Zweitens, der Abruf von Vorratsdaten. Der Verfassungsschutz soll jetzt auch Zugriff auf gespeicherte Vorratsdaten bekommen. Schon ein Blick in das Telekommunikationsgesetz zeigt, dass die Verfassungsschutzämter nicht zu denen zählen, die dies tun dürfen. Im TKG wird in § 113 Absatz 1 klar aufgelistet: Nummer 2: die Gefahrenabwehrbehörden; Nummer 3: das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz. Die Verfassungsschutzämter sind sicherlich auch Gefahrenabwehrbehörden; aber sie sind in der vorgenannten Nummer 3 des Absatzes 1 extra klar positioniert. Deswegen kann ich nur sagen: Das geht nicht. Das entspricht auch nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Drittens, der Einsatz von verdeckten Mitarbeitern und Vertrauensleuten. Da steht einfach, dass diese Straftaten begehen können, ohne dass diese Möglichkeit irgendwie eingegrenzt wird. Da heißt es lapidar, sie dürfen Straftaten begehen. Das ist ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot nach Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das geht nicht. Wir können nicht einfach die Tür für V-Leute und verdeckte Mitarbeiter dahin gehend öffnen, dass diese grenzenlos Straftaten begehen können.
Der vierte Punkt betrifft die Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle. Eigentlich müssten das Parlamentarische Kontrollgremium und die G-10-Kommission aufschreien. Das PKG wird nicht mehr ständig unterrichtet. Zum Beispiel über das Abhören von nicht öffentlich gesprochenen Worten außerhalb von Wohnungen muss nicht mehr berichtet werden. Das geht nicht.
Fünftens werden die technischen Mittel bei der Wohnraumüberwachung nicht konkretisiert. Dafür wird aber der Straftatenkatalog ausgeweitet. Entgegen dem früheren Gesetz wird allgemein auf § 100 c der Strafprozessordnung Bezug genommen. Damit erfolgt eine unglaubliche Ausweitung der Straftaten.
Ich verweise noch auf die Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten. Das sind 34 Seiten mit sehr großen Bedenken. Ich habe nur einige Punkte aufgeführt. Dieser Gesetzentwurf muss sehr kritisch gelesen und geprüft werden. Deswegen schlagen wir vor, dass eine Sachverständigenanhörung erfolgen soll. Die Sachverständigenanhörung sollte federführend vom Innenausschuss zusammen mit dem Ausschuss für
Verfassung, Recht und Parlamentsfragen unter Beiziehung aller Mitglieder des PKG und der G-10-Kommission durchgeführt werden. Dieses Gesetz ist so grundlegend, dass wir im Zeichen der Transparenz öffentlich darüber diskutieren müssen. Deswegen brauchen wir die Sachverständigenanhörung. Das halte ich für unbedingt notwendig.
Sollten wir uns nicht einigen können, kündige ich jetzt schon an, dass wir im Innenausschuss eine Minderheitenanhörung beantragen werden. Im Sinne der Transparenz halte ich es aber für notwendig, dass wir diese Sachverständigenanhörung gemeinsam durchführen.
Ich fordere die Kollegen, die Rechtsanwälte sind und auf der rechten Seite sitzen, auf, uns dabei zu unterstützen.
Lassen Sie mich abschließen. Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben die ganze Zeit nicht zugehört. Das tut mir wirklich leid. Ich darf zusammenfassen, was ich gesagt habe.
Herr Minister, ich bin nicht dafür bekannt, die Arbeit der Sicherheitsorgane zu behindern. Ich weiß, dass Sicherheit ihren Preis hat. Aber was nicht geht, ist Sicherheit um jeden Preis. In dem Sinne sollten wir diesen Gesetzentwurf ganz akribisch prüfen und über ihn diskutieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Lieber Kollege Gantzer, Sie erwarten vom Minister, dass er zuhört. Bitte hören Sie jetzt auch uns zu, wenn wir unsere Argumente vorbringen. Ich verstehe Ihre Position jetzt überhaupt nicht mehr. Die Situation ist nicht neu. Als Grundlage liegen uns ein Bundesgesetz und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor. Das haben wir alles auf den Weg gebracht. Dazu bedarf es keiner Anhörung mehr. Neue Argumente sind von Ihnen leider nicht mehr genannt worden. Mit der Wiederholung oder Zusammenfassung von Argumenten wird nichts verbessert.
Mit diesem Gesetzentwurf wird zunächst einmal die Zusammenarbeit zwischen dem Nachrichtendienst und der Polizei auf einen neuen Stand gebracht. Das Gesetz von 1990 – der Herr Minister hat es vorhin erklärt – hat sich inzwischen teilweise überlebt. Verfassungsschutz – das ist unser Problem – muss aber präventiv arbeiten. Das ist nicht einfach. Wir brauchen – da sind wir alle einer Meinung – eine Reglementierung, die klar und deutlich ist.
