Protokoll der Sitzung vom 25.02.2016

Sie räumen in Ihrem Gesetzentwurf den verdeckten Mitarbeitern die Möglichkeit ein, unter bestimmten Umständen auch Straftaten zu begehen. Dazu haben wir GRÜNE eine ganz klare Haltung und Meinung: Wenn verdeckte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden und sie während ihrer Beschäftigung Straftaten begehen, sollten sie grundsätzlich abgeschaltet werden.

Auch bei der Auswahl von V-Leuten sind Sie, die CSU-Regierung, überhaupt nicht zimperlich. Nur verurteilte Mörder und Totschläger sind von der Anwerbung als V-Leute ausgeschlossen. Hat jemand aber einen schweren Raub, eine Erpressung oder eine Vergewaltigung begangen, kann diese Person mit Genehmigung des Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz nach wie vor beschäftigt und bezahlt werden. Das ist wirklich absurd, grotesk und, wie wir aus der Selbstenttarnung des NSU gelernt haben, nicht hinnehmbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns GRÜNEN fehlt in diesem Gesetzentwurf vollkommen – dazu haben Sie gar nichts formuliert – die Dokumentation des V-Leute-Einsatzes oder auch die Führung von V-Leuten. Dazu findet sich in diesem Gesetzentwurf kein Satz.

Ich könnte ewig ausführen, was an diesem Gesetzentwurf noch alles faul ist. Beispiele sind die Regelungen zu Online-Durchsuchungen, das Abhören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen, der Straftatenkatalog bei der akustischen Wohnraumüberwachung sowie die Herabsetzung des Schutzes von Minderjährigen. Alle diese Regelungen sind indiskutabel. Die müssen wir uns noch einmal genauer anschauen. So, wie es in diesem Gesetzentwurf steht, kann man es nicht stehen lassen.

Deswegen fordern wir GRÜNE ebenfalls eine Anhörung zu diesem Gesetzentwurf, bei der die Verbände und die Menschen, die an diesem Thema sehr fundiert arbeiten und sich damit auskennen, zusammen

kommen, sodass wir darüber diskutieren können. Ich empfehle schon einmal allen Kolleginnen und Kollegen die Lektüre der Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten Dr. Thomas Petri, der sehr gut und klar alle eklatanten Mängel dieses Gesetzentwurfs aufgelistet hat. Lieber Herr Herrmann, liebe CSU-Staatsregierung, Sie können sich bei diesem Gesetzentwurf auf massiven Gegenwind gefasst machen. Dieses Gesetz ist in dieser Form nicht tragbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Schulze, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Heike.

Frau Kollegin, ich bin schon sehr überrascht, wenn ich höre, was bei Ihnen alles absurd ist. Absurd ist es für mich, wenn Sie ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts – ich nenne Ihnen auch die Stelle, nämlich BVerfGE 133, Seite 277 ff. – als verfassungswidrig bezeichnen. Dieses Urteil sollten Sie einmal lesen. Es ist absurd, wenn Sie erklären, das Bundesverfassungsgericht handle verfassungswidrig. Sie sollten sich wirklich einmal überlegen, was Sie da loslassen.

(Beifall bei der CSU)

