Protokoll der Sitzung vom 19.05.2015

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich bei Ihnen, die Sie schon hier sind, und darf bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir mit unserer Arbeit beginnen können.

Ich eröffne die 45. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Glückwünsche aussprechen. Am 10. Mai feierte Herr Kollege Reinhold Strobl einen halbrunden Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Nachhinein. Gesundheit vor allen Dingen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Dr. Herbert Kränzlein feierte am 14. Mai einen halbrunden Geburtstag. Einen Glückwünsch und auch für Sie alle guten Wünsche!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Bayerns Kommunen beim Mietspiegel unterstützen: solide Datenbasis für die Mietpreisbremse und Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter bayernweit schaffen!"

Die Redezeit ist nach der Geschäftsordnung bekannt, sodass wir jetzt in die Debatte einsteigen dürfen. – Als Erstem darf ich Herrn Kollegen Lotte für die SPDFraktion das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Gestatten Sie mir zuerst einen kurzen Rückblick. Bei der Vorstellung des Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2013 äußerte sich Angela Merkel im Mai desselben Jahres wie folgt:

Uns ist es wichtig, dass mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden, andererseits wollen wir gegen Mietwucher vorgehen. Wir wollen in unserem Wahlprogramm festlegen, dass künftig auch bei Neuvermietung – also bei einem Mieterwechsel – die Miete nicht beliebig steigen kann.

Schon stand sie da, die Mietpreisbremse, die langjährige Forderung der SPD, im Wahlprogramm der Union zur Bundestagswahl 2013, festgemauert, als sei es ewig so gewesen. Es ist nicht das erste Mal, dass die CDU/CSU quasi in einem U-Turn oder Unionsturn mit

ihrer Karre um 180 Grad wendet und auf die Spur der Vernunft, einschert,

(Beifall bei der SPD)

nämlich genau dorthin, wo sich die SPD schon seit Jahren befindet. Peinlich ist halt nur, dass man im Jahr 2013, gekettet an den damaligen Koalitionspartner FDP, weniger als drei Monate vor der Wahl gegen das eigene Wahlprogramm stimmen musste oder vielmehr konnte; denn die wirtschaftsnahen Flügel beider Unionsparteien haben gegen diese vermeintlich größtmögliche Katastrophe auf dem Mietwohnungsmarkt gewettert, als drohe der Untergang des Abendlandes.

Der nächste Unglücksfall für die Union war das Absinken der FDP in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit. Pech! Es gab kein liberales Schutzmäntelchen mehr, unter dem man gegen die unliebsame Forderung aus dem eigenen Wahlprogramm hätte opponieren können. So kam es zum Koalitionsvertrag zwischen der Kraft der Vernunft der SPD, der anerkannten Mieterpartei in Deutschland, und den christlichen Unionsschwestern.

(Beifall bei der SPD)

Bundesjustizminister Heiko Maas – das war wirklich unangenehm – leistete auch noch zügige und hervorragende Arbeit. Schon im März 2014 lag den Bundesministerien ein Referentenentwurf zur Mietpreisbremse vor, und da fiel die mieterfreundliche Maske vom Gesicht der Union.

Den Anfang machte die CSU mit Gerda Hasselfeldt, die von der Gefahr schwadronierte, der Wohnungsneubau werde abgewürgt. Sekundiert wurde ihr durch den CDU-Wirtschaftsrat, der das Vorhaben als Investitionsbremse geißelte. Da wurde von unkalkulierbaren Investorenrisiken, von schweren Eingriffen in die Rechte von Immobilieneigentümern usw. usw. gezetert.

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

Trotz aller Warnungen, eine derartige Verzögerungsmentalität würde nur eines provozieren, nämlich sprunghafte Mietsteigerungen kurz vor Torschluss, hat es dann doch ein ganzes Jahr gedauert, bis sich die Unionsfraktionen endlich – ich vermute einmal, schweren Herzens – am 27. März dieses Jahres zur Einführung der Mietpreisbremse durchringen konnten. Ich möchte nicht wissen, wie viel Geld das vertrödelte Jahr die bundesdeutschen und die bayerischen Mieterinnen und Mieter gekostet hat.