Die NSU-Erfahrungen – ich möchte das ganz wertfrei formulieren – sind wichtige Zeichen für uns. Sie haben gezeigt, dass Handlungsbedarf für eine Regelung besteht. An dieser Stelle ist eine engere Zusammenarbeit notwendig. Das sollten wir über das ganze Hohe Haus anerkennen.
Grundlage für das bayerische Gesetz – das sage ich ausdrücklich – ist sowohl das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem das Trennungsprinzip mit Grenzziehungen klar und deutlich dargestellt worden ist, als auch das daraus resultierende Bundesgesetz vom November 2015, mit dem die Frage nach V-Leuten und verdeckten Ermittlern recht eindeutig geklärt worden ist. Diese Klarstellung war nötig. Sie hilft den Diensten, ihre Arbeit auf dem richtigen Weg zu erledigen.
Die Anregungen der Untersuchungsausschüsse – das muss man auch deutlich sagen – sind durchaus wichtig gewesen. Das gilt auch für unsere Untersuchungsausschüsse. Die Untersuchungsausschüsse, das Gesetz des Bundes und die Anregungen der Ausschüsse haben dazu beigetragen, dass wir jetzt eine Lösung haben. Ich bin sehr froh darüber, dass wir den Zugriff auf gespeicherte Verkehrsdaten jetzt klar und deutlich normieren. Die Verlängerung der Speicherfrist auf sechs Monate ist von fast allen politischen Parteien als richtig und wichtig angesehen worden. Ich hoffe, dass damit ein Zeichen für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger gesetzt worden ist. Dafür sind die Dienste da. Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sollte ernst genommen werden. Man sollte nicht nur daherreden.
Der Austausch von Informationen muss geregelt werden. Wie es aussieht, wird er auch gut zu regeln sein. Zwischen dem Verfassungsschutz, der Polizei und der Staatsanwaltschaft muss die Abstimmung im Rahmen des Bundesgesetzes vorgenommen werden. Ich bin an dieser Stelle ganz vorsichtig. Manchmal haben wir den Verdacht gehabt, dass gewisse Eifersüchteleien bestehen, die hier aber nichts zu suchen haben, weil es um die innere Sicherheit, die Sicherheit unserer Bürger geht.
Wir werden diesem Gesetz zustimmen. Ich bitte das Hohe Haus, dieses Gesetz ebenfalls mit auf den Weg zu bringen. Herr Minister, im Übrigen ist der Hinweis auf Baden-Württemberg für mich wichtig; denn gerade dort ist ausdrücklich gesagt worden, dass der Verfassungsschutz gestärkt werden soll. Dazu sage ich: Aus Schaden wird man klug. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich hoffe, dass Sie darauf reagieren und dies ebenfalls unterstützen. Das Gesetz ist nicht für irgendjemanden, sondern für unsere Bürger gemacht. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt der Gesetzentwurf für ein neues Bayerisches Verfassungsschutzgesetz vor. Wir reden von 57 Seiten. Allein der Umfang zeigt, dass in diesen Gesetzentwurf sehr viel hineingepackt worden ist. Wir FREIE WÄHLER sehen bei diesem Gesetzentwurf noch große Fragezeichen. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag von Professor Gantzer, eine Sachverständigenanhörung mit Experten unter Hinzuziehung der verschiedenen betroffenen Organe durchzuführen.
Wir sollten gleich den richtigen Zungenschlag haben. Wenn wir vermehrt solche Anhörungen fordern, hängt das nicht damit zusammen, dass wir alles im Vorfeld ablehnen. Ich verstehe in dieser Zeit die Abwehrhaltung einer Regierungsseite oder einer Mehrheitsfraktion nicht, die sagen: Das brauchen wir nicht. Das stimmt schon alles. Man lernt doch hoffentlich aus den Erfahrungen, die wir beispielsweise mit TTIP und CETA gemacht haben. Der Bürger erwartet Transparenz. Die Verfassung betrifft den Bürger. Der Bürger ist doch kein kleines Kind mehr. Was spricht dagegen, dem Bürger zu sagen, was geändert wird? Das betrifft seine Sicherheit. Die Regelungen werden im besten Wissen und Gewissen für den Bürger verabschiedet. Ich verstehe nicht, warum man nicht alle Möglichkeiten nutzen will, um über eine öffentliche Anhörung mit Experten auch den Bürger mitzunehmen. Wenn wir dies machen würden, hätten wir manche Probleme nicht.
klar. Die Vorratsdatenspeicherung ist zunächst einmal für nicht verfassungskonform erklärt worden, unter anderem vom Europäischen Gerichtshof. Nun versuchen die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung, akzeptable, verfassungskonforme Verhältnisse zu schaffen, die wir sehr wohl unterstützen. Wir sagen aber auch ganz klar: Wir haben aufgrund unserer Vergangenheit eine Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizei, und die sollten wir nicht bedenkenlos aufgeben. Hier müssen wir schon der Historie des deutschen und des bayerischen Volkes Rechnung tragen. Das Trennungsgebot hat Sinn, und an eine eventuelle Aufhebung der Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz muss man sehr vorsichtig herangehen. Die darf man nicht sofort über Bord werfen.
