Protokoll der Sitzung vom 01.06.2016

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Das hoffen wir doch!)

Ich kann Ihnen nur so viel versichern: Die Agrarminister sind für nächste Woche, am 7. Juni, zu einer Besprechung nach Berlin geladen. Ich denke, es macht auch Sinn, dass die Agrarminister unter sich das Ergebnis des Milchgipfels erörtern, bewerten und analysieren. Ich möchte auch daran erinnern, dass wir nächste Woche, am 6. Juni, in der Staatskanzlei ein Verbändegespräch mit verschiedenen landwirtschaftlichen Organisationen haben. Da wird unter anderem neben dem Bauernverband auch der BDM dabei sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU und der FREI- EN WÄHLER)

Vielen Dank. – Dann kommen wir zur Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Sengl. Bitte sehr.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Man sieht, ein bisschen grotesk ist die ganze Situation schon. Man muss fast sagen, Staatsminister Brunner wäre als Bundeslandwirtschaftsminister in dieser Situation sinnvoller.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CSU und der SPD – Zurufe von der CSU: Hey, hey!)

Anscheinend braucht euer Landwirtschaftsminister aus der eigenen Partei sehr viel Nachhilfe, um zu kapieren, um was es in dieser Krise überhaupt geht.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann dürfte aber der Minister Brunner nicht sagen, was er hier gesagt hat, wenn er Bundeslandwirtschaftsminister wäre!)

Wir sollten diese schwierige Zeit in der Landwirtschaft nicht für taktische Spielchen nützen und dafür, Keile in die Regierung zu treiben.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das wird aber gemacht!)

Nein. Selbstverständlich bin ich ständig mit dem Bundeslandwirtschaftsminister in Kontakt. Ich sage auch meine persönliche Meinung und stelle die Situation in Bayern dar. Ich sage auch, was aus meiner Sicht nötig wäre. Er ist aber für ganz Deutschland zuständig und hat selbstverständlich auch die Strukturen der anderen Bundesländer im Kopf. Er muss dann auch unsere Position in Brüssel durchsetzen.

Sie alle wissen, die Kunst des Regierens und der Politik besteht auch darin, sinnvolle Kompromisse zu erzielen. Das ist nicht immer einfach. Ich habe festgestellt, dass die gesamte Landtagsfraktion diese Position teilt. Wir haben am Montag in der Kabinettssitzung große Geschlossenheit ohne Einschränkung gespürt. Wir wissen sehr wohl, was zu tun und was möglich ist, meine Damen und Herren. Es nützt nichts, Dinge zu versprechen, die letztendlich nicht realisiert und finanziert werden können.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir

kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wir kommen zunächst zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11587. Das ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer hierzu seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD. Gegenstimmen, bitte. – CSU und FREIE WÄHLER. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11588, das ist der Antrag der CSU-Fraktion: Ich bitte, Zustimmung anzuzeigen. – CSU, SPD. Gegenstimmen, bitte. – FREIE WÄHLER und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11590, das ist der Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER: Ich bitte, Zustimmung anzuzeigen. – FREIE WÄHLER, SPD. Die Gegenstimmen, bitte! – CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Und schließlich zum Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/11593, das ist der Antrag der SPD-Fraktion: Ich bitte, Zustimmung anzuzeigen. – SPD, FREIE WÄHLER. Gegenstimmen, bitte. – CSU. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Ich glaube, damit haben wir alle Variationen durch. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir machen weiter mit den Dringlichkeitsanträgen. Ebenfalls zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian von Brunn, Klaus Adelt u. a. und Fraktion (SPD) Listeriose-Ausbruch mit Erkrankten und Toten durch kontaminierte Lebensmittel: Umfassende Information von Landtag und Verbrauchern notwendig! (Drs. 17/11589)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Nikolaus Kraus u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Zeitnaher und umfassender Bericht zu Listerienfunden und Listeriose-Ausbrüchen in Bayern (Drs. 17/11605)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Rosi Steinberger u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Listerienbelastung bei Produkten der Firma Sieber (Drs. 17/11606)

Zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/11589 wurde namentliche Abstimmung beantragt; dies gebe ich hiermit bekannt. – Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Herr Kollege von Brunn, jetzt haben Sie das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über eine sehr ernste Angelegenheit: über rund 80 Listeriose-Erkrankungen in Süddeutschland seit dem Jahr 2012,

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

davon 22 Infektionen in Bayern, über acht Tote, vier davon in Bayern und darunter ein Fall als direkte Folge einer Listeriose-Infektion. Die Dimension dieses Ausbruchgeschehens ist so schlimm, dass wir einen ausführlichen Bericht und eine ausführliche Diskussion hier im Landtag für dringend notwendig, sogar für unabdingbar erachten. Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Kaum ist ein Lebensmittelskandal, zuvor Bayern-Ei, von der Tagesordnung verschwunden, trifft Bayern ein neuer, der Fall Sieber.

