Protokoll der Sitzung vom 12.04.2016

(Unruhe)

Ich bitte doch um etwas Ruhe.

Wir wollen raus aus der Atomkraft. Wir wollen keine Braunkohlekraftwerke. Um all dies zu erreichen, brauchen wir die richtigen Säulen: mehr Photovoltaik, mehr Wind. Sie sind in der Bundesregierung, in der Großen Koalition.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

Momentan sind die Abstimmungen zum EEG. Tun Sie alles dafür, damit wir die Energiewende in Bürgerhand in Bayern noch umsetzen können; denn momentan sieht es nicht danach aus. Das ist momentan Ihr Auftrag.

Bitte kommen Sie zum Ende, Herr Kollege.

Das ist Ihr Auftrag, dass Sie sich dafür in der Bundesregierung engagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSUFraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich komme jetzt zurück zur namentlichen Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 5. Das ist die Drucksache 17/9207, "Verwaltungskostenmehraufwand bei Wiedereinführung des Sachleistungsvorrangs". – Fünf Minuten. Wir eröffnen die Abstimmung.

Noch eine Minute!

(Namentliche Abstimmung von 16.36 bis 16.41 Uhr)

Die Zeit ist um. Wir schließen die Abstimmung und zählen außerhalb des Plenarsaales aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie bitte wieder Platz. Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesordnungspunkte 7 und 8 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Moratorium gegen eine Neuzulassung von Glyphosat (Drs. 17/10033)

und

Antrag der Abgeordneten Florian von Brunn, Harry Scheuenstuhl, Klaus Adelt u. a. (SPD) Glyphosat: Risiken schnell ermitteln - Kinder schützen - unnötigen Einsatz sofort unterbinden (Drs. 17/9792)

Bevor ich die Aussprache eröffne, gebe ich bekannt, dass sowohl die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN als auch die SPD-Fraktion für ihren Antrag jeweils namentliche Abstimmung beantragt hat.

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und weise darauf hin, dass die Gesamtredezeit 24 Minuten beträgt. Erste Rednerin ist Frau Kollegin Steinberger.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer zurzeit aufmerksam übers Land fährt, wird sie überall sehen: Die unnatürlich gelben Felder, totgespritzt mit Glyphosat. Die Neuzulassung dieses Wirkstoffs steht möglicherweise unmittelbar bevor. Die EU-Kommission hat deutlich signalisiert, dass sie Glyphosat demnächst zulassen möchte.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Danke, Frau Präsidentin. – Dabei gibt es erhebliche Zweifel bezüglich der Unbedenklichkeit dieses Giftes. Ich erinnere daran, dass die WHO Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft hat. Natürlich macht die Dosis das Gift. Das wissen wir auch. Aber gerade beim Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist noch nicht eindeutig bewiesen, dass sein Einsatz unbedenklich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Übrigens lehnen 70 % der Deutschen – das ist ein hoher Prozentsatz – dieses Gift ebenfalls ab. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – EFSA – hat selbst zugegeben, dass die Unterlagen zum Teil mangelhaft sind und die Hersteller noch zusätzliche Unterlagen beibringen müssen. Trotzdem will die Kommission diese Ergebnisse nicht mehr abwarten. Die Zulassung von Glyphosat zu erneuern, bevor eine abschließende Bewertung erfolgt ist, bedeutet, die menschliche Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Das wäre nicht der Schutz der Bürger, von dem wir heute schon so oft gesprochen haben.

Ich möchte nur daran erinnern, dass es ein Schreiben von hundert Wissenschaftlern gibt, die vor einem Einsatz von Glyphosat warnen. Sie lassen kein gutes Haar an der Bewertung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR. Sie sehen darin schwerwiegende Mängel. Wissenschaftlich unakzeptabel sei diese Bewertung. Auch das Umweltbundesamt hat sich gegen die Neuzulassung gewandt. Das BfR hat seine Aussage inzwischen übrigens auch relativiert. Am Anfang hieß es, Glyphosat sei absolut unbedenklich. Inzwischen wird betont, Glyphosat sei nur bei bestimmungsgemäßer Verwendung und nach dem derzeitigen Wissensstand wahrscheinlich nicht krebserregend. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so argumentiert eine Behörde, wenn sie später nicht für Schäden haftbar gemacht werden will.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Verlängerung der Zulassung zum derzeitigen Zeitpunkt stellt einen eklatanten Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip, den Grundpfeiler der deutschen und der europäischen Verbraucherschutzpolitik, dar. Nach diesem Prinzip darf ein Produkt erst dann zugelassen werden, wenn seine Ungefährlichkeit zweifelsfrei feststeht. Die bayerische Umweltministerin Ulrike Scharf sieht das Problem ganz ähnlich. Sie hat Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt Folgendes geschrieben. Ich zitiere:

Im Interesse des Verbraucherschutzes und des Umweltschutzes darf die Entscheidung über eine erneute Genehmigung nicht vorschnell getroffen werden. Es müssen alle verfügbaren wissenschaftlichen Bewertungen in eine solche Entscheidung mit einbezogen werden. Da die erneute Genehmigung eine Entscheidung für die nächsten 15 Jahre darstellt, dürfen solche Informationen nicht unberücksichtigt bleiben. Ich bitte daher, dass sich die Bundesregierung auf EUEbene dafür einsetzt, dass die Bewertungen noch abgewartet werden und in den Entscheidungsprozess der EU-Kommission einfließen können.

