Protokoll der Sitzung vom 30.09.2015

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wir müssen auch in Europa weiterkommen. Ich bin sehr wohl für eine europaweite Verteilung. Ich sage aber auch: Solange wir den Zustrom nicht begrenzen und zahlenmäßig erfassen, kann ich natürlich auch Länder verstehen, die sich gegen feste Quoten wehren, weil sie überhaupt nicht wissen, wie viele insgesamt kommen werden. Sind das 5.000 für Litauen, sind es 10.000, oder sind es 15.000? Da ist die Frage, wie viele kommen, wie viele die Schlepper über das Mittelmeer bringen. Deswegen brauchen wir zuallererst eine Sperrung der Grenzen und eine Kontingentierung wie in vielen anderen Teilen der Welt.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Sperrung des Mittelmeers!)

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch Asylzentren in Nordafrika. Auch das ist inzwischen ein Koalitionsbeschluss, Herr Rinderspacher. Auch dafür waren Sie nicht, als ich das gefordert habe.

(Markus Rinderspacher (SPD): Was? So ein Unsinn!)

Das ist auch von den GRÜNEN abgelehnt worden. Es ist halt so: Wenn man etwas fordert, um die Dinge

weiterzubringen, dann wird man zuerst immer stark dafür kritisiert – von der Opposition auf jeden Fall und von Teilen der Medien –, und ein paar Monate später ist es eine Selbstverständlichkeit, und alle machen mit. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen natürlich weiterhin alles dafür tun, um die Menschen auch bei uns gut unterzubringen, und versuchen, sie zu integrieren. Ich sage bei dieser Gelegenheit, weil das zu wenig gesagt wird: Ein Bürgerkriegsflüchtling – und das müssen wir den Menschen in diesen Ländern auch sagen – bekommt bei uns Schutz auf Zeit, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Wenn der Bürgerkrieg zu Ende ist, geht er wieder in sein Land zurück. Das war in Jugoslawien so, und das wird auch in Syrien so sein, wenn die Kampfhandlungen zu Ende sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir dürfen den Menschen nicht den Eindruck vermitteln, dass derjenige, der aus Syrien hierher kommt, bis zu seinem Lebensende hierbleiben kann.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das müssen Sie Frau Merkel sagen! Frau Merkel sagt das!)

Das ist nicht die Rechtslage. Sie wissen es doch selbst genau: Sie bekommen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung, dann wird regelmäßig geprüft, ob der Krieg zu Ende ist. Wenn der Krieg zu Ende ist und dort wieder ein sicheres Leben möglich ist, wird der Betroffene angeschrieben und aufgefordert, in sein Land zurückzukehren, ansonsten wird er zurückgeführt. Das war auch in Jugoslawien so. Im Moment – das ist das Schlimme an der Situation – kommen die Stärksten und die Vermögendsten zu uns. Sie müssen diesen Weg überstehen, und sie müssen ihrem Schlepper Tausende Euro zahlen. Wir nehmen diesen Ländern also die Stärksten und wirtschaftlich am besten gestellten Leute. Diese Länder brauchen diese Menschen aber zum Wiederaufbau nach dem Krieg. Deshalb muss man sagen: Es ist ein Aufenthalt auf Zeit. Wenn der Krieg vorbei ist, ist der Betroffene aufgefordert, wieder in sein Heimatland zurückzukehren.

(Beifall bei der CSU)

Bayern und sicher auch alle anderen Länder in Deutschland werden sich anstrengen, diese großen Probleme, die bei diesen Zugangszahlen schon in diesem Winter auf uns zukommen, zu lösen. Da geht es um Wohnraum, natürlich auch um Ausbildung und um Sprachkurse. Man muss klar sagen: Je größer die

Zahlen werden, desto schwieriger wird es für den Einzelnen. Weil Sie immer von Individuen sprechen, sage ich: Man tut dem einzelnen Flüchtling keinen Gefallen, wenn am Tag 10.000 kommen. Die Integrationsarbeit wird dadurch insgesamt umso schwieriger. Wir werden sie trotzdem mit aller Kraft anpacken. Auch hierzu ist im Bund eine Einigung erfolgt. Ich nenne die Änderung von Bauvorschriften usw., was ich außerordentlich begrüße.