Das Umweltministerium hat am vergangenen Freitag die Notbremse gezogen; ihm blieb keine andere Wahl, nachdem das Robert-Koch-Institut und andere befasste Behörden durch ein molekularbiologisches Verfahren, wie es das Ministerium in seiner Pressemitteilung formuliert, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen mit immer noch hoher Wahrscheinlichkeit einen Zusammenhang zwischen einem Listerien-Fund in einem Fleischprodukt der Firma Sieber und dem schon erwähnten Ausbruchsgeschehen hergestellt haben.

(Unruhe)

Herr Kollege, entschuldigen Sie die Unterbrechung! – Liebe CSUFraktion, es ist unerträglich laut auf Ihrer Seite.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege.

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Verantwortliche der Firma.

Ja, es war unerlässlich, die Notbremse zu ziehen. Wir sind aber der Auffassung: Es ist viel besser, rechtzei

tig die richtige Weichenstellung vorzunehmen, bevor man überhaupt in die Verlegenheit kommt, die Notbremse ziehen zu müssen.

In den ersten Veröffentlichungen zu diesem neuerlichen Skandal hat man davon gesprochen, man habe die Quelle der Listeriose-Fälle gezielt bis in die jüngste Zeit ermittelt, und die zuständigen Stellen haben sich selbst auf die Schultern geklopft. Tatsache ist aber, dass erst ein Zufallstreffer bei einer Routinekontrolle an einer Ladentheke im Landkreis Nürnberger Land das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf die richtige Spur gebracht hat. Es war keine gezielte Kontrolle bei der Firma Sieber, und es waren nicht die Kontrolleure am Produktionsstandort in Geretsried im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Dort wurde offensichtlich erst dann durch die Spezialeinheit kontrolliert, nachdem man im Nürnberger Land fündig geworden war.

Frau Staatsministerin, ich frage Sie deshalb: Wie kann es sein, dass es seit 2012, also seit circa vier Jahren, immer wieder neue Listeriose-Fälle in Bayern gab, die von Ihrem Haus und den Ihnen unterstellten Behörden heute auf die Firma Sieber zurückgeführt werden, dass aber von den amtlichen Kontrolleuren am Produktionsstandort in diesen Jahren niemals Listerien in den Produkten der Firma Sieber festgestellt wurden? – Ich rede nicht von den Selbstkontrollen; auf diese komme ich später zu sprechen. Ich rede von der Zuverlässigkeit und der Wirksamkeit amtlicher Kontrollen in einem Fall, in dem Menschen gestorben sind.

Es gibt nur zwei Erklärungen: Entweder stimmen die Schlussfolgerungen Sieber betreffend nicht – das will ich aber nicht unterstellen; denn ich gehe davon aus, dass Sie Ihre weitreichenden und einschneidenden Entscheidungen wohl begründet und umfassend überprüft haben –, oder es gab Probleme bei Sieber, die für die Erkrankungen und Toten ursächlich sind, aber die Kontrolleure des Landratsamtes Bad Tölz-Wolfratshausen haben sie nicht aufgedeckt und deshalb nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen.

Wenn der zweite Fall zutrifft, dann gibt es ein Riesenproblem für den Verbraucherschutz in Bayern; denn das würde bedeuten, dass wir die Menschen aufgrund von Fehlern im System, aufgrund von Problemen bei Kontrollen nicht vor einer lebensbedrohlichen Gefahr schützen können. – Frau Staatsministerin, wir wollen von Ihnen darauf eine Antwort. Deswegen haben wir diesen ausführlichen Bericht per Dringlichkeitsantrag eingefordert.

