Protokoll der Sitzung vom 19.07.2016

Um Alpenschutz, Naturschutz und Landschaftsschutz scheren sich dieser Ministerpräsident und diese CSU offensichtlich wenig. Oder wie soll man es sonst erklären, dass man jetzt den Alpenplan ändern will, damit man quer durch die Berglandschaft und die alpine Natur am Riedberger Horn eine Skischaukel bauen kann? Wie soll man erklären, dass sich der Ministerpräsident zwar mit einem Hotelier und einem Inhaber einer Skischule vor Ort trifft, die beide im Nebenberuf Bürgermeister der dortigen Gemeinden sind, aber nicht mit der Alpenschutzkommission CIPRA, nicht mit dem Deutschen Alpenverein, nicht mit dem Bund Naturschutz und nicht mit dem Landesbund für Vogelschutz, um das weitere Vorgehen zu besprechen?

Wir verstehen nicht, was der Ministerpräsident gemeint hat, als er gesagt hat: Wir haben das juristisch sorgfältig geprüft und wissen, was notwendig wäre. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht schon seit Monaten fest; denn Ihr eigenes Landesamt für Umwelt, Herr Huber, hat Ihnen das bereits schwarz auf weiß aufgeschrieben. Am 10. Juni 2015, also schon vor einem Jahr, hat das Landesamt in seiner Stellungnahme erläutert, dass die beantragte Zielabweichung wegen der erheblichen Auswirkungen auf den Naturhaushalt und das Landschaftsbild sowie wegen der besonderen Bedeutung des Schutzes vor geologischen Naturgefahren nicht vertretbar ist. Außerdem, so das Landesamt weiter, stelle eine Abweichung den Alpenplan als Grundgerüst für eine geordnete Erschließung der Alpen in Frage und berühre so die Grundzüge der Planung.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Was wollen Sie? – Anstatt dem Planungsrecht Geltung zu verschaffen und dieses unsinnige Projekt zu

beenden, greifen Sie jetzt den Alpenplan in seiner Substanz an, ganz nach dem Motto: Wenn ein Gesetz dem lokalen Business und der CSU nicht passt, dann wird es eben angepasst. Jetzt soll also die Bevölkerung in zwei kleinen Gemeinden mit ein paar Hundert Einwohnern über einen landesweit bedeutsamen Präzedenzfall entscheiden – Bewohner, von denen ein guter Teil wie die beiden Bürgermeister Geschäftsleute, Anteilseigner oder sonstige Profiteure des Baus dieser Skischaukel sind. Die dürfen also den Daumen heben und entscheiden, ob die höchste Schutzzone C des bayerischen Alpenplans nach 44 Jahren, in denen sie sich bewährt hat und bisher von allen Staatsregierungen akzeptiert wurde, geschäftsoptimiert und profitorientiert zurechtgestutzt wird. Ein Hotelier-Bürgermeister, ein Skilehrer-Bürgermeister, lokale Investoren, ihnen ergebene CSULandtagsabgeordnete und eine Handvoll Bürger vor Ort entscheiden, wie der Alpenschutz und die Landschaftsplanung in Bayern aussehen. Das ist komplett verantwortungslos, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

So öffnen Sie Tür und Tor für weitere unsinnige und falsche Projekte.

Ja, das Projekt Skischaukel am Riedberger Horn ist auch aus übergeordneter Perspektive betrachtet wirtschafts- und tourismuspolitisch falsch. Balderschwang und Grasgehren können auch nach einem Zusammenschluss nie mit dem Skizirkus in Österreich konkurrieren. Ich nenne nur ein Beispiel: Die Gesamtpistenstrecke des nahe gelegenen Skigebietes von Lech und Zürs am Arlberg, das von 1.250 bis auf 2.500 Höhenmeter hinaufreicht, bleibt selbst nach dem Zusammenschluss immer noch drei- bis viermal so groß – und das ist nicht einmal das größte Skigebiet Österreichs.

Wenn Sie den Ausbau des Skigebiets am Riedberger Horn auf Kosten der Natur durchsetzen, züchten Sie damit nur mehr Konkurrenz für deutsche Skigebiete, im Allgäu für Oberstdorf, Oberjoch und Oberstaufen, aber nicht für Österreich. – Und das bei einer sinkenden Anzahl von Skifahrern in Deutschland insgesamt. Das muss man sich einmal vorstellen.

Die Frage nach dem Schutz oder der Nutzung der Alpen geht weit über den Tellerrand lokaler Interessen hinaus. Die Bedeutung der Alpenpolitik im gesamteuropäischen Kontext wird durch die Alpenkonvention unterstrichen, einen völkerrechtlichen Vertrag, den die Alpenanrainerstaaten und die Europäische Union ratifiziert haben. Das Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention verbietet den Bau und die Planierung von Skipisten in labilen, rutschanfälligen Gebieten. Das

hat das Gutachten von Professor Faßbender, das wir in Auftrag gegeben haben, noch einmal deutlich aufgezeigt. Das Planungsgebiet am Riedberger Horn ist genau so ein rutschanfälliges Gebiet. Das kann jeder von Ihnen im Internet auf den einschlägigen Gefahrenhinweiskarten des Landesamts für Umwelt nachlesen. Deswegen widerspricht es dem Umweltvölkerrecht, dort neue Skipisten anzulegen.

