenbildung auf jeden Fall zu erhalten sind, haben wir seitens der SPD-Fraktion nicht nur frühzeitig in Anträgen auf diesen unhaltbaren Zustand aufmerksam gemacht, sondern 2014 von Herrn Prof. Dr. Eckert auch ein Gutachten zur Lage der Erwachsenenbildung in Bayern erstellen lassen.
Wir vier waren uns schnell einig, dass wir uns mit dem vom Gutachter konstatierten Matthäus-Effekt – "wer hat, dem wird gegeben" – nicht abfinden würden und deshalb für eine deutlich höhere institutionelle Förderung sorgen wollten. Meine Mitstreiter ließen sich auch davon überzeugen, dass es daneben eine Programmförderung, im Gesetzentwurf heißt es Projektförderung, braucht, um gesellschaftlich besonders
wichtige Bildungsangebote zu ermöglichen, zum Beispiel bei der Grundbildung oder der politischen Bildung.
Wir wollen aber keine "Projektitis", also keine kurzatmigen Projekte. Ute Eiling-Hütig hat unseren Gesetzentwurf inhaltlich schon vorgestellt, sodass ich das nicht zu wiederholen brauche. Sie hat schon darauf hingewiesen, dass wir unsere Anliegen in einem Entschließungsantrag explizit darlegen und bis zur Zweiten Lesung auch noch den einen oder anderen Punkt bedenken werden.
Für heute danke ich nochmals meinen drei Kollegen ganz herzlich für die sehr gute Zusammenarbeit. Unserem Gesetzentwurf wünsche ich die Unterstützung, die die Erwachsenenbildung braucht. Prof. Dr. Meisel hat einmal treffend gesagt, dass die Erwachsenenbildung keine ökonomische Rendite, aber gesellschaftlichen Gewinn bringt; denn sie trägt durch den Erwerb zusätzlicher Kenntnisse und die Entfaltung schöpferischer Fähigkeiten dazu bei, dass Menschen ihren Platz als mündige Bürger in unserer Gesellschaft finden. Darum geht es uns.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs und im Ausschuss haben auch die anderen Fraktionen unserer Aussage zugestimmt, dass die Sicherstellung der stationären medizinischen Versorgung in allen Regionen ein drängendes Problem ist, das wir im Interesse der Menschen in unserem Lande verlässlich lösen müssen. Wir müssen uns in Bayern um unsere Krankenhäuser kümmern und können unsere Verantwortung weder auf den Bund noch auf die Kommunen schieben. Die SPD-Fraktion hält es nicht länger für hinnehmbar, dass immer mehr Krankenhäuser rote Zahlen schreiben. Wer das nicht glaubt, braucht sich nur einmal in den Krankenhäusern umzuhören; die dort Arbeitenden werden Ihnen bestätigen, dass Geburtsstationen
schließen und das Personal hoffnungslos überlastet ist.
Gestern erst war eine Meldung zu lesen, dass der Krankenstand beim Pflegepersonal um die Hälfte höher ist als bei den übrigen Beschäftigten in Bayern. Das darf nicht sein; da sind wir politisch gefordert.
Ein überzeugendes Engagement der Staatsregierung können wir in dieser Hinsicht jedoch leider nicht erkennen. Vielmehr zieht sie sich darauf zurück, die Landkreise und die kreisfreien Städte seien für die Krankenhausversorgung als Teil der Daseinsvorsorge zuständig. Das ist grundsätzlich richtig, aber keineswegs ein hinreichendes Argument für eine extrem zurückhaltende Krankenhauspolitik, die ihre planerischen und gesetzgeberischen Möglichkeiten kaum nutzt.
Dabei hätte das Land diese durchaus; denn es gibt ein duales System bei der Krankenhausfinanzierung. Für die Betriebskosten sind die Krankenkassen über die Fallpauschalen zuständig und für die Investitionskosten im Wesentlichen Land und Kommunen.
Bayern zahlt zu wenig für Investitionen. Küchen und Apotheken zum Beispiel in Krankenhäusern werden überhaupt nicht gefördert. Ein Krankenhaus ohne Küche kann man sich schlecht vorstellen. Das bedeutet für die Krankenhäuser, dass sie Investitionen zu einem erheblichen Teil über die Betriebskosten finanzieren müssen. Das heißt: Geld fehlt in der Pflege. Darunter müssen die Patienten und Patientinnen leiden und auch die Pflegekräfte selbst, weil sie zu wenige sind.
Wir wollen, dass der Freistaat seinen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Krankenhäusern endlich nachkommt.
Wir wollen auch, dass Bayern, wenn es die vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelten Qualitätsindikatoren nicht übernehmen will, seine Kompetenzen nutzt, um Qualität und regionale Versorgung zu sichern. Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Uns geht es dabei um eine wesentlich ambitioniertere Krankenhauspolitik in Bayern mit einer deutlich erweiterten Zielsetzung. Diese betrifft vier Bereiche.
Erstens wollen wir eine patientenorientierte Krankenhauspolitik. Die alltäglichen Abläufe im Krankenhaus sollen möglichst patientenfreundlich gestaltet werden. Die Patienten erhalten ein Informations- und Be
schwerderecht und überall unabhängige Patientenfürsprecher. Ein professionelles Entlassungsmanagement ist notwendig und ebenso der Anspruch von Patientinnen und Patienten auf soziale und seelsorgerliche Betreuung. Außerdem halten wir es für notwendig, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern, von Menschen mit Behinderung, von Menschen mit Migrationshintergrund und von älteren Menschen im Krankenhaus berücksichtigt werden.
Ein zweiter wesentlicher Punkt ist die Qualitätssicherung. Wir wollen – das schlagen wir im Gesetzentwurf vor – Regelungen zu Personalmindestzahlen, und zwar auf allen Stationen. Man muss in diesem Zusammenhang bedenken, dass in keinem anderen europäischen Land eine Pflegekraft so viele Patienten betreuen muss wie in Deutschland. Das kann in einem reichen Land wie Deutschland eigentlich nicht sein. Diese Personalmindestzahlen sollen auch für Hebammen gelten. Wir möchten ferner eine kollegiale Leitung in Krankenhäusern: Ärztliche Leitung, Pflegedienstleitung und kaufmännische Geschäftsführung müssen gleichberechtigt sein. Für notwendig halten wir Konzepte zum Umgang mit berufsbezogenen Belastungen. Auf den hohen Krankenstand habe ich eben schon hingewiesen. Ferner brauchen wir wirksame Konzepte auch zum Umgang mit antibiotikaresistenten Erregern – ein zunehmendes Problem in Krankenhäusern – zum Schutz der Patienten.
Ein dritter Bereich ist eine transparente und qualitätsorientierte Krankenhausplanung. Auf die Defizite in diesem Bereich habe ich eben schon hingewiesen. Wir möchten Bedarfsgutachten erstellen lassen, eine Beteiligung des Landtages bei der Erstellung des Krankenhausplans, ein erweitertes Anhörungsrecht von Interessengruppen und mehr Kompetenzen für den Krankenhausplanungsausschuss. Natürlich müssen die Notfallversorgung und generell eine regional ausgeglichene und wohnortnahe stationäre Versorgung gewährleistet sein. Nicht umsonst steht die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse als Forderung in der Bayerischen Verfassung.
Zuletzt – ganz wichtig! – geht es um eine deutliche Erhöhung der staatlichen Investitionsförderung. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus beziffert den jährlichen Investitionsbedarf auf aktuell 999 Millionen Euro. Das heißt – ohne dass man ein Rechenkünstler sein müsste –, dass die 643 Millionen Euro, die dieses Jahr zur Verfügung gestellt werden, um ein Drittel zu niedrig sind. Nicht nachvollziehbar ist für mich, dass, wie in der Ersten Lesung geschehen, vom Vertreter der CSU die Zahlen dieses Instituts bezweifelt wurden, obwohl dieses Institut doch genau für eine solche Bedarfsanalyse zuständig ist. Wenn Sie sich allerdings lieber an den von Krankenkassen be
nannten erforderlichen Investitionskosten orientieren, bitte sehr: dann müsste die Förderung noch höher ausfallen. Die von Ministerpräsident Söder in seiner Regierungserklärung in Aussicht gestellten 3 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre werden nicht genügen. Sie bedeuten übrigens keine Erhöhung im Vergleich zu heuer, sondern eine Reduzierung der Förderung.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Krankenhäuser sind keine Wirtschaftsbetriebe. Wir wollen Krankenhäuser, in denen die Patientinnen und Patienten gut versorgt und betreut werden und in denen Ärzte und Pflegekräfte gerne und gut arbeiten können.
Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.
