Protokoll der Sitzung vom 28.10.2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gab keinerlei Verfahren zu diesen vielen Demonstrationen. Daran war ich durchaus beteiligt. Wir werden auch dieses Gespräch, das morgen in Attaching stattfinden soll, in einer freundlichen Atmosphäre gestalten: mit einem bayerischen Empfang, so wie sich das gehört, und mit Blasmusik. Danach werden wir mit dem Ministerpräsidenten reden und ihm die Belange der am stärksten betroffenen Bevölkerung in Attaching, aber auch in Freising, nahebringen. Die betroffenen Leute dort draußen stehen wirklich hinter dieser Sache. Ihnen geht es morgen darum – deshalb bin ich sehr dankbar, dass der Antrag zurückgezogen worden ist -, ihre Situation darstellen zu können. Sie haben sich in stundenlangen Gesprächen auf diesen Termin vorbereitet. Das weiß ich. Deshalb wird das morgen ein sehr guter und offener Dialog. Davon gehe ich persönlich aus. Ich glaube, auch Sie, Herr Ministerpräsident, gehen davon aus.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Magerl. – Damit ist der Gegenstand erledigt.

Bevor ich den nächsten Punkt aufrufe, darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmungen bekannt geben, zunächst zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Dr. Förster, Pfaffmann und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Koordination. Kooperation. Keine Konfrontation: Durch direkte Zusammenarbeit zwischen Bayern und Österreich krisenhafte Flüchtlingssituation an gemeinsamer Grenze entschärfen", Drucksache 17/8681. Mit Ja haben 61 gestimmt, mit Nein haben 88 gestimmt. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich gebe nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den geänderten Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Aiwanger, Streibl, Professor Dr. Bauer und anderer und Fraktion (FREIE WÄHLER) betreffend "Sicherstellung der Einbindung Bayerns bei Umsetzung der Beschlüsse des EU-Sondertreffens vom 25. Oktober 2015", Drucksache 17/8694, bekannt. Mit Ja haben 126 gestimmt, mit Nein hat keiner gestimmt. Stimmenthaltungen gab es 14. Damit ist der Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Katharina Schulze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rechtsextremismus und Rassismus entschieden entgegentreten! (Drs. 17/8683)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Schulze von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist ernst. Täglich brennen Flüchtlingsunterkünfte, wöchentlich marschieren Rassisten und Neonazis auf Bayerns Straßen. In Köln wird die Politikerin Henriette Reker niedergestochen, und auch in Bayern nimmt die Zahl der Verletzten durch rechte Gewalt massiv zu. Ohne Zweifel erleben wir in Deutschland und Bayern ein Erstarken rechter Gewalt und von Rechtsterrorismus.

Mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag wollen wir GRÜNE aus dem Bayerischen Landtag heraus ein deutliches Signal an alle Hetzer, Rassisten und Neonazis aussenden: Ihr seid in Bayern nicht willkommen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir als Bayerischer Landtag stellen uns gemeinsam mit aller Entschiedenheit gegen jede Form und Androhung rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Wir als Bayerischer Landtag sprechen allen Personen, die sich von rechtsextremer oder rassistischer Gewalt bedroht fühlen oder davon bedroht sind, unsere vollste Solidarität aus. Wir verurteilen die rechtsextreme und rassistische Stimmungsmache auf das Schärfste, sei es in den sozialen Netzwerken und Medien oder auf der Straße wie bei den wöchentlichen Pegida-Demonstrationen. Die derzeit verstärkt zu beobachtende islam- und flüchtlingsfeindliche Hetze gefährdet das demokratische Klima und bildet den Nährboden für entsprechende Gewalttaten. Für uns ist klar: Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Einstellungen stellen kurz- und langfristig nicht nur eine Gefahr für die einzelnen explizit bedrohten Personengruppen dar, sondern auch für unsere Demokratie als Ganzes.

