Ich nenne in aller Kürze die Faktenlage. Wir haben in Bayern noch etwa 33.000 Milchviehbetriebe. In Deutschland sind es etwas über 80.000. In Bayern werden gut sieben Milliarden Kilogramm Milch erzeugt, in Deutschland 32 Milliarden Kilogramm. Jetzt wurden 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wohin ist das Geld gegangen oder wohin soll es wandern? – Etwa 78 Millionen Euro sollen in die Sozialversicherungen fließen. So weit, so gut; allerdings ist es dann nicht direkt dort, wo es hin soll; denn das ist eine Verteilung mit der Gießkanne. Die verbliebenen 20 Millionen Euro sollen in Steuervergünstigungen fließen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer keine Gewinne macht, braucht sich momentan nicht mit Steuern zu befassen.
Ich möchte in einer Rechnung darlegen, wie das auf einen bayerischen Durchschnittsbetrieb im Alpenraum wirkt mit 120.000 Kilogramm Jahresproduktion, im Monat etwa 10.000 Kilogramm. Wenn er im Monat 10 bis 15 Cent pro Liter an Mindererlösen gegenüber vor einem Jahr hat, verliert er monatlich den Betrag, den Sie jetzt über die 100 Millionen Euro zuschießen wollen, meine Damen und Herren.
Das ist eine Degradierung zum Almosenempfänger, eine Verkennung der Situation. So können wir mit den Betrieben vor Ort nicht umgehen. Wir müssen das Thema lösen, indem wir diese Zahlungen an eine Mengenveränderung knüpfen. Darin läge die Lösung. Das soll nicht bayernweit, auch nicht deutschlandweit, sondern europaweit in Angriff genommen werden. Daran fehlt es, liebe Kollegen.
Liebe beide Vorredner, wir von den FREIEN WÄHLERN sind es gewohnt, dass Sie unsere Anträge ablehnen.
Ich habe vorher gehört, dass vom Lebensmitteleinzelhandel gesprochen wird – wir sollen die Discounter besser überwachen. Wir FREIE WÄHLER haben mehrfach Anträge gestellt, dem Lebensmitteleinzelhandel besser auf die Finger zu schauen.
Ich kann mich noch gut erinnern: Ablehnung; nichts anderes. Jetzt kommen Sie daher und stellen in Ihrem Agrar-Parteiprogramm – nichts anderes ist es –, in Ihrem heutigen Antrag die Forderung auf, den Lebensmitteleinzelhandel besser zu kontrollieren. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo sind wir denn eigentlich? Wenn das draußen einer mitkriegt, muss er sich das fragen. Es ist nicht nur verkehrte Welt. Die Discounter wollen nicht. Wenn Sie es jetzt kapiert haben, dann gratuliere ich Ihnen. Aber bitte: Das wäre schon vor vielen Monaten und Jahren möglich gewesen.
Sie sprechen einen zweiten Punkt an. Molkereien und Landwirte sollen in gemeinsamen Vereinbarungen die Quote, die Menge auf ein vernünftiges Maß reduzieren. Liebe Kollegen von der CSU, damit hintergehen Sie Minister Helmut Brunner. Lieber Minister Helmut Brunner, ich habe der Rede neulich auf dem schwäbischen Milchbauerntag aufmerksam zugehört. Die Landwirte haben die Worte sehr erwartungsvoll verfolgt. Leider muss ich heute nach den Erklärungen sagen, dass die Hoffnungen ein Stück umsonst waren. Von Ihnen war nämlich zu hören: Wir müssen alle Vorschläge aufnehmen; wir müssen sie nicht nur diskutieren; wir müssen sie in unsere Lösungen einbeziehen. Damit wurden Hoffnungen geweckt. Jetzt höre ich andere Argumente. Ich habe vorher gehört, die einzelbetrieblichen Mengenreduzierungen gegen Entschädigung würden keine Mehrheit finden. – Es wurde noch nie ausprobiert!