Herr Kollege Radlmeier, ich könnte jetzt einiges sagen. Aber um Ihre Frage zu beantworten, warum wir über diesen Gesetzentwurf beraten, braucht es keine Fantasie, sondern einen Blick in die Realität. Ich habe vorhin gesagt, sehr viele Krankenhäuser, die Mehrheit, schreiben rote Zahlen. Das muss uns doch zu denken geben und zu Überlegungen veranlassen, was aus Sicht der Landespolitik zu tun ist, damit sich das verändert. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass das Krankenhauspersonal
erheblich überlastet ist. Auch das ist eine Frage an uns, was wir dagegen tun.
Sie haben mich offensichtlich missverstanden. Ich habe nicht gesagt, in Bayern würde im Gesundheitsbereich nichts getan. Ich würde das nie behaupten; denn das wäre grundfalsch. Natürlich gibt es schon Patientenfürsprecher. Diese sind aber in der Regel nicht unabhängig. Das sind zum Teil Beschäftigte, die in einer gewissen Abhängigkeit zum Krankenhaus stehen. Ich frage mich, wie sehr sich diese Leute für die Interessen und Belange der Patienten einsetzen können.
Wir möchten, dass vereinzelt vorhandene Errungenschaften in die Krankenhausplanung aufgenommen werden. Wir sollten uns gemeinsam fragen: Was ist ein gutes Krankenhaus? Wie möchten wir die Krankenhäuser in Bayern haben? Wir haben die Möglichkeit, dafür Kriterien in der Krankenhausplanung festzulegen.
Ein weiterer Blick in die Realität bietet sich Ihnen, wenn Sie sich einmal die Krankenhausplanungsgesetze anderer Bundesländer ansehen. Sie werden feststellen, dass sie erheblich umfangreicher als das bayerische Gesetz sind. Sie enthalten genau solche Kriterien, wie wir sie in unserem Gesetzentwurf aufführen. Sie nutzen die Möglichkeiten, die ein Land hat, um für eine gute stationäre medizinische Versorgung seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen.
Ein letzter Punkt. Ich habe eben gesagt, man muss kein Rechenkünstler sein, um festzustellen, dass die angekündigte Förderung der Investitionen in Krankenhäuser in den nächsten fünf Jahren in Höhe von 6 Milliarden Euro keine Erhöhung darstellt. Sie haben die Zahl von heuer, 643 Millionen Euro, genannt. Wird diese Zahl mit 5 multipliziert, ergibt das etwas mehr als 3,2 Milliarden Euro. Das ist also eine Senkung, keine Erhöhung.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns und wahrscheinlich auch Sie alle beschäftigt die Frage: Wie kann die stationäre medizinische Versorgung in allen Regionen jetzt und auch künftig sichergestellt werden?
Die Beantwortung dieser Frage ist umso dringlicher, als die Probleme zunehmend offenkundig werden. Immer mehr Krankenhäuser schreiben rote Zahlen, Geburtsstationen schließen, das Personal ist überlastet. Das heißt, die Landespolitik ist gefordert; denn die Sicherstellung der Krankenhausversorgung ist ein Teil der Daseinsvorsorge – so ist es im Grundgesetz in Artikel 20 geregelt – und Aufgabe der Länder.
In Bayern hat man diesen Auftrag den Landkreisen und kreisfreien Städten übertragen. So ist es in der Landkreisordnung im Artikel 51 zu lesen. Das heißt aber nicht, dass sich die Staatsregierung damit bequem zurücklehnen könnte. Sie nimmt das zwar als Begründung für eine ausgesprochen defensive Krankenhauspolitik in Bayern und nutzt ihre gesetzgeberischen und planerischen Möglichkeiten viel zu wenig. Das Argument, die Gesundheitspolitik sei irgendwie doch überwiegend Bundesangelegenheit und im Krankenhausbereich mangele es den Ländern an Kompetenzen, kann in zweifacher Hinsicht nicht überzeugen.
Zum einen attestiert sich die Staatsregierung gerne eine grundsätzliche Allzuständigkeit. Wir denken etwa an die geplante eigene Grenzpolizei oder an ein Landesamt für Asyl. Für beides ist originär der Bund zuständig.
Zum anderen haben gerade in der Krankenhauspolitik auch die Bundesländer ein gewichtiges Wort mitzureden. Das beruht auf dem dualen System der Krankenhausfinanzierung. Die Betriebskosten werden von den Krankenkassen über die Fallpauschalen gezahlt, für die Investitionskosten hingegen sind die Bundeslän
der zuständig. Hier muss man leider feststellen, dass Bayern zu wenig an Investitionsförderung zahlt. Beispielsweise werden Küchen oder auch Apotheken in Krankenhäusern mit dem Argument nicht mitfinanziert, beides könne man als eigenständige Bereiche outsourcen.
Für ein Krankenhaus, das in sein Gebäude investieren muss, bedeutet das, dass es einen Teil seiner Investitionskosten über Betriebskosten finanzieren muss, das heißt, über Geld, das eigentlich für die Pflege gedacht ist. Dieses Geld fehlt in der Pflege – und das, obwohl eine Pflegekraft in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern eh schon die meisten Patienten betreuen muss. Diese Situation ist nicht akzeptabel;
denn darunter leiden sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Pflegekräfte, die ihre Arbeit ja gut machen wollen. Da Bayern an der dualen Finanzierung nichts ändern will, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelten Qualitätsindikatoren aber nicht übernimmt, gilt es, die Landeskompetenzen zu nutzen, um Qualität und regionale Versorgung gleichermaßen zu sichern. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf bewirken.
Wir wollen eine deutlich ambitioniertere Krankenhauspolitik in Bayern und daher deren Zielsetzung wesentlich erweitern. Am wichtigsten ist uns dabei die Patientenorientierung. Die alltäglichen Abläufe im Krankenhaus können wesentlich patientenfreundlicher gestaltet werden, als es oft der Fall ist. Patienten brauchen ein Informations- und Beschwerderecht. Patientenfürsprecher gibt es nur in etwa einem Drittel der Krankenhäuser – und da sind es oft Krankenhausbeschäftigte. Wir möchten, dass Patienten überall einen Patientenfürsprecher als Ansprechpartner haben und dass diese unabhängig vom Krankenhausbetrieb sind.
Es braucht ein professionelles Entlassungsmanagement, gerade auch im Hinblick auf ältere Patienten, wenn eine Anschlussbetreuung oder eine Reha notwendig ist. Patienten haben Anspruch auf soziale und seelsorgerliche Betreuung. Außerdem ist den besonderen Bedürfnissen von Kindern, von älteren Menschen, von Menschen mit Behinderung oder von Migranten in den Krankenhäusern Rechnung zu tragen.
Ein zweiter Punkt besteht für uns in der Qualitätsorientierung. Hier geht es sowohl um die Struktur- als auch um die Prozessqualität. Dazu braucht es Regelungen zur Personalmindestzahl. Das soll in Form
einer Rechtsverordnung geschehen, die im Einvernehmen mit den unmittelbar an der Krankenhausplanung Beteiligten erstellt wird und die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Die Personalmindestzahlen sollen übrigens auch für Hebammen gelten. Über das Thema "Hebammen" haben wir hier schon des Öfteren diskutiert.
Wichtig ist uns auch eine kollegiale Betriebsleitung in Krankenhäusern, das heißt: Ärztliche Leitung, Pflegedienstleitung und kaufmännische Geschäftsführung müssen gleichberechtigt sein.
Es braucht Konzepte zum Umgang mit berufsbezogenen Belastungen, unter denen Krankenhausbeschäftigte vielfach leiden. Wir brauchen überdies Konzepte zum Umgang mit antibiotikaresistenten Erregern.
Ein dritter Punkt ist eine transparente und qualitätsorientierte Krankenhausplanung. Grundlage für diese Planung muss ein Bedarfsgutachten sein. Zu beteiligen ist auch der Landtag, dem die Planungen regelmäßig vorzulegen sind. Wir benötigen ein erweitertes Anhörungsrecht von Interessengruppen sowie eine klare Definition von Versorgungszielen. Worum soll es bei der Krankenhausplanung gehen? Was ist unser Ziel?
Des Weiteren brauchen wir mehr Kompetenzen im Krankenhausplanungsausschuss. Die Notfallversorgung für alle muss gewährleistet sein, ebenso eine regional ausgeglichene Krankenhausverteilung, also eine möglichst wohnortnahe Versorgung mit Krankenhäusern.