Wir GRÜNE positionieren uns nicht nur schon seit Jahren klar und konsequent gegen jegliche Form von Rassismus und Rechtsextremismus, sondern wir stellen auch regelmäßig Forderungen auf, wie wir unsere Demokratie schützen können. Dazu gehört zum einen, dass die bayerischen Sicherheitsbehörden die Bekämpfung des Rechtsextremismus‘ zu ihrer obersten Priorität machen müssen. Dazu gehört eine rasche Prüfung, ob die Neonazi-Organisationen DIE RECHTE und Der III. Weg verboten werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Außerdem brauchen wir natürlich auch dringend einen höheren Ermittlungs- und Fahndungsdruck auf die rechte Szene, damit potenzielle Gewalttäter und ihre Nachahmer abgeschreckt werden.

Neben all diesen sicherheitspolitischen Forderungen, die Sie in unserem Antrag finden, setzen wir auch in anderen Politikbereichen Akzente. Beispielsweise müssen endlich und schnell Bildungs- und Präventionsangebote ausgebaut werden, damit den rassistischen Einstellungen und Gewalttaten langfristig der Nährboden entzogen wird. Wir brauchen endlich eine Überarbeitung des Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus hier in Bayern, und zwar mit der Zivilgesellschaft und mit der Wissenschaft. Das ist mehr als nötig.

(Beifall bei den GRÜNEN – Ministerpräsident Horst Seehofer: Was ist mit der NPD?)

Und wir brauchen natürlich auch eine Förderung für die vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die tagein, tagaus, und das schon jahrelang, für ein tolerantes und ein buntes Bayern kämpfen. Ich möchte an dieser Stelle an all die Kämpferinnen und Kämpfer für Demokratie und Toleranz ein herzliches Dankeschön senden; denn ohne sie sähe es hier manchmal wirklich düsterer aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann mich den Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Dr. Josef Schuster vollumfänglich anschließen:

… den Rechtsextremisten darf es nicht gelingen, die Menschen so sehr einzuschüchtern, dass bürgerschaftliches Engagement dadurch zum Erliegen kommt.

Er betont:

Die Bekämpfung des wachsenden Rechtsextremismus muss jetzt bei Politik und Sicherheitsbehörden oberste Priorität haben.

Und er sagt auch: Wir brauchen mehr Investitionen im Bildungsbereich, damit Werte wie Toleranz und Respekt besser in der Gesellschaft verankert werden. Genau diese Forderung haben wir auch in unserem Dringlichkeitsantrag aufgeführt. Ich weiß von den Kolleginnen und Kollegen der CSU – wir führen die Debatten regelmäßig in den verschiedenen Ausschüssen -, dass es gerade zum Forderungskatalog, wie man rechte Gewalt in Bayern besser bekämpfen kann, unterschiedliche Meinungen gibt. Wir GRÜNE empfinden die aktuelle Situation als viel zu ernst, um

da wieder ein ideologisch geprägtes Geplänkel führen zu wollen.

Deswegen werden wir über diesen Dringlichkeitsantrag in zwei Teilen abstimmen lassen – erst mal über den Abschnitt I, den Entschließungsteil. Hier legen wir als Bayerischer Landtag ein klares Bekenntnis zur Solidarität mit den Betroffenen und gegen Rechtsextremismus und Rassismus ab. Dann wollen wir über den Teil II extra abstimmen lassen. Ich bitte Sie also, dass wir heute gemeinsam aus dem Bayerischen Landtag ein Zeichen senden und dem Rechtsextremismus und dem Rassismus entschieden entgegentreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. - Als Nächster hat Kollege Dr. Reichhart von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Angriff auf die Kölner Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker hat uns alle hier schockiert. Jeder von uns hat kurz geschluckt, innegehalten und wahrscheinlich auch einmal tief durchgeschnauft; denn wir alle können uns die Situation vorstellen. Wir wissen, wie es ist, wenn man am Info-Stand steht, wenn man mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert und sich voll auf sein Gegenüber einlässt. Viele von uns können sich vorstellen, dass so etwas einem selbst auch passieren könnte. Umso mehr hat mich die Stellungnahme des Teams der Oberbürgermeister-Kandidatin auf ihrer Homepage beeindruckt. Dort heißt es:

Das Team von Henriette Reker möchte sich zunächst sehr für die große Anteilnahme bedanken, die der Angriff ausgelöst hat … Der Angriff zeigt erschreckend, wohin Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit führen können … Auch vor diesem Hintergrund freuen wir uns über das große Vertrauen der Wählerinnen und Wähler für Henriette Reker.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Stellungnahme trifft voll zu. Es hat sich um einen Angriff auf die Demokratie gehandelt, auf alle, die in ihrer Freizeit für die Allgemeinheit eintreten, auf alle, die ihre Kraft und ihre Ideen für das Gemeinwohl einsetzen. Deshalb hat sich auch jeder, glaube ich, am Wahlabend gefreut und Genugtuung darüber empfunden, dass diejenige gewonnen hat, der wir es gewünscht haben, dass am Ende nicht, wie es der Bundespräsident ausgedrückt hat, das "Dunkeldeutschland", sondern ein anderes Deutschland gesiegt hat, dass eine Kandidatin, die für Liberalität und Integration geworben hat,

überlebt hat und dass die Freiheit die Angst besiegt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genauso erleichtert waren wir, als wir von unserem bayerischen Innenminister erfahren durften, dass in Bamberg ein rechtsextremer Anschlag verhindert wurde. Dabei ist doch bemerkenswert: Der Anschlag in Bamberg wurde von den gleichen Sicherheitsbehörden verhindert, denen in der Vergangenheit von Mitgliedern dieses Hauses immer wieder vorgeworfen wurde, sie wären auf einem Auge blind - von den gleichen Mitgliedern dieses Hauses, von denen wir uns gebetsmühlenartig seit Jahren immer wieder anhören dürfen, dass es ein gutes und ein schlechtes Engagement gegen politischen Extremismus gibt, und die immer wieder versuchen, den Staat und die Zivilgemeinschaft zu trennen.

Lassen Sie uns doch ehrlich sein: Der Freistaat Bayern geht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen rechtsextremistische Gewalt vor. Er geht mit allen Mitteln gegen die Bamberger Zelle vor. Der Freistaat Bayern schaut nicht zu; er ist nicht auf einem Auge blind; er steht ganz und mit der vollen Härte des Gesetzes gegen den politischen Extremismus. Er zeigt die eindeutige, klare und unverrückbare Linie auf, dass wir bei uns in Bayern Fremdenfeindlichkeit und Terrorismus nie dulden werden.

Aber es gehört auch zur Ehrlichkeit, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Wir dürfen erst gar nicht den Versuch unternehmen, diejenigen, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes kritisch äußern, gleich als Rechtsextremisten darzustellen, und wir dürfen nicht mündige Bürger zu bevormunden versuchen; denn so, liebe Kolleginnen und Kollegen, handeln die, die die Wähler in die Arme der AfD treiben wollen. So handeln die, die Pegida weiteren Zulauf bescheren wollen. Das wollen wir nicht, und deswegen muss auch bei uns gelten: Wer seine Meinung auf dem Boden des Grundgesetzes sagen will, darf dies tun, muss seine Meinung sagen können, und dafür, glaube ich, stehen wir als Bayerischer Landtag.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN gelesen habe, habe ich gedacht: Okay, dass sich der Bayerische Landtag gegen extremistisches Gedankengut ausspricht, ist doch keine Frage. Wir sind hier alle Demokraten; uns allen liegt Fremdenfeindlichkeit komplett fern. Wir alle stehen gegen Rassismus und politisch motivierte Gewalt. Wir alle lehnen Pegida und ihre Ableger ab, und wir verurteilen Terrorismus auf das Schärfste.

