Protokoll der Sitzung vom 16.03.2016

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte diese Diskussion nicht in dieser heftigen Emotionalität weiterführen, sondern ganz ruhig darauf hinweisen, dass der Wohlstand, den wir in Bayern haben, auf einer starken Exportindustrie beruht. Wer das nicht sehen will, sägt am Fundament unseres Wohlstandes. Die Bayerische Staatsregierung steht deshalb hinter den Abkommen TTIP und CETA. Bayern will aber kein Abkommen auf Biegen und Brechen. Wir wollen ausgewogene Abkommen, die innerhalb unserer politischen und vor allem auch innerhalb unserer gesellschaftlichen Leitplanken liegen. Nur dann können wir zustimmen.

Wenn wir die Chancen von TTIP für Unternehmen und Bürger nutzen wollen, müssen wir konstruktiv arbeiten. Einfach per se immer abzulehnen, ist der falsche Weg. Fragen Sie sich doch einmal ganz ehrlich: Geht es Ihnen bei Ihrer ablehnenden Haltung eigentlich um die Sache, oder geht es eher um ein emotionales Unbehagen? Wer sich allein von einem solchen Unbehagen leiten lässt, setzt unsere Zukunftsfähigkeit aufs Spiel.

(Beifall bei der CSU)

Heute diskutieren wir über den aktuellen Stellenabbau bei Siemens und die Erfolge von BMW und Audi auf den Weltmärkten. Wir sollten das bei einer Debatte über das Thema Freihandel im Hinterkopf behalten. Gerade angesichts globaler Veränderungen, wie zum Beispiel angesichts des Verfalls des Ölpreises, der einzelne Branchen hart trifft, sind offene Absatzmärkte für Bayern wichtig, um Einbrüche anderswo ausgleichen zu können. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie werden das sicherlich bestätigen. Nur solche offenen Absatzmärkte machen gleichwertige Ersatzarbeitsplätze überhaupt erst möglich. Das müssen wir den Menschen offen und ehrlich sagen, wir dürfen ihnen nicht das Gegenteil vorgaukeln.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir haben lange auf mehr Transparenz gedrängt. Von den Verhandlungspartnern wurden inzwischen mehr Informationen zu TTIP herausgegeben als zu jedem anderen Abkommen zuvor. Im Internet sind nicht nur das Verhandlungsmandat und die Verhandlungsvorschläge der Europäischen Union zu finden, sondern auch entsprechende Erläuterungen auf Deutsch. Die Informationen werden aber immer noch kaum abgerufen. Selbst die USA haben sich geöffnet und ihre Positionen in Leseräumen zugänglich gemacht. Ich kann Ihnen versichern: Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass auch Mitglieder des Landtags Zugang dazu bekommen.

Zum Investitionsschutz haben wir uns von Anfang an klar positioniert. Wir haben gesagt: Unsere Unternehmen brauchen bei Investitionen im Ausland grundsätzlich Rechtssicherheit. Wer Geld ins Ausland bringt und dort ein Unternehmen baut, will sicher sein, dass dieses Geld gut angelegt ist. Sollte ihm etwas weggenommen oder seiner Branche ein Riegel vorgeschoben werden, den er nicht befürchten musste, möchte er einen Schutz genießen. Selbst unter Rot-Grün hat Deutschland ein eigenes Investitionsschutzabkommen mit China abgeschlossen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Hört, hört!)

Investitionsschutz und Schiedsgerichte waren und sind gerade für Deutschland sehr bedeutend und sind nicht per se schlecht. Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen der Europäischen Union mit den USA halten wir tatsächlich nicht für erforderlich. Der Rechtsweg über die nationalen Gerichte in Deutschland ebenso wie in den USA bietet einen hinreichenden Rechtsschutz. Auch der Deutsche Richterbund ist dieser Meinung.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Hört, hört!)

Viele EU-Staaten und die USA selbst wollen aber an Investitionsschutzregeln im TTIP festhalten. Wenn die Verhandlungspartner mehrheitlich Investitionsschutzregelungen im Rahmen von TTIP und CETA einfordern, bedeutet das, dass wir diese nicht von vornherein komplett ablehnen können nach dem Motto: Im Zweifel derrennen wir uns halt an der Wand; dann wird es halt nichts mit diesem Abkommen. Man kann doch ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit und ein bisschen mehr Zukunftsgewandtheit erwarten.