Um dies zu erreichen, ist viertens auch eine deutliche Erhöhung der staatlichen Investitionsförderung notwendig. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus hat den jährlichen Investitionsbedarf in Bayern aktuell mit 999 Millionen Euro beziffert. Selbst durch die Erhöhung, die im Wahljahr erfolgt ist, sind das immer noch 333 Millionen Euro mehr, als die Staatsregierung für die Investitionen zur Verfügung stellt. Da ist also noch einiges an Luft nach oben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Krankenhäuser sind keine Wirtschaftsbetriebe. Die Patientinnen und Patienten befinden sich in einer Ausnahmesituation, die von Ängsten und Hoffnungen und vor allem von Hilfsbedürftigkeit geprägt ist. Wenn sich Patienten nicht mehr trauen, nach der Krankenschwester zu klingeln, weil diese sowieso schon total im Stress ist, dann läuft etwas gewaltig schief in unseren Krankenhäusern.
Wir wollen Rahmenbedingungen, die gute Pflege möglich machen, und hoffen dabei auf Ihre Unterstützung. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir wieder zu einem sinnvollen Antrag, zu dem die Aussprache aber deutlich weniger emotional verlaufen dürfte.
Die Staatsregierung hat erkannt, dass wir gegen den Ärztemangel etwas tun müssen. Sie plant die Errichtung eines Universitätsklinikums in Augsburg. Den entsprechenden Gesetzentwurf hatten wir heute Vormittag auf der Tagesordnung. Das ist zu begrüßen. Mindestens genauso wichtig und genauso dringend ist die Verbesserung der Situation im Bereich der Pflege. Hier ist die Überlastung des Personals der Normalzustand. Überstunden fallen nämlich nicht nur während der Urlaubszeit oder bei Krankheitsvertretungen an. Pausenzeiten können nur selten eingehalten werden. Doppelschichten sind an der Tagesordnung. Das darf nicht so bleiben. Darüber sind wir uns sicher einig. Deshalb beantragt die SPD-Fraktion, dass die Staatsregierung morgen im Bundesrat einen Antrag des Landes Berlin zur Einführung von Personaluntergrenzen unterstützt. Nach § 137i SGB V sind die Krankenkassen, also die GKV, und die Deutsche Krankenhausgesellschaft verpflichtet, pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus festzulegen und für diese bis Ende Juni 2018 verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen zu vereinbaren. Doch nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen zeichnet sich keine wirkliche Verbesserung für die Pflege ab. Personaluntergrenzen sind nur für sechs Bereiche vorgesehen, also nicht für alle bettenführenden Abteilungen. Ein Drittel der Mindestbesetzung sollen auch Hilfskräfte stellen können. Die Mindestbesetzung muss nicht pro Schicht, sondern nur im Quartalsdurchschnitt eingehalten werden, und Sanktionen drohen einem Krankenhaus erst dann, wenn die Vorgaben drei Jahre in Folge missachtet werden. Eine gute, am Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten orientierte Pflege lässt sich auf diese Weise sicher nicht erreichen.
Wir können auch nicht abwarten, bis die Verabredungen aus dem Koalitionsvertrag, wonach für alle Bereiche Personalschlüssel festgelegt werden sollen, umgesetzt werden. Wir unterstützen den Antrag der CSU, der dessen zügige Umsetzung fordert, aber das allein reicht nicht. Der Handlungsbedarf besteht jetzt.
Daher muss die Politik umgehend dafür sorgen, dass § 137i SGB V tatsächlich im Sinne des Gesetzgebers umgesetzt wird, das heißt, der Personalschlüssel muss so hoch sein, dass er nicht nur für das unumgänglich Nötige in der Pflege reicht, sondern für eine bedarfsgerechte Versorgung und Pflege der Patientinnen und Patienten ausreichend ist.
Der Personalschlüssel darf auch nicht nur für einen kleinen Krankenhausbereich gelten. "Pflegesensitiv" ist ein eher unbestimmter, weil unterschiedlich interpretierbarer Begriff. Der Personalschlüssel muss vielmehr umfassend gelten, weil sonst vermutlich einfach Personal aus anderen Abteilungen in die pflegesensitiven Bereiche verschoben wird.
Es muss auch klar sein, dass Pflegefachkräfte gemeint sind und der Personalschlüssel keinesfalls durch Hilfskräfte oder Auszubildende erfüllt werden kann.
Selbstverständlich gilt der Personalschlüssel pro Schicht, auch nachts. Angemessene Personalschlüssel braucht es auch für die Hebammenbetreuung – das ist ein weiteres Defizit, mit dem wir schon öfter zu tun hatten. Die Krankenhäuser müssen mehr Personal einstellen, um diese hoffentlich dann bald so beschlossene Vorgabe zu erfüllen. Dieses Personal muss aber vollständig über die Entgelte refinanziert werden.
Mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen sorgen wir für gute Pflege, schützen das Personal vor Überlastung und machen den Pflegeberuf attraktiver. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag, den wir im Juli als Dringlichkeitsantrag gestellt haben, ist auch jetzt noch aktuell, nachdem das neue Ausbildungsjahr schon begonnen hat; denn Angebot und Nachfrage passen in der Berufsausbildung immer noch nicht zusammen. Einerseits klagen viele Betriebe, sie könnten keine Lehrlinge finden, andererseits haben zahlreiche Jugendliche trotz ihrer Bemühungen keinen Ausbildungsplatz gefunden.
Zahlen von Ende August besagen, dass noch 19.000 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz waren. Ihnen standen 34.000 freie Stellen gegenüber.
Diese Diskrepanz hat ganz verschiedene Gründe, zum Beispiel die Attraktivität oder die fehlende Attraktivität mancher Berufe, die Ausbildungsbedingungen oder einfach regionale Unterschiede. Diesen verschiedenen Gründen werden wir bei Gelegenheit noch genauer nachgehen.
Offensichtlich ist jedoch der Nachwuchsmangel im Bereich der beruflichen Bildung. Chancen auf Karriere, höheres Einkommen und gesellschaftliches Ansehen sind nach weit verbreiteter Einschätzung eher durch einen akademischen denn durch einen beruflichen Bildungsweg erreichbar. Die gut gemachte Imagekampagne der Handwerkskammern konnte daran ebenso wenig grundsätzlich ändern wie die bisher von der Staatsregierung ergriffenen Maßnahmen wie zum Beispiel Praktika und andere Berufsorientierungsmaßnahmen. Deshalb muss mehr getan werden, um die Gleichwertigkeit der beruflichen mit der akademischen Bildung in der Gesellschaft stärker zu verankern. Daran hapert es ja offensichtlich.
Mit diesem Antrag greift die SPD-Fraktion einige wichtige Punkte auf. Zu anderen Aspekten haben wir schon verschiedene Anträge gestellt und werden dies auch künftig tun. Mit dem vorliegenden Antrag neh
men wir die Mittel- und Realschulen in den Blick. Sie müssen personell besser ausgestattet werden. In den Mittelschulen fehlen vielfach Lehrer. Die Realschulen weisen immer noch vergleichsweise große Klassen auf. Dies beeinträchtigt den Lernerfolg in allen Bereichen und lässt den Schulen auch nicht genügend Spielraum, um die Schülerinnen und Schüler mit beruflichen Tätigkeitsfeldern vertraut zu machen. Dabei ist auch der Wandel in der Arbeitswelt und in den Berufsbildern zu beachten, damit die notwendigen Kompetenzen in der Schule vermittelt werden können. Übrigens, das wird in diesem Antrag nicht genannt, auch in den Gymnasien schadet eine Berufsorientierung keineswegs.
Zunehmend wichtiger wird der Kontakt zwischen den Schulen und den Eltern. Diese wollen in der Regel das Beste für ihr Kind. Ihnen gilt es zu vermitteln, dass es nicht den Königsweg der Bildung gibt, sondern dass es je nach Fähigkeiten und Neigungen zwar verschiedene, aber gleichwertige Bildungswege gibt. Viele Eltern sind sich des Stellenwerts der beruflichen Bildung nicht wirklich bewusst. Informationsveranstaltungen zu diesem Thema, organisiert von Mittel- und Realschulen, können hier Abhilfe schaffen. Wenn Eltern dort zum Beispiel erfahren, dass der Meisterbrief als Abschluss im Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen dem Niveau 6 und damit dem Bachelor entspricht, kann und wird sie dies zu größerer Wertschätzung der beruflichen Bildung motivieren; und das ist doch in unser aller Interesse. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Zellmeier, ich sehe schwarz für die "schwarze Ampel".
Wenn ich mir den Antrag der CSU anschaue, ist mein erster Eindruck: Haben wir wirklich keine drängenderen Themen als die Feiertagskultur?
Eigentlich bewegen doch auch Sie andere Themen; entsprechende Anträge stehen heute auf der Tagesordnung. Daher stellt sich die Frage: Was ist die Intention dieses Dringlichkeitsantrags?