Lieber Herr Heike, vielen Dank für die Zwischenbemerkung. Ich glaube, Sie haben mir nicht richtig zugehört. Ich habe ganz deutlich gesagt, dass dieses Gesetz in vielen Punkten nicht mit dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist. Deswegen fordern wir GRÜNE eine Anhörung. Wir müssen über dieses Thema noch einmal ausführlich im Parlament diskutieren. Gerade Sie als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, dem auch ich angehöre, sollten alarmiert sein, wenn die Kontrollrechte des Parlaments nicht besonders groß aufgeführt sind. Auch da müssen wir noch einmal genauer hinschauen. Und deswegen hoffe ich, dass Sie uns wenigstens zustimmen werden, wenn wir eine gemeinsame Anhörung fordern. Dann können wir uns alle rechtlichen Fragen um die Ohren schmeißen lassen und sie dann tief analysieren. Ich freue mich jedenfalls darauf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martina Fehlner, Natascha Kohnen u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes Reform der Rundfunkaufsicht Sicherung von Vielfalt und Staatsferne (Drs. 17/9989) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Martina Fehlner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf zur Reform der Rundfunkaufsicht reagiert die SPD-Landtagsfraktion auf das ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2014. Dieses grundsätzliche Urteil des Gerichts zur Rundfunkaufsicht in Deutschland im Hinblick auf die gebotene Staatsferne, die Vielfalt und die Transparenz macht es erforderlich, dass auch die Aufsichtsgremien des Bayerischen Rundfunks und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien – BLM – neu bestimmt werden. Das Gericht hat ein deutliches Signal gegeben und klare Grenzen gezogen. Aus denselben Gründen sind deshalb das Bayerische Rundfunkgesetz und das Bayerische Mediengesetz reformbedürftig, genauso wie der ZDF-Staatsvertrag es war.

Die SPD-Landtagsfraktion hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach Initiativen zur Reform der Rundfunkaufsicht gestartet. Das Ziel war stets, fraktionsübergreifende Lösungen zu finden. Die Mehrheitsfraktion zeigte sich daran allerdings nicht interessiert. Der Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion enthält – wie wir meinen – für alle akzeptable Reformvorschläge. Sie orientieren sich an den Leitsätzen des Verfassungsgerichtsurteils, stellenweise gehen sie jedoch darüber hinaus.

Nach Jahrzehnten mit geringen Veränderungen in den Aufsichtsgremien gilt es nun, die gesellschaftliche Repräsentanz zu aktualisieren, sie neu zu justieren und sie zu dynamisieren. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Zusammensetzung der Rundfunkkontrollorgane verbindliche Vorgaben gemacht:

Erstens. Der Anteil seiner staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.

Zweitens. Das Gebot der Vielfaltsicherung verlangt vom Gesetzgeber, Aufsichtsgremien darauf auszurichten, Personen mit möglichst vielen Perspektiven und aus allen Bereichen des Gemeinwesens zu erfassen. Sie sollen vielfältiger als bisher die Gesellschaft und die aktuell in ihr vertretenen Meinungen und Handlungen widerspiegeln.

Drittens. Mitglieder von Regierungen, Parlamentarier, politische Beamte oder Wahlbeamte in Leitungsfunktionen sind von der Bestellung als staatsferne Mitglieder auszuschließen. Es gilt die Inkompatibilitätsregelung.

Viertens. Der Gesetzgeber hat einer Dominanz von Mehrheitsperspektiven sowie einer Versteinerung bei der Zusammensetzung der Rundfunkgremien entgegenzuwirken.

Fünftens. Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen – und dabei neben den großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden, auch untereinander wechselnd kleinere Gruppierungen – Berücksichtigung finden.

Sechstens. Es muss die Geschlechtergerechtigkeit eingelöst werden.

(Beifall bei der SPD)

Siebtens. Die Transparenz muss gefördert werden.

Maßgeblich ist, dass die Aufsichtsgremien unsere Gesellschaft vielseitig und facettenreich widerspiegeln. Im Gesetzentwurf der SPD-Landtagsfraktion bleiben der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks und die BLM spiegelbildlich zusammengesetzt. Das heißt, beide Gremien entsprechen in ihrer Zusammensetzung ganz den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts. Wichtig ist für uns, dass die Staatsferne nicht nur gewahrt bleibt, sondern dass sie sogar noch verstärkt wird. Unser Gesetzentwurf sieht daher eine prozentual verkleinerte Bank für Vertreter der politischen Parteien vor. Wir halten eine Reduzierung von 13 auf nur noch 8 Vertreter für sinnvoll.

(Beifall bei der SPD)

Der Anteil der Politik, sowohl im Rundfunkrat als auch im Medienrat, wird damit von 34 % auf nur noch 20 % gesenkt; das entspricht einem Fünftel. Es fallen vier Mitglieder des Landtags weg und das Mitglied der Staatsregierung. Eine Inkompatibilitätsregelung stellt außerdem sicher, dass staatsferne Entsendeorganisationen keine staatsnahen Mitglieder benennen können. Damit liegt der Anteil im Gesetzentwurf deutlich unterhalb der erlaubten Schwelle von 33 %.