(Beifall bei der SPD)

Aber nun, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, liegt der Ball wieder bei den Bundesländern, bei der Bayerischen Staatsregierung. Und was macht sie? Befragt man die Staatsregierung nach der aktuellen Beschlusslage für die Definition angespannter Wohnungsmärkte und danach, für welche bayerischen Kommunen denn die Mietpreisbremse demnach infrage käme – ich danke hier ausdrücklich dem Kollegen Mistol –, so lautet die Antwort: Das kann noch nicht angegeben werden. Fragt man sie, wann sie denn gedenke, die Mietpreisbremse zu erlassen, heißt es: Der Termin steht noch nicht fest.

Die bayerischen Mieterinnen und Mieter, vor allem in den Ballungsräumen, wissen nicht mehr, wie sie sich das Dach über dem Kopf leisten können sollen, und das Ministerium hat bereits seit Wochen die notwendigen Unterlagen erstellt, um die Geltungsbereiche der Mietpreisbremse auszuweisen. Alle benötigten Fakten und Daten liegen vor; aber die Bayerische Staatsregierung kommt nicht in die Gänge. Das, was hier abgeliefert wird, ist keine Verzögerungsmentalität mehr, das grenzt schon an Verschleppung.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Uhr tickt. Ab 1. Juni soll bundesweit die sowohl von der SPD als auch von der CDU/CSU beschlossene Mietpreisbremse gelten, eine Regelung, deren maßgeblicher Referenzpfeiler die ortsübliche Vergleichsmiete ist, jene ortsübliche Vergleichsmiete, die üblicherweise in den sogenannten Mietspiegeln ermittelt wird. Wie uns allen bekannt sein dürfte, hat das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg den Berliner Mietspiegel 2013 mit der Begründung gekippt, er sei nicht nach wissenschaftlich anerkannten Methoden erstellt, und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, immerhin bei einem Mietspiegel, der in Fachkreisen als einer der besten der Republik galt. Es ist also kein Wunder, dass die altbekannten Gegner des Mieterschutzes in Deutschland Morgenluft wittern und schon jetzt davon raunen, dies sei der erste Dominostein, als deren letzter die Mietpreisbremse endlich fallen müsse.

Ich kann Ihnen sagen: Sie haben sich vermutlich zu früh gefreut; denn amtsgerichtliche Entscheidungen beziehen sich nur auf den Einzelfall und schaffen keine Präzedenzwirkung. Durch die Mietpreisbremse sollen Mieten verhindert werden, die mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Wenn jedoch entgegen der Rechtsfrieden schaffenden Praxis bei den bisher von Mieter- und Vermieterverbänden mitzuberatenden Mietspiegeln keine Einigkeit mehr darüber besteht, was nun ortsüblich ist, dann wird es schwierig, Grenzen zu bestimmen.

Jan-Marco Luczak, der Mietrechtsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, äußerte unlängst – ich zitiere –:

Gerade mit dem bevorstehenden Inkrafttreten der Mietpreisbremse in vielen Regionen kommt dem Mietspiegel eine wirtschaftlich und rechtlich noch größere Bedeutung zu. Die schwierige Festlegung der ortsüblichen Vergleichsmiete darf nicht allein Mietern und Vermietern aufgebürdet werden. Hier ist die Politik gefragt, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann ich mich nur anschließen.

(Beifall bei der SPD)

Jenseits der Berechnungsmethodik muss die Erstellung der Mietspiegel generell, also nicht nur der qualifizierten Mietspiegel, auf eine breitere Basis gestellt werden. Eine Betrachtung, wie es im Moment der Fall ist, der Neuvermietungen der letzten vier Jahre genügt dazu nicht. Nein, dies führt sogar zu einem permanenten Höherdrehen der Preisspirale und heizt diese weiter an.