Er will, so die Überschrift, die "Feiertagskultur bewahren". Ist diese in Gefahr? Gibt es irgendwelche Bestrebungen, an unserer Feiertagskultur etwas zu ändern? Wird hier nicht ein Popanz aufgebaut?
Sie haben darauf hingewiesen, dass Innenminister de Maizière – von Ihrer Schwesterpartei – kürzlich in einem Interview geäußert hat, in Regionen mit einem hohen Anteil an Muslimen könne man auch über einen muslimischen Feiertag nachdenken. Er hat, wenn ich richtig gelesen habe, keinesfalls die Abschaffung christlicher Festtage gefordert.
Gefahr für die Feiertagskultur droht auch nicht seitens der katholischen Kirche. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und der Bischof von Passau haben lediglich Sympathie für die Überlegungen de Maizières geäußert.
Deswegen bleibt es bei der Feststellung: Die Befürchtungen sowohl Ihrerseits als auch von Alexander Dobrindt, der gemeint hat: "Das christliche Erbe Deutschlands ist nicht verhandelbar", sind gänzlich unbegründet. Niemand will uns unser Erbe streitig machen. Weit und breit ist kein Erbschleicher in Sicht.
Ein Erbe – wenn man es bekommt – ist schön. Wenn man aus einem Erbe nichts macht, dann verliert es an Wert und an Bedeutung. Dann hat man nur noch die Asche, nicht mehr die Glut. Ein Erbe verpflichtet also. Das Erbe unserer Tradition verpflichtet uns anzuerkennen, dass christlich-jüdisch-abendländisch unsere Tradition ist, aber nicht mehr unsere Prägung. Bei uns leben Menschen unterschiedlicher Religionen. Hier leben viele Menschen, die sich keiner Konfession oder Religion zugehörig fühlen. Vor diesem Hintergrund ist unser Land mittlerweile auch anders geprägt.
Zu unserem Erbe gehört auch, dass wir Religionsfreiheit ernst nehmen – nicht, indem wir anderen Vorschriften machen, sondern indem wir es ihnen ermöglichen, ihre Religion zu leben. Insoweit können wir uns ein Beispiel an den christlichen Kirchen nehmen. Ich zitiere aus "Nostra aetate", der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen:
In unserer Zeit, da sich das Menschengeschlecht von Tag zu Tag enger zusammenschließt und die Beziehungen unter den verschiedenen Völkern sich mehren, erwägt die Kirche mit um so größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie zu den nichtchristlichen Religionen steht. Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern, faßt sie vor allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt.
Gemeinschaft zu fördern, auch und gerade zwischen Menschen verschiedener Kulturen und Religionen, ist Aufgabe nicht nur der Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften, sondern auch der Politik. Kollege Streibl hat schon darauf hingewiesen: Wenn man dies durch weitere Feiertage zum Ausdruck bringen wollte, dann könnte man an den Reformationstag denken.
Es gibt in Bayern durchaus pragmatische Regelungen des Umgangs mit diesem Thema. Jüdische, orthodoxe und muslimische Feiertage werden an den Schulen insofern berücksichtigt, als die betreffenden Schülerinnen und Schüler vom Unterricht befreit sind. Mehr verlangt im Moment niemand.
Was ist dann der Sinn des CSU-Antrags und – in seinem Fahrwasser – des nachgezogenen Antrags der FREIEN WÄHLER? – Es sind Schaufensteranträge, mit denen Stimmung gemacht werden soll.
Das machen wir nicht mit. Wir lehnen deshalb beide Anträge ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Trautner, um einen grundsätzlichen Handlungsbedarf zu erkennen, bedarf es keines weiteren Antrags; denn dieser grundsätzliche Handlungsbedarf ergibt sich aus den Ergebnissen der Forsa-Studie. Wir sind uns alle einig – das habe ich auch bei den Vorrednern herausgehört –, dass es nicht zur Stellenbeschreibung von Lehrkräften gehört, beschimpft, beleidigt, gemobbt oder gar körperlich angegriffen zu werden. Aber Lehrerinnen und Lehrer erleben Gewalt so oft, dass sie schon fast Alltag für sie ist. Das ist keine übertriebene Schwarzmalerei, sondern das Ergebnis einer Studie, die eben schon genannt wurde und die im Auftrag des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes und des bundesweiten Verbands Bildung und Erziehung bei Forsa in Auftrag gegeben wurde.
Es gibt eine spezielle Auswertung dieser Studie für Bayern, woher ein Viertel der Befragten gekommen ist, und diese Studie zeigt ein bedenkliches Ausmaß von Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer. Rückblickend auf die letzten fünf Jahre wussten 55 % der Lehrer von psychischer Gewalt, 14 % von physischen Angriffen und 34 % von Cyber-Mobbing an ihrer Schule, wobei die letzte Zahl, also die auf Cyber-Mobbing bezogene Zahl, in Bayern um 5 % höher liegt als im Bundesdurchschnitt – also keineswegs heile Welt an Bayerns Schulen.
Zunehmend mit Gewalt konfrontiert zu werden – darauf hat der Kollege Ganserer eben schon hingewiesen – ist kein lehrerspezifisches Problem. Studien und Statistiken zeigen deutlich, dass Gewalt in unserer Gesellschaft insgesamt zugenommen hat und dass davon Polizeibeamte, Rettungskräfte der Feuerwehr und Sanitäter genauso wie Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und Justiz betroffen sind. Doch während in zahlreichen bayerischen Ministerien die Zahlen erhoben und Statistiken geführt werden, glänzt ausgerechnet das Kultusministerium mit Unwissenheit.
Dies hält BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Recht für inakzeptabel.
Wir von der SPD-Fraktion unterstützen daher den Antrag, Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer systematisch zu erfassen. Nur wenn wir wissen, wie viele Lehrkräfte in welchen Schularten Opfer von welchen
Formen von Gewalt werden und von wem diese ausgeübt wird, können wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Auf Ihre Bedenken bezüglich des Datenschutzes hin, Frau Kollegin Trautner, hat Kollege Gehring schon darauf hingewiesen, dass es um anonyme Erhebungen geht. Natürlich wird der Datenschutz gewährleistet. Es genügt keineswegs, wie Sie es getan haben und worauf auch Ihr Antrag zielt, dass man auf schon bestehende Unterstützungs- und Präventionsangebote verweist. Diese genügen offensichtlich nicht, denn sonst wäre das Gewaltpotenzial gegen Lehrer an unseren Schulen nicht so hoch.
Das Thema "Gewalt an Schulen" ist zwar im Kultusministerium bekannt, aber man kümmert sich dort vor allem darum, Gewalttätigkeiten unter Schülern einzudämmen. Da gibt es einige ganz gute und erfolgreiche Projekte. Die Gewalt gegen Lehrer wird jedoch weitgehend tabuisiert.
Auch das hat sich nicht die Opposition hier im Bayerischen Landtag ausgedacht, sondern 61 % der Lehrer im Unterschied zu 57 % bundesweit haben genau diesen Eindruck, dass Gewalt ihnen gegenüber tabuisiert wird. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass das Kultusministerium seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern nicht wirklich nachkommt.
Wenn es zum Lackmustest kommt, ist das Lob für Beamtinnen und Beamte, das heute Nachmittag schon der Kollege Nussel ausführlich dargelegt hat, genauso viel wert wie die Sonntagsreden über das Ehrenamt. Wenn es zum Treffen kommt, hat es leider keine Konsequenzen.
Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie dem Antrag der GRÜNEN zu, damit wir endlich ein verlässliches Bild von der Situation bekommen. Nur dann können wir nämlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen, zum Beispiel, was ein Ergebnis der Studie ist und was auch der BLLV fordert, die Zusammenarbeit mit multiprofessionellen Teams an Schulen. Auch darin sind wir uns zum Glück einig: Die Schule muss ein gewaltfreier Ort sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wie schon bei der Ersten Lesung gesagt, ist der vorliegende Gesetzentwurf insgesamt unproblematisch, zumal er überwiegend redaktionelle Änderungen beinhaltet.
Inhaltlich geht es vor allem um die berufliche Bildung. Kollege Reiß hat schon darauf hingewiesen: Zum einen werden für die Aufnahme einer Teilzeitausbildung im Pflegebereich – für andere Berufsfachschulausrichtungen gibt es diese Möglichkeit leider und, wie ich hoffe, nochnicht – keine zusätzlichen Voraussetzungen mehr verlangt. Das macht Sinn, weil es keinen sachlichen Grund gibt, Teilzeitausbildung unnötig zu erschweren.
Gesundheit und internationale Wirtschaft werden als neue Ausbildungsrichtungen gesetzlich verankert. Das begrüßen wir, weil die Modellversuche dazu er
folgreich waren und weil sich so neue Berufsfelder für Auszubildende eröffnen.