(Beifall bei der SPD)

Im Gegenzug sollen unserer Meinung nach bisher unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen in den Gremien vertreten sein. Die bisherigen Organisationen behalten ihre Mitgliedschaft. Welche Gruppen und Institutionen sollen neu hinzukommen? – Wohlfahrtsverbände, Verbände der Menschen mit Behinderung, Landesfrauenrat, Landesseniorenrat, Ausländerbeiräte, Menschenrechtsorganisationen, muslimische Verbände, queere Lebensformen, Vereinigungen der Konfessionslosen, Verbraucherschutzorganisationen und Film- und Fernsehschaffende. Für uns ist es deshalb gut vertretbar, dass wir die Gremien maßvoll von 47 auf 55 Sitze vergrößern. Neue gesellschaftliche Kräfte, Strömungen und Minderheiten werden so eine echte Chance der Mitwirkung erhalten. Dadurch können die Gremien die tatsächliche Breite der gesellschaftlichen Kräfte repräsentieren. Damit stehen fast 80 % der Mitglieder der Rundfunkaufsicht persönlich in einer hinreichenden Distanz zu staatlich-politischen Entscheidungszusammenhängen. Das heißt, Staatsferne und Vielfaltsicherung sind gesetzlich klar fixiert.

Unser Gesetzentwurf sieht weiterhin die Regelung einer Karenzzeit von 18 Monaten vor. Diese soll den unmittelbaren Wechsel von einem Staats- oder Wahlamt in ein Gremium der Rundfunkaufsicht verhindern. Für zusätzliche Dynamik sollen zwei Gremiensitze auf Vorschlag kleiner gemeinnütziger, kultureller Vereine und Initiativen vergeben werden, die nicht über die gelisteten Organisationen Zugang zum Rundfunkrat und Medienrat haben.

(Volkmar Halbleib (SPD): Guter Vorschlag!)

Besonderen Wert legen wir – wo möglich – auf die paritätische Entsendung von Frauen und Männern in die Gremien. Der Wechsel zwischen Frauen und Männern bei der Entsendung wird zwingend vorgeschrieben. Eine Benachteiligung von Frauen wird es hier nicht mehr geben können.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Schlüsselbegriff, vor allem für die Akzeptanz des öffentlichrechtlichen Rundfunks und natürlich auch seiner Aufsicht, ist Transparenz. Die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen des Rundfunkrates und die Veröffentlichung wesentlicher Dokumente und Entscheidungen sollen zugleich die Voraussetzungen dafür verbessern, die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes stärker als bisher in den Diskurs über die Arbeit von BR und BLM einzubinden. Es ist begrüßenswert, dass BR und BLM hier ihrem Auftrag schon weitgehend nachkommen. In unserem Gesetzentwurf

ist im Hinblick auf die Transparenz das Internet voll berücksichtigt.

Wichtig ist für uns – und hier geht der Gesetzentwurf weit über die Vorgaben des ZDF-Urteils hinaus –, dass wir die Zusammensetzung und die Rechte der Aufsichtsgremien stärken. Damit machen wir sie effektiv unabhängig von der Geschäftsführung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und bringen sie sozusagen auf Augenhöhe. Ziel ist es, dass die Gremien die erforderlichen Befugnisse und die notwendigen Ressourcen erhalten. Dabei geht es um einen eigenen Etat, das Direktionsrecht über die eigenen Mitarbeiter, die verpflichtende Fortbildung zur kontinuierlichen Erweiterung der fachlichen Kompetenz und die Teilhabe an der Aufsicht über die Unternehmenstöchter. Nur eine wirksame Kontrolle durch die Gesellschaft rechtfertigt auch in Zukunft die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

(Beifall bei der SPD)

