Wenn Sie sagen, Bayern habe die beste Klimabilanz, muss ich Ihnen entgegnen: Das stellt einem echt die Haare auf und dreht einem den Magen um, weil man ehrlicherweise sagen muss, dass diese beste Klimabilanz darauf beruht, dass Bayern ein Atomstaat war und ist – auf nichts anderem.
Auf der anderen Seite habe ich gestern nicht nachvollziehen können, warum Sie von den GRÜNEN heute die Aktuelle Stunde damit bestreiten, Gundremmingen abschalten zu wollen, wo wir doch erst vor Ostern einen gemeinsamen Berichtsantrag gestellt hatten. Wir wollten wissen, woher die Störfälle in Gundremmingen kamen und kommen. Das heißt: Wenn, dann hätte ich an Ihrer Stelle im Prinzip schon vor Ostern die Abschaltung gefordert. Das Beste für heute wäre ein Dringlichkeitsantrag gewesen; denn darüber hätten wir abstimmen können.
Genauso verwunderlich war – das habe ich gestern gelesen –, dass Sie, Frau Aigner, sagen, es sei unseriös und verantwortungslos von den GRÜNEN. Das glaube ich tatsächlich nicht,
und zwar aus mehreren Gründen. Nach Fukushima hatten Sie überhaupt kein Problem damit, der Devise zu folgen, dass wir ein Energiegesamtkonzept zum Ausstieg aufstellen. Da ging es ja auch, Sie sagten gestern, Gundremmingen abzuschalten ginge nicht, weil es sich um ein Gesamtkonzept handele. Nach Fukushima ging es auch – erstens.
Zweitens hatte weder die Staatsregierung noch die CSU nach Fukushima ein Problem damit, in den Jahren 2013 bis 2015 Konzepte zur Energiewende auf den Kopf zu stellen – leider. Wir haben in den zwei Jahren viel Zeit für Kämpfe verloren, die wir jetzt vor Gericht klären müssen. Ich nenne nur das Stichwort 10-H-Regelung. Nächsten Dienstag ist die Verhandlung dazu.
Herr Huber, vielleicht fürchten Sie Klagen der Energieversorger bzw. der AKW-Betreiber. Absehbar ist, dass sich die Bundesregierung, der Minister Ihrer Partei angehören, sich unter Umständen auf eine Atomstiftung einlassen wird, sodass die Betreiber auf Klagen verzichten. So sieht es jetzt zumindest aus.
Was heißt "mein Wirtschaftsminister"? Sie können sich da leider nicht abspalten; denn das wäre schizophren. Sie gehören doch irgendwie dazu, sorry.
Aber EnBW hat gestern bei der Klage eine Schlappe erlitten. Das heißt, das Unternehmen konnte sich nicht gegen die schnellere Abschaltung durchsetzen. Ich hätte da wenige Befürchtungen. Das zieht auch nicht.
Wenn Sie dann den GRÜNEN vorwerfen und uns in gewisser Weise auch, dass die Versorgungslücke, die durch eine Abschaltung Gundremmingens entsteht, nicht zu füllen wäre, muss ich sagen: Das stimmt nicht.
Jetzt komme ich auf die saubere Lösung zu sprechen. Wenn Sie das, was zum Beispiel im Moment in Irsching allein für Redispatch verwendet wird, schon als Kapazitätsversorgung nehmen würden, hätten Sie im Prinzip schon mehr als einen Block von Gundremmingen ersetzt – durch die Nutzung von Gas, also nicht schmutzig. Diese Berechnungen existieren. Die Thüringer Strombrücke ist entgegen der Planungen – Sie bestehen immer auf Ihre Planungen – früher fertig geworden. Das war eine saubere Durchführung. Der bayerische Teil steht. Seit Ende des Jahres 2015 ist bereits eine Teilinbetriebnahme erfolgt. Ursprünglich war sie für das Frühjahr 2016 geplant. Das bedeutet, dass wir aus der Thüringer Strombrücke Kapazität in Höhe von 2 Gigawatt bekommen. Das Atomkraftwerk Gundremmingen lässt sich tatsächlich sauber ersetzen. Herr Huber, das ist so. Daran führt kein Weg vorbei.