Dass Befürchtungen laut werden, wie der Kollege Reiß eben gemeint hat, dass der Abschluss an einer Beruflichen Oberschule nicht gleichwertig mit dem Abitur wäre und daher nicht hinreichende Voraussetzungen für ein Medizinstudium böte, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das wird sich zeigen; die Befürchtungen sind vielleicht nicht berechtigt.
Ich sehe allerdings bei einem anderen Aspekt ein Problem. Einerseits betonen wir immer, berufliche und akademische Ausbildung sind gleichwertig. Andererseits betonen wir genauso stark, dass gerade durch die Berufliche Oberschule die berufliche Ausbildung sogar zu akademischen Weihen führen kann. Deshalb sollten wir genauer überprüfen, ob wir letztlich nicht doch die berufliche Ausbildung einer akademischen Ausbildung unterordnen. Seien wir also etwas vorsichtiger im Sprachgebrauch.
Wir finden es auch sinnvoll, dass an Fachoberschulen Vorklassen, die bisher schon modellhaft erprobt werden, künftig institutionalisiert sind. Das ist eine wichtige Hilfe beim Übergang von einer Schulform auf die andere. Selbstverständlich haben wir auch keine Einwände dagegen, dass künftig auch an Förderschulen Klassenelternsprecher gewählt werden können. So weit, so gut.
Eine Bemerkung halte ich für notwendig: Es genügt nicht, den Begriff "Berufliche Oberschule" zu stärken, sondern es gilt, die Berufliche Oberschule wie insgesamt die beruflichen Schulen zu stärken. Das ist dringend notwendig. Die im neuen Bildungspaket vorgesehenen zusätzlichen 50 Stellen in den Jahren 2018 und in 2019 genügen bei Weitem nicht.
Das ist leider nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass an beruflichen Schulen immer noch Pflichtunterricht ausfällt; von der Notwendigkeit individueller Förderung, die angesichts der zunehmenden Heterogenität der Schüler dringend geboten wäre, ganz zu schweigen.
Es gibt also noch viel zu tun. Dem vorliegenden Gesetzentwurf stimmen wir zu. Aber wir werden an dem Thema dranbleiben; denn die berufliche Bildung ist es uns wert.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär hat sich kurz gefasst, ich werde seinem Beispiel folgen. Bei diesem Thema gibt es weder zur Selbstbeweihräucherung der Regierungspartei noch zu massiver Kritik der Opposition, wie wir sie eben in der Aktuellen Stunde erlebt haben, Anlass. Aus unserer Sicht ist der Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen insgesamt unproblematisch und überwiegend sinnvoll. Dass redaktionelle Änderungen vorgenommen werden, ist einleuchtend.
Sie haben auch darauf hingewiesen, dass man den Begriff der Beruflichen Oberschule jetzt stärker verankert, um Fachoberschule und Berufsoberschule zusammenzufassen. Auch das ergibt Sinn. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es keine zusätzlichen Voraussetzungen mehr für die Aufnahme einer Teilzeitausbildung geben soll. Dafür gab es schon bisher keinen sachlichen Grund. Wir sollten Teilzeitausbildung nicht unnötig erschweren. Gerade im Gesundheitswesen brauchen wir dringend mehr Personal und mehr gut ausgebildete Menschen. Daher ist die Erleichterung der Teilzeitausbildung in der Pflege von Vorteil.
Wir begrüßen auch die gesetzliche Verankerung der neuen Ausbildungsrichtungen Gesundheit und Internationale Wirtschaft. Wir erleben es öfter, dass Modellversuche nur verlängert werden oder ganz auslaufen. Hier werden Modellversuche gesetzlich verankert. Das ist sinnvoll. Wenn ich es richtig beobachte, gibt es auch schon genügend Studierende, die sich auf die Lehrtätigkeit in diesen Fächern vorbereiten.
Wir finden es auch vernünftig, dass die Vorklassen nun nach Beendigung des Schulversuchs institutionalisiert werden, weil viele davon profitieren und die Übergänge zwischen den einzelnen Schulsystemen besser geregelt werden. Insgesamt sind wir mit diesem Gesetzentwurf einverstanden. Wir werden sehen, wie wir im Ausschuss weiter diskutieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Thema unserer heutigen Aktuellen Stunde "Mobilisierung der Demokratie: Politische Bildung stärken" ist hoch aktuell. Das ist Tatsache und kein "alternativer Fakt", wie neuerdings Lügen verbrämt werden. Natürlich ist der Bayerische Landtag nicht für die politische Bildung des amerikanischen Präsidenten zuständig, und der Women’s March zeigt, dass viele Menschen in den USA verstanden haben, dass sie die Demokratie mobilisieren müssen.
Aber wir brauchen gar nicht auf andere Länder zu schauen. Politische Entwicklungen bei uns geben hinreichend Grund zur Sorge um unsere Demokratie. Wenn der Landesvorsitzende einer sich selbst als demokratisch bezeichnenden Partei von einer "dämlichen Bewältigungspolitik" spricht, das Berliner Mahnmal für die Opfer des Holocaust als "Denkmal der Schande" bezeichnet und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" fordert, stellt sich nicht nur die Frage, ob hier der Tatbestand der Volksverhetzung vorliegt – das werden die Gerichte entscheiden –, sondern wir müssen uns auch fragen, warum solche neonazistischen Äußerungen auf seine Partei und ihre Wähler nicht abschreckend wirken und wie wir der offensichtlichen Anziehungskraft von Rechtspopulisten entgegentreten können.
Die Menschen belastet weniger fehlende Sicherheit als eine tiefe Verunsicherung. Wegen der Globalisierung erscheinen vielen Menschen bei uns die Welt und das eigene Land als Teil davon komplex und unüberschaubar. Sie fühlen sich dieser Entwicklung gegenüber ohnmächtig und suchen ihr Heil bei Ideologen, die ihnen vorgaukeln, man könne die Welt draußen lassen und sich ihr gegenüber abschotten und dann herrsche wieder Ruhe im Land. Solche ebenso dummen wie gefährlichen Parolen lassen sich zwar mit vernünftigen Argumenten leicht entkräften – und das zu tun, ist notwendig –; aber es ist ein langer Prozess, bis aus der Verunsicherung Vertrauen in unsere Demokratie erwächst.
Dabei ist vor allem die politische Bildung gefordert. Sie beginnt in der Schule. In Artikel 131 der Bayerischen Verfassung heißt es: "Die Schüler sind im Geiste der Demokratie … zu erziehen." Wenn man sich anschaut, wie sich dieses hehre Ziel in den Stundentafeln niederschlägt, kommt man leicht ins Grübeln. Das Fach Sozialkunde wird an den Gymnasien in den Stufen 10 bis 12 mit einer Stunde in der Woche unterrichtet, an den Realschulen sogar nur in der 10. Klasse, ebenfalls mit einer Stunde. Auch an Berufsschulen und Berufsfachschulen wird eine Wochenstunde in jeder Jahrgangsstufe für ausreichend erachtet. Gar kein eigenes Fach Sozialkunde gibt es an den Mittelschulen; dort wird Sozialkunde gemeinsam mit Geschichte und Erdkunde unterrichtet. Die Zeit reicht an keiner dieser Schularten, um aktuelle politische Themen zu diskutieren und mehr als Grundkenntnisse über die demokratischen Strukturen der Bundesrepublik zu erlangen.
Dabei wollen wir doch die Schüler auf das Leben vorbereiten und zu mündigen und kritikfähigen Bürgern erziehen. Gelingt uns das so? – In den letzten Jahren wurde verstärkt Wert auf die sogenannten MINT-Fächer gelegt, um die Schüler für zukunftsträchtige Berufe fit zu machen. Das ist nicht falsch, genügt aber nicht. Insofern stimmt es nachdenklich, wenn es im aktuellen LehrplanPLUS heißt:
Die Schülerinnen und Schüler achten und schätzen den Wert der Freiheit und der Grundrechte. Auf der Grundlage einer altersgemäßen Fähigkeit und Bereitschaft zur Teilhabe am politischen Prozess tragen sie zu einer positiven wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Gesellschaft und zum Erhalt des Friedens bei.
Müsste uns nicht die soziale Entwicklung wichtiger sein als die wirtschaftliche? Dann müssten wir aber der politischen Bildung an den Schulen einen höheren Stellenwert einräumen.
Es genügt nicht, dass motivierte Lehrerinnen und Lehrer zusätzliche Projekte wie "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" durchführen oder KZ-Gedenkstätten besuchen. Dies setzt freiwilliges Engagement von Schülern und Lehrern außerhalb des Unterrichts voraus, was zwar Anerkennung verdient, aber nicht als Selbstverständlichkeit betrachtet werden darf.
