Sie reden von Abschottung. Wie bewerten Sie das Verhalten und die Reaktion der sozialdemokratisch geführten schwedischen Regierung, die gestern oder heute beschlossen hat, 80.000 Asylbewerber auszuweisen? - Das ist die Hälfte der Asylbewerber, die derzeit im Land sind. Wie bewerten Sie das Verhalten der sozialdemokratischen Regierungen von Österreich oder von Tschechien, die die Grenzen dicht machen? Ist das auch Rechtspopulismus? Wie sehen Sie das? – Eine konkrete Antwort bitte.
Eine konkrete Antwort sollen Sie bekommen, Herr Steiner. Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat sich klar davon distanziert, dass es Demonstrationen und Unterschriftensammlungen zulasten von Flüchtlingen in Essen geben soll. Hannelore Kraft und auch verschiedene andere Politiker haben das klargemacht. Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, das hier noch einmal zu bekräftigen.
Zweitens. Sie sagen, dass Grenzkontrollen notwendig sind. Das sagen auch wir. Aber Sie vermitteln den Eindruck, dass Sie die bayerische Außengrenze hermetisch abriegeln können oder wollen – selbstverständlich, anders ergibt es keinen Sinn. Sonst würden auch Ihre Klageandrohung, Ihr Brief, Ihr Gutachten überhaupt keinen Sinn ergeben. Sie vermitteln den Eindruck, als hätten Sie eine Lösung, wenn Sie von Obergrenzen sprechen. Noch immer haben Sie keine Antwort darauf gegeben, was Sie mit dem 200.001. Flüchtling machen, der nachts um halb zwei an einer bayerischen Außengrenze mit zwei Kindern
auf dem Arm ankommt und dessen syrische Frau zuhause im Bombenhagel gestorben ist. Was machen Sie mit diesem 200.001. Asylbewerber in Bayern?
(Josef Zellmeier (CSU): Was macht denn Schweden, was macht Österreich? – Zuruf des Abgeordneten Oliver Jörg (CSU) – Weitere Zurufe von der CSU)
Endet das Asylrecht für die CSU im April oder im Mai? Ist es jahreszeitenabhängig? – Wir sagen: Nein, das ist keine Lösung; das sind Scheinlösungen, das ist Symbolpolitik. Damit ist niemandem geholfen; damit kriegt man vielleicht für ein 20-Sekunden-Fernsehstatement mal einen schnellen Applaus.
In einem sind wir uns einig: Wir müssen tatsächlich dafür Sorge tragen, dass sich die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, vermindert, verringert, reduziert, damit Integration gelingt. Darüber wollen wir reden.
Darüber, dass das eine schwierige Aufgabe ist, sind wir uns hoffentlich alle einig, wenn wir eine ernsthafte Debatte führen. Sie hingegen fallen der Bundeskanzlerin in den Rücken, die wie keine andere Politikerin in unserem Land jetzt die Aufgabe hat, das zu leisten, was notwendig ist,
nämlich europäische Solidarität zu organisieren. Ich sage immer: Die Kanzlerin wäre gut beraten gewesen, wenn sie nicht zweimal ergebnislos in Kreuth gewesen wäre, sondern ein Ergebnis in Prag, in Warschau, in Lissabon, in Madrid oder in Kopenhagen herbeigeführt hätte. Damit wäre uns mehr geholfen gewesen. Da sollten wir zusammenarbeiten.
Herr Rinderspacher, Sie haben auch nur dargestellt, was alles nicht ginge und wie schlimm es enden würde, wenn man die Maßnahmen an den Grenzen verstärken würde. Unser Vorschlag war, zumindest das Personal zu verstärken. Ich will jetzt gar nicht bis zur besseren Zusammenarbeit mit Österreich ausholen. Wir hatten in Laufen an der Grenze unsere Klausur. Die Österreicher bieten der Bundesrepublik sogar an, in enger Absprache einen gewissen Teil unberechtigter Asylbewerber zurückzunehmen. Da ist also Luft im System.
