Protokoll der Sitzung vom 28.04.2016

Sie haben jetzt ein Papier vorgelegt – ich habe keine Ahnung, ob es überhaupt die Bezeichnung "Gesetz" verdient –, von dem Ihr Parteikollege Uwe Brandl, der Präsident des Bayerischen Gemeindetages, sagt: Dieser Gesetzentwurf ist an keiner Stelle konkret, er ist zu schwammig. Herr Brandl ist ein CSU-Politiker, und zwar kein unwichtiger. Martin Neumeyer, der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, musste vorhin selber lachen, als er sagte, dass es gut sei, dass er diesen Job ausübe. Er hat außerdem gesagt, dieser Gesetzentwurf sei repressiv statt motivationsfördernd.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Das ist die Aussage von Martin Neumeyer, nicht die Aussage eines SPD-Politikers. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Thema ist wirklich wichtig. Herr Minister Dr. Huber, Sie haben erklärt, dass Sie möglichst gemeinsam mit allen Fraktionen in diesem Hohen Haus einen Gesetzentwurf vorlegen wollen. Deshalb haben Sie zu einem Gespräch bei Ihnen eingeladen. Danach kam nichts. Herr Kreuzer hat ein Integrationsgesetz immer verteufelt. Als wir eine interkulturelle Öffnung und eine interkulturelle Schulung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefordert haben, hat er gesagt, dies sei ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Anscheinend hat er inzwischen umgedacht. In Ihrem Papier ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung erwähnt.

Wir machen Ihnen noch einmal ein konkretes Angebot. Der Ministerpräsident sucht die Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Bürgerinnen und Bürger, mit denen er diese Koalition eingehen möchte, haben diesen Gesetzentwurf der Staatsregierung in sehr vielen Sitzungen abgelehnt. Wir sollten uns deshalb noch einmal an einen Tisch setzen und gemeinsam ein Gesetz formulieren, das die Bezeichnung "Integrationsgesetz" wirklich verdient.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Thema ist viel zu wichtig, als dass es für wahlkampftaktische Überlegungen verwendet werden sollte. Bei diesem Thema geht es um den Zusammenhalt der Menschen in Bayern insgesamt. Dessen sollten Sie sich bewusst sein. Lassen Sie uns noch einmal darüber nachdenken.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat nun Herr Kollege Unterländer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Lieber Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich bei dieser Aktuellen Stunde gefragt, was die SPD-Fraktion eigentlich will. Ich frage mich, ob Sie spalten und diesen Diskussionsprozess nicht weiter positiv gestalten wollen oder ob Sie gemeinsam mit uns über dieses Thema beraten wollen, wie das Herr Kollege Taşdelen am Schluss gesagt hat. Was gilt nun? – Das ist in dieser Aktuellen Stunde nicht erkennbar. Wenn Sie ein Miteinander wollen, was die Voraussetzung für die Integration in unserer Gesellschaft ist, dann dürfen Sie nicht spalten, sondern müssen versuchen, Gemeinsamkeiten zu erreichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Arif Taşdelen (SPD): Genau! Bravo!)

Sobald die Anhörungen stattgefunden haben, werden wir auf der Grundlage eines Gesetzentwurfes in die Gesetzesberatungen eintreten. Wir werden dann miteinander die Möglichkeit haben, über dieses Thema vernünftig und in aller Breite zu diskutieren und zu Ergebnissen zu kommen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hoffen wir das!)

Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Sie wollen jetzt in dieser Aktuellen Stunde den Spaltpilz in die Gesellschaft hineinbringen,

(Markus Rinderspacher (SPD): Wir? Also Herr Unterländer!)

obwohl Sie nur einen überschaubaren Anteil der Bevölkerung repräsentieren. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Ihnen das besonders gut gelingen wird. Ich sage aber ganz klar: Für uns ist die Voraussetzung für eine gelingende Integration ein Miteinander, ein Geben und ein Nehmen.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Für uns auch!)