Zitat Ende. – Frau Scharf, damit haben Sie unsere volle Unterstützung. Im Umweltausschuss hatten wir das Thema schon. Dort haben Sie, Frau Schorer-Dremel, argumentiert, dass mit diesem Schreiben unsere Forderung schon erfüllt sei. Das soll und kann uns aber nicht reichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, welche Wirkung Ihr Brief, Frau Scharf, auf den Minister hatte. Sehr beeindruckt davon war er wohl nicht; denn eine Woche, nachdem er Ihren Brief erhalten hat, hat er sich im "Morgenmagazin" deutlich

für die Zulassung von Glyphosat ausgesprochen. Nach dem, was man heute in der "Süddeutschen Zeitung" liest, ist anscheinend auch Umweltministerin Hendricks bereits umgefallen. Deshalb bin ich auch gespannt darauf, was die SPD-Fraktion dazu zu sagen hat. Eine Entscheidung des Bayerischen Landtags in gleicher Sache hätte eine etwas größere Schlagkraft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der CSUFraktion, wenn Sie heute unseren Antrag auf ein Moratorium ablehnen, lehnen Sie auch ein Anliegen der bayerischen Umweltministerin ab. Überlegen Sie sich gut, welches Signal von einer solchen Entscheidung ausgeht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem Antrag der SPD-Fraktion können wir gerne auch zustimmen.

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Scheuenstuhl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Rund 700.000 Tonnen Glyphosat werden weltweit pro Jahr eingesetzt, davon rund 6.000 Tonnen in Deutschland. Der Wirkstoff ist rund um den Globus das am meisten eingesetzte nicht selektive systemische Breitbandherbizid. Umgangssprachlich besser bekannt ist es unter dem Handelsnamen "Roundup".

Was ist nun das Problem an dem Mittel? Es steht seit geraumer Zeit im Verdacht, krebserregend zu sein. Bis jetzt zeichnet sich kein Ende des Expertenstreits über die Neubewertung des Wirkstoffs ab. Um es noch einmal kurz in Erinnerung zu rufen: Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat im Juli 2015 den Wirkstoff Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das für die gesundheitliche Risikobewertung des Pflanzenschutzmittels zuständig ist, relativierte die Einstufung durch das prüfende Institut. Es stuft den Wirkstoff als wahrscheinlich nicht krebserregend ein. Es gibt den Wissenschaftlern der WHO in einer Stellungnahme, die im Oktober an die Öffentlichkeit gelangte, jedoch in Teilpunkten recht.

Nun sind sich auch die EU-Staaten uneinig. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Neuzulassung für weitere 15 Jahre wurde von März auf Mai dieses Jahres verschoben, da sich Frankreich, Italien und die Niederlande klar gegen eine Zulassungsverlängerung gestellt haben. Sieben weitere Länder, darunter auch Deutschland, haben diesbezüglich ihre Enthaltung angekündigt.

Die völlig unterschiedlichen Einschätzungen zweier anerkannter Forschungseinrichtungen zeigen nun vor allem eines: Für eine abschließende Beurteilung fehlen uns weitere Informationen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis uns diese Informationen vorliegen und die Frage endgültig geklärt ist, ob das Mittel nun krebserregend ist oder nicht, muss das Prinzip des vorsorgenden Gesundheitsschutzes gelten. Bis Mai 2016 wird eine weitere Bewertung durch ein Gremium der WHO erwartet. Voraussichtich wird im Jahr 2017 eine Analyse durch die Europäische Chemikalienagentur veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine Behörde der Europäischen Union, die die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte bei der Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien regelt. Das ist eine weitere Studie.