Da heißt es nicht: 3.000 rein oder raus, sondern Österreich sagt: Wir wären bereit, davon ein paar Hundert zurückzunehmen. – Da muss man anknüpfen und auf das Mögliche setzen.
Aber meine konkrete Frage an Sie betrifft dies: Ich habe durchaus den Eindruck, dass sich die SPD im Landtag mittlerweile in einen Elfenbeinturm hineindiskutiert hat und ausblendet, was ihre Kommunalpolitiker zuhause sagen, die den Hilferuf des Landrats Dreier aus Landshut unterstützt haben, um der Frau Merkel ein Zeichen zu setzen. Dieser Hilferuf wurde auch von den SPD-Bürgermeistern im Landkreis Landshut unterstützt. Sie haben sich einstimmig hinter den Landrat gestellt. Der Landrat aus Dingolfing, Herr Trapp, SPD, sagte: So geht es in der Flüchtlingspolitik nicht weiter. - Die Kommunalpolitiker der SPD fordern ebenfalls eine Kurskorrektur ein. Wenn Sie sagen, das seien alles Populisten, dann machen Sie es sich damit zu einfach.
Herr Kollege Aiwanger, mit Ihrer Einlassung bestätigten Sie meinen Vorhalt, nämlich dass Sie lautstark auftreten, Obergrenzen und dichte Grenzen fordern.
Was ist denn Ihr Antrag? Sie fordern eine Klage des Freistaats Bayern gegen die Bundesrepublik, damit die Grenzen gesichert werden. Einen härteren Antrag kann man nicht stellen. Auf Nachfrage sagen Sie, es ginge Ihnen nur darum, dass das Personal ein bisschen aufgestockt wird, damit wir mehr Polizisten haben. Darüber sind wir uns hier im Hohen Haus doch einig. Wir brauchen mehr Bundespolizei an der bayerischen Außengrenze.
Aber es ist etwas anderes, eine solche seriöse, solide Forderung zu stellen, als die Menschen mit harten Parolen und Populismus auf die Bäume zu treiben. Wenn man dann nachfragt, kommt von Ihnen nichts.
Deshalb braucht es politische Kräfte. Dazu fordere ich Sie auf. Sie sind als FREIE WÄHLER einmal mit der Aussage gestartet, mit Maß eine Politik der Mitte zu betreiben, statt mit Populismus die CSU rechtsaußen zu überholen.
politik durch die rosarote Brille. Wir kennen die Probleme genauso wie Sie, Herr Aiwanger. Aber die Art und Weise, mit Bussen durchs Land zu ziehen, Pressekonferenzen zu geben, Flüchtlingen eine Schachtel Mandarinen zu reichen – das ist unter aller Kanone!
Das muss Ihnen klar werden. Das kann nicht der politische Stil sein, in dem wir in diesem Land miteinander umgehen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine bizarre Situation. Da werfen die einen Vereinfacher den anderen Vereinfachern Vereinfachung vor, versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Und die Einzigen, die davon profitieren, sind die Leute von der AfD.
Es ist bizarr: Die CSU droht der eigenen Regierungschefin mit einer Verfassungsklage. Sie droht der Regierung, der sie selber angehört, mit einer Klage. Sie drohen mit einer Verfassungsklage gegen sich selber.
Angeblich - so habe ich gelesen - klagt ja nur die CSU-Regierung in Bayern, nicht die CSU als Teil der Regierung in Berlin. Ich muss Ihnen sagen: Das kann ich mir politisch nicht mehr erklären, sondern nur mehr pathologisch. Man nennt das Bewusstseinsspaltung.
Was bezwecken Sie mit Ihren Dauerattacken, mit Ihren Drohungen, mit Ihren sich überschlagenden Scharfmacherparolen? Was bezwecken Sie mit Ihrer sich dauernd schneller drehenden Eskalationsspirale?