Geben und Nehmen bedeutet, dass beide Gruppen, die aufnehmende Gesellschaft und diejenigen, die sich zu integrieren haben, gemeinsam miteinander leben. Dabei möchte ich zu dem Beispiel des Türschlosses, das Frau Kollegin Kamm gebracht hat, etwas anmerken: Wenn mehrere Parteien durch dieselbe Tür gehen, brauchen sie natürlich eine Hausordnung, damit sie im Haus zusammenleben können.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von den GRÜNEN)

Diese Hausordnung besteht aus unserer freiheitlichdemokratischen Grundordnung, unserer Kultur

(Margarete Bause (GRÜNE): Aber nicht Ihrem Leitkult!)

und dem demokratischen Miteinander. – Allein Ihr Schreien zeigt, dass Sie selbst mit dieser Kultur Ihre Schwierigkeiten haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU – Thomas Gehring (GRÜNE): Deutsche Unterkultur! – Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Herr Kollege Dr. Fahn, Sie fordern den Bürgerkonsens. Diesen herzustellen wird in Bezug auf das Integrationsgesetz die weiterführende Aufgabe sein, die wir zu erledigen haben. In diesem Zusammenhang möchte ich ganz deutlich etwas feststellen: Sie empfinden die Ernennung unseres Integrationsbeauftragten, des Kollegen Martin Neumeyer, als monarchisch, wie es der Kollege Rinderspacher gesagt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Dazu sage ich Ihnen: Ihre Diskreditierung der Arbeit von Martin Neumeyer ist eine bodenlose Frechheit und widerspricht dem, was die Menschen in unserem Land empfinden.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD) – Margarete Bause (GRÜNE): Sie haben echt keine Argumente! – Dr. Paul Wengert (SPD): Unterstellung! Ihr könnt ja nicht einmal differenzieren! – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Das stimmt nun wirklich nicht!)

Das widerspricht auch der hervorragenden Arbeit, die Martin Neumeyer in diesem Zusammenhang leistet. – Meine Damen und Herren, das Gutachten, das von den Migrationsstiftungen in den vergangenen Tagen vorgestellt worden ist, zeigt, dass nicht nur die Aufnehmenden und die Ankommenden in unserer Gesellschaft Integrationsbedarf haben, sondern auch diejenigen mit Migrationshintergrund. Dort ist teilweise eine schärfere Wahrnehmung von Problemen vorhanden als in anderen Teilen der Gesellschaft.

(Markus Rinderspacher (SPD): Bei den Kirchen, bei den Gewerkschaften, bei den Spitzenverbänden, bei allen! Das sind nicht die Migrantenverbände!)

Deswegen ist eine daran angepasste differenzierte Vorgehensweise dringend erforderlich. Im Zusammenhang mit diesem Integrationsgesetz müssen wir die gesellschaftliche Situation in den Wohnbereichen, die Situation in der Ausbildung und gerade die frühkindliche Förderung verbessern, um eine gelingende Integration derjenigen Menschen zu ermöglichen, die zu uns gekommen sind und noch zu uns kommen werden. Letztere sind mehr als diejenigen, die im Rahmen des Migrationsprozesses bisher gekommen sind. Deswegen ist es notwendig, ein solches Gesetz zu schaffen. Deswegen ist es notwendig, Spielregeln zu haben. Dabei handelt es sich um die Spielregeln, die das Zusammenleben in unserem Land in einer bewährten Tradition ermöglicht haben. In diesem Sinne ist es klar, dass wir ein Integrationsgesetz auf der Basis eines Gesetzentwurfs der Staatsregierung brauchen, über dessen Einzelheiten wir natürlich diskutieren müssen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Letzte hat nun Frau Staatsministerin Emilia Müller das Wort. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Beim Thema Integration ist es angebracht und wichtig, mit der nötigen Sachlichkeit vorzugehen.

(Beifall bei der CSU – Margarete Bause (GRÜNE): So hat der Zellmeier geredet! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau!)