Wir halten es für notwendig, dass Demokratieerziehung durch Erfahrung verstärkt wird. Schülerinnen und Schüler müssen an Entscheidungsprozessen in der Schule beteiligt werden; allein die Wahl eines Klassensprechers reicht hier nicht. Im Erziehungs-
und Unterrichtsgesetz müssen deshalb die Mitbestimmungsmöglichkeiten ausgeweitet werden.
Zudem ist die politische Bildung für alle Studierenden in der Lehrerausbildung zu verankern. Das geschieht derzeit zu wenig. Politische Bildung muss auch stärker ein Thema bei der Weiterbildung von Lehrkräften sein, und zwar mit dem Ziel, dass sich nicht nur Sozialkunde- oder Geschichtslehrer, sondern alle Lehrer für die Vermittlung politischer Bildung im Rahmen ihres Unterrichtsfachs verantwortlich fühlen.
Es braucht Zeit, um Demokratie an den Schulen zu erleben. Aktuelle Ereignisse müssen in den Schulalltag einbezogen werden. Es genügt nicht, nur auf vergangene Zeiten zu rekurrieren. Das Fach Sozialkunde muss zudem an allen Schularten gestärkt werden. Es braucht mehr und fächerübergreifende sowie jahrgangsgemischte Projekte zur Stärkung von Demokratieerziehung an allen Schulen. Lernen, auch in Bezug auf politische Bildung, endet nicht mit dem Schul-, Studien- oder Berufsabschluss. In der Erwachsenenbildung muss deshalb das Thema "Verständnis der und für die Demokratie" eine deutlich größere Rolle spielen. Dazu braucht es Geld, eine bessere institutionelle Förderung der Bildungsträger und Zeit.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert schon lange – bisher leider vergeblich – ein Bildungsfreistellungsgesetz für Bayern. In fast allen Bundesländern haben Erwerbstätige Anspruch auf Bildungsurlaub, den sie für Seminare zu allgemeinbildenden Themen nutzen können. Wir dürfen den Menschen in Bayern diese Möglichkeit nicht länger vorenthalten.
Mobilisieren wir die Demokratie und die Demokraten, damit sie politischen Demagogen nicht auf den Leim gehen und sich nicht Lügen als "alternative Fakten" andrehen lassen!
Herr Kollege Unterländer, in Artikel 6 Satz 1 heißt es: "Alle Kinder in Kindertageseinrichtungen sollen zentrale Elemente der christlichabendländischen Kultur erfahren." Was heißt das für Kindergärten, die keinen christlichen Träger haben? Ich weiß, es gibt sehr viele kirchliche Träger von Kitas oder kirchliche Wohlfahrtsverbände. Es gibt aber auch Kitas, die weltanschaulich neutral sind. Wie weit gehen dann diese Elemente der christlich-abendländischen Kultur? Dabei muss man auch noch darauf hinweisen – das kommt selbst in diesem Integrationsgesetz zum Ausdruck –, dass unsere Kultur nicht nur von einer christlich-jüdischen Tradition, die es ohne Zweifel gibt, geprägt ist, sondern auch von Humanismus und Aufklärung. Davon lese ich hier nichts. Ich frage mich, wie weltanschaulich neutrale Kitas dies bewerkstelligen sollen. Wo ist dann die Nächstenliebe, von der auch die Rede ist und die den Respekt vor den religiösen Überzeugungen anderer erfordert? Wie ist das eine mit dem anderen zu vereinbaren?
Danke schön. – Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Sie irren sich, Herr Kollege Pohl, wenn Sie sagen, in den Schulen passiere schon alles, was in Artikel 7 dargestellt wird. Offensichtlich ist das Integrationsverständnis der Schulen nicht so, wie es die Staatsregierung und die CSU in diesem Gesetz propagieren, nämlich Integration als Einbahnstraße. Davon ist dieser Artikel 7 eindeutig geprägt.
Bereits in Absatz 1 Satz 1 wird auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag nach Artikel 131 der Verfassung verwiesen,
und dieser Artikel 131 nennt als oberste Bildungsziele unter anderem Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen.
Also, ich habe aus Artikel 131 der Bayerischen Verfassung die obersten Bildungsziele zitiert. So weit, so gut. Hier wird von den Schulen aber verlangt, dass sie in diesem Auftrag die in Artikel 1 genannten Integrationsziele verwirklichen. Wenn man dort als interessierter Leser nachsieht, findet man aber nur ein einziges Integrationsziel, und zwar die unabdingbare Achtung der Leitkultur. Das kann es nicht sein. Da wird die Bayerische Verfassung schon arg eingedampft, und damit können wir uns nicht zufrieden geben.
Danach ist von interkultureller Kompetenz aller Schülerinnen und Schüler die Rede. Wie soll das geschehen? Es wird überhaupt nicht erläutert, wie man Schülerinnen und Schülern interkulturelle Kompetenz vermitteln will, zumal als oberstes Ziel die Achtung der Leitkultur genannt wird.
Im Änderungsantrag der SPD, der vorhin schon mehrfach erwähnt wurde, heißt es, dass die Bildungseinrichtungen die ethnische, kulturelle und religiöse Identität achten und fördern. Von einem Fördern dieser interkulturellen Identität steht hier aber nichts. Es steht auch nichts davon da, dass die Muttersprache gefördert werden soll. Kolleginnen und Kollegen haben aber eben schon darauf hingewiesen, dass man in seiner Muttersprache firm sein muss, um andere Sprachen erlernen zu können.
Der Islamunterricht wird in Bayern immer noch im Modellstatus erteilt. Wir haben mehrfach Anträge gestellt, dass er flächendeckend eingeführt werden soll. Das ist aber immer noch nicht erreicht. Das ist eindeutig ein Defizit bei der interkulturellen Förderung.
Die Lehrerinnen und Lehrer sollen nicht nur gelobt werden, wie das Frau Kollegin Trautner eben getan hat, sondern sie sollen "im erforderlichen Umfang" Fortbildungen bekommen. Was aber heißt "erforderlicher Umfang"? Wer legt fest, was erforderlich ist? – Meine Kollegin Annette Karl hat aus der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage erfahren, dass bei einschlägigen Fortbildungsangeboten geprüft wird, ob sie durchgeführt werden sollen. Auch da gibt es sehr viel Luft nach oben und nur wenig Konkretes.
In Absatz 3 heißt es, für Schülerinnen und Schüler können gesonderte Klassen und sonstige Fördermaßnahmen zur Sprachförderung eingerichtet werden. – Wir sind uns einig, dass die Aufnahme in Regelklassen das Sinnvollste ist, weil die Schülerinnen und Schüler sich dort am schnellsten integrieren. Das ist aber oft nicht auf Anhieb möglich, sondern es werden Fördermaßnahmen gebraucht. "Können" genügt nicht, man muss sie einrichten, weil die Schülerinnen und Schüler sonst dem Unterricht in den Regelklassen gar nicht folgen können.
Der Sinn von Absatz 4 erschließt sich mir auch nicht beim zweiten oder dritten Lesen. Wenn die Teilnahme am Unterricht als Grundvoraussetzung für die Integration an den Schulen für alle Schüler gilt, und wenn das auch so Praxis ist, dann könnte man ihn auch ersatzlos streichen. Oder soll jetzt ein Sonderrecht für muslimische Schüler eingeführt werden? Dann ist dieser Absatz der Integration aber nicht dienlich, sondern in hohem Maße hinderlich.
Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Ihr Integrationsgesetz außerhalb der CSU nicht auf große Gegenliebe stößt. Der BLLV hat heute in einer Pressemitteilung noch einmal darauf hingewiesen, dass einzelne Passagen dieses Gesetzes eher dazu dienen, Flüchtlinge auszugrenzen und zu diskriminieren. Ich zitiere aus dieser Pressemitteilung:
Wir brauchen eine Willkommenskultur. In den Schulen wird dies mit hohem Einsatz geleistet. Wir Lehrerinnen und Lehrer helfen den Flüchtlingen mit viel Engagement, sich zu integrieren und mit unserer Lebensweise umgehen zu können. Wir warnen davor, durch Hetze und Polemisierung ein gesellschaftliches Klima zu befördern, das Gewalt begünstigt und unsere Arbeit in den Schulen gefährdet.
So die Präsidentin des BLLV, Frau Fleischmann. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Wir lehnen diesen Passus in Artikel 7 ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Sengl hat völlig recht. Aber nicht nur dieser letzte Abschnitt, sondern der ganze Artikel 17a Absatz 5 ist überflüssig.
Das ist das Beste, was man von diesem Artikel sagen kann.