(Beifall bei der CSU)

Die bisherigen Schwachstellen müssen wir jedoch beseitigen. Das ist klar. Das sind unsere Roten Linien. Die EU hat sich hier wieder auf uns zubewegt und ein umfassend reformiertes Investitionsschutzsystem vorgeschlagen. Die Bayerische Staatsregierung und der Bayerische Landtag haben sich im Übrigen immer an diesem Beratungsprozess beteiligt. Ich nenne nur das Konsultationsverfahren.

Unverhandelbar ist: Die Handlungsspielräume der EU sowie der Parlamente und der Regierungen der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen dürfen nicht eingeschränkt werden. Das staatliche Recht zur Regulierung der EU und der Mitgliedstaaten darf nicht beeinträchtigt werden. Das betont auch der Deutsche Richterbund. Wir müssen uns aber auch darüber klar werden: Die Richter, die in diesem Investitionsschutzverfahren agieren, tun dies ausschließlich im Hinblick auf das Abkommen und auf die darin vereinbarten völkerrechtlichen Investitionsstandards. Mehr wird dort nicht verhandelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deswegen begrüße ich es, dass die EU-Kommission für TTIP nun ein modernes Investitionsschutzkapitel als Verhandlungsangebot unterbreitet und wesentliche Elemente dieses Reformvorschlags im Abkommen CETA mit Kanada noch vereinbaren konnte. Herr Mütze, deswegen sage ich noch einmal ganz klar: Nicht richtig ist, dass diese Gerichte geheim tagen. Sie werden öffentlich tagen. Es wird eine höhere Transparenz geben. Es wird strenge Auswahlkriterien für die Richter geben. Es wird die Schaffung einer Berufungsmöglichkeit geben. Das sind Vorkehrungen, die wir getroffen haben, um eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Streitbeilegungsverfahrens zu verhindern.

Allerdings gibt es noch weiteren Verbesserungsbedarf. Ich nenne zum Beispiel die Einrichtung einer neuen ständigen Investitionsgerichtsbarkeit, die mit erheblichen Kosten verbunden ist. Wir sollten darauf achten, dass daran neben den Staaten auch die In

vestoren, also die Streitparteien, angemessen beteiligt werden. Außerdem wünsche ich mir einen ambitionierteren Verhaltenskodex für die Richter. Daran werden wir noch arbeiten.

Im Ergebnis kann ich festhalten: Wir lehnen ein Investitionsschutzkapitel mit einem Investitionsgerichtshof im TTIP oder CETA nicht ab, wenn, und nur wenn, die Regelungen gut gemacht sind.

Der neue Vorschlag der EU-Kommission geht in eben diese Richtung. Wir werden unsere Anliegen weiterhin gegenüber der EU-Kommission und der Bundesregierung einbringen und uns konstruktiv an der öffentlichen Diskussion beteiligen. Ich begrüße, dass sich der Deutsche Richterbund ebenfalls an der Diskussion beteiligt.

Ich möchte zum Thema der Gebühren, das hier angesprochen wurde, deutlich sagen: Es handelt sich um Vorhaltegebühren. Das heißt, diejenigen, die als Richter tätig sind, können selbstverständlich nebenher Richter, Professoren etc. sein, das heißt, sie sind nicht allein auf diese Gebühren angewiesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne werden wir selbstverständlich die Verhandlungen zu TTIP weiterverfolgen, den finalen Vertragstext zu CETA gründlich prüfen und uns dann endgültig positionieren. Wir machen das auf der Grundlage von Fakten. Das ist mir wichtig. Wir machen das auf der Grundlage von Fakten und auf der Grundlage unserer Interessen, nicht auf der Grundlage von Emotionen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Florian Herrmann (CSU): Sehr gut!)

Bitte verbleiben Sie am Rednerpult! Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Aiwanger.