Man muss aber auch wissen: Es wird eine schwierige Aufgabe, die uns alle fordern und finanziell binden wird. Manche andere Sache kann somit nicht mehr ohne Weiteres erledigt werden. Das müssen wir den Menschen sagen: Geld ist endlich. Dies alles hat einen sehr hohen Preis. Damit wir das überhaupt schaffen können, meine Damen und Herren, unterstützen Sie uns, stimmen Sie diesem Dringlichkeitsantrag zu. Im Moment ist der Schlüssel die Begrenzung der Zuwanderung.

Wir haben die Situation, dass ein Damm gebrochen ist und Wasser in großen Mengen, bildlich gesprochen, einströmt. Da hat es überhaupt keinen Sinn, hinter dem Damm zu fragen, wie man das Wasser am besten verteilt und wo man ein paar Feuerwehrpumpen aufstellt, sondern wir müssen schauen, dass man diese Flut, die im Moment auf uns zukommt, in den Griff bekommt. Das ist absolut prioritär und hat Vorrang vor allen anderen Maßnahmen.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, natürlich sind Flüchtlinge kein Wasser. Sie wissen hoffentlich, was ein Bild in der deutschen Sprache ist. Daher verstehe ich Ihre Aufregung nicht. Wir müssen die Aufgaben gemeinsam lösen. In Berlin sind die Gemeinsamkeiten weiter als in München. Wir müssen aber schnell handeln. Sonst könnte die Situation für uns unbeherrschbar werden. Wir könnten nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch menschlich in schwierige Situationen kommen. Dies wollen wir nicht. Deswegen werden wir bei unserer Forderung bleiben. Wir haben am Sonntag wieder eine Fraktionsvorsitzendenkonferenz, und ich werde unsere Forderung in Berlin genau so vehement vertreten wie hier.

Es wird so kommen wie immer, meine Damen und Herren: Über das, was wir heute fordern und Sie nachher vielleicht ablehnen, spricht in einem halben Jahr niemand mehr, weil es Realität ist und weil es unausweichlich ist. Das wird auch bei der Zuwanderungsbegrenzung der Fall sein.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören und hoffe, dass wir mit großem Engagement an die Aufgabe herangehen und die Problematik lösen können. Ich danke noch ganz

zum Schluss dem Ministerpräsidenten, der sich in den Verhandlungen in Berlin engagiert eingebracht hat. Ich danke Emilia Müller, Joachim Herrmann und Marcel Huber, die unter einer ungeheuren Belastung stehen. Ich glaube, die Bayerische Staatsregierung hat ihre Arbeit erledigt. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Arbeit auch anderswo vernünftig erledigt wird, und dies werden wir tun.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kreuzer. Sie sind schon an das Rednerpult zurückgekehrt. – Frau Kollegin Bause, bitte.

Herr Kollege Kreuzer, bei allem Hyperventilieren Ihrerseits

(Widerspruch von der CSU)

sollten Sie sich zum einen bei der Wahl Ihrer Sprachbilder nicht vergreifen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): "Verwertbar"!)

Es geht um Menschen, und Menschen sind keine Naturkatastrophe.

(Josef Zellmeier (CSU): Aber sie sind verwertbar!)

Zum Zweiten sollten Sie bei der Wahrheit bleiben.

(Karl Freller (CSU): Claudia Roth am 13. August!)

Sie haben zwei Punkte angesprochen, die falsch sind.

(Karl Freller (CSU): Claudia Roth sagte über Asylbewerber "nicht verwertbar"!)

Zum Ersten. Sie haben von den Flüchtlingen vom Westbalkan gesprochen. Dazu habe ich vor der Sommerpause ausdrücklich gesagt: Das Asylrecht ist für die meisten Menschen, die vom Westbalkan zu uns kommen, nicht der richtige Weg. Es gibt aber nur diese eine Tür, weil die andere Tür über die Arbeitszuwanderung bisher verschlossen war.

(Zurufe von der CSU: Das stimmt gar nicht!)

Es ist ein wichtiger Durchbruch beim Asylkompromiss, dass diese Möglichkeit jetzt eröffnet wird; das ist auch ein Grundstein für ein Einwanderungsgesetz. Das ist zum Beispiel ein Erfolg von grüner Seite. Natürlich müssen bei einem Kompromiss am Ende alle etwas mittragen, was sie alleine nicht beschlossen hätten.

Zum Zweiten haben Sie gesagt, ich hätte gefordert, die Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen. Das ist eine glatte Lüge. Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Zwang zur Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft aufheben soll. Es geht darum, dass die Flüchtlinge dazu nicht gezwungen werden, wenn sie privat wohnen können und wollen. Darum geht es, und das würde auch eine Entspannung bei den Gemeinschaftsunterkünften bringen.