In Bayern sind derzeit – ich möchte es betonen, und ich glaube, ich bin von allen am nächsten dran – 155.000 Menschen untergebracht.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Das sind Menschen aus unterschiedlichen Nationen mit unterschiedlichen Religionen, aus unterschiedlichen Sprachfamilien und unterschiedlichen Kulturen. Es ist eine gewaltige Leistung, dass wir das im letzten Jahr hinbekommen haben. Stellen Sie sich die Größenordnung einer Stadt mit 155.000 Einwohnern vor. Ich komme aus der Oberpfalz. Regensburg hat nicht so viele Einwohner. Man muss sich immer im Detail anschauen, was das bedeutet. Ich gehe davon aus, dass in der Zukunft ungefähr 70 % derjenigen, die zu uns gekommen und bei uns untergebracht sind, anerkannt werden. 70 %! Sie können sich ausrechnen, was das bedeutet. Die Menschen müssen hier wohnen und integriert werden, und wir müssen unter an

derem die Balance in unserer Gesellschaft halten. Das ist eine riesige Herausforderung.

Integration geht nicht von heute auf morgen. Das müssten wir doch alle wissen. Wir brauchen einen langen Atem und die notwendige Geduld. Die nächste Generation wird uns sagen, ob es uns gelungen ist, diese Menschen bei uns zu integrieren. Wir wollen, dass Integration gelingt; denn eine gelingende Integration ist die Voraussetzung dafür, dass die Arbeitslosigkeit bei uns niedrig bleibt, dass der Wohlstand erhalten bleibt und dass die verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft in sozialem Frieden und in Balance miteinander leben können.

Damit Integration gelingt, ist zum Ersten ein kontrolliertes Zugangsgeschehen erforderlich. Zum Zweiten sind die richtigen Leitprinzipien für die Integration erforderlich. Dazu gehört an vorderster Stelle unser Grundsatz des Förderns und Forderns. Dazu brauchen wir die ausdifferenzierten Fördermaßnahmen. Darüber haben wir uns mehrfach Gedanken gemacht. Alle Fraktionen waren in der Staatskanzlei dabei, als wir gemeinsam mit Marcel Huber an diesem Integrationsgesetz gearbeitet haben.

(Margarete Bause (GRÜNE): Wer hat dann ein zweites Treffen verweigert?)

Der Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung beruht auf den Voraussetzungen, die ich vorhin erwähnt habe.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Und nicht auf diesen Gesprächen!)

Zusammen mit dem Integrationspaket können wir die Integration bestmöglich fördern. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich an, was in Bayern passiert. Wir können mit Fug und Recht sagen, dass Bayern das Land der gelingenden Integration ist.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das ist aber nicht Ihnen zu verdanken!)

In unseren großen Städten in Bayern liegt der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund grundsätzlich bei über 30 %.

(Zuruf des Abgeordneten Florian Ritter (SPD))

Wir haben keine Parallelgesellschaften. Wir haben keine Ghettos. Augsburg, eine unserer größeren Städte, hat 36 % Einwohner mit Migrationshintergrund, und ich darf sagen: Auch dort ist Integration absolut gelungen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Es ist hier mehrfach angesprochen worden: Bayern ist weltoffen. Bayern ist bunt. Die Menschen in Bayern sind tolerant und leben nach dem Grundsatz "Leben und leben lassen". Die zentrale Voraussetzung für gelingende Integration lautet: Integration geschieht nach klaren Regeln nach dem Grundsatz "Fordern und fördern". Beim Fördern sind wir uns mit allen Fraktionen einig. Das ist überhaupt kein Problem. Auch wir wollen, dass gefördert wird. Ich wünschte, wir wären uns genauso fraktionsübergreifend einig, dass auch das Fordern und gegebenenfalls Sanktionen zwingend notwendig sind. Integration ist keine Einbahnstraße, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Unser Gesetzentwurf fordert deshalb von den Migrantinnen und Migranten ausdrücklich die Achtung unserer Werteordnung und unserer Leitkultur. Migrantinnen und Migranten müssen das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung anerkennen, sich dazu bekennen und danach leben.