Frau Ministerin, Sie haben vorher zu Recht gesagt, dass Deutschland vom Export lebt und dergleichen mehr. Wer irgendwo investiert, will sicher sein, dass sein Geld dort richtig angelegt ist usw. Gleichzeitig sagen Sie, wir haben bestehende Rechtssysteme, die diese Fälle behandeln, wenn jemand enteignet wird und dergleichen mehr. Können Sie einen Fall aus der deutschen Wirtschaft nennen, oder hören Sie irgendeinen Ruf, dass Unternehmen sich rechtlich nicht entsprechend vertreten sehen, sich also in einer Rechtsunsicherheit sehen und hoffen, künftig durch andere Gerichtsverfahren besser dazustehen? Gibt es konkrete Anzeichen, dass diese nationalen Gerichte, die Sie vorher als ausreichend bezeichnet haben, von der Wirtschaft nicht als ausreichend angesehen werden? Die Wirtschaft will offenbar mehr, als die Politik für nötig hält.

Warum wollen Sie Investitionsgerichtshöfe, wenn Sie doch sagen, das jetzige System reicht eigentlich?

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Ein echter Schmarrn!)

Punkt eins. Auch wenn wir einen Investitionsgerichtshof haben, kann ich nach wie vor auch vor die ordentlichen Gerichte ziehen.

Punkt zwei. Es gibt tatsächlich Unternehmen, die mich angesprochen haben, und zwar mittelständische und kleinere Unternehmen. Sie haben deutlich gemacht, dass ein Rechtsverfahren in den Vereinigten Staaten äußerst umfangreich, äußerst langwierig und vor allem äußerst kostenträchtig ist. Deswegen ist es gerade für diese Art von Unternehmen um ein Vielfaches besser und kostengünstiger, in einem sogenannten Schiedsgerichtsverfahren handeln zu können.

(Beifall bei der CSU – Dr. Florian Herrmann (CSU): Sehr richtig!)

Ich sage noch einmal: Ich möchte das nicht einfach rauskicken, weil ich oder die Bayerische Staatsregierung ein Investitionsschutzverfahren möchten, sondern weil wir dieses nicht einfach nicht wollen und uns damit aus der gesamten Diskussion und den Verhandlungen ausklinken. Wir wissen, dass eine Mehrheit der Verhandlungspartner ein Investitionsschutzverfahren möchte. Da sagen wir, wenn es schon sein muss, wollen wir es so gestalten, dass es für uns akzeptabel ist und wir damit gut leben können. Wir beschreiten diesen Weg. Deswegen bekommen wir gerade weitere Nachbesserungen. Auf der einen Seite sind wir wirklich erfreut, dass wir es bisher geschafft haben, die europäische Meinung dahin gehend auf unserer Seite zu haben, dass wir bestimmte Voraussetzungen für dieses Schiedsverfahren bekommen sollen. Auf der anderen Seite aber sagen wir klar, dass es noch mehr gibt, an dem wir arbeiten werden. Das werden wir jetzt tun.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER auf der Drucksache 17/10511 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Ich bitte, Stimmenthaltungen anzuzeigen. – Das ist die SPD-Fraktion. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 17/10512 bis 17/10518 sowie 17/10533 werden in die zuständigen federführenden Ausschüsse verwiesen.

Ich gebe nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung des Dringlichkeitsantrags der Abgeordneten Kreuzer, Freller, Schreyer-Stäblein und andere und Fraktion (CSU) betreffend "Stellenabbau bei Siemens – Neue Perspektiven für die betroffenen Standorte schaffen", Drucksache 17/10531, bekannt. Mit Ja haben 144 gestimmt, mit Nein hat niemand gestimmt. Stimmenthaltungen gab es keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 4 – Zuruf von der SPD: Und dafür haben wir eine Namentliche gemacht!)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Antrag der Abgeordneten Herbert Woerlein, Horst Arnold, Florian von Brunn u. a. (SPD) Verbot des Tötens männlicher Eintagsküken, Entwicklung tragfähiger Vermarktungskonzepte für Legehennenbrüder und Förderung der Zucht von Zweinutzungshühnern (Drs. 17/9403)

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass hierzu bereits namentliche Abstimmung beantragt worden ist. – Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass die Redezeit 24 Minuten beträgt. Erster Redner ist der Kollege Woerlein.