Längst überfällig ist aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion, dass die Mitglieder des BR-Verwaltungsrates zukünftig wirtschaftliche und juristische Kompetenzen nachweisen müssen; immerhin geht es um einen Jahresetat von nahezu einer Milliarde Euro. Die direkte Wahl der Verwaltungsratsmitglieder des Rundfunkund des Medienrats unter Verzicht auf die bisherigen geborenen Verwaltungsratsmitglieder stärkt die Unabhängigkeit der Gremien. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Gesetzentwurf zur Reform der Rundfunkaufsicht im Hinblick auf Staatsferne und Vielfalt die verfassungsrechtlichen Vorgaben konsequent umsetzen und dass dies die richtigen Weichenstellungen für einen starken, unabhängigen öffentlichrechtlichen Rundfunk in Bayern sind. Und daran sind wir auch alle in Zukunft lebhaft interessiert. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. Ich eröffne nun die Aussprache. Den Fraktionen ist eine Gesamtredezeit von 24 Minuten vorbehalten. Erster Redner ist der Kollege Blume.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Fehlner, es freut mich, dass Sie von Ihrem Gesetzentwurf überzeugt sind.

(Volkmar Halbleib (SPD): Was anderes wäre ungünstig!)

Das ist eine gute Voraussetzung. – Für unsere Seite gilt das allerdings nur teilweise. Eingangs möchte ich aufzeigen, wo wir uns einig sind. Einig sind wir uns

zunächst in der Auffassung, dass natürlich Handlungsbedarf besteht, der mittelbar durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt wird. Einig sind wir uns auch darin, dass es notwendig ist, die Änderungen im Laufe der nächsten Monate zu beraten und auf den Weg zu bringen, damit die nächste Amtsperiode von Medienrat und Rundfunkrat entsprechend ausgeformt begonnen werden kann. Wir sind uns auch darin einig, dass es notwendig ist, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dahin gehend Rechnung zu tragen, dass Inkompatibilitätsregelungen umgesetzt werden. Ein entsprechender Vorschlag findet sich auch in Ihrem Gesetzentwurf. Wir sind uns ferner darin einig, dass eine Begrenzung der Amtszeiten notwendig ist. Dazu gibt es eine klare Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Kein Mensch kann doch in einer Zeit wie der heutigen, in der sich viele Dinge sehr schnell ändern, rechtfertigen, dass Gremien über Jahre und Jahrzehnte versteinert sind.

Wir sind uns einig, dass wir eine Gleichstellung von Frauen brauchen, und zwar eine, die nicht erst in Jahren oder Jahrzehnten einzusetzen beginnt, sondern eine, die sich in der Gremienzusammensetzung unmittelbar abbildet. Ich darf an dieser Stelle vielleicht etwas konkreter werden, Frau Kollegin: Sie tragen diesem Anliegen in Ihrem Gesetzentwurf Rechnung. Mathematisch interessant ist allerdings die Formulierung, auf jedes Geschlecht müssten "mindestens fünfzig Prozent" entfallen. Über die Verwendung des Wortes "mindestens" in diesem Zusammenhang würde ich noch mal nachdenken; sonst ergeben sich spannende Fragestellungen.

Ich komme zu den Transparenzvorschriften; Sie haben das zuletzt auch gesagt: Bei einer so großen Einrichtung wie dem Bayerischen Rundfunk erscheint es tatsächlich notwendig, dass die Gremien entsprechend handlungs- und arbeitsfähig sind. Sie müssen ihrer Kontroll- und Aufsichtsfunktion effektiv genügen können. Da sind wir völlig beieinander. Dabei ist zu sagen, dass die Praxis heute schon häufig besser ist als die gesetzliche Grundlage.

All diese Anliegen, die Sie hier skizziert und auch im Gesetzentwurf abgebildet haben, sind aus unserer Sicht im Grunde zustimmungsfähig. Das gilt auch für die Erweiterung des Gremiums. Wir reden darüber, dass wir dort Menschen mit Behinderung oder auch die immer wichtiger werdende Gruppe der Migranten berücksichtigen wollen. Auch bei diesen beiden Punkten werden wir, so denke ich, zusammenfinden.