Geben Sie dieser Möglichkeit doch wenigstens einmal eine Chance! Mit einem bestimmten, mit einem attraktiven Beitrag kann man die Milchmenge reduzieren. Wenn ein Betrieb – ich sage noch einmal: das muss europaweit gelten – für eine bestimmte Zeit die Milchmenge um 5 % oder mehr kürzen würde, wäre damit auch dem Produkt und dem Markt geholfen, und die Landwirte hätten das Gefühl, dass sie sich daran beteiligen. Momentan geht man mit der Gießkanne über das Ganze. Wir sehen keine Chance, uns weiterhin sinnvoll am Marktgeschehen zu beteiligen. Wir haben ja Marktpreise. Auf dem Spot-Milchmarkt betragen die Preise derzeit etwa 12 Cent pro Liter. – Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Es gibt Wissenschaftler,
nach deren Berechnungen die Produktionskosten pro Kilogramm nicht nur bei 40 Cent, sondern bei 50 Cent liegen. Ich habe vorher gehört, dass Bayern noch um 5 Cent besser ist als andere. – Leute, es ist ein schlechter Trost, wenn ich unter dem Auto liege, der andere fährt über mich und der Dritte sagt: Du hast Glück gehabt; du hättest auch tot sein können.
(Thomas Kreuzer (CSU): Wir haben noch keinen einzigen Vorschlag gehört! Sie beklagen seit zehn Minuten die Situation!)
Da wir gerade bei dem Thema sind, noch ein Weiteres. – Lieber Herr Kollege Kreuzer, ich habe Ihnen auch zugehört. Das erwarte ich von Ihnen ebenfalls.
Sie fordern, dass die Landwirte untereinander Absprachen treffen. Herr Minister Helmut Brunner hat es auch auf dem schwäbischen Milchbauerntag zu Recht erwähnt: Die Verhandlungen werden sich schwierig gestalten. Ich kenne wenige Molkereien, die bereit sind, die Milchmenge zurückzufahren; denn aufgrund der Globalisierung und des Weltmarktes wollen sie Kapazitäten. Damit kommen Landwirte und Bauern schlecht klar. Deshalb müssen die Landwirte, die Bauern und die Molkereien mit ins Boot geholt werden. Der Staat muss dabei eine Führungsaufgabe übernehmen. Wir können das nicht nur begleiten, sondern wir müssen federführend tätig sein. – Biogas wird ganz nebenbei auch noch erwähnt. Für den großen Bereich ist das natürlich eine Zumutung.
Ich komme zum Ende, da die Redezeit für die Opposition sehr kurz anberaumt ist. Wir werden den Antrag der GRÜNEN ablehnen. Erstens. Wir können der zweiten Säule nicht folgen. Zweitens. Der Themenbereich ist nicht auf die Märkte konzentriert. Heute sind Getreide, Fleisch und vor allem Milch die Themen.
Dem Antrag der CSU können wir nicht zustimmen; denn wenn ich den Landwirten draußen erzähle, dass wir dieses und jenes beschlossen haben, sagen sie: Wo seid ihr denn eigentlich? – Damit will ich schließen. Wenn Sie einmalig 15.000 Euro pro Betrieb veranschlagen und sagen, dass man das auf eine einzelbetriebliche Milchmengenreduzierung anrechnen kann, gehen Sie davon aus, dass es sich um eine ein
malige Krise handelt und dass am Milchmarkt anschließend alles wie von selbst laufen wird. – Liebe Kollegen von der CSU, das ist völlig unrealistisch. Es geht am Thema vorbei.
Ganz am Schluss will ich noch erwähnen: Minister Helmut Brunner und Albert Deß in Brüssel haben das anscheinend erkannt. Bitte machen Sie aber Ihrem Christian Schmidt etwas Beine.
Er hat nach wie vor nicht erkannt, wie gewaltig die Problematik ist. Er wird weiterhin Kontakte mit der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft pflegen dürfen, aber das Thema muss jetzt angegangen werden. Dies muss auch einem Christian Schmidt klar sein. Jetzt geht es um die Existenz der bayerischen Milchwirtschaft. Hier ist es fünf nach zwölf.
Vielen Dank. Bitte bleiben Sie am Rednerpult. – Herr Dr. Herz, bitte kommen Sie zurück. – Herr Kollege Kirchner.
Herr Dr. Herz, Sie haben Ihre Ausführungen begonnen mit: Was man braucht, sind Lösungen. Ich habe Ihnen daher ganz gespannt zugehört, habe aber leider keine Lösungsansätze, Hinweise oder irgendwelche Möglichkeiten, die Sie aufgezeigt hätten, vernommen. Könnten Sie das bitte noch konkretisieren, damit man auch versteht, welchen Lösungsansatz Sie gerade propagiert haben?
Herr Kollege, vielen Dank. Solche polemischen Ausführungen bin ich natürlich gewohnt; das ist nichts Neues.
