Meine Damen und Herren, zu begrüßen ist zwar, dass in Artikel 6 versucht wird, den hohen Anforderungen der Rechtsprechung an die Zulässigkeit von Behandlungsmaßnahmen ohne eine Einwilligung der Betroffenen gerecht zu werden und dass in Artikel 26 die Voraussetzungen der mechanischen Fixierung von Patienten definiert werden. Dennoch soll es auch weiterhin zulässig bleiben, Patienten mehrfach hintereinander, längstens für 24 Stunden, zu fixieren. Ob die neue Vorschrift geeignet ist, die bisher höchst unterschiedliche Fixierungspraxis in den einzelnen Kliniken auf möglichst niedrigem Niveau zu vereinheitlichen,
Meine Damen und Herren, gut ist, dass eine neue Fachaufsichtsbehörde vorgesehen ist und dass bei den Maßregelvollzugseinrichtungen Beiräte gebildet werden. Dennoch bleibt der langersehnte Gesetzentwurf alles in allem hinter den Möglichkeiten zurück, ein modernes, in erster Linie auf die Behandlung und Heilung der Patienten ausgerichtetes Maßregelvollzugsgesetz zu schaffen. Die Dunkelkammer des Rechts wird ein bisschen heller, zugegeben, sie wird aber nicht aufgelöst.
Da Sie glauben, unsere in der Sache begründeten und wohlüberlegten Änderungsanträge allesamt ablehnen zu müssen und es nicht nötig zu haben, bei diesem wichtigen Gesetz alle Fraktionen einzubinden, haben Sie die Chance vertan, gemeinsam ein modernes Gesetz zu schaffen. Wir werden uns deshalb der Stimme enthalten.
Eine letzte Bemerkung: Selbstverständlich dankt auch meine Fraktion den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Maßregelvollzugseinrichtungen für ihre schwierige Arbeit, die sie Tag für Tag verrichten. Wir hoffen, dass sie mit diesem Gesetz ein vernünftiges Werkzeug bekommen, um es noch besser zu machen. Wir hätten uns dieses Gesetz noch besser vorstellen können. Aus diesem Grunde werden wir uns leider, wie gesagt, zu diesem Gesetzentwurf der Stimme enthalten müssen.
Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster hat Herr Kollege Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Filmfest in München wird eine Dokumentation über ein Thema gezeigt, das uns hier in den letzten Jahren beschäftigt hat und das für viel Aufregung gesorgt hat. Der Film heißt "Mollath – und plötzlich bist du verrückt". Der Fall Mollath ist ein trauriges Beispiel für den dringenden Reformbedarf nicht nur bei der Anordnung, Überprüfung und Fortdauer der Unterbringung, sondern auch beim konkreten Vollzug der Maßregel. Meine Damen und Herren, der heute zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf ist eine längst überfällige Reform. Es ist gut, dass dieses Gesetz nun angepasst wird. Das ist heute ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur ein kleiner Schritt. Wir hätten daraus etwas Größeres machen können.
Ich finde es schade, dass die vielen guten Vorschläge, die von den Kolleginnen und Kollegen etwa ab der Mitte dieses Hauses kamen, überhaupt nicht berücksichtigt worden sind. Wir hätten hier die Chance gehabt, gemeinsam ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das der Sache gutgetan hätte; denn es geht hier um kranke Menschen, die untergebracht worden sind, weil sie eine Gefährdung darstellen. Diesem Hause wäre es gut angestanden, wenn die Fraktionen aufeinander zugegangen wären, anstatt sich im Parteiengeplänkel auseinanderzudividieren.
Wenn die andere Seite dieses Hauses zumindest in kleinen Schritten auf uns zugegangen wäre, um einen Konsens zu finden, wäre dies ein Zeichen gewesen. Die Chance, bei diesem Thema ein kräftiges Zeichen zu setzen, wurde leider vertan. Ein kleiner Schritt wäre zum Beispiel die Änderung der Begrifflichkeit gewesen, sodass künftig nicht mehr von "untergebrachten Personen" sondern von "Patienten" gesprochen wird; denn um solche handelt es sich. Darauf hätte man sich leicht einigen können; denn der Begriff wirkt sich sehr stark auf das Gesetz und dessen Geist aus. Es geht um hilfsbedürftige Menschen, die therapiert und geheilt gehören. An dieser Stelle hätte man mit Begriffen schon viel tun können. Der Bayerische Richterverein kritisiert, dass es in diesem Gesetz nicht um einen behandlungsorientierten Vollzug, sondern um ein Wegsperren geht. Wenn man schon nicht auf uns hört, hätte man zumindest auf die bayerischen Richterinnen und Richter hören können.
