Ich beginne mit der Stromversorgung. Wir sprechen hier von einem komplexen System aus konventionellen Kraftwerken und erneuerbaren Energiequellen, das ein historisch gewachsenes Stromnetz nutzt. Das europäische Verbundsystem dient dazu, die zeitlich sehr variable Nachfrage nach Strom zu decken.
Zudem müssen wir immer das Gesamtsystem anschauen, Herr Hartmann. Es reicht nicht aus, über die Hinzunahme oder die Wegnahme einzelner Komponenten zu diskutieren. Es bedarf nicht einer isolierten Betrachtung, sondern des Blicks auf das Gesamtsystem. Frau Kohnen und Herr Hartmann, insofern finde ich das, was Sie in Ihren Redebeiträgen gebracht haben, schon etwas unseriös. – "Unseriös" ist viel
Kommen wir zur Thüringer Strombrücke. Die GRÜNEN begründen ihre Forderung nach Abschaltung von Gundremmingen mit dem Vorhandensein der Thüringer Strombrücke. Auf die Abläufe, die Sachlage und die Fakten zur Thüringer Strombrücke sind Sie aber nicht eingegangen, Herr Hartmann.
Der Gesamtverlauf ist Ihnen bekannt. Richtig ist, dass im Dezember einer von zwei Stromkreisen der Thüringer Strombrücke provisorisch in Betrieb gegangen ist. Richtig wäre es aber auch gewesen, wenn Sie hinzugefügt hätten, dass gerade im kritischen Winterzeitraum die Übertragungskapazitäten einer hohen Auslastung unterlagen. Dies galt übrigens für alle Stromtrassen in diesem Bereich.
Richtig ist, dass die Thüringer Strombrücke den deutschen Netzengpass ein Stück weit vermindert. Allerdings waren dort in der Vergangenheit nicht ausreichend Ressourcen vorhanden.
Fakt ist auch, dass mit der hohen Auslastung der Thüringer Strombrücke intensive Redispatch-Maßnahmen verbunden sind. Es ist viel Aufwand zu betreiben, um Kraftwerke hochzufahren, die nicht mehr am Markt sind. Kraftwerke sind an das Netz zu nehmen, um Stabilität zu gewährleisten, und Kapazitäten gegebenenfalls abzuregeln.
Herr Kollege Hartmann, wenn Sie seriös gewesen wären, dann hätten Sie auch erwähnt, dass die Thüringer Strombrücke im Frühjahr und im Sommer abgeschaltet werden muss, weil weitere Ausbaumaßnahmen stattfinden. Zudem hätten Sie erwähnen sollen, dass die Thüringer Strombrücke ausgebaut wird, um in Nordbayern Netzstabilität und damit Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Es ist jedenfalls unseriös, Herr Hartmann, wenn Sie sich wie bei einem Puzzlespiel genau die Argumente heraussuchen, die Ihnen gerade passen. Einmal gehen Sie gedanklich von Ost nach West, dann von Nord nach Süd. Das passt überhaupt nicht zusammen.
Im Grunde behaupten Sie, nach der Abschaltung von Gundremmingen seien alle Probleme gelöst. Sie können Ihre Forderung aber nicht mit Fakten stützen. Sie haben keinen Zeitplan vorgelegt. Sie haben keine Lösung aufgezeigt. In der Schule habe ich gelernt: Man stellt eine Behauptung auf, begründet sie und führt
Sie täuschen die Bevölkerung. Sie machen Angst. Sie machen Politik mit der Angst der Bevölkerung. Sie präsentieren aber keine Lösungen.
Sie hätten sich auf die Fakten konzentrieren sollen. Im Netz des Betreibers 50Hertz ist ein großer Teil von erneuerbaren Energien konzentriert. Wenn Sie konsequent gewesen wären, hätten Sie hinzufügen müssen, dass diese Energie nicht dann zur Verfügung steht, wenn sie gebraucht wird, und vor allem nicht dort, wo sie gebraucht wird, nämlich im Bereich des Standorts Gundremmingen.
Wir müssen uns die Region um Gundremmingen herum anschauen. Dazu gehören Bayerisch-Schwaben, Ost-Württemberg – die Stadt Ulm! –, der Bodenseebereich und Oberschwaben. Dort sind zwar PVAnlagen vorhanden, aber keinerlei konventionelle Kraftwerke. Daher ist dort die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet.
Frau Kamm, Sie wollen sich anscheinend hinstellen und "Schnipp!" machen. Allerdings müssten Sie in diesem Fall den Anteil der Erneuerbaren Energien in dieser Region versechsfachen. Es ist utopisch anzunehmen, das werde von heute auf morgen gelingen.
Eine frühzeitige Abschaltung würde bedeuten, dass wir die geltende N-minus-Eins-Regel, die der Sicherheit dient, auf der Nord-Süd-Leitung gefährden. Der Stromtransport würde durch die Übertragungsnetzbetreiber eingeschränkt. Vor allem wäre die Netzstabilität gefährdet.
Lassen Sie mich zusammenfassen, was Sie, Herr Hartmann, heute stellvertretend für die GRÜNEN in Bayern – vermutlich auch in Deutschland – gefordert haben: Netzinstabilität, die Gefährdung der Versorgungssicherheit durch Engpässe und eine Erhöhung der CO2-Emissionen durch die Nutzung von Gas und Kohle zur Stromversorgung. Wenn das Merit-OrderPrinzip greift, wie Sie das fordern, dann bedeutet das, dass Sie, die GRÜNEN, mit Ihren heutigen Forderungen die verstärkte Nutzung von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken herbeiführen würden.