Jetzt kommen wir auf das Wesentliche. Sie werfen den GRÜNEN und der SPD vor, sie würden bezüglich Gundremmingen nicht richtig argumentieren. Was ist denn Gundremmingen? – Das sind die ältesten Siedewasserreaktoren, die in Deutschland noch laufen. Das sind die einzigen, die es in Deutschland noch gibt. Sie sind hochgradig gefährlich. Laut Branchenexperten besteht die Möglichkeit, dass Gundremmingen hochgeht. Das kann heute oder erst in zwei bis drei Jahren passieren. Gundremmingen läuft deutlich länger, als es im Hinblick auf den Sicherheitsaspekt geplant war. Die Siedewasserreaktoren sind in den Sechziger- und Siebzigerjahren gebaut worden. Mit diesen Reaktoren sind ganz hohe Risiken verbunden. Für beide Reaktoren in Gundremmingen gibt es keinen Nachweis, dass sie dem Absturz eines großen Flugzeugs standhalten würden. Beide Reaktoren sind nur noch genehmigt, weil bei der Neufassung des kerntechnischen Regelwerks von Bayern für das Atomkraftwerk Gundremmingen Ausnahmen durchgesetzt worden sind. Allein aus diesem Grund laufen die beiden Reaktoren noch. Eigentlich dürften sie gar
nicht mehr laufen. Die Abklingbecken der Reaktoren werden, anders als bei anderen Druckwasserreaktoren in Deutschland, nicht durch den Sicherheitsbehälter geschützt. Außerdem haben beide Reaktoren in Gundremmingen nur einen Hauptkreislauf anstatt eines Primär- und Sekundärkreislaufs, wie es bei Druckwasserreaktoren der Fall ist.
Diese Faktoren machen Gundremmingen zu einem Pulverfass. Angesichts der Anschläge von Brüssel ist weder ein deutsches noch ein europäisches Atomkraftwerk gegen den gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs oder neueste Waffen, die eine hohe Durchschlagskraft haben und über die Terroristen verfügen, abgesichert. Was in den deutschen Medien zu lesen war, ist absurd. Wenn Attentäter in Atomkraftwerke hineinkämen, wie man es in Belgien vermutet hat, würde es in Deutschland angeblich nur zu einer Schnellabschaltung kommen. Das ist absurd. Wenn ein Attentäter Kenntnisse mitbringt und einen Terroranschlag in einem Atomkraftwerk verüben möchte, ist das überhaupt kein Problem. Das kann ebenfalls zu einem Super-GAU führen. Im Hinblick auf den Terrorismus muss man sich unbedingt Gedanken darüber machen, wie man mit den noch laufenden Atomkraftwerken umgeht.
Nicht umsonst wurden die beiden Atomkraftwerke in Belgien nach den Attentaten geräumt. In Bayern wird so getan, als sei alles super sicher und überhaupt kein Thema. Das ist ein Thema.
Ich habe Ihnen die Technik schon ausgeführt. Das können wir gleich noch einmal machen. Selbstverständlich handelt es sich um Personal. Trotzdem sage ich Ihnen, dass nach den Erfahrungen in Belgien die Gefahr für die Atomkraftwerke deutlich gestiegen ist. Atomkraftwerke stellen ein Hochsicherheitsrisiko dar. Das betrifft nicht nur die beiden Siedewasserreaktoren in Gundremmingen, die aus technischen Gründen, die ich Ihnen gerade aufgezählt habe, definitiv nicht sicher sind. Aus diesem Grund sagen wir sehr klar: Je früher Gundremmingen vom Netz geht, desto besser und desto sicherer.
Frau Aigner, als vorsorgender Staat darf man niemals abwarten, bis ein Super-GAU eintritt. Man muss handeln, wenn man sicher ist, dass es ein unkalkulierbares Risiko gibt. Das gibt es bei Gundremmingen. Daran führt leider kein Weg vorbei.
Aus diesem Grund sollten Sie deutlich zurückhaltender mit dem Wort "verantwortungslos" umgehen, wenn die SPD oder die GRÜNEN fordern, das Atomkraftwerk Gundremmingen vom Netz zu nehmen und die alten Siedewasserreaktoren abzuschalten. Mit der Thüringer Strombrücke und den Gaskraftwerken bei uns in Bayern, die bei Weitem nicht ausgenutzt werden, ist das möglich. Berechnungen müssen immer wieder aktualisiert werden. Das geht, wenn Strombrücken früher fertig werden, als geplant.
Der Weg ist bereits da. Sie müssen ihn nur gehen wollen. Ich halte es für falsch, ein Gesamtkonzept vorzuschieben, wenn das Risiko für die Bevölkerung hoch ist. Herr Huber, was Sie heute gesagt haben, hat nicht gezündet – schade.
Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Herr Kollege Glauber von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde hat mit einem Rückblick auf den Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 begonnen. Deshalb stellt sich die berechtigte Frage, wie aktuell die Aktuelle Stunde ist. Wir als FREIE-WÄHLER-Fraktion freuen uns, dass heute, Gott sei Dank, lieber Erwin Huber, eine andere öffentliche Informationspolitik als im Jahr 1986 gemacht wird. Damals haben Sie im Landtag Verantwortung getragen. Damals hat es eine solche Informationspolitik, wie sie heute an den Tag gelegt wird, nicht gegeben. Heute werden die Menschen frühzeitig informiert. Im Jahr 1986 sind die Menschen über die tatsächlichen Risiken von Tschernobyl nicht informiert worden.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Hubert Ai- wanger (FREIE WÄHLER): Als der Fallout kam, sollte man den Salat abdecken!)
