Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Bundeskanzlerin hat in der Tat verstanden, dass wir die Probleme europäisch anpacken und lösen müssen. Auch Ihr Entwicklungshilfeminister Gerd Müller hat das verstanden. Es gibt also doch noch Hoffnung, dass einige in Ihren Reihen der Vernunft nicht ganz abgeneigt sind. Der Unions-Fraktionschef Kauder hat Sie vor Kurzem aufgefordert, Sie sollten endlich verbal abrüsten. Er hat gesagt: Wir sind hier nicht im Kasperletheater, sondern in einer der größten Bewährungsproben unseres Landes. Ich stimme ihm nicht oft zu, aber in diesem Punkt kann ich ihm zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb brauchen wir keine weitere Eskalationsspirale, sondern konstruktive und besonnene Lösungen. Vielleicht sollten Sie sich den Rat einer weiteren Parteifreundin der CDU zu Herzen nehmen: Julia Klöckner hat vor Kurzem gesagt: einfach mal die Klappe halten und arbeiten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Danke schön. – Als nächsten Redner bitte ich Herrn Staatsminister Herrmann zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass sich auch die Fraktion der FREIEN WÄHLER die Erkenntnisse des von der Bayerischen Staatsregierung in Auftrag gegebenen und am 12. Januar der Öffentlichkeit vorgestellten Gutachtens von Professor Dr. Di Fabio zu eigen macht. Eine deutliche Kurskorrektur der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik ist dringend notwendig.

Wenn es nicht gelingt, die Zahl der Flüchtlinge, die bis heute täglich nach Deutschland kommen, zu reduzieren, werden wir auch in diesem Jahr wieder mit einer Million und mehr Flüchtlingen rechnen müssen. Das

stellt die Länder, das stellt vor allen Dingen aber auch unsere Kommunen vor nicht mehr zu bewältigende Herausforderungen. Darin sind sich fast alle Länder der Bundesrepublik Deutschland, der Städtetag, der Landkreistag sowie zahlreiche Oberbürgermeister und Landräte völlig einig.

Die Bemühungen des Bundes, gegenzusteuern, haben bisher noch zu keinem nachhaltigen Erfolg geführt. Recht und Ordnung müssen bei Grenzschutz und Einreise unverzüglich wieder hergestellt werden. Das ist, wie auch das Gutachten zeigt, ein Gebot unserer Verfassung. Auf der Grundlage des von der Staatsregierung bereits im Herbst letzten Jahres in Auftrag gegebenen Gutachtens und angesichts der massiven Belastungen für den Freistaat Bayern hat der Ministerrat vorgestern für den Freistaat Bayern beschlossen, die Bundesregierung konkret aufzufordern, die dringend notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung des Flüchtlingsstroms unverzüglich zu ergreifen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

In einem Schreiben des Ministerpräsidenten wurden der Bundeskanzlerin vor allem vier zentrale Forderungen förmlich unterbreitet:

Erstens. Auf europäischer Ebene ist alles zu unternehmen, um die wirksame Sicherung von EU-Außengrenzen sowie eine effektive und faire Verteilung von Flüchtlingen durchzusetzen. Herr Kollege Rinderspacher, das ist, wohlgemerkt, der erste Punkt.

Zweitens. Bis zu einer europäischen Lösung sind umgehend effektive eigene Grenzkontrollen durchzuführen, die vor allem eine vollständige Registrierung der einreisenden Flüchtlinge an allen Grenzübergängen sicherstellen.

Drittens. Es ist möglichst umgehend eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen von jährlich 200.000 Personen, bezogen auf Deutschland, festzulegen.

Viertens. Schließlich ist die im Grundgesetz verankerte Drittstaatenregelung anzuwenden, nach der alle aus sicheren Drittstaaten wie Österreich illegal Einreisenden noch an der Grenze zurückzuweisen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betone noch einmal: Unserem Forderungskatalog steht voran, dass der Schutz der EU-Außengrenzen wieder herzustellen ist. Lieber Herr Kollege Rinderspacher, wir fordern nichts anderes, als dass das geltende Recht der Europäischen Union, niedergelegt in der Schengen-Verordnung und der Dublin-Verordnung, vollumfänglich angewandt wird.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, nach Agenturmeldungen hat der griechische Migrationsminister vorgestern oder vorvorgestern erklärt, die griechischen Grenzen könnten überhaupt nicht richtig geschützt werden. Ich möchte das fachlich gar nicht näher bewerten, aber ein Land, das von sich sagt, es könne seine Grenzen nicht schützen, hat im Schengen-Raum nichts verloren.