Wir sind gespannt, was Sie dann diesbezüglich unternehmen werden. Werden jetzt die Karten geändert, wird das Gebiet von der CSU für stabil erklärt, oder sollen ein paar Hundert Einwohner in zwei kleinen Gemeinden in einem Bürgerentscheid ein internationales Abkommen außer Kraft setzen? Das müssen Sie uns einmal erklären. Worauf müssen wir uns einstellen? – Dass Sie den Bruch der Alpenkonvention billigend in Kauf nehmen? Es zeugt schon von einer unglaublichen Hybris, wie diese Landesregierung meint, sich über Völkerrecht sang- und klanglos hinwegsetzen zu können wie in einer Bananenrepublik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Gleiche gilt für den Naturschutz und das Naturschutzrecht. Innerhalb des Planungsgebietes gibt es 68 Hektar Biotope. Die meisten sind geschützte Biotope nach dem Bundesnaturschutzgesetz oder dem Bayerischen Naturschutzgesetz. Dort gibt es 53 Pflanzenarten, die auf der Roten Liste stehen. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass das Gebiet besonders für den Vogelschutz eine hohe Bedeutung hat, weil es dort eine für den bayerischen Alpenraum besonders wichtige Population des streng geschützten und stark gefährdeten Birkhuhns gibt. Dazu kommen noch andere Arten, die nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie geschützt sind, wie das Auerhuhn, das Haselhuhn und weitere streng geschützte Tierarten.

Dazu kommen der besondere Wert und die besondere Bedeutung des Landschaftsbildes, die das Landesamt für Umwelt in seiner Stellungnahme ausführlich begründet hat. Wegen dieses Landschaftsbildes hat der Landkreis Oberallgäu schließlich auch das Landschaftsschutzgebiet Hörnergruppe geschaffen. In der Schutzgebietsverordnung dieses Landschaftsschutzgebietes wird der Zweck der Ausweisung so beschrieben: Die Hörnergruppe als Teilbereich der Allgäuer Alpen soll wegen ihrer hervorragenden Schönheit, Vielfalt und Eigenart in ihrer Gesamtheit geschützt werden, genauso die dort vorkommenden seltenen, gefährdeten und schutzbedürftigen Pflanzen- und Tierarten und die vielfältigen Strukturen der Höhenzüge und Täler mit der reichen Verzahnung von Waldflächen und alpwirtschaftlichen Flächen.

Das alles gefährden Sie durch den geplanten Bau von Liftanlagen und Pisten. Wie hat es der Ministerpräsident genannt? – Seiner Meinung nach könnten hier naturnahe Pisten entstehen. – Wie sollen in dieser Landschaft und inmitten von Biotopen und Schutztatbeständen naturnahe Pisten geschaffen werden? Es war Ihr Umweltministerium, das erst vor Kurzem im Umweltausschuss erklärt hat, was für ein gravierender Eingriff in die Natur die Neuanlage von Skipisten ist.

Die Neuanlage vor allem der Skipiste würde massiv in bestehende Biotope eingreifen. Außerdem kann die Piste nicht gebaut werden, ohne dass in großem Stil Berg- und sogar Schutzwald gerodet wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das widerspricht aber dem einstimmigen Beschluss dieses Hauses, dem Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags von 1984.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Außerdem sind künstliche Beschneiungsanlagen geplant. Ganz abgesehen von dem Bodenschutzprotokoll der Alpenkonvention, das das Anlegen neuer Skipisten in labilen Gebieten verbietet: Wie kann man eine Piste, für die Bergwald gerodet wird, die mitten durch geschützte Biotope gezogen wird, die künstlich beschneit wird, als "naturnah" klassifizieren?

Ein Fazit kann man mit Blick auf den Naturschutz und seine momentane Situation in Bayern ziehen: Unter Ministerpräsident Seehofer und seiner Regierung sind in Bayern offensichtlich die Zeiten vorbei, in denen ein Nationalpark Bayerischer Wald geschaffen, ein bayerisches Umweltministerium neu begründet und der Umwelt- und Naturschutz in die Bayerische Verfassung aufgenommen wurde. Sie machen das Gegenteil! Sie täuschen die Öffentlichkeit, indem sie zwar von Naturschutz reden, aber in Wirklichkeit der Profiterzielung durch Naturzerstörung Tür und Tor öffnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden das nicht akzeptieren, sondern alle Register ziehen, um dieses rechtswidrige Projekt am Riedberger Horn zu stoppen.

(Lachen des Abgeordneten Eberhard Rotter (CSU))

Im Parlament und außerhalb, Herr Rotter! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Kollege von Brunn. – Der nächste Redner ist Herr

Dr. Herz für die Fraktion FREIE WÄHLER. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war soeben von den lokalen Entscheidungsträgern und den Abgeordneten aus der Region die Rede. Die entsprechende Kompetenz würde ich außer meiner Wenigkeit natürlich noch Herrn Kollegen Gehring zubilligen; ansonsten hält sich diese Kompetenz stark in Grenzen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und des Ab- geordneten Thomas Gehring (GRÜNE) – Florian von Brunn (SPD): Bei Ihnen aber auch, Herr Kollege!)