Aber wenn man den Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN weiter liest, kommt man doch ein bisschen ins

Grübeln. Warum steht hier eigentlich nichts von religiös motivierter Gewalt, wie wir sie in manchen Flüchtlingsunterkünften erleben? Warum steht hier nichts von ethnisch motivierter Gewalt, wie sie verschiedene Volksgruppen ausüben? Warum steht hier nichts von einem Unterricht in Demokratie, den wir gerade jetzt brauchen, wo Hunderttausende zu uns kommen? Warum wird wieder versucht, Staat und Zivilgesellschaft gegeneinander auszuspielen? Und warum hat man einfach kein Vertrauen in unseren Rechtsstaat, obwohl doch das Beispiel Bamberg gerade gezeigt hat, dass es funktioniert und dass unser Staat alles Menschenmögliche unternimmt, um alle Menschen gleichermaßen zu schützen? Und warum wird immer wieder suggeriert, dass unsere Polizei nichts gegen Rechtsextreme tut?

(Thomas Gehring (GRÜNE): Stimmt doch gar nicht! Steht doch gar nicht drin!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es Ihnen nicht passt, wie wir als Freistaat Bayern gegen den Extremismus vorgehen, dann leben Sie in einer anderen Welt. Dass die Justiz in Bayern gerade auf dem rechten und dem linken Auge nicht blind ist, dass wir eben keinen Unterschied zwischen rechten, linken oder terroristischen Bombenlegern machen, dass bei uns eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglichem Extremismus herrscht, ist klar deutlich. Dadurch unterscheiden wir uns von vielen anderen Bundesländern, beispielsweise Hamburg. Wir zeigen: Bei uns hat Extremismus in der gesamten Bandbreite von rechts über islamistisch bis links keinen Platz, und dafür stehen und kämpfen wir hier gemeinsam.

Aber dass die Gefahr rechtsextremistischer Anschläge besteht und vielleicht auch wächst, ist unbestreitbar. Aber ebenso unbestreitbar ist, dass bei uns in Bayern Recht und Ordnung in der aktuellen Situation schon jetzt das bestimmende Hauptthema sind. Wir schaffen – dafür bin ich dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten sehr dankbar – 580 neue Stellen bei der Polizei. Extremismus wird in der Justiz mit allem Nachdruck verfolgt. Wir überwachen rechtsextreme Straftäter mit vollem Einsatz und sehr, sehr engmaschig.

Der Freistaat Bayern hat dem NPD-Verbotsverfahren zu Schwung verholfen – anders als der Deutsche Bundestag, der sich nicht anschließen wollte. Der bayerische Verfassungsschutz achtet auf Pegida, achtet auf alle Bewegungen. Wir haben auch im präventiven Bereich mit dem Projekt "Schule ohne Rassismus" einiges geschaffen. Wir schaffen 16 Regionalbeauftragte für die Präventionsarbeit in Schulen. Dort muss die Präventionsarbeit anfangen. Dort müssen wir wirklich etwas tun. Wir haben auch mit der

Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus – BIGE – ein Instrument, das oft verteufelt wird, aber wirklich etwas bringt. Bei uns wird noch vieles mehr getan und geleistet.

Wenn man sich das alles anhört, muss doch eines klar sein: Der Kampf gegen Rechtsextremismus wird in Bayern umfassend und auf allen Ebenen kontinuierlich geführt. Wir alle hier stehen zu diesem Kampf gegen Extremismus, uneingeschränkt und ohne ideologische Scheuklappen.

Der Antrag der GRÜNEN hilft hier nicht weiter. Man versucht einmal mehr, die Demokraten zu entzweien, demokratische Parteien voneinander zu entfernen. Deswegen werden wir nachher den zweiten Teil entschieden ablehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, Ihr Antrag ist pure Heuchelei. Sie haben in Ihrem Wahlprogramm zur Landtagswahl 2013 gefordert, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Nun wollen Sie, dass gerade der Verfassungsschutz die rechtsextremen Parteien überwacht. Jetzt ist er Ihnen wieder recht und gut. Bekennen Sie doch endlich einmal, dass unsere Polizei hervorragende Arbeit macht, dass wir einen guten Verfassungsschutz haben! Dann können wir weiterreden. Bekennen Sie das, dann machen wir das alles. Wir sind stolz darauf, was unsere Beamten leisten. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)