Die hypertrophen Mietpreiswucherungen der letzten Jahre ergeben also kein realistisches Bild des Mietwohnungsmarktes einer Kommune. Selbst in München gibt es auch in den In-Vierteln – man mag es kaum glauben, in Schwabing, im Lehel oder in Haidhausen – Nettokaltmieten, die weit unter 10 Euro liegen. Nur: Wenn diese nicht statistisch erfasst werden, dann führt das zu einer Berechnung des Mietspiegels mit einer ortsüblichen Miete, die weit über dem Niveau der Bestandsmieten liegt. Würden wir die tatsächlichen Mieten des Bestandes im Mietspiegel berücksichtigen, dann würde das automatisch zu einem Mietspiegel weit unter dem heutigen Niveau, wie es im Moment über den aktuellen Mietspiegel ausgewiesen wird, führen.

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch die Forderung der SPD: Längerfristige Bestandsmieten aus Altverträgen müssen künftig in die Berechnung der Mietspiegel einfließen.

(Beifall bei der SPD)

Nur wenn die Mietspiegel auf einer bundeseinheitlich geregelten, belastbaren Basis stehen, können sie dem Rechtsfrieden in diesem Land dienen, nur dann ist der Vorwurf der politischen Manipulierbarkeit beweisbar entkräftet.

Auf Bundesebene berät in diesem Monat erstmalig die Expertengruppe zur Novellierung des Mietrechts

im Justizministerium über die Ausgestaltung des Mietspiegels. Wirken Sie auf Ihre Parteifreunde im Bund ein, dass alsbald bundeseinheitliche Grundlagen geschaffen werden, die die Aufstellung von Mietspiegeln präzise regeln und zukünftig in einen Gesetzentwurf einfließen.

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Verzögerung der Mietpreisbremse käme nicht nur die Mieterinnen und Mieter teuer zu stehen, auch die Vermieter stünden aufgrund der mangelnden Rechtssicherheit vor unkalkulierbaren Risiken.

Natürlich dürfen wir die Kosten für die erstellbaren und belastbaren Mietspiegel nicht allein den Kommunen aufbürden. Die CSU macht es sich leicht, wenn sie glaubt, die Gültigkeit der Mietpreisbremse werde ohnehin nur auf diejenigen Kommunen beschränkt bleiben, die sich heute schon die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels leisten.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

In der bayerischen Metropolregion Nürnberg haben nur die Städte Nürnberg und Erlangen, SPD-regiert, einen qualifizierten Mietspiegel. Das betrifft aber nur 18 % der Einwohner der Metropolregion. In München sind es 27 %; Rosenheim verfügt über gar keinen Mietspiegel.

(Zuruf von der CSU: Doch!)

Obzwar die Konnexität bundesrechtlich berührt würde, muss die Staatsregierung zusätzliche Anreize für die Kommunen für einen flächendeckenden Mietspiegel in Bayern schaffen, zum Beispiel dadurch, dass das im Statistischen Landesamt geballt vorhandene Know-how interessierten Kommunen bei der Berechnung zur Verfügung gestellt wird und auch eine fachliche Beratung der Kommunen erfolgt.

Meine Damen und Herren von der CSU, Sie tragen die Regierungsverantwortung für über 12 Millionen bayerische Bürgerinnen und Bürger. Werden Sie dieser Verantwortung gerecht; denn die meisten Bayern wohnen zur Miete!

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Für die CSU-Fraktion erteile ich jetzt Herrn Kollegen Westphal das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde lautet: "Bayerns Kommunen beim Mietspiegel unterstützen: soli

de Datenbasis für die Mietpreisbremse und Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter bayernweit schaffen!"

(Florian von Brunn (SPD): Danke für den Hinweis!)