Protokoll der Sitzung vom 23.06.2015

(Unruhe – Glocke des Präsidenten – Ministerprä sident Horst Seehofer: SPD: Gegen alles! – Wi derspruch bei der SPD – Markus Rinderspacher (SPD): Die NeinsagerPartei seid ihr, sorry! Die Neinsager sitzen dort drüben! – Unruhe)

Wenn sich das Auditorium wieder beruhigt hat, kön nen wir weitermachen. – Danke schön, Frau Staats ministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes - Wiederbelebung des Diplomstudiums (Drs. 17/6816) - Erste Lesung

(Unruhe)

Wenn sich das Auditorium wieder beruhigt hat und alle Kolleginnen und Kollegen in der Lage waren, wie

der ihren Platz einzunehmen, werde ich in der Tages ordnung fortfahren. – Der Gesetzentwurf wird vonsei ten der Antragsteller begründet. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Professor Dr. Piazolo. – Bitte schön, Herr Professor.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was ist unser Ziel bei der Einführung bzw. Wiederbelebung des Diploms? Zum einen und Ersten wollen wir die Marke stärken, das Diplom als Titel. Ich hatte schon in der letzten Woche gesagt: Dieser Titel ist in der ganzen Welt anerkannt, er ist unbestritten, und er ist von hohem Wert. Wir hätten damit in Bayern einen internationalen Wettbewerbs vorteil. Der Titel ist eingeführt und nicht erklärungsbe dürftig.

Es geht uns aber nicht nur um den Titel, sondern auch um den Inhalt. Das heißt, wir wollen nicht das alte Di plom, sondern ein Diplom, wie es sich die FREIEN WÄHLER vorstellen. Es wird einen Qualitätsstandard haben, um den uns die anderen Bundesländer und die anderen Länder beneiden werden. Dieses Diplom studium, wie wir es planen, hat Exzellenzanspruch. Es ist berufsqualifizierend, das heißt, ähnlich wie der Bachelor, aber besser, weil es mit 240 ECTSPunkten stärker als der Bachelor und praxisorientiert ist. Wir wollen bei diesem Diplom entweder ein weiteres Prak tikumssemester oder zusätzliche Praktika. Wir wollen es in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft an wendungsorientiert und zusätzlich wissenschaftsfun diert ausgestalten mit einer Diplomarbeit zwischen 80 und 120 Seiten, die ihren Namen verdient, nicht wie viele Bachelorarbeiten, die bei 30 Seiten stehen blei ben.

Auf der einen Seite steht das Diplom als Marke, auf der anderen Seite der Inhalt. Zusammen werden wir dieses Diplom, wie es die FREIEN WÄHLER wollen, zu einem Premiummodell machen. Das kann ein be sonderes Gütesiegel der bayerischen Hochschulland schaft werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie wollen wir dieses Ziel erreichen? – Dazu dient der vorliegen de Gesetzentwurf. Wir wollen Artikel 57 des Bayeri schen Hochschulgesetzes ändern. Bislang ist dort ge regelt, dass für Erststudierende nur der Bachelor möglich ist. Dies wollen wir ändern. Wir wollen außer dem das Diplom als Regelstudium ermöglichen, also Diplomstudiengänge wieder einführen. Wir stehen zu diesem Gesetzentwurf und hoffen auf Zustimmung, obwohl gestern die dpa die Meldung durch Bayern schickte: Die CSU stimmt grundsätzlich keinem Ge

setzentwurf der Opposition zu. – Was für ein Armuts zeugnis, wenn eine Regierungsfraktion sagt: Wir stim men einem Gesetzentwurf der Opposition nicht zu, egal was in diesem Gesetzentwurf steht! So ging es gestern über die dpa in die Welt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD – Josef Zellmeier (CSU): Dann müsst ihr eben gescheite Gesetzentwürfe bringen!)

Wir wollen finanzielle Anreize schaffen. Wenn eine Hochschule ein solches Studium entwickelt, soll sie über Zielvereinbarungen Stellen, Geld und Ressour cen bekommen.

Wir werden die Bedenkenträger offensiv entlarven. Die Bedenken, die in der letzten Debatte zu unseren Ideen geäußert wurden, waren sachlich falsch, insbe sondere die Bedenken, die vonseiten der CSU ge äußert wurden. Ich hatte das Gefühl, dass dort eine richtige Wagenburgmentalität herrscht: Wir verstecken uns hinter ein paar Vorwürfen und schauen ganz schüchtern raus.