Ich wiederhole mich gerne: Wir fordern einen freiwilligen Lieferverzicht gegen Entschädigung und glauben, dass wir damit einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Milchmarktkrise leisten. Wenn Sie wollen, kann ich es noch einmal sagen. Ich glaube aber, wir bleiben im persönlichen Gespräch. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der CSU! Beim Studium Ihres Antrags dachte ich eigentlich: Mit diesem Antrag ist die Politik der Beschwichtigung, des Zögerns, des Zauderns und insbesondere des Ablen
kens und des Vertröstens beendet. Diese Annahme wurde durch die heutige Begründung grundlegend widerlegt, weil schon die Analyse von vornherein eine Ablenkung ist, weil das Vertrösten auf Europa und auf andere Ebenen ebenfalls eine Ablenkung darstellt. Sie zögern, in diesem Zusammenhang wirklich Worte in den Mund zu nehmen, die notwendig sind, Worte, die Ihr eigener Minister in den Mund nimmt. Sie sprechen von mengendämpfenden Signalen. Der Herr Minister spricht schon länger von Maßnahmen zur Milchmengenreduzierung. Nehmen Sie sich den Mut Ihres Ministers zu Herzen und formulieren Sie Ihre Anträge dann auch entsprechend mit diesem Mut. Aus meiner Sicht ist dies aber nicht zielführend.
Zur Milchmarktkrise selbst. Natürlich ist der Preisverfall schon vor Wegfall der Milchquote entstanden, nämlich durch die Mengenfreigabe vor der Abschaffung. Von 2013 bis zum 7. August 2014 – das ist der Zeitpunkt des Russland-Embargos – ist der globale Preis für Milch bereits um die Hälfte gesunken. Da war die Milchquote noch nicht abgeschafft. Natürlich ist die Krise durch das Russland-Embargo verstärkt worden, und natürlich auch durch die mangelhafte Bereitschaft des asiatischen Marktes, Milch in solchen Mengen abzunehmen, wie wir uns das gewünscht haben. Ein weiterer Punkt, der richtigerweise erwähnt worden ist, betrifft die Marktmacht der Discounter. Legendär ist dabei, welche Eigentore der Bauernverband, nicht der Bayerische Bauernverband, sondern der Deutsche Bauernverband, geschossen hat. War es nicht Herr Rukwied, der sich im September 2015 als Werbedummy von Lidl hingestellt und diese Kette dafür gefeiert hat, dass sie angeblich 5 Cent für den Liter Milch bezahle? – Das ist verpufft. Herr Schöffel, ich kann Ihnen beipflichten: Das ist in der Tat sehr enttäuschend.
Nun decken die Erlöse nicht einmal mehr die Kosten. Der Erlös ist um 50 % geringer, als es notwendig wäre, um die Kosten zu decken. Bayern ist Milchland. 25 % der in Deutschland produzierten Milch werden in Bayern hergestellt. Wir haben zwischen 33.000 und 35.000 Betriebe. Für uns Sozialdemokraten ist dabei ganz wichtig, dass in der Molkereibranche über 11.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Jeder siebte Arbeitsplatz in Bayern hängt vorgelagert, nachgelagert oder zentral mit der Landwirtschaft und damit auch mit der Milchproduktion zusammen. Hier handelt es sich somit nicht um ein Spartenproblem. Das ist ein Problem der Gesellschaft, ein Problem der Struktur und der Konzentration, das soziale Spannungen hervorruft. Die Bedeutung für den ländlichen Raum ist immens; er wird nämlich dadurch gefährdet. Deshalb ist es für uns am wichtigsten, dass wir über dieses Thema so weit wie möglich konsensual sprechen.
Fragen wir nach der Schuld. – Hier können wir lesen: Da sind die Bauern selber schuld. Das ist sehr leicht dahingesprochen. Natürlich wurde zu viel Milch produziert. Allerdings muss man auch sagen, unter welchen Voraussetzungen zu viel Milch produziert worden ist. Durch den Wegfall der Quote sind Vermögenswerte weggebrochen. Schulden sind deshalb zu bedienen, und zwar mit Geld. Wer Geld braucht, muss natürlich mehr produzieren. Der produzierende Landwirt befindet sich nun einmal in diesem Teufelskreis. Wenn die Preise dann auch noch sinken, muss er noch mehr produzieren. Insofern handelt es sich hier um ein Problem, das nicht marktwirtschaftlich gelöst werden kann. Freiwilligkeit hilft hier nicht mehr weiter. Wenn diese Lösungen freiwillig wären, würden sie in den wirtschaftlichen Abgrund führen.