Ein dritter Punkt. Sie haben jetzt wieder einmal von der Begrenzung gesprochen, die durch die Kontingente erreicht werden soll. Da möchte ich Sie etwas fragen. Sie sagen, es geht Ihnen nicht darum, das Grundrecht auf Asyl zu verändern oder anzutasten. Wenn Sie aber Kontingente einführen und die Menschen, die über das Kontingent hinausgehen, keine Möglichkeit mehr haben, hierher zu kommen, schaffen Sie den individuellen Anspruch auf Asyl ab. Jetzt frage ich Sie: Wollen Sie das individuelle Grundrecht auf Asyl in Deutschland abschaffen oder erhalten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Kreuzer, bitte.

Der letzte Beitrag zeigt, dass Sie sich mit der Problematik null Komma null befasst haben, Frau Kollegin Bause.

(Beifall bei der CSU)

Das Grundrecht auf Asyl gibt lediglich politisch und anderweitig Verfolgten individuelles Recht auf Asyl. Dies bedeutet, dass wir es dabei mit circa 1 %, manchmal 1,5 % aller Menschen zu tun haben, die zu uns kommen. Die Väter des Grundgesetzes haben gerade kein pauschales Zugangsrecht für Migranten eingefordert, in deren Heimatländern Krieg herrscht. Dies ist durch das Grundrecht auf Asyl nicht abgedeckt. Es entspricht der europäischen Flüchtlingsrichtlinie, die nach dem Balkankrieg eingeführt worden ist, die aber Unfug ist, weil das in keinem anderen Land so gemacht wird. Man kann nicht bei jeder kriegerischen Auseinandersetzung allen Menschen des betreffenden Landes einen individuellen Anspruch auf Zugang geben.

Die europäische Gesetzgebung müssen wir ändern. Beim Grundgesetz muss gar nichts gemacht werden. Ich stehe zu dem Asylrecht. Es geht um 1 % der Betroffenen. Wer individuell verfolgt ist, soll bei uns Schutz und Aufnahme finden, und zwar ohne Obergrenze. Es geht um Leute, die nicht individuell verfolgt sind. Sie müssen nur ein Merkmal haben: Mitglied eines Volkes, in dessen Land Krieg herrscht. Wir prüfen nicht: Kommt er aus einem sicheren Flüchtlingsla

ger, kommt er aus einem Kriegsgebiet, kommt er aus irgendeinem Drittstaat, wo er nicht mehr gefährdet ist? - Diese Regelung können wir nicht aufrechterhalten. Sie hat nichts mit Asyl zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Es ist falsch, dass es aus dem ehemaligen Jugoslawien keine Tür gegeben hat. Überlegen sie doch einmal selbst, wie viele Menschen Sie in Ihrem Bekanntenkreis haben, die in der Gastronomie oder anderswo arbeiten und aus dem ehemaligen Jugoslawien kommen. Sie haben einfach einen Arbeitsvertrag vorgewiesen, sind zur Botschaft gegangen und haben eine Einreisegenehmigung bekommen. Das ist die Wahrheit, und durch das, was jetzt in Berlin beschlossen wurde, hat sich daran eigentlich nicht viel geändert. Es können auch weiter keine Menschen kommen, die keiner Beschäftigung nachgehen werden.

Schauen Sie sich den Eintrag in Ihrer Homepage vom 10. September 2014 zu Sammelunterkünften und Gemeinschaftsunterkünften an. Ich sage Ihnen: Er ist zumindest ausgesprochen missverständlich. Jeder, der ihn liest, kann ihn nur so verstehen, dass Sie gegen Gemeinschaftsunterkünfte und für eine flächendeckende individuelle Unterbringung der Menschen sind. Lesen Sie es, und dann unterhalten wir uns darüber noch einmal. Wenn Sie sagen, Sie haben es so nicht gemeint, bin ich schon beruhigt; denn es wäre wirklich der Wahnsinn hoch drei, wenn Sie das im Ernst so gemeint hätten.

Aber wir wissen, in welcher Situation wir jetzt sind: Wir müssen in Straubing 5.000 Menschen in einem Zeltlager unterbringen, weil sie die anderen Länder uns nicht abnehmen. Wir werden das Lager auf 10.000 Plätze ausdehnen müssen. So ist die Situation, und wer dies als gesund, machbar und bewältigbar erachtet, meine Damen und Herren, dessen Gedankenwelt kann ich nicht mehr nachvollziehen.