Was wurde gesagt? – Wir würden Verwirrung in Deutschland schaffen, wenn wir ein Diplom einführ ten. Meine Damen und Herren, wir haben bereits an dere Abschlüsse. Wir haben zum Beispiel das Staats examen. Und selbstverständlich gibt es immer noch Diplomstudiengänge in Bayern. Das Diplom gibt es an allen Verwaltungshochschulen. Die Staatsregierung hat sich sogar zu Recht dagegen gewehrt, diese Stu diengänge abzuschaffen. Das bedeutet, für den Staat wollen Sie Diplomabgänger haben, der Wirtschaft ver weigern Sie jedoch Diplomabsolventen. Das ist inkon sequent, unfair und schizophren. Diese drei Begriffe passen auf dieses Verhalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Staatsminister hat erklärt, es sei keine Akkreditie rung möglich. Auch das ist falsch. Eine Einzelakkredi tierung ist nicht möglich, aber selbstverständlich eine Systemakkreditierung, die immer mehr im Kommen ist. Viele Hochschulen haben sie. Die TU Dresden hat sie ohnehin, aber auch die TU München und die Uni versität Erlangen haben sie. Dort wird eine ganze Fa kultät akkreditiert. Dies wäre auch für einen Diplom studiengang möglich. Diese Behauptung ist somit falsch.

Mehrere Kollegen haben angemahnt, wir würden in Europa einen Sonderweg gehen, wenn wir ein Diplom einführten. Das schlägt dem Fass den Boden aus. Ab gesehen von diesem Begriff, der historisch belastet ist: Nirgendwo steht, dass Bachelor und Masterab schlüsse vereinheitlicht werden müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie, wie viele

der 48 Unterzeichnerstaaten der BolognaErklärung diesen Prozess tatsächlich schon weit vorangetrieben haben? – Nur ein Viertel dieser Staaten, nämlich zwölf Staaten. Ich werde Ihnen jetzt ein paar Beispiele nen nen, welche Abschlüsse es in anderen Staaten gibt. Glauben Sie etwa, dass alle anderen Unterzeichner staaten Bachelor und Masterabschlüsse eingeführt haben? – Das ist nur in ganz wenigen Ländern der Fall.

Glauben Sie wirklich, dass die Franzosen diese engli schen Begriffe verwenden? Wie heißt in Frankreich der Abschluss des Bachelorstudiums? – Licence. Wie heißt der Abschluss, den Sie bei einem Master oder Staatsexamensstudiengang im Fach Medizin in Frankreich erwerben? – In Frankreich heißt dieser Ab schluss Diplôme d’État. Die Franzosen haben also das Diplom.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Hört, hört!)

Sehen Sie sich einmal die Ecole Supérieure in Frank reich an. Diejenigen Hochschulen, die für den Staat ausbilden, also die besten Hochschulen, nennen ihren Abschluss "Diplôme". Die Franzosen haben also das Diplom, und wir, die wir die Erfinder dieses Begriffes sind, schaffen es ab. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie kann man nur so dumm sein?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

In Belgien heißt der Abschluss Bachelier. In Polen heißt er Licencjat. In Italien heißt er Laurea di primo livello. In allen Ländern gibt es unterschiedliche Be griffe. Die Staatsregierung stellt sich jedoch hin und sagt: Wenn wir das Diplom wieder einführen würden, würden wir für Verwirrung in Europa sorgen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber kann man nur lachen!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Begriff "Diplom" wird inzwischen in anderen Län dern häufiger verwendet als bei uns. Ich sage ganz deutlich: Das DiplomModell, das wir FREIEN WÄH LER möchten, zeichnet sich durch vier Eigenschaften aus:

Dieses Modell ist klar wie ein oberbayerischer Berg see. Ein dreijähriges grundständiges Studium schließt mit dem "Bachelor" ab, ein vierjähriges grundständi ges Studium mit dem "Diplom". Daran schließt sich ein weiterführendes Studium "Master" an. Das ist klar wie ein oberbayerischer Bergsee.

Das Modell der FREIEN WÄHLER ist daneben so sparsam wie eine schwäbische Hausfrau. Dieses Stu dium kostet kaum mehr Geld.

Das Modell ist vom Inhalt her außerdem edel wie ein fränkischer Bockbeutel.

Schließlich ist es stark wie ein niederbayerischer Stier.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles in allem ist dieses Modell einfach gut. Das müssen Sie anerkennen. Sie sollten unserem Gesetzentwurf zu stimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Besten Dank, Herr Kollege, auch für diese gesamtbayerische Anpreisung Ihres Modells. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Radlmeier von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Markus Rinderspacher (SPD): Sie lehnen das Modell ab, weil er die Oberpfalz vergessen hat!)

Herr Kollege, die Ober pfalz hätte schon noch dazugehört!