Ich möchte Sie an dieser Stelle aber auch an das erinnern, was wir im Zusammenhang mit Bayern-Ei

immer wieder vorgetragen haben. Damals hatten wir eine ähnliche Situation: einzelne Kontrolleure, die einen großen Betrieb kontrollieren sollten und das Problem nicht in den Griff bekommen haben. Wir haben deswegen an dieser Stelle immer wieder eine Abtrennung der Kontrolleure von den Landratsämtern gefordert – der Oberste Rechnungshof hat das in ähnlicher Weise gesehen –, also Kontrollen von regional wirtschaftenden Betrieben durch lokale Kontrolleure. Wir wollten und wollen, dass die Kontrolle von Großställen und großen, überregional ausliefernden Lebensmittelunternehmen durch die Spezialeinheit des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erfolgt. Das ist aus unserer Sicht anlässlich dieses neuen Falls ein absolutes Muss. Es bringt nämlich nichts, die Spezialeinheit immer erst dann in die großen Betriebe zu schicken, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Wir erneuern diese Forderung heute mit Nachdruck, und, Frau Ministerin, ich denke, Sie wissen, dass wir mit diesen Forderungen recht haben.

Wir haben auch immer wieder gefordert, die Selbstkontrollen der Unternehmen stärker zu kontrollieren. Ich denke, auch das war richtig. Heute muss ich sogar sagen: Das auf europäischen Richtlinien fußende System der Selbstkontrollen muss angesichts dieses Falls kritisch hinterfragt werden; denn das System ist so, wie es umgesetzt wird, augenscheinlich auf Sand gebaut.

Nach der wochenlangen Diskussion über Bayern-Ei und nach unseren Vorschlägen haben Sie, Frau Ministerin, selbst den Obersten Rechnungshof den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Bayern durchleuchten lassen. Das Gutachten war eine schallende Ohrfeige für die bisherige Politik in diesem Bereich und hat eine ganze Reihe von Problemen aufgedeckt. Seitdem, also seit Februar, haben wir von Ihnen aber nur gehört, dass Sie in Ihrem Ministerium eine Projektgruppe und eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet haben. Wir haben noch keine konkreten Ergebnisse gehört, was die Umsetzung oder die genauen Pläne für etwaige Reformen angeht.

Sie haben jetzt am 25. Mai einen Zwischenbericht abgegeben, in dem Sie schreiben: Kurzfristig umzusetzende Maßnahmen sind derzeit eingeleitet, und weiterführende Maßnahmen, die auch als Daueraufgabe fortgeführt werden müssen, sind in Vorbereitung. Frau Ministerin, das ist "Bürokratiesprech". Was heißt das konkret? – Ich fordere Sie auf, das heute bei dieser Gelegenheit dem Bayerischen Landtag zu erläutern.

(Beifall bei der SPD)

Ich will zwei Beispiele aus der Mängelliste des ORH herausgreifen, also zwei Beispiele aus den 13 Punkten. Der Oberste Rechnungshof hat Personalbedarfsanalysen gefordert. Wir werden in diesem Haus bald mit den Beratungen über den neuen Doppelhaushalt beginnen, und ich finde, der Landtag hat ein Recht darauf, zu erfahren, wann Sie diese Personalbedarfsanalysen durchführen lassen wollen. Schließlich müssen etwaige Personalausgaben von den Mitgliedern dieses Landtags im Haushalt bewilligt werden. Wann dürfen wir diesbezüglich mit Auskünften und Vorschlägen von Ihrer Seite rechnen?

Ein weiteres Beispiel. Haben Sie auch angesichts der gestiegenen Gefahr zum Beispiel von Hepatitis E in Schweinefleisch endlich dafür gesorgt, dass in der Schweinemast wenigstens die vorgeschriebene Anzahl von Kontrollen durchgeführt wird und nicht nur, wie der ORH zu Recht bemängelt hat, weniger als die Hälfte der vorgeschriebenen Kontrollen?

Frau Ministerin, es wird aus unserer Sicht Zeit, dass Sie liefern, dass von Ihnen endlich substanzielle Vorschläge kommen, insbesondere zu unseren eben genannten Forderungen und Vorschlägen, was die Organisation des Verbraucherschutzes und was die Herstellung eines effektiven Verbraucherschutzes in Bereichen angeht, wo wir Probleme haben; denn jeder Tag, der ins Land geht, ohne dass der gesundheitliche Verbraucherschutz und die Kontrollen in Bayern reformiert sind, bedeutet Gefahr für Leib und Leben der Menschen hier im Freistaat und über seine Grenzen hinaus. Das wollen und werden wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)