Protokoll der Sitzung vom 22.04.2015

Wir haben außerdem mit dem Konzept der Mittelstufe plus das Thema der Lernzeit angegangen. Wir wollen

die Mittelstufe plus an 47 Pilotgymnasien erproben. Diese Gymnasien wurden ausgewählt. Im Moment läuft die zweite Phase, nämlich die Vorbereitung dieser Gymnasien auf den Einstieg mit dem kommenden Schuljahr. Zum einen ist im Moment nichts anderes, nichts weniger an den Gymnasien im Gange, als dass jedes Gymnasium aus den Rahmenbedingungen für sich heraus das jeweils passende pädagogische Konzept mit den entsprechenden Stundentafeln entwickelt. Zum anderen erfüllen wir den Auftrag, den pädagogischen Bedarf zu ermitteln.

Der Unterricht soll im Klassenverband stattfinden. Genau hierzu laufen die Planungen in diesen Tagen. Dabei erfolgt eine ganz intensive Beratung vonseiten der Projektgruppe. Jeweils ein Fachleute-Tandem begleitet ein Gymnasium.

Ich kenne keine abschließenden Zahlen der Anmeldungen von Eltern. Diese werden am Montag, dem 4. Mai, vorliegen. Alle, die jetzt in das Horn stoßen, eine Änderung durchzusetzen, schaden den Schülerinnen und Schülern und den Eltern, die diesen Weg einschlagen wollen, und sorgen für Verunsicherung. Wenn man eine solche Klatsche bekommen hat wie die FREIEN WÄHLER bei der Vorstellung ihres starren Modells im vergangenen Jahr, bedeutet das ein Nachtreten zulasten der Schülerinnen und Schüler. Das erleben wir heute.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen gemeinsam, dass jungen Menschen eine individuelle Lernzeit nach ihrem pädagogischen Bedarf eingeräumt wird. Dieser Bedarf muss notwendigerweise festgestellt werden, und ihm muss, wie vielen anderen Dingen am bayerischen Gymnasium, schulorganisatorisch Rechnung getragen werden. Das heißt, dass im Schulalltag entsprechende Klassen gebildet werden. Dies wollen wir mit der Mittelstufe plus auf den Weg bringen und erproben. Darum geht es in dieser Pilotphase. Den Weg, Modellversuche zu unternehmen, die sich anschließend nicht in die Fläche bringen lassen, gehe ich persönlich nicht mit.

Jedes am Pilotversuch teilnehmende Gymnasium erhält als Unterstützung bei der Umsetzung dieser pädagogischen Konzeption zusätzlich vier Stunden. Die Gymnasien behalten die Stunden, die sie als reguläres Budget zugewiesen bekommen, obwohl selbstverständlich die jeweiligen Stundenpläne deutlich weniger Stunden aufweisen als der Regelstundenplan in der achtjährigen Form des Gymnasiums. Diese Stunden behalten die Gymnasien zur Bewältigung ihrer Herausforderungen. Die kleinen Gymnasien erhalten ohnehin im Rahmen der Budgetformel einen deutlich

höheren Stundenzuschlag pro Kopf als große Schulen.

Das sind die Rahmenbedingungen. Alles andere bezeichne ich als Panikmache. Deswegen bitte ich, diesen durchsichtigen, für Unruhe sorgenden und auf Unruhestiftung angelegten Antrag zurückzuweisen und dem Hohen Haus nicht länger mit dem Versuch, Bildungspolitik mit Aufguss zu machen, die Zeit zu stehlen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, darf ich Sie noch mal ans Rednerpult bitten? – Wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Professor Piazolo. – Sie haben das Mikrofon, bitte.

Herr Minister, Sie sprachen von Panikmache. Da stelle ich mir die Frage, was bei Eltern und Schülern Panik erzeugt: ein Antrag, den man hier im Landtag diskutiert, oder ein Brief, den sie von ihrer Schule bekommen und in dem steht, dass der jeweilige Schüler nicht für den Versuch zugelassen ist, den er starten möchte? – Ich persönlich glaube, dass ein solcher Brief eher Schüler in Panik versetzt als eine sachlich geführte Debatte hier im Landtag; denn dafür sind wir da.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie reden immer davon, dass die FREIEN WÄHLER ein starres Modell im Sinn hatten. Ich frage mich dabei immer, von welchem Modell Sie sprechen. Ich glaube, Sie kennen das Modell überhaupt nicht, weil wir ausdrücklich, auch beim Volksbegehren, geschrieben haben: Wir wollen ein Gymnasium mit einer neunjährigen Schulzeit. Sie werden sich erinnern: Der Anlass des Volksbegehrens besteht in einem Gesetzestext und nicht in einem Modellversuch und schon gar nicht in einem ganz bestimmten Modell. Es ging darum, eine neunjährige Schulzeit gesetzlich zu verankern und zu ermöglichen, nicht um mehr und nicht um weniger. Das ist nicht starr, sondern wesentlich flexibler als das, was heute im Gesetz steht; denn darin ist nur eine achtjährige Zeit vorgesehen. Insofern sollten Sie genau formulieren. Und wenn Sie von einem starren Modell sprechen, bitte ich Sie, uns einmal vorzustellen, was Ihrer Ansicht nach in unserem Volksbegehren stand.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Staatsminister, bitte.

Sehr geehrter Herr Kollege, weder steht mir zu, das zu beurteilen, was Sie glauben, noch werde ich meine Zeit dafür verwenden, mich mit Modellen auseinanderzusetzen, die in der jüngeren Bildungsgeschichte dieses Landes ihren Platz gefunden haben.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Das war jetzt gar nichts!)