(Beifall bei der CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute geht es um einen Gesetz entwurf, der Bayern, falls er Zustimmung finden sollte, in meinen Augen in der Wissenschaftspolitik weit zu rückwerfen würde. Wir haben bereits in der letzten Aktuellen Stunde über dieses Thema gesprochen. Ich habe in der vergangenen Woche klargemacht: Die CSUFraktion im Bayerischen Landtag lehnt diesen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER ab.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte mich deshalb heute auf den Telegrammstil beschränken. Seit der letzten Woche gibt es außer dieser dpaMeldung – lassen wir sie einmal so ste hen – keine neuen Argumente zu diesem Themen block.

Was wollen die FREIEN WÄHLER? – Die FREIEN WÄHLER wollen mit diesem Gesetzentwurf der man gelnden Praxisorientierung der Bachelorstudiengänge begegnen und dem hohen Interesse von Bachelorab solventen an einem weiterführenden Masterstudium entgegenwirken. Aus unserer Sicht besteht für diesen Gesetzentwurf kein Bedarf. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollen kein "Kommando zu rück".

Ich möchte meine Aussagen mit mehreren Studien aus jüngster Zeit, die auf Befragungen von Unterneh men und Absolventen beruhen, belegen. Die jüngsten Studien stammen vom Stifterverband für die Deutsche

Wissenschaft und dem Institut der Deutschen Wirt schaft Köln. Außerdem nenne ich das Bayerische Ab solventenpanel 2014 des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung. Diese Studien belegen, dass in fast allen betrachteten Fächern die Absolventinnen und Absolventen der Ba chelor und Masterstudiengänge einen gleich guten oder besseren Praxisbezug als DiplomAbsolventen haben.

Zudem wurde deutlich, dass insbesondere die Hoch schulen für angewandte Wissenschaften den Praxis bezug in der Lehre bei den neuen Studiengängen be reits deutlich intensiviert haben. Der Missstand, den Sie ansprechen und auf den Sie mit Ihrer Reform rea gieren möchten, besteht also gar nicht. Außerdem wird das zweite Ziel, das die FREIEN WÄHLER an führen, mit dem Entwurf nicht erreicht, nämlich die Reduzierung der Zahl von Masterstudierenden.

Die Umsetzung dieses Gesetzentwurfs käme einem Ausstieg aus der BolognaErklärung gleich. Dieser BolognaErklärung haben 48 Staaten zugestimmt. Diese Zahl spricht für sich. Die Umstellung auf Bache lor und Masterstudiengänge wurde inzwischen mit 847 Bachelor und 859 Masterstudiengängen kom plett vollzogen. Wir wollen nicht aus der BolognaEr klärung aussteigen und alle diese Fortschritte zunich temachen.

(Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER): Das will doch niemand!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Wiedereinfüh rung des akademischen Grades "Diplom" für ein neues Studiengangformat würde zudem – anders als Sie das gesagt haben – zu Intransparenz und zu einer Titelverwirrung führen; denn der Begriff "Diplom" wäre nun mehrdeutig. Ich habe es letzte Woche schon ge sagt, ich möchte es nicht noch einmal sagen. Die Wiedereinführung des akademischen Grades "Di plom" wäre keine kleine Korrektur, wie Sie behaupten, sondern sie wäre die Rückkehr in das Wissenschafts zeitalter vor Bologna, vor 1999.

Auch unseren Studierenden würden wir schaden. Die Reform wäre ein Schlag gegen die Wettbewerbsfähig keit und die wachsende Mobilität unserer Studieren den. Die erfolgreichen Bemühungen unserer Hoch schulen um internationale Wettbewerbsfähigkeit würden ebenfalls erheblich zurückgeworfen. Dies haben nicht zuletzt TUPräsident Herrmann und der Verein "Hochschule Bayern e. V." in Pressemitteilun gen dargelegt.

Letzte Woche habe ich Präsident Herrmann zitiert. Heute möchte ich den Präsidenten der Vereinigung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften in

Bayern, Herrn Michael Braun, eine renommierte Per sönlichkeit, zitieren. Er sagt, die bayerischen Hoch schulen für angewandte Wissenschaften hätten es seit der BolognaErklärung von 1999 fertiggebracht, ein attraktives, stark nachgefragtes und qualitätsgesi chertes Angebot an praxisorientierten Studiengängen aufzulegen. Dies würden den Hochschulen regelmä ßig die Partner in den Unternehmen, in den Verbän den und den Kammern bestätigen, die über Wirt schaftsbeiräte und Akkreditierungsagenturen direkt in die Entwicklung der Studiengänge einbezogen wür den; entgegen der Kritik an der Praxistauglichkeit und der fachlichen Qualität der Absolventinnen und Absol venten sei der Bachelor durch die Hochschulen für angewandte Wissenschaften zu einem ersten wirklich berufsqualifizierenden Abschluss entwickelt worden. – So Präsident Braun.