Es geht dabei um Änderungen im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Zum Teil sind es redaktionelle, zum Teil inhaltliche Änderungen. Artikel 2 Absatz 1 wird zum Beispiel um die Worte "und die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten sowie die interkulturelle Kompetenz aller Schülerinnen und Schüler zu unterstützen" ergänzt. Begründet wird diese Änderung damit, dass die Schulen zur Verwirklichung der Integrationsziele besonders beitragen sollen. Man könnte denken, das tun die Schulen, weil Artikel 2 des Bayerischen Erziehungsund Unterrichtsgesetzes unter anderem lautet:
Die Schulen haben insbesondere die Aufgabe, … zu verantwortlichem Gebrauch der Freiheit, zu Toleranz, friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen zu erziehen, zur Anerkennung kultureller und religiöser Werte zu erziehen…
Was ist das bitte anderes als richtig verstandene Integration? – Aber möglicherweise ist das gar nicht das Verständnis der Staatsregierung von Integration. Dieser Verdacht hat bei der Beschäftigung mit diesem In
tegrationsgesetz schon mehrfach nahegelegen. Dass dem so ist, bestätigt sich auch hier wieder, weil, wie ich eben zitiert habe, die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten unterstützt werden sollen. Es genügt also offensichtlich nicht, dass die Schulen die Jungen und Mädchen zu friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen sowie zur Anerkennung kultureller und religiöser Werte erziehen. Das wäre eine Begegnung auf Augenhöhe. Zu fordern, die Integrationsbemühungen von Migrantinnen und Migranten zu unterstützen, macht deutlich, dass Sie Integration als Einbahnstraße verstehen. Das ist nicht als Begegnung gleichwertiger Menschen, sondern so zu verstehen, dass sich die Migranten bei uns gefälligst integrieren sollen. Dieses Verständnis von Integration lehnen wir ab. Deshalb habe ich eben gesagt: Das Beste, was man dazu sagen kann, ist: Der ganze Artikel 17a Absatz 5 ist überflüssig.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass diese Integrationsleistung vor allen Dingen die Grundund Mittelschulen sowie die beruflichen Schulen zu erbringen haben. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es einen sogenannten Bildungscheck braucht, um festzustellen, welche Schule für welches Kind mit Migrationshintergrund geeignet ist. Dann würde diese Aufgabe gleichmäßiger verteilt und wären Realschulen und Gymnasien nicht von vornherein weitgehend außen vor, wie es derzeit der Fall ist.
Eine weitere inhaltliche Änderung, die Kollegin Sengl bereits angesprochen hat, betrifft die Aussetzung der Schulpflicht für Jugendliche, die in besonderen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und eigentlich nur auf ihre Abschiebung vorbereitet werden sollen. Insofern hat die CSU einen Lichtblick gehabt und einen Änderungsantrag gestellt, sodass es auch dort eine Form von Unterricht geben soll. Dabei bleibt allerdings offen, wie qualifiziert und umfangreich dieser Unterricht sein wird, wie dort die Schulpflicht erfüllt werden soll, wie dieses schulische Angebot finanziell ausgestattet wird und ob dieser Unterricht bedarfsdeckend eingerichtet wird oder nicht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang – so hat die CSU festgestellt –, dass sich die jugendlichen Migranten durch Diversität auszeichnen, dass Herkunft und Bleibeperspektive der schulpflichtigen Kinder sehr unterschiedlich sind, dass die jungen Menschen aus verschiedenen Ländern und anderen Kulturkreisen kommen und eine unterschiedliche schulische Vorbildung haben. Das ist durchaus eine wichtige Erkenntnis. Nur: Warum beschränken Sie sich auf die Schülerin
nen und Schüler dieser besonderen Aufnahmeeinrichtungen? – Das gilt für alle, die als Migranten zu uns kommen. Damit sind alle Schulen konfrontiert. Das heißt, dass Sie die Schulen für die Beschulung von Flüchtlingskindern deutlich besser ausstatten müssen und wesentlich bessere Konzepte als bisher brauchen. Das, was es bisher gibt, genügt bei Weitem nicht. Ich habe schon gesagt, Sie verstehen Integration offensichtlich als Einbahnstraße. Dieses Modell soll eine besondere Volksnähe zum Ausdruck bringen. Das haben Sie gestern – mittlerweile muss ich "gestern" sagen – bereits mehrfach bekundet.
Abgesehen davon, dass das Volk keineswegs so tickt, wie von Ihnen behauptet wird, verkennen Sie die Aufgabe von Parteien völlig. Sie sollen zwar, wie es Martin Luther einmal formuliert hat, dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden.
Ich komme gleich zum Ende.
Darf ich den Satz noch beenden?
Denn nach Artikel 21 des Grundgesetzes wirken Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Fordern Sie deswegen mit uns Zusammenhalt und Solidarität. Canceln Sie dieses Integrationsgesetz!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Auch hier geht es darum, dass wir eine Änderung in einem Gesetz, das Sie bei Ihrer langen Liste nicht berücksichtigt haben, für notwendig halten. Und zwar geht es darum, dass wir Integration richtig verstanden und als Gewährung von Teilhabe im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz verankert wissen möchten.
Im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz geht es – wenn ich das in Erinnerung rufen darf – um die Interessen und Bedürfnisse pflege- und betreuungsbedürftiger Menschen in stationären Einrichtungen und anderen Wohnformen. Das heißt, es geht um Menschen, die sich selber nicht mehr allein helfen können, die auf Pflege, auf Unterstützung angewiesen sind, vor allen Dingen auch um ältere Menschen.
Wir halten es für notwendig, dass an die bisher existierenden sechs Unterpunkte dieses Gesetzes eine Nummer 7 und eine Nummer 8 mit folgendem Inhalt angefügt werden sollen:
"7. die besonderen Anliegen und Bedarfe aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der kulturellen Herkunft und der Religionszugehörigkeit zu berücksichtigen und zu respektieren,
und
8. eine interkulturelle Öffnung der Einrichtungen und Angebote zu fördern."
Die Menschen mit Migrationshintergrund haben, gerade wenn sie hilfsbedürftig sind, besondere Bedürfnisse. Nachdem es in dem Pflege- und Wohnqualitätsgesetz insgesamt darum geht, sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren, was höchst lobenswert ist, sollte man sich eben auch an den Bedürfnissen der Menschen mit Migrationshintergrund orientieren. Das betrifft zum Beispiel kultursensible Pflege. Sie wissen, dass es da durchaus kulturelle Unterschiede gibt.
Ich merke, Sie haben noch weniger Ahnung, als ich befürchtet habe.
Ich erkläre es Ihnen gerne.
Nein, das ist nicht der falsche Weg.
Sie bekunden jetzt, dass Sie unter Leitkultur eben genau das verstehen, was wir befürchten, nämlich eine Unterordnung, aber keine Berücksichtigung dessen, was Menschen brauchen. Ich meine, wenn wir sagen, dass wir sozial sein wollen, dass wir uns wirklich an Bedürfnissen der Menschen orientieren wollen, dann gehört dazu auch kultursensible Pflege. Sonst kann man sich wohltönende Sonntagsreden sparen.
Die Nummer 8 betrifft die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen. Das heißt, dass es auch darum gehen muss, dass Menschen mit Migrationshintergrund stärker als bisher in solchen Einrichtungen tätig werden. Dies dient auch der besseren Verständigung und dem besseren Verständnis für die Menschen, die dort zu betreuen und zu pflegen sind.
Insgesamt gilt es natürlich, dass die interkulturelle Kompetenz nicht nur in Schulen und Bildungseinrichtungen zu fordern ist, sondern auch in Pflegeeinrichtungen. Das heißt, Fortbildungen für Pflegekräfte im Sinne einer Förderung der interkulturellen Kompetenz sollten selbstverständlich sein.
Diese beiden Punkte halten wir für notwendige Hinzufügungen zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Schon bei der Zweiten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass die von Ihnen geplante Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes überflüssig wäre, wenn es Ihnen wirklich um Integration ginge. Daran ändert auch der Änderungsantrag der CSU nichts, der immerhin – das gestehe ich gerne zu – nicht den Bildungsanspruch aller Kinder bestreitet. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein.
Aber dieser Absatz ist wie das ganze Gesetz von Abwehr geprägt, von Abwehr gegenüber dem Islam. Deswegen betonen Sie die christlich-jüdische Kultur so stark, und diese Abwehrhaltung wurde in der Anhörung, wenn Sie sich richtig erinnern, auch von den Vertretern der beiden großen Kirchen massiv kritisiert. Dass Sie die Leitkultur – eine Vermutung, die heute schon mehrfach geäußert wurde – als Kampfbegriff verstehen, kann man sehr deutlich dem Konzept zur Bekämpfung des politischen Islam entnehmen, das diese Woche im Kabinett verabschiedet wurde. Sie wollen eine Unterordnung unter die Leitkultur. Sie wollen die freiheitliche Ordnung und Sicherheit gegen Gewalt und Hass verteidigen. – Okay, damit sind wir gerne einverstanden. Aber – und da liegt Ihr Denkfehler – das hat nichts mit dem politischen Islam zu tun.