(Beifall bei der CSU)

Kein Land wurde gezwungen, dem Schengen-Raum beizutreten. Wenn ein Land jedoch unterschreibt, dass es dem Schengen-Raum angehören will, dann unterschreibt es damit, dass es einen effektiven Schutz der Außengrenzen garantiert. So ist das festgelegt. Es kann nicht angehen, dass jedes Land im Schengen-Raum dabei sein will und hinterher ein Land erklärt, dass es gar nicht in der Lage sei, seine Grenzen zu schützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so können wir mit der Sicherheit Europas nicht umgehen.

(Beifall bei der CSU – Natascha Kohnen (SPD): Wir sind mittendrin, da können wir schön die Verantwortung abgeben!)

- Ja, Frau Kollegin. Wir waren auch einmal ein Außengrenzland. Wir haben damals unsere Außengrenze ordentlich geschützt. Dann sind Österreich, Tschechien und andere Staaten beigetreten. Herr Kollege Rinderspacher, im Übrigen redet überhaupt niemand von der tschechischen Außengrenze. Dort gibt es nämlich überhaupt keine Probleme. Die Tschechen schützen ihre Grenze ordentlich. Niemand behauptet, dass an der tschechischen Grenze der Schutz verstärkt werden müsste.

Die entscheidende Schengen-Außengrenze ist die slowenische Außengrenze, weil aus dieser Richtung die allermeisten Flüchtlinge kommen. Nachdem Ungarn für einen ordentlichen Schutz seiner Außengrenze sorgt, bin ich sehr dafür, dass wir gemeinsam alles dafür tun, um für lückenlose Kontrollen und für eine 100-prozentige Registrierung zu sorgen. Wenn das realisiert ist, sind wir die Ersten, die das nachdrücklich begrüßen. Das ist gar keine Frage.

Unser Forderungskatalog besagt nur: Wenn es in allernächster Zeit nicht sichergestellt werden kann, dass die Schengen-Außengrenzen ordentlich geschützt werden, dann müssen wir unsere eigenen Grenzen schützen. Lieber Herr Kollege Rinderspacher, wir fordern schon seit Monaten, dass mehr Bundespolizei an die bayerische Südgrenze gebracht werden muss.

(Markus Rinderspacher (SPD): Da sind wir uns einig!)

Der Bundesinnenminister hat die Bundespolizei an dieser Grenze ein Stück weit verstärkt, aber das reicht ganz offensichtlich noch nicht.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Rinderspacher, Sie sprechen hier immer wieder vom Klima und fragen, wer das Klima vergifte. Sie suggerieren mit Bezug auf irgendwelche Pressemeldungen, dass bei einer Sicherung der Grenzen Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt werden müssten. Lieber Herr Kollege Rinderspacher, ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das ist grober Unfug!

(Beifall bei der CSU – Markus Rinderspacher (SPD): In Ungarn ist es so!)

Ich bin jetzt seit über acht Jahren Innenminister. Nennen Sie mir einen einzigen Fall in diesen acht Jahren, bei dem von der bayerischen Polizei Wasserwerfer oder Tränengas eingesetzt worden wären, nur einen einzigen. Lieber Herr Kollege Rinderspacher, wir haben diese Instrumente in der Reserve, falls irgendwo eine Situation auftreten sollte, wo wir sie brauchen. Ich erkläre ausdrücklich: Wir sind so gut aufgestellt, dass wir zumindest in den acht Jahren, in denen ich Innenminister bin, noch kein einziges Mal Wasserwerfer oder Tränengas gebraucht haben. Deshalb vergiften Sie das Klima, wenn Sie im Zusammenhang mit Grenzkontrollen solche Behauptungen in den Raum stellen.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Kollege Rinderspacher, die Wahrheit lautet, dass der geschätzte Vizekanzler Gabriel, Herr Fraktionsvorsitzender Oppermann und viele andere bei jeder Gelegenheit erklären, dass sie selbstverständlich energisch dafür seien, dass in diesem Jahr nicht noch einmal eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommt. Sie erklären energisch, dass sie dafür sind, dass es weniger Flüchtlinge werden. Von der SPD ist jedoch kein einziger konkreter Vorschlag zu hören, was sie dafür tun will, damit dieses Ziel erreicht wird.

(Beifall bei der CSU)

Ich denke an die heutige Auseinandersetzung in der Koalition in Berlin. Die einzige Forderung, die die SPD eingebracht hat, ist die, dass mehr Familiennachzug erfolgt, als am 5. November von den Parteivorsitzenden vereinbart worden ist. Herr Kollege Rinderspacher, wie Sie durch mehr Familiennachzug die Zahl

der Flüchtlinge, die in unser Land kommen, reduzieren wollen, das hat mir noch keiner erklären können.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage ausdrücklich, dass wir die Bemühungen der Bundesregierung, eine europäische Lösung zu finden, anerkennen. Aber die Situation hat sich so zugespitzt, dass wir nicht länger zuwarten und allein auf die europäische Lösung hoffen können. Das bringt die Kollegin Julia Klöckner in ihrem Papier, das sie am vergangenen Wochenende veröffentlicht hat, ausdrücklich zum Ausdruck. Europäisches Konzept ja; es ist gut und richtig. Aber es wird wahrscheinlich allein nicht reichen. Deshalb brauchen wir darüber hinaus nationale Maßnahmen, und deshalb müssen wir in Deutschland selbst handeln. Genau darum geht es.