Damit wollte ich nur die Kompetenzen abstecken.

Kollege Gehring hat schon viele wichtige Punkte aufgezählt. Es ist zum Beispiel ein Problem – wir hatten in diesem Hause schon öfter damit zu tun –, dass ein Eingriff in die Schutzzone C des Alpenplans vorgenommen werden soll. Deshalb ist die Dramatik so groß, und wir müssen das Problem auch hier im Landtag ansprechen.

Um auf die Rede des Kollegen von Brunn einzugehen: Er hat maßlos übertrieben.

(Florian von Brunn (SPD): Was?)

Es ist bereits klargestellt worden, dass es zu einzelnen Baumfällungen kommen wird; das muss drin sein.

Die Landschaft wird nicht zerstört; maximal 400 m2

Fläche sollen aktiv bebaut werden. Der Bau von Familienabfahrten ist geplant. Großflächige Raupenverschiebungen wird es nicht geben. Diese Tatsachen müssen wir immer wieder darstellen.

(Florian von Brunn (SPD): Dann waren Sie aber noch nicht dort!)

Die Einhaltung dieser Ankündigungen kann während der Umsetzungs- bzw. Bauphase überwacht werden.

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Wir reden hier im Haus häufig über lokale Strukturen, zu denen auch die klein- und mittelbäuerliche Landwirtschaft gehört. Entscheidend ist der Hinweis, dass 80 bis 90 % der Menschen in diesen Gegenden inzwischen vom Tourismus leben. Insofern muss ich den Kollegen von der rechten Seite des Hauses recht geben: Wir müssen auch schauen, dass wir bleiben, wo wir sind.

(Florian von Brunn (SPD): Wir müssen beim Alpenplan bleiben!)

Wir müssen den Menschen dort Alternativen anbieten. Daher können wir nicht grundsätzlich Nein zu allen entsprechenden Vorhaben sagen. Zumindest für uns FREIE WÄHLER ist es sehr wichtig, dass auch in Bezug auf diese Frage ein Abwägungsprozess erfolgt.

Angesichts der besonderen Lage der Gemeinde Balderschwang müssen wir deren Einwohnern sagen und zeigen: Auch ihr gehört dazu. Ihr seid nicht drüben in Österreich. – Im Verbund müssen wir zeigen, dass wir bei uns ein Projekt gemeinsam schultern und realisieren können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir FREIE WÄHLER haben immer für ein abgespecktes Verfahren, das in gewisser Weise einen Kompromiss darstellt, plädiert. Ursprünglich waren ja vier Abfahrten geplant. – So viel zu diesem Thema.

(Florian von Brunn (SPD): Die Rechtslage interessiert Sie nicht, oder?)

Ich komme zu zwei Punkten, die uns ebenfalls wichtig erscheinen, die aber das Verhalten der Fraktion der CSU betreffen. Liebe Kollegen der CSU, so, wie es gerade bei Ihnen läuft, kann es nicht weitergehen. Sie diskutieren zurzeit ausführlich darüber, wie Sie mit Volksbefragungen umgehen wollen. In der Frage des Riedberger Horns sprechen Sie sich für eine Volksbefragung aus. Das ist Ihr gutes Recht. Es gab aber schon Befragungen wie die zur dritten Startbahn für den Münchner Flughafen. Da das Ergebnis Ihnen nicht passte, haben Sie entschieden, dass die Befragung vielleicht doch nicht so wichtig gewesen und nicht ernst zu nehmen sei. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie müssen endlich einmal klären, und zwar im Vorfeld, ob Sie Volksbefragungen generell befürworten oder ob Sie nur dann für Volksbefragungen sind, wenn Sie keine eigene Meinung haben.

Damit komme ich auf den nächsten wichtigen Punkt zu sprechen: Mein Kollege Professor Michael Piazolo hat hier vor wenigen Tagen eine wegweisende, bahnbrechende Rede gehalten.

(Lachen bei der CSU)

Ich empfehle Ihnen diese Rede zum Nachhören und zum Nachlesen. Er hat von einem "Wetterhäuschen" gesprochen. Dieses Wort passt auch zum Verhalten der CSU: In Ihrem Wetterhäuschen sitzen für alle Richtungen Vertreter. Herr Minister Söder und Herr Kreuzer sprechen sich für die Bebauung am Riedberger Horn aus. Die Frau Umweltministerin spricht sich dagegen aus. Sie sind zu keiner einheitlichen Meinung gekommen und haben demzufolge keinen Beschluss gefasst. Heute hören wir, wenn die Bevölke

rung Ihnen folge, könnten Sie doch ein Verfahren einleiten.

Liebe Kollegen der CSU, so kann es nicht laufen. Sie wollen alle Richtungen abdecken: die Befürworter, die Gegner und auch das, was sich ab und zu dazwischen findet.