Protokoll der Sitzung vom 19.05.2015

Ich möchte davon etwas herausgreifen, nämlich die sogenannte Qualitätsoffensive. Mehr Qualität, noch mehr Qualität an unseren qualitativ sowieso hochwertigen Krankenhäusern in Bayern ist immer richtig. Das Bessere ist der Feind des Guten – keine Frage. Wie setzen wir das aber um, Kolleginnen und Kollegen? In der Theorie ist alles gut. Gute Leistung soll besser bezahlt werden – ja. Mir stellt sich aber die Frage – das muss man noch klären –: Wie misst man Qualität in der Medizin? Ich bin gespannt, welche Leistungen der Gemeinsame Bundesausschuss für die Qualitätsbemessung auswählen wird. Das werden wir sehen. Was wir als FREIE WÄHLER auf keinen Fall wollen, Kolleginnen und Kollegen: Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse an unseren Krankenhäusern im Gesundheitswesen. Wir wollen keine Patientenselektion. Wir wollen keine Abweisung von Menschen, weil das Behandlungsergebnis hinterher fraglich ist, Kolleginnen und Kollegen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Das würde letztendlich auf Kosten unserer alten und polymorbiden Patienten gehen, also jener mit Begleiterkrankungen, wobei ja heute im Gesundheitssektor schon das Geld fehlt. Unsere alten Menschen, unsere polymorbiden Menschen, also diejenigen mit Mehrfachkrankheiten bräuchten eigentlich heute schon schnellere und intensivere Hilfe, als dies momentan der Fall ist. Es stellt sich auch die Frage nach dem bürokratischen Aufwand. Der Landkreistag hat vor einigen Tagen von einem Bündel hochkomplexer Vorschriften geredet. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, noch einmal darüber nachzudenken, ob man die positiven Anreize für die Qualitätsverbesserung und die Qualitätssicherungsprogramme hätte weiterführen können. Ich gebe zu und weiß selber, dass es wahrscheinlich zu spät ist.

Kolleginnen und Kollegen, zur Investitionskostenförderung für die Krankenhäuser: Auch hier haben wir – ich glaube, Frau Sonnenholzner hat es angesprochen – keine zukunftsfähige Lösung. Dazu nur zwei Zahlen: Bereits 1990 haben wir in Bayern dafür 664 Millionen Euro ausgegeben. 2014 waren es 500 Millionen Euro. Gut, das soll in den nächsten Jahren so weitergeführt werden. Was wird aber überhaupt gefördert? Was sind die förderfähigen Kosten? Das sind die Fragen. Ich bedauere, dass Bayern seinen Einfluss in der Bund-Länder-Gruppe nicht stärker in Richtung einer verbesserten Patientenversorgung und einer angemessenen Finanzierung der Krankenhäuser geltend

machen konnte und gemacht hat. Ich habe so das Gefühl, auch wenn man in diesen Tagen die Diskussionen über die Stromtrassen usw. betrachtet, dass wahrscheinlich der Einfluss der CSU in Berlin mittlerweile marginal oder gleich null ist. Dann funktioniert das Ganze natürlich nicht, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Menschliche Medizin, moderne Medizin, was immer das auch ist – modern; ja, okay –, sind Ansätze in die richtige Richtung – keine Frage. Wenn ich Lehrer wäre, was ich leider nicht bin, und das beurteilen müsste, würde ich sagen: Ja, das geht schon. Frau Ministerin, wir haben aber viele, viele Baustellen, und diese eine haben Sie heute in der Regierungserklärung leider überhaupt nicht angesprochen. Sie sind mit keinem Wort auf den unsäglichen Streit zwischen dem Hausärzteverband und der AOK in Bayern eingegangen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich kann mich noch erinnern, dass Sie vor vier Wochen auf dem Bayerischen Hausärztetag in Würzburg versprochen haben: Für den Fall, dass drei Tage nach einer Besprechung keine Einigung erzielt wird, habe ich jetzt schon mein Schreiben auf dem Schreibtisch liegen; es geht am übernächsten Tag hinaus. Haben Sie den Verpflichtungsbescheid schon geschickt? Das ist meine Frage. Wieder sind vier Wochen vergangen, obwohl Sie dort aktives Vorgehen für die nächsten Tage versprochen hatten.