(Dr. Thomas Goppel (CSU): Kann man da den Rechtschreibfehler ausbessern?)

Das wird doch wohl mit einem harten "t" geschrieben, wie wir Franken sagen?

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Staatsministerin Scharf, werte Kolleginnen und Kollegen! Jährlich werden in Deutschland rund 50 Millionen männliche Küken ohne Betäubung durch Vergasen oder Schreddern getötet. Dies geschieht aus rein wirtschaftlichen Gründen; denn die Legehennenbrüder setzen im Vergleich zu den Masthühnern nur sehr langsam Fleisch an, sodass sich die Mast vermeintlich nicht lohnt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat im Bundesrat einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes eingereicht, um dieses Töten von Küken aus wirtschaftlichen Gründen zu verbieten. Der Bundesrat stimmte am 25. September 2015 dem Gesetzesantrag mit großer Mehrheit zu und hat diesen an den Bundestag weitergeleitet. Die SPD-Fraktion im Landtag begrüßt die Bundesratsinitiative ausdrücklich und

fordert im ersten Teil des Antrags die Staatsregierung dazu auf, sich auf Bundesebene erstens für ein Verbot des Kükentötens einzusetzen und zweitens ein Lebensrecht der Legehennenbrüder zu ermöglichen.

Herr Kollege Flierl, Herr Kollege Beißwenger, Sie haben in der Sitzung des Umweltausschusses vom 4. Februar 2016 die Auffassung vertreten, dass sich die Hauptforderung unseres Antrags bereits erledigt habe, da Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt angekündigt habe, das Kükentöten 2017 zu beenden. Ich muss diese Darstellung berichtigen. Die Ankündigung des Bundeslandwirtschaftsministers ist sehr erfreulich. Nur: Wie der Minister dieses Ziel konkret bis 2017 erreichen will, sagt er nicht. Fakt ist, dass sich Herr Schmidt explizit gegen ein Verbot ausgesprochen hat.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hört, hört!)

Er setzt auf einen anderen Weg, nämlich auf ein technisches Verfahren, das die Geschlechtsbestimmung schon im Ei ermöglicht. Damit soll zukünftig das Ausbrüten und Schlüpfen männlicher Küken verhindert werden. Das Kükentöten hätte sich dann automatisch erledigt. Nach Ansicht des Ministers wäre dann eine Änderung des Tierschutzgesetzes nicht mehr nötig, und der Gesetzentwurf des Bundesrats liefe ins Leere.

Meine Damen und Herren, der Ansatz des Ministers, nicht die Küken, sondern bereits die Eier mit einem männlichen Embryo zu vernichten, verhindert nicht, dass die männlichen Tiere weiterhin als wertlos und als Abfall betrachtet werden. Das ist aus ethischen Gründen und im Sinne des im Grundgesetz verankerten Staatsziels des Tierschutzes nicht verantwortbar.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist unser Hauptanliegen mit der Ankündigung des Bundeslandwirtschaftsministers nicht erledigt. Weder will Herr Schmidt ein Verbot noch will er das Lebensrecht der männlichen Küken schützen.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, hat nach Strafanzeige der Tierschutzorganisation PETA die Staatsanwaltschaft Münster Mitte Februar erstmals Klage gegen eine Brüterei wegen des massenhaften Tötens männlicher Eintagsküken erhoben. Die Klage wurde heute vor einer Woche am Mittwoch, dem 9. März 2016, vom Landgericht Münster mit der Begründung abgewiesen, es gebe keine ausreichende Grundlage für eine Beurteilung. Wenn eine jahrzehntelange Praxis strafrechtlich anders bewertet werden solle, so die Richter, müsse der Gesetzgeber, also wir, aktiv werden. Die Richter verwiesen außerdem auf die Tierschutzschlachtverordnung aus dem Jahr 2012, die

das Zerkleinern von Eintagsküken ohne vorherige Betäubung als zulässige Tötungsform erlaubt.