Deshalb haben wir als Fraktion FREIE WÄHLER eine Reihe von Änderungsanträgen gestellt. Mit den Anträgen wollten wir die Rechte der Untergebrachten, der Patienten, stärken. Die Besuchsdauer soll erweitert werden. Wir haben vor allem einheitliche Dokumentationsstandards gefordert, um Maßnahmen im Nachhinein nachvollziehen zu können. Die überlangen und schändlichen Fixierungen über 60 Tage, zum Beispiel in Taufkirchen, wurden bereits angesprochen. Mit einheitlichen Dokumentationsstandards könnte besser nachgeprüft und nachgeschaut werden.
Es wurde von "Dunkelkammer des Rechts" gesprochen. Wir wollen die Forensik nicht unter Generalverdacht stellen. Wir wollen Licht in die Dunkelkammer des Rechts hineinbringen. Wir brauchen ein wachsames Auge, damit kein Missbrauch entstehen kann.
Wir haben weiter gefordert, auf Landesebene eine Ombudsstelle einzurichten, an die man sich wenden kann. Die Ombudsstelle soll sich für die Patienten einsetzen. Außerdem haben wir gefordert, die Zwangsmaßnahmen einheitlich und zentral zu erfassen und eine einheitliche Dokumentation der Zwangsmaßnahmen durchzuführen. Der Ombudsmann ist gegenüber
dem Landtag berichtspflichtig, damit wir wissen, was geschieht. Die Rechte der einstweilig untergebrachten Personen müssen ebenfalls gestärkt werden. Für diese gilt generell eine Unschuldsvermutung. Deshalb muss man an die Sache anders herangehen.
Meine Damen und Herren, das vorliegende Gesetz ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Es hätte ein großer und guter Schritt werden können. Dass das nicht geschehen ist, bedauern wir. Gemeinsam hätten wir mehr machen können. Immerhin hat die CSUFraktion in ihrem Änderungsantrag den dringenden Reformbedarf und die Forderung des Bayerischen Bezirketags nach Verankerung der forensisch-psychiatrischen Ambulanz berücksichtigt. Das ist ein bisschen was. Nach unserer Ansicht ist das jedoch nicht genug.
Zu den Änderungsanträgen der SPD und der GRÜNEN werden wir uns enthalten müssen. Im Änderungsantrag der SPD gibt es zwar viele deckungsgleiche Punkte, aber ein wesentlicher Punkt, die Einführung einer Ombudsstelle, ist leider nicht enthalten. Im Entwurf der GRÜNEN sind sehr viele sinnvolle und gute Vorschläge enthalten. Bei einigen Punkten befürchten wir jedoch die Einführung von Doppelstrukturen. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen und uns bei den Änderungsanträgen enthalten.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste hat Frau Kollegin Celina vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gustl Mollath, Roland Steigerwald – zwei Namen, die die Republik jetzt kennt. Das sind zwei Namen von Menschen, die im bayerischen Maßregelvollzug als psychisch kranke Straftäter verurteilt und untergebracht wurden. Auf diese Personen möchte ich heute und hier nicht näher eingehen, obwohl ihre Geschichten generell immer wieder erzählt werden sollten, um etwas mehr Licht in den Maßregelvollzug zu bringen. Eines ist beiden gemeinsam: Sie haben die Tür zum Maßregelvollzug ein Stück weit aufgemacht und den Menschen in Bayern und ganz Deutschland gezeigt, dass es mitten in Bayern eine Welt gibt, die verschlossen ist und in die wir bisher keinen Einblick hatten.
Die Bayerische Staatsregierung hat nun endlich den Mut gehabt, einen Entwurf zum Maßregelvollzugsgesetz vorzulegen. Das ist ein Gesetz, das nicht nur wir GRÜNE, sondern vor allem diejenigen, die wissenschaftliche und berufspraktische Erkenntnisse haben, schon seit Jahren gefordert haben, um endlich verfassungskonforme und für alle Beteiligten nachvollziehbare Rechtsgrundlagen für den Maßregelvollzug zu bekommen.