Dasselbe Problem haben wir mit den Hebammenverbänden. Die Hebammenverbände haben im Moment die Verhandlungen mit der AOK in Bayern eingestellt, unterbrochen oder verschoben – keine Ahnung. Auch hier geht nichts vorwärts. Frau Ministerin, ich habe gelesen, dass Sie mit Ihrer heutigen Regierungserklärung die politische Reifeprüfung abliefern sollten. Bitte mischen wenigstens Sie sich moderierend mehr als bisher in solche Verhandlungen ein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich bitte Sie darum. Ich glaube, Sie können das auch, wenn Sie es wollen oder wenn Sie es dürfen. Ab und zu müssen Sie dann eben Herrn Seehofer fragen.

Zum Thema BDO, also der Bereitschaftsdienstordnung für Ärzte und Notarztversorgung: Das sind Themen, die auch noch nicht geklärt sind, also offene Baustellen in Bayern.

Zusammengefasst: Mir fehlen Visionen in der bayerischen Gesundheitspolitik. Mir fehlen langfristige Perspektiven. Wo ist der große Wurf in der bayerischen

Gesundheitspolitik? Wir FREIE WÄHLER – ich sage das jetzt nur nebenbei – haben schon vor einigen Jahren ein Konzept vorgelegt: die soziale Gesundheitsversicherung der FREIEN WÄHLER. Ich glaube, wir müssen wieder darüber reden. Darin befinden sich zukunftsweisende Ansätze. Wir werden sie wieder in die Diskussion einbringen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Noch zwei, drei Beispiele: Machen Sie die Hygieneproblematik, den Antibiotikaeinsatz und Resistenzen zur Chefsache. Auch beim Masterplan zur Hausärzteversorgung müssen wir in Bayern dranbleiben. Ich nenne auch den Zugang zum Medizinstudium. Wir haben Ihnen Vorlagen dafür geliefert, wie es ginge. Das ist ganz unkompliziert. Vielleicht greifen wir dieses Thema noch einmal gemeinsam auf. Gehen Sie weg von einer Symbolpolitik, vom Tagesgeschäft, vom Löcherstopfen, ich sage manchmal auch: vom Hinterherhecheln. Kolleginnen und Kollegen, Geld in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen ausgeben, Förderbescheide verteilen, Gruppen beruhigen, ist gut; dazu stehen wir auch. Das kann es insgesamt aber nicht sein. Wir als FREIE WÄHLER erwarten von einer bayerischen Gesundheitspolitik mehr.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Insgesamt werden wir als Fraktion der FREIEN WÄHLER eine moderne, zukunftsweisende Gesundheitspolitik, die auch den ländlichen Raum einschließt, weiterhin konstruktiv begleiten, Kolleginnen und Kollegen. Das Klima im Ausschuss ist auch dank der Vorsitzenden und dank der Kolleginnen und Kollegen sehr gut. Ansonsten wünsche auch ich Ihnen, Frau Staatsministerin, für die nächsten Wochen und Monate alles Gute und hoffe, dass wir uns im Herbst gesund wiedersehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Ulrich Leiner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist der Kuschelkurs, der hier im Plenum gefahren wurde, fast ein bisschen peinlich. Ich war gestern mit Pflegekräften bei einer Veranstaltung in Landshut. Ich darf Ihnen sagen: Dort sah die Situation wesentlich anders aus. Was ich dort darüber hören musste, was wir alles nicht tun und was in dem Bereich der Gesundheits- und vor allem der Pflegepolitik alles falsch läuft, hat nicht dem ent