Ich darf darauf hinweisen, dass sogar der Bundespräsident vor einer Woche in seiner Rede in Davos ausdrücklich erklärt hat, dass auch nach seiner Auffassung Deutschland weder moralisch noch rechtlich verpflichtet ist, unbegrenzt viele Flüchtlinge in unser Land zu lassen. Weder der Bundespräsident noch wir wollen das Grundgesetz mit dem Asylartikel in irgendeiner Weise ändern. Wir brauchen überhaupt keine Rechtsänderungen. Alles, was wir fordern, ist mit geltendem EU-Recht und geltendem deutschen Recht zu vollziehen und umzusetzen, nicht mehr und nicht weniger. Das ist unsere Position.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben in der Tat gegenüber dem Bund deutlich gemacht, dass wir uns, falls diese notwendigen und nach der Gesetzeslage nicht nur zulässigen, sondern auch gebotenen Maßnahmen nicht unverzüglich ergriffen werden, ausdrücklich eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Vor einer Entscheidung über die Klageerhebung werden wir aber, Herr Kollege Aiwanger, die Reaktion der Bundesregierung auf die von uns konkret unterbreiteten Forderungen abwarten. Wir haben unser Ringen um eine politische Lösung, die natürlich Vorrang haben soll, noch nicht aufgegeben; denn wir sind uns mit der Bundesregierung über das Ziel der deutlichen und nachhaltigen Begrenzung einig. Aber wir sind der festen Überzeugung, dass nicht erneut noch viele Monate ins Land gehen dürfen, sondern dass wir jetzt sehr schnell handeln müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich heute in Europa umsieht, erkennt die Lage –, da verschließen Sie, Frau Kollegin Bause, offensichtlich die Augen, oder Sie ignorieren es einfach –: Ich nenne die Beschlüsse der schwedischen Regierung mit voller Unterstützung des schwedischen Parlaments. Ich nenne die Entscheidungen in Dänemark, die Entscheidung

der Großen Koalition mit einem SPÖ-Bundeskanzler in Österreich, wo kürzlich eine Obergrenze beschlossen wurde.

Wenn ich die SPD und die GRÜNEN so anhöre, ist das alles untauglich bzw. moralisch nicht gerechtfertigt, was auch immer. Aber wir haben doch die Realität in Europa zu sehen. Die Regierungen dieser Länder versuchen, der Verantwortung für ihre Länder und ihre Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Wir setzen Europa nicht aufs Spiel. Es ist richtig, dass sich Europa um mehr Entwicklungshilfe in Afrika kümmert oder auch um Hilfe für Flüchtlingslager im Nahen Osten. Das ist überhaupt nicht die Frage. Offenkundig ist aber auch Folgendes: Wer sagt, wir wollen eine europäische Lösung, darf nicht ignorieren, dass nahezu alle anderen europäischen Länder, und zwar die jeweiligen Regierungen in Übereinstimmung mit der Mehrheitsmeinung ihrer Bevölkerung, sagen, dass sie nicht Tausende von Flüchtlingen aufnehmen werden.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Es ist heute doch Realität, dass die Bundesrepublik Deutschland nahezu allein steht mit der Forderung, dass alle europäischen Länder – egal wer – mehr Flüchtlinge aufnehmen sollen, nur damit weniger nach Deutschland kommen. Das allein wird als europäische Lösung offensichtlich nicht funktionieren; denn die Menschen in den anderen europäischen Ländern wollen das nicht und ihre Regierungen auch nicht. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen oder weiterhin illusionär der Hoffnung hinterherhinken, dass sich allein daraus die Lösung in den nächsten Monaten ergeben wird. Eine solche Lösung wird nicht kommen.

(Beifall bei der CSU)

Das sehen inzwischen auch unsere Nachbarländer, und es sehen auch die Länder auf dem Balkan. Überall spricht man von der Notwendigkeit, stärker zu kontrollieren. Ich kann Ihnen versprechen, meine Damen und Herren, dass sich die Staatsregierung weiterhin mit Nachdruck für eine Begrenzung des massenhaften unkontrollierten Zustroms von Flüchtlingen und für die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände an unseren Grenzen einsetzen wird. Ich bitte das Hohe Haus um Unterstützung auf diesem Weg.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Herr Minister, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Wir haben noch eine Zwischenbemerkung der Kollegin Kamm.

Herr Innenminister, Sie beklagen, dass es Ihrer Meinung nach zu keiner europäischen Lösung kommen kann. Ich habe in den letz