Was wir über den Stoff bis heute schon sicher wissen, lässt mich jedoch als Umweltschützer erschrocken aufhorchen. Der großflächige Einsatz von Glyphosat führt nachweislich zu einer Verschlechterung der biologischen Vielfalt. Bereits jetzt lassen sich der Wirkstoff und sein Abbauprodukt in einer Vielzahl heimischer Oberflächengewässer nachweisen. Bei einer stichprobenartigen Untersuchung in mehreren deutschen Großstädten wurde Glyphosat in sieben von zehn Urinproben nachgewiesen. Glyphosatrückstände finden sich in Haferflocken, Mehl, Brötchen, Bier und seit Neuestem – das kann ich bis jetzt noch nicht nachvollziehen – in Babywindeln. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum sich Glyphosat in Babywindeln befindet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes deutet darauf hin, dass die Belastung von Menschen mit Glyphosat in den letzten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen ist. Die Absatzmengen haben sich in den letzten 25 Jahren bundesweit versechsfacht, von 1.000 Tonnen Anfang der Neunzigerjahre auf 6.000 Tonnen. Das bedeutet, man setzt das Mittel gezielt immer stärker ein, obwohl wir Bedenken haben. Ohne Rücksicht auf Verluste wird es sogar flächig auf ganze Äcker ausgebracht unter der Vorgabe – ich will nicht "Deckmantel" sagen –, etwas für den Umweltschutz zu tun. Wenn ich ehrlich bin, ist das für mich nicht nachvollziehbar. Wie kann ein derartiges Mittel aus Umweltschutzgründen eingesetzt werden? Glücklicherweise nimmt das Umweltbundesamt unter Leitung von Barbara Hendricks die Risiken durch den Wirkstoff sehr ernst. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn es nach Ihnen und Ihrem Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ginge, wäre die Zulassung von Glyphosat besser gestern als heute still und heimlich über die Bühne gegangen.

Mit unserem Antrag fordern wir eine flächendeckende repräsentative Studie, um die Glyphosatbelastung der bayerischen Bevölkerung und insbesondere der Kinder zu überprüfen.

(Beifall bei der SPD)

Auf die Kinder müssen wir besonders achten, weil sie sehr empfindlich sind. Wir wollen, dass das Mittel im kommunalen und privaten Bereich zum nächstmöglichen Zeitpunkt verboten wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie tragen Verantwortung für Bayern und unsere Kinder. Bitte nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr. Das muss vorsorglich passieren. Sie sollten sich nicht hinstellen und sagen: Die Untersuchung ist abschließend erledigt. Vorsorge verhindert die Nachsorge.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei den Medien bedanken, die dieses Thema nicht untergehen lassen, obwohl es schon mehrfach beraten worden ist. Es kommt jedoch immer wieder etwas Neues auf. Unserem Antrag und dem Antrag der GRÜNEN sollte zugestimmt werden, um unsere Kinder und unsere nachfolgenden Generationen vor diesem Mittel und dessen Auswirkungen zu bewahren.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schorer-Dremel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Glyphosat beschäftigt uns in diesem Hohen Hause und vor allem im Umweltausschuss seit über einem Jahr. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Deutschland eigentlich bis Ende des Jahres 2015 Berichterstatter in der EU für die Verlängerung dieses Wirkstoffes sein sollte. Am 8. Juli des vergangenen Jahres haben wir bereits einen Dringlichkeitsantrag der CSU beschlossen, mit dem die Staatsregierung aufgefordert worden ist, bis zum Abschluss des Neubewertungsverfahrens auf EU-Ebene die Auswirkungen des Einsatzes glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel auf das Grundwasser und Oberflächengewässer etc. zu untersuchen und dem Landtag zu berichten. Gleichzeitig gab es weitere Dringlichkeitsanträge zu Pflanzenschutzmitteln. Im Dezember ist hierzu ein Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER gestellt worden.

Im Rahmen der Diskussionen waren wir uns über die Parteigrenzen hinweg immer einig, dass glyphosathaltige Mittel im privaten und kommunalen Bereich als sehr bedenklich angesehen werden. Mit dieser Ansicht sind wir nicht allein. In der 11. Verbraucher

schutzministerkonferenz am 8. Mai letzten Jahres und in der 84. Umweltministerkonferenz am 22. Mai letzten Jahres haben alle Umweltminister – auch unsere Umweltministerin – den Bund aufgefordert, die Abgabe an und die Anwendung durch Privatpersonen zu verbieten und für bestimmte verbrauchernahe Anwendungen, insbesondere für Freiflächen, die nicht landoder forstwirtschaftlich genutzt werden, zeitnah ein Verbot der Anwendung von Glyphosat auszusprechen. Ich denke, man merkt, dass wir uns hinsichtlich der Gewichtigkeit dieses Themas durchaus einig sind. Einverständnis herrschte auch darüber, dass die Staatsregierung zunächst berichtet, bevor Maßnahmen ergriffen werden. Dieses Thema ist auch am 8. Februar im Umweltausschuss behandelt worden. Damals haben die SPD und die GRÜNEN die Anträge angesichts der für den 7. und 8. März geplanten Entscheidung aufgegriffen, die jetzt auf den 18. und 19. Mai verschoben worden ist.