sprochen, was Sie gesagt haben und was ich hier von Ihnen gehört habe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bayern ist zweifelsohne eines der reichsten Bundesländer. Deshalb ist es unsäglich, dass für kranke und alte Menschen im Freistaat noch immer so wenig getan wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider ist der Herr Ministerpräsident nicht mehr da. In seiner Regierungserklärung vom 12. November 2013 hat er gerade einmal zwei Absätze dem Thema Gesundheit gewidmet. Das Wort Pflege kommt in seiner langen Rede nur am Rande vor, beim Thema Seniorenpolitik. Das zeigt, wie "wichtig" ihm dieses Thema ist – und das als ehemaliger Gesundheitsminister! Das bedauern wir außerordentlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In der Regierungserklärung wurde schon wenig versprochen; doch es wurden leider noch weniger Versprechen eingehalten. Ja, es gibt ein Gesundheitsund Pflegeministerium. Ja, es gibt einen Patientenund Pflegebeauftragten. Aber welche Wirkung entfaltet eigentlich der Pflegebeauftragte, und welchen Einfluss hat er? – Wir sehen keine Unterstützung für seine Vorhaben. Wir sehen keinerlei Unterstützung des Bayerischen Ministerpräsidenten für die Belange von Gesundheit und Pflege. Leider sehen wir diese Unterstützung weder in Berlin noch in ausreichendem Maße hier in Bayern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zu Ihrer Regierungserklärung, sehr geehrte Frau Ministerin. Ich befürchte, Sie setzen das traditionelle Vorgehen der für die Gesundheit und Pflege zuständigen Vertreter der bayerischen Regierung fort: viel ankündigen, viele Gespräche führen und unzählige Runde Tische einberufen, um dann wenig bis nichts zu entscheiden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau diese Situation kennen die Menschen seit Jahren. Sie leiden darunter. Nach der Veranstaltung gestern darf ich Ihnen sagen: Die Menschen haben es längst satt. Im Gesundheits- und Pflegebereich haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern seit Jahren ein Umsetzungsproblem – und dies unter jahrelanger Regierungszeit der CSU.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Konkrete Maßnahmen müssen endlich getroffen werden. Uns fehlen die Lösungen; denn wie sieht es wirklich aus? – Der Kollege Vetter hat die tatsächliche Situation bei uns dankenswerterweise wenigstens knapp angesprochen. Sie sagten: Gerade dort, wo wir Defizite feststellen, steuern wir gegen. – Dazu sage ich: Wir haben bereits mit einem Pflegenotstand zu tun. Viele Probleme in der Pflege waren schon lange absehbar.

Sie haben ausführlich über Präventionsmaßnahmen in allen möglichen Bereichen gesprochen. Wäre es nicht viel klüger, hier viel früher tätig zu werden? – Sie sprechen über ein modernes und menschliches Handeln im Bereich von Pflege und Gesundheit. Frau Ministerin, ist es menschlich, dass gestresste Schülerinnen und Schüler der Altenpflegeschulen ohne Praxisanleitung in den Einrichtungen professionell pflegen müssen und sie dabei regelrecht verheizt werden?

Bis heute hat sich an der Ausbildung in der Pflege nichts Wesentliches geändert. Immer noch gibt es keine Ausbildungsumlage. Zu Ihrer Ehrenrettung füge ich hinzu, dass ihre Einführung wenigstens angekündigt ist. Wir haben sie mehrmals gefordert. Es hat lange gedauert, bis Sie sich dazu entschlossen haben.

Auch an der Bezahlung des Pflegepersonals hat sich noch nichts grundlegend geändert. Herr Imhof, haben Sie die notwendige Unterstützung für Ihre Forderung nach einem Gesamttarifvertrag? Wo ist die mehrmals versprochene Aufwertung der Pflegeberufe? Was wird die angestrebte generalistische Ausbildung bringen? – Bei diesem Thema haben die Betroffenen große Ängste und Unsicherheiten: Wie soll diese Ausbildung in Wirklichkeit ablaufen? – Fragen über Fragen, deren Beantwortung uns die Bayerische Staatsregierung schuldig bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, ist es menschlich, dass es immer noch die Minutenpflege gibt und Patienten in der Psychiatrie und in Pflegeheimen immer noch tagelang fixiert werden? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, der eigentliche Skandal aber besteht im Umgang mit den alten Menschen in Bayern. Daran ist nichts modern und menschlich. Wir alle wissen, was auf uns zukommt. Wir alle kennen die Zahlen; ich brauche sie nicht zu wiederholen.