Was bleibt Ihnen denn noch, wenn alle Brandbriefe geschrieben sind, wenn die Verfassungsklage eingereicht ist und letztlich scheitern wird? Was Ihnen dann noch bleibt, ist der Austritt aus der Bundesregierung, ist der Bruch der Koalition. Mit dieser Drohung machen Sie mächtig Eindruck.
Auch Ihnen müsste schon aufgefallen sein: Es braucht Sie nicht für die Regierungsmehrheit in Berlin. Das ist Ihr eigentliches Problem. Sie sind verzichtbar für die Regierungsmehrheit in Berlin. Davor haben Sie Panik. Das ist das eigentliche Problem.
Je mehr Sie sich aufmandeln, desto mehr demonstrieren Sie Ihre Schwäche. Die ganze Farce mit Ihrer angekündigten Klage zeigt nichts anderes als Ihre Hilflosigkeit.
In der Sache bewirken Sie nichts. Das haben Sie offen zugegeben. Die Bundeskanzlerin muss Ihre Klage nicht wirklich fürchten. Jedoch haben Ihre Äußerungen, hat Ihr Dauerstakkato, hat Ihr kopfloser, panischer Aktionismus eine Wirkung. Sie bewirken, dass die schon bestehende Verunsicherung in der Bevölkerung nochmals steigt. Die Leute wissen wirklich nicht mehr, woran sie sind. Da ist das Gerede von Notstand, von Notwehrmaßnahmen. Das bewirkt, dass die Menschen fragen: Was kommt denn da noch alles? Woran können wir uns noch festhalten? Davon profitieren dann genau die, die Sie angeblich kleinhalten wollen.
Herr ZeIlmeier, hören Sie zu. Ich sage Ihnen: Wer den rechten Mob füttert, bewirkt, dass er wächst, und nicht, dass er schrumpft.
Sie sollten nicht weiter permanent Angstpolitik betreiben, sondern die Werte unseres Grundgesetzes besonnen verteidigen.
Glauben Sie denn wirklich, dass wir einfach mal so unsere Grenzen schließen können, und dann wäre alles wieder gut? Ist Ihnen schon aufgefallen, dass wir im 21. Jahrhundert leben? Wir leben in einer globalen, vernetzten Welt. Von dieser profitieren wir übrigens alle, und die Wirtschaft profitiert davon. Sie sagen doch immer, wie wichtig es ist, die Wirtschaft zu unterstützen. In dieser globalen, vernetzten Welt können wir nicht einfach mal den Schalter umdrehen und die Grenzen dichtmachen. Davon würde nämlich der allergrößte Schaden ausgehen.
Wollen Sie denn wirklich diesen Überbietungswettbewerb der verschiedenen Länder in Ihrem Sankt-Florians-Prinzip? Nach der Methode: Wir machen die Grenzen dicht. Dann müssen aber auch die Nächsten die Grenzen dichtmachen, auch die Übernächsten müssen die Grenzen dichtmachen. Dies endet dann am Mittelmeer. Wollen Sie denn, dass die Flüchtlinge dort stranden oder am rettenden Ufer möglicherweise gar nicht erst ankommen? Wollen Sie, dass Hunderttausende von Menschen in den europäischen Ländern hin- und hergeschoben werden? – Das ist keine konstruktive Politik, auch keine menschliche Politik.
Ihr Spiel ist auch deswegen so gefährlich, weil Sie damit letztendlich Europa aufs Spiel setzen. Was wir jetzt brauchen, ist nicht die Flucht vor der europäischen Verantwortung. Was wir jetzt brauchen, ist mehr europäische Verantwortung. Herr Rinderspacher hat das gesagt. Es geht um mehr europäische Solidarität statt um das Dichtmachen von Grenzen. Wenn jeder danach schaut, dass er möglichst wenig Flüchtlinge aufnehmen muss, dann ist das ein Versagen unserer Verantwortung und der europäischen Verantwortung.