Frau Staatsministerin Müller nannte den Gesetzentwurf in der Ersten Lesung im Parlament einen modernen und für die anderen Länder richtungweisenden Entwurf, dessen Hauptanliegen die Resozialisierung straffällig gewordener, psychisch kranker oder suchtkranker Menschen sei. Die untergebrachten Menschen sollten geheilt und wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden. Ein Gesetz, das die Kranken nicht einmal als krank bezeichnet, ist sicher nicht so modern und richtungweisend, wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es uns weismachen wollen.
Faktisch werden in diesem Gesetz nur die allernotwendigsten Regelungen getroffen. Nach wie vor steht der ordnungspolitische Aspekt im Vordergrund. Andere Themen, die schon längst hätten angegangen werden sollen, werden nicht angegangen. Ausreichende Vorschriften zu individuellen Therapieangeboten, zur Qualitätssicherung, zu unabhängigen Beschwerdestellen, zu unangemeldeten Besucherkommissionen und zur Finanzierung forensischer Ambulanzen fehlen. Sie sind mit diesem Gesetzentwurf nicht richtungweisend, sondern hinken hinterher. Von Ihrer Fraktion hätte ich mir mehr Mut gewünscht, die von mir und den Kollegen genannten Themenfelder anzugehen. Ich hätte mir von Ihrer Fraktion mehr Mut gewünscht, Änderungsvorschläge von den Oppositionsfraktionen offen zu diskutieren und diese zumindest teilweise zu übernehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen doch inzwischen ebenso gut wie wir, welche Mängel die bisherigen Regelungen aufweisen. Klare Regelungen, bis wann ein Behandlungsplan aufgestellt werden muss, fehlen. Roland Steigerwald befindet sich seit 20 Jahren in der Psychiatrie, hat aber erst seit dem Jahr 2014 einen Behandlungsplan, das heißt seit gerade einmal einem Jahr. Wie will man denn heilen, wenn man keinen Plan hat, zumindest keinen Behandlungsplan?
dass Sie die gezielte Heilung und Resozialisierung der Patienten optimal unterstützen können, wenn Sie nach wie vor Regelungen für mehr Transparenz blockieren? Warum sperren Sie sich so vehement dagegen, ein Melderegister für Zwangsmaßnahmen einzuführen? Ein Melderegister für Zwangsmaßnahmen tut niemandem weh, Zwangsmaßnahmen hingegen verursachen Schmerzen.
Nein, am Ende. – Mit einem Register für Zwangsmaßnahmen wird einfach nur klar, warum in einigen Einrichtungen keine oder nur wenige und in anderen Einrichtungen mehr Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden. Liegt das am Personalstand und an Deeskalationsmaßnahmen? Welche positiven Beispiele können Schule machen? Um Dinge zu verändern, muss man die Fakten kennen. Sie wollen die Fakten gar nicht erst wissen, sondern verharren in alten Denkmustern. Ich möchte betonen: Ein Melderegister für Zwangsmaßnahmen ist eine Hilfe und keinesfalls – das betone ich – ein Generalverdacht.
Die Presse hat wiederholt von Fällen berichtet, in denen Menschen tagelang fixiert wurden. Wollen Sie sich erneut von zufälligen Presserecherchen weiter zum Handeln treiben lassen, anstatt aufgrund eigener Erkenntnisse und Datenerhebungen zu agieren? Ich versichere Ihnen: Wenn wir nicht mehr Transparenz schaffen, werden wir in den nächsten Jahren weitere Fälle wie Gustl Mollath erleben und weitere Untersuchungsausschüsse wie den Untersuchungsausschuss "Modellbau" durchführen müssen. Erst durch Verstecken und Verschweigen werden Skandale wie diese möglich.
Die Sicherheit der Allgemeinheit ist am besten durch Heilung zu erreichen. In diesem Punkt sind wir uns einig. Dazu gehören auch ein Rechtsanspruch auf Vollzugslockerung, auf Außenkontakte, auf Vorbereitung einer Entlassung, die nicht nur bei Gustl Mollath, sondern auch bei vielen anderen nicht optimal funktioniert haben. Wir reden davon, Menschen zu resozialisieren, die eben nicht in ein weiches Netz sozialer Kontakte fallen, sondern die sich schon oft vor ihrer Einlieferung in den Maßregelvollzug aufgrund ihrer psychischen Erkrankung von der Gesellschaft um sie herum entfernt haben. Genau ihnen muss überall in Bayern ein gleich hoher Standard bei der Hilfe nach einer Entlassung zuteilwerden.