Vielen Dank. - Kolleginnen und Kollegen, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

(Unruhe)

- Können wir uns wieder ein bisschen beruhigen? – Das wäre schön. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Aus Zeitgründen können wir die namentliche Abstimmung noch nicht durchführen. Deshalb ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Flüchtlingspolitik: Leben retten, Verantwortung übernehmen, legale Wege öffnen (Drs. 17/6213)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Kerstin Schreyer-Stäblein, Josef Zellmeier u. a. und Fraktion (CSU) Migrationspolitische Verantwortung im Mittelmeer wahrnehmen, humanitäre Verpflichtung erfüllen (Drs. 17/6234)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Hans-Ulrich Pfaffmann, Dr. Linus Förster u. a. und Fraktion (SPD) Handeln statt verhandeln: Mit EU-Sofortprogramm Menschen retten und Fluchtursachen bekämpfen (Drs. 17/6235)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Menschenwürde achten, Flüchtlingsdramen nachhaltig verhindern (Drs. 17/6236)

(Unruhe)

Wir fahren in der Tagesordnung fort. Es ist namentliche Abstimmung beantragt worden. Diese findet aber jetzt noch nicht statt. Deswegen bitte ich Sie, die Gespräche entweder draußen weiterzuführen oder die

Plätze einzunehmen. Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erste Rednerin darf ich Frau Kollegin Kamm das Wort erteilen. Bitte schön.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Frau Kollegin, bitte warten Sie einen Augenblick. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Allein seit Beginn dieses Jahres sind mehr als 1.800 Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, um in Europa Schutz zu finden vor Krieg, Verfolgung, Not oder Zwangsrekrutierung in einem Unrechtsstaat, ums Leben gekommen. Am 18. April 2015 sind 900 Schutzsuchende auf grauenhafte Weise in einem umgekippten Fischkutter ertrunken. Meine Kolleginnen und Kollegen, dieses Datum muss eine Zäsur sein, um endlich einen Richtungswechsel in unserer europäischen Flüchtlingspolitik einzuleiten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Europa der Menschenrechte und der Freiheit kann es nicht geben, wenn vor Europas Toren Hunderte von Menschen zu Tode kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schon lange ist das Sterben im Mittelmeer eines der bedrückendsten Probleme Europas. Eine Kehrtwende, die wir jetzt dringend brauchen, hätte es bereits im Oktober des Jahres 2013 geben müssen, als vor Italiens Küste 366 Menschen ums Leben gekommen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider handelte die EU nicht. Leider leitete sie keine Kehrtwende in ihrer Flüchtlingspolitik ein. Zwar gab es Worte der Betroffenheit, wie wir sie jetzt auch wieder vernehmen, jedoch folgte kein angemessenes Handeln der EU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Einzig und allein Italien handelte und organisierte das zivile Seenotrettungssystem Mare Nostrum. Doch die anderen europäischen Länder ließen Italien sowohl mit der Durchführung als auch mit der Finanzierung der Seenotrettung allein. Mare Nostrum konnte über 150.000 Menschen retten und wurde leider im Herbst 2014 beendet. Das war ein schlimmer Fehler.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An die Stelle von Mare Nostrum trat die Operation Triton, die jedoch weder das Mandat noch die Ressour

cen für eine ausreichende Seenotrettung hat und finanziell wesentlich geringer ausgestattet ist. Seit Einstellung von Mare Nostrum sind die Opferzahlen im Mittelmeer weiter von Monat zu Monat gestiegen. Wir brauchen jetzt ein ausreichend starkes ziviles europäisches Seenotrettungssystem.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was derzeit im Zehn-Punkte-Plan der EU steht, genügt uns nicht. Dort wird noch nicht einmal das erwähnt, was Bundesinnenminister de Maizière versprochen hat, nämlich eine Verdoppelung der Mittel für Triton. Im Zehn-Punkte-Plan wird nur eine Verdoppelung der Schiffe angeführt. Außerdem reicht eine Verdoppelung der Mittel nicht. Die Seenotrettung Mare Nostrum war finanziell wesentlich besser, nämlich dreimal so stark wie Triton, ausgestattet. Im Jahr kostete Mare Nostrum etwa so viel wie zwei Tage des G-7-Gipfels in Elmau. Ich denke, das muss uns mindestens die Seenotrettung im Mittelmeer wert sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die weiteren Punkte des Zehn-Punkte-Plans der EU sind teilweise ebenfalls höchst bedenklich. Die EU, so heißt es dort, solle nun darauf setzen, im Mittelmeer bis zur Südküste Boote von potenziellen Schmugglern zu zerstören. Mit solchen Vorschlägen verkehrt man die humanitäre Tragödie in einen Vorwand für riskante militärische Abenteuer. Damals basierte die Seemission "Atalanta" auf UN-Beschlüssen. Eine Selbstermächtigung der EU, an Nordafrikas Küsten militärisch zu operieren, darf es nicht geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die Vermutung, Grenzkooperationen mit Unrechtsstaaten könnten für Sicherheit sorgen, ist abenteuerlich. Bitte überlegen Sie, was Sie schreiben. Sehen Sie von dem Versuch ab, mit Unrechtsstaaten zum Nachteil der Flüchtlinge zu kooperieren. Sie setzen in Ihrem Antrag im Wesentlichen auf die Grenzsicherung. Die Grenzsicherung führt jedoch nicht zur Lösung der Probleme.