Der nächste Punkt in diesem Zusammenhang betrifft die Lieferverpflichtungen. Die Molkereien haben langfristige Lieferverpflichtungen mit einer sogenannten Andienungspflicht und einer Abnahmepflicht. Auch dadurch werden die Landwirte gebunden. Das entspricht nicht dem, was Sie als freie Marktwirtschaft rühmen. Eine freie Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn ein sozialer Ausgleich erfolgt. Das ist hier schon längst nicht mehr der Fall.
Die Stallbauförderungen, die auch der Freistaat Bayern gewährt, gibt es nur dann, wenn Betriebe erweitert werden. Eine Betriebserweiterung führt selbstverständlich wiederum zu einer Erhöhung der Produktionsmenge. Auch darüber müssen wir in der Zukunft diskutieren.
Wir gehen deswegen davon aus, dass diese Krise schon länger vorhanden ist und uns diese Situation nicht überraschen kann. Wir stimmen auch deshalb für Ihren Antrag, weil wir am 11. November 2014 einen Antrag mit dem Ziel gestellt haben, die Milchmarktkrise zu verhindern. Am 29.09. haben wir den Antrag gestellt, Märkte zu gestalten, statt Krisen zu verwalten. Die Milchbauern sollten nicht länger im Stich gelassen werden, sondern Liquiditätshilfen erhalten. Auf das Angebot sollte reagiert werden. Am 28. April haben wir einen Antrag zur Tierwohlinitiative und zum Weidemilchlabel eingebracht. Alle diese Punkte, die wir damals beantragt haben, finden sich jetzt in Ihrem Antrag. Damals haben Sie unsere Anträge allesamt abgelehnt. Unsere Anträge wurden damals als das Herbeireden einer Krise aufgrund parteipolitischer Motivation diffamiert.
Damit komme ich zu den Landwirtschaftsministern. Herrn Brunner muss ich in diesem Zusammenhang wirklich ausnehmen. Herr Brunner hat damals gesagt, es dürfe keine Denkverbote geben. Es wurde eine Insellösung angedacht, die von der CSU abgelehnt wor
den ist. Durch diese Ablehnung wurde das Denken negativ sanktioniert. Bei der Agrarministerkonferenz, die am 18. April in Mecklenburg-Vorpommern stattgefunden hat, hat Herr Brunner einstimmig mit den anderen Agrarministern eine Resolution unterfertigt, mit der freiwilligen Maßnahmen zur Reduzierung des Milchangebots der Vorrang gegeben werden sollte. Nach dem Abwarten einiger Monate sind jedoch verpflichtende Regelungen vorgesehen. Das war nicht einfach so dahingeschrieben. Herr Brunner, Sie selbst haben das als wichtiges Signal für die Bauern bezeichnet und in der Presse gerühmt, dass dieser Beschluss die bayerische Handschrift trage. Dieses wichtige Signal ist bei den Bauern sicherlich angekommen, aber nicht bei Ihren Kolleginnen und Kollegen in der CSU-Fraktion. In dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag wird nämlich kein einziges Wort über eine Mengenreduktion verloren. Hier haben Sie nachzuarbeiten.
Im Übrigen scheint es mir so zu sein, dass Sie mit der Einigkeit ein Problem haben. Ich möchte es einmal so formulieren: In der Agrarpolitik gibt es ein Dreieck der Zwietracht. Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt hat noch bis zum Ende des Jahres 2015 gesagt, dies sei eine vorübergehende Krise. Sein Staatssekretär Bleser sagt, mit Marktkrisen müsse man leben, deswegen sollten sie abgewartet werden. Herr Brunner sagt, er wolle Maßnahmen ergreifen. Irgendwo dazwischen pendelt die CSU-Landtagsfraktion und sagt: Das wird alles der Markt regeln; wenn nicht, dann sind andere schuld. Die Holländer liefern zu viel, die Iren liefern zu viel. Damit ist die Welt in Ordnung.
Die Welt ist nicht in Ordnung! Bringen Sie Ihre Welt, was die Landwirtschaftspolitik betrifft, in Ordnung! Machen Sie dieses Dreieck der Zwietracht in Ihrer politischen Gliederung zunichte, sprechen Sie mit einheitlicher Stimme, und widersprechen Sie sich nicht ständig. Sie schaffen sich Freiräume dadurch, dass Sie sich immer dafür entschuldigen, dass der jeweils andere etwas gesagt hat, was Sie nicht wollen.