(Vom Redner nicht autori- siert) Wenn wir seriös sind, dann müssen wir doch zugestehen, dass wir alle uns seit langer Zeit einig sind, dass der Kernenergieausstieg in Bezug auf diesen Punkt sehr ambitioniert war. Wir sollten nicht dazu beitragen, dass das Vorhaben noch ambitionierter und damit unrealistisch wird.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Ritt von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Die Forderung nach vorzeitiger Abschaltung des Kernkraftwerks Gundremmingen, initiiert von den Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN anlässlich des fünften Jahrestags der Atomkatastrophe von Fukushima – Tschernobyl wurde von Herrn Kollegen Hartmann auch schon angeführt –, entzieht sich jedweder Argumentationsgrundlage und ist, um mit den Worten unserer Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zu sprechen, populistisch und verantwortungslos. Die Forderung spielt zudem mit den Ängsten der Bevölkerung.
Herr Kollege Hartmann, Sie sprechen von Betrug der Politik an Bayerns Bürgerinnen und Bürgern, wenn weiterhin Atomstrom produziert werde, der für die Versorgungssicherheit nicht mehr benötigt werde. Ist es nicht eher Augenwischerei, Täuschung und Betrug an unseren Bürgerinnen und Bürgern, gefährliche Halbwahrheiten zu präsentieren und sie damit in ihrem Sicherheitsempfinden und Sicherheitsbedürfnis zutiefst zu verletzen?
Sie argumentieren beispielsweise mit den fünf meldepflichtigen Ereignissen im Atomkraftwerk Gundremmingen im Jahr 2015, erwähnen aber nicht, dass jedes dieser fünf Ereignisse auf der internationalen Bewertungsskala INES der niedrigsten Stufe, also null – das heißt, keine oder geringe sicherheitstechnische Bedeutung –, zugeordnet wurde.
Alle fünf Ereignisse hatten damit keine unzulässigen Auswirkungen auf den Anlagenbetrieb und die Umgebung. Eine Gefährdung des Personals und der Bevöl
kerung bestand nie. Das Kernkraftwerk Gundremmingen erfüllt alle sicherheitstechnischen Anforderungen und trifft ausreichende Maßnahmen zur Einhaltung der Sicherheitsziele.
Insbesondere im internationalen Vergleich werden höchste Sicherheitsstandards eingehalten. Ausländische Standards werden dabei oftmals übertroffen. Alle bisher durchgeführten Sicherheitsüberprüfungen, auch anlässlich der Ereignisse in Fukushima, bescheinigen den beiden Blöcken in Gundremmingen ein sehr hohes Sicherheitsniveau.
Für die katastrophalen Unfälle in Japan war nicht die Tatsache ursächlich, dass es sich bei den betroffenen Anlagen um Siedewasserreaktoren handelte, sondern waren Auslegungsdefizite der betroffenen Kernkraftwerke. Die Anlage in Gundremmingen weist erhebliche, sicherheitstechnisch relevante Unterschiede zu den japanischen Anlagen auf und verfügt über einen umfangreichen Schutz gegen Einwirkungen von außen.
Frau Kollegin Kamm, vielleicht hören Sie auch zu! – Gundremmingen verfügt pro Block über sechs vor Hochwasser geschützte Notstromdiesel. Fukushima hatte dagegen lediglich zwei, vor größeren TsunamiWellen ungeschützte Notstromdiesel. Gemäß dem kerntechnischen Regelwerk sind die deutschen Anlagen mindestens gegen ein zehntausendjährliches Hochwasser ausgelegt.
Tatsächlich gibt es bei allen bayerischen Anlagen noch erhebliche Sicherheitsreserven für den Fall eines zehntausendjährlichen Hochwassers. Der Sicherheitsabstand in Gundremmingen beträgt mehr als einen Meter. Im Jahr 2011 wurde von der Reaktorsicherheitskommission eine Robustheitsbewertung im Rahmen einer national angelegten anlagenspezifischen Sicherheitsüberprüfung deutscher Kernkraftwerke unter Berücksichtigung der Ereignisse in Fukushima durchgeführt. Im Jahr 2012 wurde von der EU-Kommission der Abschlussbericht zum EUStresstest für Kernanlagen veröffentlicht. Im Ergebnis beider Überprüfungen zeigte sich, dass für das Kernkraftwerk Gundremmingen die nach dem Atomgesetz erforderliche Vorsorge gegen Schäden uneingeschränkt gegeben ist und keine Hinweise auf Sicherheitsdefizite vorliegen.
Auch jenseits der auslegungsgemäßen Störfallbeherrschung verfügt die Anlage über erhebliche Sicherheitsreserven. An den im Kernkraftwerk durchzuführenden Überprüfungen wirken zahlreiche unabhängige Sachverständige mit, in Bayern zum Beispiel der TÜV Süd als atomrechtlicher Sachverständiger nach § 20 des Atomgesetzes oder auf Bundesebene die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Erwähnt sei auch, dass das Kernkraftwerk Gundremmingen gegen den Absturz eines schnell fliegenden Militärflugzeugs ausgelegt ist.
Ich komme schon zum Schluss. – Werte Kolleginnen und Kollegen, es besteht daher kein Anlass für die bayerische Atomaufsichtsbehörde, eine vorzeitige Abschaltung des Kraftwerks zu veranlassen. –
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächste und Letzte hat nun Frau Staatsministerin Aigner das Wort. Bitte schön, Frau Ministerin.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich bleibe ausdrücklich dabei, dass das, was heute vonseiten der GRÜNEN suggeriert worden ist, unverantwortlich ist.
Meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie suggerieren, dass das Kernkraftwerk in Gundremmingen absolut vergleichbar sei mit dem Kernkraftwerk in Fukushima. Das ist de facto falsch.