Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Schulze bitte, Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Reichhart, ich war schon am Anfang Ihres Redebeitrags ganz erstaunt. Ich dachte mir: Gut, da kann ich mitgehen, das sehe ich auch so. Beim zweiten Teil muss ich aber wieder feststellen, dass Sie, ehrlich gesagt, eine Themaverfehlung hingelegt haben.

Ich hatte eigens erwähnt, dass wir über die zwei Teile des Dringlichkeitsantrags getrennt abstimmen lassen wollen. Ich weiß nämlich, dass zum zweiten Teil, zu den Forderungen, unterschiedliche Ansichten herrschen. Wir tragen diese Debatten ja immer mehrfach aus.

Ich habe Ihren Redebeitrag anfangs so verstanden – da sind wir uns doch einig –, dass die rechte Gewalt in Bayern im Moment massiv ansteigt. Der Teil unter "I" ist ein klares Bekenntnis, das – wie ich finde – alle Fraktionen im Bayerischen Landtag aussenden sollten, dass wir uns Rassismus und Rechtsextremismus

entschieden entgegenstellen. Das ist im Moment das Thema. Im Moment steigen in diesem Bereich die Zahlen. Als Bayerischer Landtag sollten wir deswegen ein Zeichen setzen.

Wenn Sie schon den zweiten Teil des Antrags ablehnen, wie verfahren Sie dann mit Teil eins, mit der Solidaritätsbekundung und dem Abgrenzen von rechter Gewalt und Rassismus?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Schulze, wir verurteilen und lehnen Rechtsextremismus, Faschismus, aber auch Linksextremismus und Terrorismus in jeder Form entschieden ab. Wir werden dem ersten Teil Ihres Antrags dann zustimmen, wenn Sie die Beschränkung auf den Rechtsextremismus herausnehmen und Extremismus insgesamt verurteilen.

(Beifall bei der CSU – Ingrid Heckner (CSU): Bravo!)

Das ist die Wahrheit: Wir haben nicht nur eine Zunahme beim Rechtsextremismus, sondern auch beim Linksextremismus. Lassen Sie uns alles verurteilen. Zeigen auch Sie dem linken Spektrum, dass es in Bayern nicht willkommen ist. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen. Dann kommen wir weiter. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Schritt mitgehen und zeigen würden: Wir haben auch etwas gegen die Linksextremisten. – Von den GRÜNEN haben wir das in letzter Zeit nicht so deutlich gehört.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Rabenstein. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich finde es gut, dass wir hier und heute nicht nur über die Flüchtlinge sprechen, auch kontrovers diskutieren, sondern dass wir im Hohen Hause auch etwas zum Rechtsextremismus und zum Rassismus sagen. Deswegen sage ich erst einmal herzlichen Dank an die GRÜNEN dafür, dass sie diesen Antrag eingebracht haben; denn ich sehe hier einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen beiden Themen, also auf der einen Seite den Flüchtlingen und der mit Ihnen verbundenen Problematik, die wir haben, und auf der anderen Seite dem Rechtsextremismus und Rassismus.

In den letzten Tagen und Wochen haben wir gesehen, vor allem bei Pegida: Sie richten sich gegen die Flüchtlinge und sind in ihren Äußerungen und Reden ausländerfeindlich und damit rassistisch.

(Beifall bei der SPD)

Sie nennen sich Patrioten, aber das hat mit Patriotismus überhaupt nichts mehr zu tun; denn nicht jeder, der seine Heimat liebt oder sich als Patriot bezeichnet, ist automatisch ein Rassist; das stimmt absolut nicht. Wer aber seine Nation, seine Rasse, seine Religion über alles andere stellt, ist ein Rassist. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei der SPD)

Wenn bei diesen Pegida-Demonstrationen Galgen gezeigt werden, an denen Frau Merkel und Herr Gabriel hängen, dann fühlen wir uns an das Dritte Reich erinnert. Jede Diskussion mit diesen Leuten – das möchte ich ausdrücklich sagen – ist gefährlich, und da hört bei mir die Debatte auf. "Rassismus", so hat auf einem Schild der Gegendemonstranten gestanden, "ist keine Meinung, Rassismus ist ein Verbrechen". Das möchte ich auch ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Mit diesen Dumpfbacken wollen wir absolut nichts zu tun haben. Ich sage das auch als Sozialdemokrat. Wir sind in der SPD sehr sensibel, wenn es um das Thema Rechtsextremismus und Rassismus geht. Ich sage das auch als einer, der im Hauptberuf Geschichte studiert hat. Wir sind gegen Rassismus, weil viele Sozialdemokraten im Dritten Reich in den Konzentrationslagern waren und ermordet wurden, nur weil sie eine andere Meinung hatten. Mit ihnen wurden Millionen von Juden und Angehörige von Randgruppen wie Bibelforscher, Homosexuelle oder Behinderte Opfer, derer wir heute noch gedenken. Deswegen sind wir als gebrannte Kinder, wenn ich das einmal so sagen darf, gegen Rassismus und gegen Rechtsextremismus.