Deshalb haben wir mit unserem Änderungsantrag gefordert, forensische Ambulanzen unabhängig von der Haushaltsentwicklung künftiger Jahre sicherzustellen; denn eine gute forensische Nachsorge ist unbestritten eine wesentliche Voraussetzung für die Eingliederung in die Gesellschaft und zur Minimierung der Rückfallquote. Sie darf nicht davon abhängig sein, wo und wann ein Mensch in Bayern entlassen wird.
Ähnliches gilt für die individuelle Therapie. Es geht eben nicht nur um die reine Unterbringung, es geht um Therapie und Heilung. In der Onkologie reden wir immer mehr von individuellen Therapien, weil wir erkennen, dass Menschen wegen der jeweiligen genetischen Disposition unterschiedlich auf Medikamente und Behandlungsmethoden reagieren.
Für einen besseren Behandlungserfolg bei psychisch erkrankten Menschen sind außer einem verstärkten Mitspracherecht über die Form der Therapie auch das Umfeld, die Umsetzung der Grundrechte der Patienten, die Ermöglichung von Besuchen und Kontakten und die Art, wie diese Kontakte nach außen ermöglicht werden, wichtig. Um den Behandlungserfolg zu gewährleisten, ist auch eine Beschäftigung, eine adäquate Arbeitstherapie, erforderlich. Das wissen wir nicht erst seit der Aussage von Roland Steigerwald vor dem Untersuchungsausschuss in der vorletzten Woche, für den ein zwanzig Jahre langes Kleben von Tüten unvorstellbar gewesen wäre.
Ob eine adäquate Arbeitstherapie zu einer tatsächlichen Entlassung beitragen kann, ist letztlich gar nicht so wichtig. Schon wenn die Arbeitstherapie dazu beiträgt, den Patienten in der Maßregelvollzugsanstalt einzugliedern, seinen Arbeitstag zu strukturieren und seine Konzentrationsfähigkeit zu trainieren, trägt sie zur Sicherheit des Personals und der anderen untergebrachten Personen in den Maßregelvollzugsanstalten bei.
Die Patientinnen und Patienten, die arbeiten, sollten für ihre Arbeit aber auch ein angemessenes Arbeitsentgelt erhalten. Sie, Herr Unterländer, haben im Sozialausschuss argumentiert, es sei die Frage, ob es in jeder Maßregelvollzugsanstalt notwendig sei, Beschäftigung vorzuhalten. Außerdem sei dies faktisch häufig nicht möglich, deshalb lehne die CSU diese Forderung ab. Da sage ich nur: Machen Sie es möglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe einige Punkte genannt, in denen der vorliegende Gesetzentwurf verbesserungsfähig ist. Dass diese Vorschläge
heute alle nicht aufgenommen werden, ist Fakt. Vielleicht denken Sie aber spätestens bei der nächsten Pressemeldung zum Maßregelvollzug noch einmal über unsere Anregungen nach. Ich versichere Ihnen, unsere Tür bleibt offen für einen weiteren Dialog, wie es schon die Kanzlerin diese Woche in einem anderen Zusammenhang sagte.
Danke schön, Frau Kollegin. Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. Frau Kollegin Schreyer-Stäblein hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.
Frau Kollegin Celina, ich wüsste ganz gerne, woher Sie wissen, dass Herr Steigerwald erst ab 2014 einen Therapieplan hatte. Sie sind nicht Mitglied des Untersuchungsausschusses. Ich habe im Gegensatz zu Ihnen die Unterlagen gelesen, und das ist objektiv falsch. Wir können über alle anderen Ausführungen diskutieren. Aber das ist objektiv falsch. Deshalb wüsste ich gerne, woher Sie diese Information haben. Ich hoffe, dass der Rest Ihrer Rede mehr Wahrheitsgehalt hatte.
Die anderen Mitglieder, die hier sind, können sich gerne melden und zu Ihrer Unterhaltung beitragen. Ich versichere Ihnen, der Rest meiner Rede war ebenfalls wahrheitsgemäß.