Aus meiner Sicht gehört die heutige Debatte in den Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN. Liebe Kollegin Kohnen, Sie haben angesprochen, wie schlimm die Siedewasserreaktoren seien. Wenn Sie das wirklich so schlimm finden, warum werden Sie in der Großen Koalition in Berlin nicht aktiv? Am 30. Juni 2011 haben die Fraktionen der GRÜNEN, der SPD und der CSU einen Ausstiegsfahrplan festgelegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, bitte sagen Sie in diesem Parlament, warum Sie am 30. Juni 2011 diesen Ausstiegsfahrplan festgelegt haben. Die Kollegen der GRÜNEN haben extra einen Sonderparteitag einberufen, um festzulegen, welches Kraftwerk wann abgeschaltet wird. Deshalb ist es
nicht rechtens, in der heutigen Debatte zu sagen, dass die Atomkraftwerke ein nicht mehr tragbares Risiko für die Gesellschaft darstellen. Aus meiner Sicht ist das eine Debatte für den Bundestag. Bringen Sie das Thema dort genauso vor. Sagen Sie auch, welche Alternativen Sie der Bevölkerung anbieten.
Im Jahr 2009 haben über 93 % der über 1.000 Delegierten unserer Partei für den Atomausstieg gestimmt. Wir haben unsere Meinung nicht geändert. Man muss sich jedoch an die rechtsstaatlichen Verpflichtungen, die Sie im Bundestag beschlossen haben, halten.
Von den GRÜNEN und der SPD sollte diese Debatte in den Bundestag getragen werden. Wir werden lauschen, was wirklich aus der Debatte wird. Wir sind jedoch im Bayerischen Landtag. Ich würde mir eine Debatte über die bayerischen Ziele wünschen. Fakt ist, dass wir in Bayern keine Ziele mehr haben. In Bayern haben wir hinsichtlich der erneuerbaren Energien keine Ziele mehr. Liebe Kollegin Kohnen, warum stimmen Sie für die Süd-Ost-Passage, wenn die Thüringer Strombrücke so ein Segen ist? Die Gaskraftwerke in Irsching stehen still. Ich frage mich, warum gerade Sie für die Süd-Ost-Passage stehen, wenn das modernste Kraftwerk in Europa stillsteht.
Das genau ist es doch, was wir immer wollen. Schauen wir zunächst auf Bayern, und machen wir hier unsere Hausaufgaben. Ich glaube, hier haben wir deutlich mehr Möglichkeiten.
Ich betone: Wenn es zutrifft, dass wir in Bayern keine Energieziele im Sinne einer Bürgerenergiewende oder hinsichtlich der erneuerbaren Energien mehr haben, dann hätte ich mir dazu eine Aktuelle Stunde, beantragt von den GRÜNEN, gewünscht. Damit böte sich eine Möglichkeit, über die weitere Ausgestaltung der Energiewende in Bayern und unsere sonstigen Ziele im energetischen Bereich zu debattieren. Am nächsten Dienstag wird es um die konkrete Frage gehen, was aus der 10-H-Regel folgt.
Es gibt einen rechtsstaatlichen Vertrag zu Gundremmingen. Ich sehe durchaus die Möglichkeit, jederzeit darüber zu diskutieren – aber auf Bundestagsebene.
Hier im Bayerischen Landtag sollte es vor allem um die Punkte gehen, auf die wir Einfluss haben. Wir sind zum Beispiel nicht für die 10-H-Regel, sehr wohl aber für die Bürgerenergiewende. Das wäre ein geeignetes Thema für die Aktuelle Stunde gewesen. Wenn wir uns darauf konzentrieren würden, könnten wir mehr für die Energiewende und mehr für Bayern erreichen.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat Herr Kollege Kirchner von der CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es ein bisschen schade, dass die GRÜNEN dieses Thema heute zum Anlass für eine Schaufensterdebatte nehmen.
Ich habe die Diskussion verfolgt und komme zu dem Ergebnis, dass nur wenige Argumente vorgetragen worden sind, die in die Tiefe gehen, während gleichzeitig viele Widersprüche deutlich geworden sind.
Herr Glauber, ich würde gern Ihren Gedanken aufgreifen und ebenfalls die Frage stellen, warum diese Diskussion nicht im vergangenen Jahr, als das AKW Grafenrheinfeld abgeschaltet wurde, geführt worden ist. Insofern ist die von Herrn Glauber formulierte Frage an dieser Stelle berechtigt.
Wenn wir eine sachliche Debatte führen wollen, dann müssen wir ein paar Punkte ansprechen, die Sie, Herr Hartmann, vollkommen übersehen oder bewusst ausgelassen, jedenfalls nicht dargestellt haben.
Ich beginne mit der Stromversorgung. Wir sprechen hier von einem komplexen System aus konventionellen Kraftwerken und erneuerbaren Energiequellen, das ein historisch gewachsenes Stromnetz nutzt. Das europäische Verbundsystem dient dazu, die zeitlich sehr variable Nachfrage nach Strom zu decken.