Gerade wir in Bayern sind bis jetzt nicht in der Lage, auf diese Herausforderung ausreichend zu reagieren. Wieso ist das der Fall? – Sie haben die Mega-Herausforderung Demenz angesprochen. Die Zustände in den Pflegeheimen sind schon jetzt zeitweise nicht

auszuhalten. Das gilt sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner als auch für das Personal. Meldungen in der Presse über Missstände erreichen uns fast täglich. Ich verzichte jetzt darauf, sie zu nennen. Wir können diesem Problem nicht entkommen. Ganz besonders brauchen die Pflegekräfte eine Vertretung für ihre Interessen. Es hilft alles nichts: Wir brauchen eine Pflegekammer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir GRÜNE im Bayerischen Landtag fordern sie seit Langem. Alle anderen vorgeschlagenen Alternativen sind untauglich; wir haben sie geprüft. Frau Ministerin, wir brauchen die Vertretung der Pflege auf Augenhöhe mit den anderen Kammern und den anderen Berufsständen, und zwar als Kammer.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich darf als Beispiel anführen, dass einige Kollegen und ich vor Kurzem ein Gespräch mit der Landesärztekammer geführt haben. Wir haben uns über die Gesundheitsreform unterhalten und uns über die neuen Richtlinien der Finanzierung der niedergelassenen Ärzte ausgetauscht. Ich frage mich: Mit wem sollen wir auf dem Gebiet der Pflege über die Themen Ausbildung, Erfassung der Pflegekräfte, berufliche Weiterbildung, Qualität und weitere wichtige Themen sprechen? – Hier kann uns nur eine Pflegekammer unterstützen und wertvolle Dienste zur Verbesserung der Situation leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hören Sie doch endlich einmal auf, Beitragshöhen an die Wand zu malen, die völlig utopisch sind! Das gilt besonders für Kollegen aus den Reihen der CSU, aber leider auch für Kollegen aus den Reihen der SPD. Alle wissen, dass die Einkommen der Pflegekräfte nicht mit denen der Ärzte oder anderer Akademiker vergleichbar sind. Es gibt Möglichkeiten, die Beitragshöhen vernünftig zu gestalten. Frau Staatsministerin Huml, führen Sie die Pflegekammer endlich ein, und zwar jetzt!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ist eigentlich modern oder menschlich daran, dass pflegende Angehörige immer noch alleingelassen werden? – Die pflegenden Angehörigen stellen immer noch einen Anteil von 70 % der Pflegenden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Personengruppe fehlt es immer noch an Beratung und Unterstützung. Zudem fehlt es an der Wertschätzung für diesen Personenkreis.

Wo sind die lange zugesagten Pflegestützpunkte? – Ich habe sehr erfreut wahrgenommen, dass sie demnächst eingeführt werden sollen. Wir wissen noch nicht, wie das geschehen soll. Diese Information ist ganz neu. Wir haben die Einrichtung von Pflegestützpunkten beantragt; der Antrag wurde abgelehnt. Ich würde mich freuen, wenn sie nun eingerichtet werden. Bisher gibt es in Bayern gerade einmal neun Stützpunkte. Der im Elften Buch Sozialgesetzbuch festgelegte gesetzliche Auftrag zur wohnortnahen Einrichtung von Pflegestützpunkten wird in Bayern bisher ignoriert. Das weitgehende Fehlen unabhängiger Beratung hat wahrlich nichts mit moderner Pflege zu tun.