Wir waren schon immer so eingestellt und haben das auch hier im Bayerischen Landtag immer deutlich gemacht. Wir haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu diesen Themen zahlreiche Initiativen ergriffen und Anträge eingebracht. Ich möchte nur einige Beispiele nennen: zusammen mit den GRÜNEN in diesem Jahr einen Antrag über die Weiterentwicklung des bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus. Der Antrag war richtig, er wurde leider abgelehnt.

Wir haben einen Antrag im Zusammenhang mit rechtsextremen Angriffen gegen engagierte Bürger eingebracht. Leider wurde auch er abgelehnt.

Im Jahr 2011 haben wir einen Antrag für ein gemeinsames Vorgehen gegen Rechtsextremismus formuliert. Leider wurde er ebenfalls abgelehnt.

Bei der Vorbereitung auf diesen Beitrag habe ich einen schönen Antrag der SPD aus dem Jahr 2005 gefunden mit dem Titel "Für Toleranz und Zivilcourage – Wehret den Anfängen – Keine Toleranz für Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit!" Das war vor zehn Jahren. Wenn ich unseren damaligen Antrag und den Antrag der GRÜNEN von heute nebeneinanderlege, dann erkenne ich darin die gleiche Argumentation, die wir damals schon hatten und die wir auch heute noch haben. Leider wurde auch der Antrag im Jahr 2005 abgelehnt.

Jetzt komme ich zur CSU. Es gab aber auch – und das möchte ich betonen – zahlreiche Initiativen, die wir im Hohen Haus gemeinsam unterstützt haben, zum Beispiel einen Antrag im Jahr 2008. Das war eine Entschließung "Gemeinsam gegen Rechtsextremismus". Sie wurde damals von allen fünf Parteien im Landtag einstimmig angenommen. Das war gut so.

Ich erinnere noch an eine Initiative der SPD, die federführend von mir ausging: Verbotsantrag der NPD. Wir haben gemeinsam einen Antrag formuliert, dem alle Parteien zustimmen konnten. Das war gut so; denn ohne diesen Antrag wären wir heute beim Verbot der NPD noch nicht so weit. Das war richtig, dass wir damals die Initiative ergriffen haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte auch an Initiativen erinnern, die von der CSU unterstützt worden sind, bei denen es um die KZ-Gedenkstätten geht. Ich meine damit vor allem die KZ-Gedenkstätten in Flossenbürg und in Dachau. Es war nicht immer eine Selbstverständlichkeit, dass wir diese Gedenkstätten auf den Weg bringen sollten. Jeder, der sich schon einmal in diesen KZ-Gedenkstätten aufgehalten hat und die Arbeit sieht, die dort vor Ort geleistet wird, wird sagen: Das ist präventive Arbeit gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Das ist gut und richtig so.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Karl Freller (CSU))

Ich möchte deshalb dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten Karl Freller recht herzlich danken, der zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort eine vorbildliche Arbeit leistet. Er bringt diese Arbeit über alle Parteigrenzen hinweg voran. Das ist eine wichtige Arbeit gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, diese Arbeit müssen wir weiterführen.

Wir haben im Maximilianeum politische Gegensätze. Bei demokratischen Parteien ist es normal, dass die Opposition bei vielen Problemen andere Lösungsansätze hat. Mein Appell: Die Parteien sollten heute

trotzdem ein gemeinsames Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus setzen. Sie sollten deutlich sagen: Wir Demokraten in den Parlamenten sind gegen Fremdenfeindlichkeit und halten zusammen, wenn es um rechte Gewalt geht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Bayerischen Landtag konnte zu Zeiten der Weimarer Republik keine gemeinsame Linie der Konservativen und der Sozialdemokraten hergestellt werden. Die Konservativen im Reich waren damals das ZENTRUM und in Bayern die Bayerische Volkspartei. Wenn wir in den Jahren von 1919 bis 1933 gemeinsam gegen die Nationalsozialisten vorgegangen wären, hätten wir einiges verhindern können. Ich möchte aber nicht einseitig den Konservativen die Schuld daran geben. Auch die SPD hat damals Fehler gemacht. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, deswegen müssen wir gemeinsam eine Linie gegen den Rassismus finden.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte hierzu noch ein Wort an Herrn Dr. Reichhart richten: So herrlich, wie Sie es dargestellt haben, ist die Lage nicht. Wir haben das bei der NSU-Affäre gesehen. Da haben wir in Deutschland versagt. Aber auch wir in Bayern haben kein gutes Bild abgegeben. Wir sehen doch, was da alles schiefgelaufen ist. Das haben wir in den Untersuchungsausschüssen gesehen, und wir sehen es jetzt bei den NSU-Prozessen. Wenn alles so gut gelaufen wäre, wäre der NSU nicht so gut zum Zug gekommen.