Vielleicht hören Sie mal zu. – Der Islam reduziert genauso wie Christentum und Judentum den Glauben nicht auf den Privatbereich, sondern versteht ihn auch politisch – dass das Christentum durchaus auch politische Ambitionen hat, müssten Sie besonders gut wissen –, das heißt als welt- und gesellschaftsverändernde Kraft. Die Staatsregierung scheint die Entpolitisierung des Islam betreiben zu wollen. Das wäre allerdings ein Verstoß gegen das Grundgesetz und die darin garantierte Religionsfreiheit.
Von einer höchst bedenklichen Rechtsauffassung zeugt auch die Warnung vor einer Selbstblockade des Rechtswegestaates. Es gehört doch gerade zum Wesenskern des demokratischen Rechtsstaats, dass die Bürger ihre Rechte vor Gericht geltend machen können. Soll dies Migranten, besonders Muslimen, verwehrt sein?
Sie wollen keine Parallelgesellschaften. Die wollen wir auch nicht. Aber Parallelgesellschaften verhindert man nicht dadurch, dass man Unterordnung unter eine Leitkultur verlangt, nur aufgeklärte Muslime als Dialogpartner akzeptiert und im gleichen Atemzug das Verbot von Kinderehen und des Tragens einer Burka fordert. Die christlich-jüdische Tradition, Humanismus und Aufklärung, auf die sich die Staatsregierung gerne beruft, lehren Respekt und Akzeptanz, Solidari
tät und Gastfreundschaft. Davon ist in Ihrem Gesetzentwurf kaum etwas zu finden, dafür aber großes Misstrauen nicht nur gegenüber Migranten, besonders Muslimen, sondern auch gegenüber der Überzeugungskraft der viel zitierten Leitkultur, die man sonst nämlich nicht derart mit Sanktionen bewehren müsste.
Weder das eine noch das andere gereicht Ihnen zur Ehre.
(Von der Rednerin nicht auto- risiert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns bei diesem Thema inhaltlich weitgehend einig. Die Pflege in Bayern ist ein extrem wichtiges Thema. Das rechtfertigen sowohl die sehr umfangreiche Interpellation der FREIEN WÄHLER – dem Dank dafür kann ich mich nur anschließen – als auch die zahlreichen Anträge, die unter anderem die SPD-Fraktion zu diesem Themenbereich bereits gestellt hat und auch noch stellen wird.
Wir haben schon gehört, dass das Thema Pflege ein sehr umfangreiches und vielfältiges Thema ist. Meine Kollegin Ruth Waldmann hat bereits viele Aspekte angesprochen, beispielsweise die häusliche Pflege, sodass ich mich auf einige wenige Punkte beschränken kann.
Die Staatsregierung und insbesondere das Ministerium für Gesundheit und Pflege ist, wie wir unter anderem den Antworten auf die Interpellation entnehmen können, nicht untätig geblieben. Aber – auch das muss man konstatieren – es gibt noch sehr viel Luft nach oben.
Meine Vorredner haben auch schon davon gesprochen: Der Fachkräftemangel ist ein riesiges Problem im Pflegebereich. Im März 2016 standen 1.663 offenen Stellen 267 arbeitslos gemeldete Altenpflegefachkräfte gegenüber. Das ist ein eklatantes Missverhältnis, das man so nicht hinnehmen kann.
Die Staatsregierung hat im Jahr 2010 die sogenannte Herzwerker-Kampagne aufgelegt, in deren Rahmen sowohl breit als auch sehr zielgruppenspezifisch für den Pflegeberuf geworben wird. Die Intention ist zu begrüßen. Die Kampagne zeigt bereits erste Erfolge. Ein Problem wird dadurch allerdings nicht gelöst, nämlich dass es die Rahmenbedingungen in der Pflege den Pflegefachkräften vielfach unmöglich machen, ihre soziale Motivation, die sie zu dieser Berufswahl angetrieben hat, im Berufsalltag tatsächlich umzusetzen. Das sind die Folgen der Ökonomisierung der Pflege, die sich zunehmend als politischer Irrweg erweist.
Die Verweildauer im Krankenhausbereich beträgt 13 bis 14 Jahre. Da habe ich etwas andere Zahlen als der Kollege Leiner; es gibt da unterschiedliche Zahlen. Im Bereich der Altenpflege hingegen sind es nur 8 Jahre. Das heißt, wir müssen etwas dafür tun, dass Menschen nicht nur diesen Beruf ergreifen, sondern dass sie ihn auch möglichst lange und möglichst gut ausüben können.
Der Krankenstand steigt stressbedingt, insbesondere häufen sich Phänomene wie Burnout. Auch das ist ein alarmierendes Zeichen. Die Zahl der Azubis erhöht sich zwar leicht, aber noch lange nicht so weit, wie es notwendig wäre. Es gibt kein Schulgeld mehr. Das ist ein Fortschritt. Die Staatsregierung setzt sich auch für einen Ausbildungstarifvertrag ein, der allerdings immer noch Zukunftsmusik ist. Die Ausbildungsumlage, die wir schon oft gefordert haben, ist immerhin bis zu den Eckpunkten gediehen. Man wird sehen, was das Pflegeberufegesetz in dieser Hinsicht an weiteren Erkenntnissen bringt. Was dort vorgeschlagen wird, sollte man forcieren. Kollege Imhof hat eben darauf hingewiesen. Wir müssen also die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass gute Pflege möglich ist. Dazu kann die Vereinigung der bayerischen Pflege beitragen, wenn es uns gelingt, sie zu einer wirkungsvollen Interessenvertretung zu gestalten. Die Skepsis von Kollegen Prof. Dr. Bauer teile ich nicht ganz. Ich denke, es kommt auf uns alle an, wie wir diese Interessenvertretung gestalten, dass sie sich tatsächlich für die Interessen der Pflegenden starkmachen kann und ein wirkungsvolles Instrument wird und nicht nur eine Alibiveranstaltung. Das wird an uns allen liegen.
Wir brauchen auch einen Tarifvertrag Soziales, wie er schon länger von den Gewerkschaften gefordert wird, damit die Konkurrenz über die Qualität zwischen den Pflegeeinrichtungen läuft und nicht über das Geld.
Angesprochen wurde auch schon, dass es in Bayern seit 2002 einen Pflegeschlüssel für den Personalein
satz in Pflegeheimen gibt. Es ist gut, dass es diesen Schlüssel gibt. Kollege Bauer hat auch schon darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Verstöße gibt, die sanktioniert werden. Vielleicht muss man anfangs überprüfen, ob diese Sanktionen ausreichen. Anscheinend wirken sie nicht hinreichend abschreckend.
Außerdem müsste meines Erachtens der Pflegeschlüssel aktualisiert werden. Im Pflegestärkungsgesetz II wird dieses Thema angesprochen. Die Pflege ist in den letzten Jahren erheblich schwieriger und komplexer geworden, beispielsweise durch die steigende Anzahl von Demenzerkrankten und zunehmend mehr Menschen mit Migrationshintergrund in den Pflegeheimen und Menschen, die an Mehrfacherkrankungen leiden. Dadurch sind die Anforderungen gestiegen, aber auch aufgrund des durchaus begrüßenswerten Hospiz- und Palliativgesetzes. Nach diesem Gesetz soll die Palliativversorgung auch in Pflegeheimen gewährleistet werden. Das ist notwendig, aber dafür brauchen die Pflegekräfte Zeit, und die haben sie bei Weitem nicht in ausreichendem Maße. Dafür müssen wir etwas tun.
Die generalistische Pflegeausbildung haben meine Vorredner schon angesprochen. Auch wir sind der Meinung, dass die generalistische Ausbildung der richtige Weg ist, weil dadurch die Einsatzmöglichkeiten für Pflegekräfte erweitert werden und damit langfristig zu größerer Zufriedenheit mit dem Beruf beigetragen wird. Wir müssen aber noch Überzeugungsarbeit leisten. Noch bei Weitem nicht alle Auszubildenden sind von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt. Wir müssen auch verstärkt die Weiterbildung in den Blick nehmen, weil sie durch die generalistische Ausbildung in Zukunft noch viel notwendiger werden wird, als sie es bisher schon ist.
Ich komme zum Schluss. Die Pflegekräfte zeigen ein Herz für die zu pflegenden Menschen. Zeigen wir ein Herz für die Pflegekräfte?