Die andere Frage ist ganz klar die Frage der Berufsgeheimnisträger. Das ist vom Vorredner der SPD schon sehr klar aufgeschlüsselt worden. Es darf keine zwei Klassen geben. Es gibt keine unterschiedlichen Berufsgeheimnisträger. Auch hier geht es um die Bevölkerung. Ich vertraue zwar einem Berufsgeheimnisträger, muss dabei aber verschiedene Stufen akzeptieren. Auch darüber müssen wir sehr intensiv diskutieren; denn dieses Vertrauen muss man respektieren. Es ist eine ganz klare Basis.
Das, was der Bund sagt, akzeptieren Sie in sehr vielen Punkten aber nicht. Dann bringen Sie doch bitte auch hier Ihre eigenen Gedanken ein. Das schadet nie.
Ich weiß nicht, ob man Professor Gantzer in Zukunft zitieren darf. Jedenfalls ist es ein Satz, den man verinnerlichen sollte. Ich zitiere jetzt Professor Gantzer – wen er zitiert hat, weiß ich aber nicht –: "Sicherheit hat ihren Preis. Aber was nicht geht, ist Sicherheit um jeden Preis." Dieser Satz charakterisiert ganz klar die Problematik, die wir haben. Damit sollten wir uns schon noch intensiv beschäftigen, bevor wir dieses Gesetz verabschieden.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU-Staatsregierung liefert mit diesem Gesetzentwurf einen grotesken Gesetzentwurf ab. Herr Herrmann preist diesen Entwurf als Maßnahme gegen den internationalen Terrorismus an. Wenn man sich den Gesetzentwurf aber genauer anschaut, stellt man fest, dass er keinen Mehrgewinn für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Bayern bedeutet. Der Entwurf wird als Reform des Verfassungsschutzes nach der Selbstenttarnung des NSU angepriesen. Die guten Reformen, die in den NSUUntersuchungsausschüssen vorgeschlagen wurden, finden sich in diesem Gesetzentwurf aber nicht wieder.
Man kann also feststellen: Der Gesetzentwurf schränkt die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger erheblich ein; und der Gesetzentwurf ist mit dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vielen Punkten nicht vereinbar.
Lassen Sie mich das an zwei Beispielen festmachen. Nun soll der Verfassungsschutz auch auf Daten aus der Vorratsdatenspeicherung zugreifen können. Das steht in krassem Widerspruch zu den Vorgaben des Bundesgesetzes. Für uns GRÜNE ist klar: Die Vorratsdatenspeicherung war falsch, ist falsch und bleibt falsch.
Die CSU-Staatsregierung münzt jetzt das Landesamt für Verfassungsschutz kurzerhand zur Gefahrenabwehrbehörde um. Mit dieser Auslegung verstoßen Sie aber ganz deutlich gegen das verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Trennung zwischen Polizei und Verfassungsschutz. Herr Herrmann, ich erkläre es Ihnen gerne noch einmal: Die Polizei hat die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Der Verfassungsschutz hingegen hat die Aufgabe der Beobachtung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Wenn Sie das miteinander vermischen, handeln Sie verfassungswidrig.
Jetzt komme ich zum zweiten Punkt, der mich persönlich sehr wütend macht. Jahrelang zieht eine rechtsterroristische Gruppe mordend durch Deutschland, und die Sicherheitsbehörden tappen ewig im Dunklen und ermitteln in die falsche Richtung. Dann enttarnt sich der NSU selbst. Die Wut und das Entsetzen über die eklatanten Mängel bei den Sicherheitsbehörden ist zu Recht groß. In verschiedenen Ländern, auf Bundesebene und auch hier in Bayern gibt es Untersuchungsausschüsse. In diesen Untersuchungsausschüssen wird eine Reihe sinnvoller Veränderungen
Was macht dann die CSU-Staatsregierung? – Sie legt einen Gesetzentwurf vor, mit dem ein Großteil der im Umfeld des NSU tätigen V-Leute, die dort bekanntlich eine sehr unrühmliche Rolle gespielt haben, weiterhin geeignete Kandidaten für die Anwerbung durch den bayerischen Verfassungsschutz sind. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist doch absurd.
Sie räumen in Ihrem Gesetzentwurf den verdeckten Mitarbeitern die Möglichkeit ein, unter bestimmten Umständen auch Straftaten zu begehen. Dazu haben wir GRÜNE eine ganz klare Haltung und Meinung: Wenn verdeckte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden und sie während ihrer Beschäftigung Straftaten begehen, sollten sie grundsätzlich abgeschaltet werden.