Sie haben Bamberg als Vorbild hingestellt. Natürlich bin ich froh, dass wir in Bamberg rechtzeitig handeln konnten. Ich höre jedoch schon wieder, es wäre ein Einzelfall, und unter den Rechten gäbe es keine Vernetzung. Hier müssen wir vorsichtig sein; denn genau das wurde schon gesagt, als es um den NSU oder das Oktoberfest-Attentat ging. Hier wurde immer nur die Einzeltäter-Theorie vertreten. - Nein. Wir wissen, dass die Rechten heute besser als jemals zuvor vernetzt sind. Sie tun alles gemeinsam. Deshalb müssen wir diese gemeinsamen Aktionen bekämpfen. Wir dürfen nicht von vornherein sagen: Das waren ein paar Einzeltäter, ein paar Spinner. Damit würden wir es uns zu leicht machen. Das möchte ich deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben in der heutigen Situation einen gewaltigen Unterschied zur Situation in der Weimarer Republik: Weite Teile der Bevölkerung sind gegen Rassismus und gegen Rechtsextremismus eingestellt. Wenn in Wunsiedel und in anderen Orten 100 rechte Dumpfbacken auflaufen, kommen immer zehnmal so viele

Leute, Tausende von Leuten, die dagegen demonstrieren. Diese Menschen kommen aus allen Parteien. Neben dem CSU-Bürgermeister laufen Abgeordnete aus allen Parteien zusammen mit Mitgliedern der Kirchen und Vertretern der Schulen und der Gewerkschaften. Das freut mich, und das ist auch gut so. Ich sage allen, die dort ehrenamtlich tätig sind, und der Zivilgesellschaft, die sich bei diesen Demonstrationen gegen die Rechten wendet: Herzlichen Dank dafür! Das ist gelebtes bürgerliches Engagement.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort an diejenigen richten, die sich an solchen Demonstrationen beteiligen, ob harmlos oder extrem, an die KonservativRechtsgerichteten. Viele dieser Leute schüren unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit Ängste und betreiben Hetze gegen Menschen. Es ist sehr schwer, etwas dagegen zu tun. Wir haben das hohe Recht der Demonstrationsfreiheit und der Meinungsfreiheit. Dieses Recht wird von den Gerichten weit ausgelegt. Wir können häufig nichts dagegen tun.

Ich möchte diesen Leuten jedoch eines sagen: Ihr könnt gegen den Islamismus wettern. Ihr könnt gegen den Krieg und die Kriegsursachen wettern. Ihr könnt gegen Gewalt sein. Ihr könnt auch gegen Terror sein, wie auch immer ihr das formuliert. Aber eines könnt ihr nicht: Ihr könnt nicht gegen die sein, die vor dem Terror fliehen wollen und müssen. Das werden wir ablehnen, ich hoffe, alle Parteien in diesem Haus. Deshalb bitte ich Sie eindringlich, diesem Dringlichkeitsantrag zuzustimmen, vor allem dem ersten Teil dieses Antrags.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Gottstein. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fakten, die diesem Antrag zugrunde liegen, sind unumstritten. In der "Süddeutschen Zeitung" ist zu lesen: BKA warnt in vertraulicher Lagebewertung vor verschärfter Agitation der rechten Szene gegen Asylpolitik. Insgesamt ist festzustellen, dass die rechte Szene auch in Bayern zunehmend gewalttätig ist. Wir haben eine sehr niedrige Aufklärungsquote bei den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Das ist durch Zahlen nachweisbar. Außerdem wird das Thema Asyl inzwischen vermehrt für menschenverachtende Aktivitäten missbraucht. Diese Fakten sind unumstritten. Darauf beruht dieser Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Herr Kollege Reichhart, ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass dieser Antrag um Forderungen zur Bekämpfung linksextremer Aktivitäten oder zur Bekämpfung des religiös motivierten Extremismus erweitert werden könnte oder müsste. Sie können aber doch nicht sagen, dass die Forderungen dieses Antrags schlecht seien, nur weil eine Seite nicht erwähnt wurde.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Dann bringen Sie doch einen Antrag zur Bekämpfung anderer Formen des Extremismus‘ ein. Dann werden wir diesem Antrag auch zustimmen. Die Forderungen dieses Antrags sind doch nicht per se schlecht, weil sie sich nur auf eine Form des Extremismus‘ beziehen.