Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 83. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 6. Oktober feierte Herr Kollege Dr. Otmar Bernhard einen runden Geburtstag. Im Namen des gesamten Hauses und persönlich wünsche ich ihm alles Gute und weiterhin viel Erfolg für seine parlamentarischen Aufgaben. Ich bitte, ihm das zu übermitteln.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "Familienland Bayern"

Die Regeln für die Aktuelle Stunde sind bekannt; ich muss sie nicht extra vortragen. – Erster Redner ist der Kollege Unterländer. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Freistaat Bayern ist das Familienland Nummer eins. 5 Milliarden Euro im Doppelhaushalt 2017/2018 mit einer überdurchschnittlich hohen Steigerung, akzeptierte familienpolitische Leistungen und positive Umfrageergebnisse, was die Zufriedenheit der Familien in unserem Land mit ihrer Situation und mit der Situation ihrer Kinder anbelangt, sind Zeichen dafür, dass unsere Familienpolitik richtig ist. Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen, aber auch, um eine Weiterentwicklung aufzuzeigen. Wir sagen zu Recht: Der Freistaat Bayern ist dank der Politik der Staatsregierung und der CSULandtagsfraktion das Familienland Nummer eins, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Über 70 % aller potenziellen Antragsberechtigten haben das Betreuungsgeld, über das wir in diesem Haus immer wieder diskutiert haben, in Anspruch genommen bzw. beantragt. Das ist eine klare Aussage und ein klares Votum dafür, dass die Politik auch in dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Frage das Subsidiaritätsprinzip beachten muss. Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass die kleinere Einheit das erledigen und das gestalten muss, zu dem sie selbst bereit und selbst in der Lage ist. Die Familien müssen

über ihre Biografie und ihren Lebensweg selbst entscheiden können. Wenn manche Parteien in der Opposition hier im Landtag von der "Lufthoheit über Kinderbetten" sprechen, ist das ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip. Die Politik hat nicht zu entscheiden, sondern den Lebenswunsch und die Biografie von Familien zu akzeptieren. Deswegen sage ich: Hände weg von Entscheidungen der Politik und Selbstbestimmung und Autonomie für die Familien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Darauf müssen wir bei allen Entscheidungen Wert legen.

Da war es zuletzt nach der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Zuständigkeit für die Leistungen als Ersatz für das Kinderbetreuungsgeld bei den Ländern liegt, richtig, das Betreuungsgeld im Freistaat Bayern einzuführen. Wer eine Kürzung familienpolitischer Leistungen oder gar ihre Abschaffung fordert, um nach eigenen Vorstellungen Umschichtungen vorzunehmen, versündigt sich an den Wünschen der Familien im Freistaat Bayern. Deswegen sagen wir – ich betone das nochmals –: Hände weg von Entscheidungen der Politik und Unterstützung aller Lebenswege der Familien und Verbesserung der Rahmenbedingungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wir sehen wesentliche Entscheidungen der Familienpolitik, die die Familien in ihrem Bestreben und in ihren Bemühungen unterstützen, zum einen im Familienlastenausgleich. Das ist zum Ersten natürlich das Betreuungsgeld, das ist das Landeserziehungsgeld, das sehr gut in Anspruch genommen wird und wofür die Einkommensgrenzen angehoben worden sind, und das sind die Leistungen, die der Bund gewährt.

In diesem Kontext müssen wir die Bewertung sehen, die Eltern in unserem Land vornehmen, wenn es um die Bekämpfung potenzieller Familien- und Kinderarmut geht. Entscheidend sind die finanziellen Rahmenbedingungen, und da spielt der Familienlastenausgleich, wie der Überbegriff heißt, eine ganz wesentliche Rolle.

Zum Zweiten ist die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu nennen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aha, auch erkannt!)

Dies ist auch für die Zukunft, ein Megathema und zwar, Herr Kollege Gehring, nicht auf eine bestimmte Facette reduziert. Vielmehr geht es hier um einen ganzen Strauß von Themen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Alleinerziehung!)

Es ist notwendig, dass hier in einem Bündnis, einem Pakt zwischen Familie und Beruf, wie es Frau Staatsministerin Müller gestartet hat,

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Bündnis zwischen CSU-Fraktion und Staatsregierung!)

weitergegangen wird, weil nicht die Familien jobgerecht werden müssen, sondern die Jobs, die Arbeit im Freistaat Bayern noch stärker familiengerecht werden muss. Da gibt es eine entsprechende Verpflichtung für die Wirtschaft und für den öffentlichen Dienst, die Vorbildfunktion haben, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Daran müssen wir weiter arbeiten, wie wir parteiübergreifend bei einem Teilthema, nämlich der Teilzeitberufsausübung, gesehen haben.

Da ist zum Dritten der bedarfsgerechte Ausbau der Kinderbetreuung. In der Verantwortung der Kommunen erfolgt die staatliche Unterstützung. Ich darf feststellen: Es wird keine Einschränkung geben. Wenn in einer Kommune der Bedarf für eine Kinderkrippe, eine altersübergreifende Einrichtung oder eine Kindertagesstätte gegeben ist, dann wird die Deckung des Bedarfs nicht an fehlenden Mitteln, jedenfalls nicht an fehlenden staatlichen Mitteln, scheitern. Wir arbeiten daran. Auch das ist – neben dem Ausbau des Familienlastenausgleichs – ein wesentlicher Bestandteil für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, für eine echte Wahlfreiheit der Familien, meine Damen und Herren.

Da ist zum Vierten die Förderung familienfreundlicher Kommunen, was die Stärkung und die Partizipation der Kommunen und auch die Infrastruktur über die Kinderbetreuungseinrichtungen hinaus anbelangt.

Da ist zum Fünften – ich halte es für ganz wichtig, dass wir das sowohl in diesem Haus als auch in den zuständigen Fachgremien weiterbearbeiten und weiterentwickeln – die Beachtung eines umfassenden Familienbegriffs, auch in Bezug auf das Zusammenleben, und ein generationenübergreifendes Miteinander. Wir erleben nämlich sehr viel häufiger, als dies theoretisch gesehen wird, dass Omas und Opas in der Kinderbetreuung eingesetzt sind und dass die Pflege pflegebedürftiger Eltern oder Großeltern in der Familie eine wichtige Rolle spielt. Darauf müssen wir bei der großartigen Leistung, die Familien Tag für Tag erbringen, unser Augenmerk richten. Das Zeitmanagement von Frauen, insbesondere auch alleinerziehenden Frauen, Eltern, Müttern und Vätern ist oft ein wahres Wunder. Herzlichen Dank den Familien für das, was sie als Gemeinschaft für unser Gemeinwesen Gutes tun, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CSU)

Ein ganz gewichtiges Thema ist die Stärkung und Begleitung der Elternkompetenz. Wir wollen Eltern, die Ratschläge und Unterstützung brauchen, die entsprechenden Rahmenbedingungen geben. Das betrifft Familienzentren, aber auch den Ausbau einer niedrigschwelligen Eltern- und Familienberatung, und zwar in Vernetzung mit den Einrichtungen der Eltern- und Familienberatung. Wenn Eltern diese Unterstützung und Begleitung benötigen, dann ist es die Pflicht des Staates, der Kommunen, des Gemeinwesens, den Eltern eine entsprechende Orientierung zu geben.

Schließlich brauchen wir noch stärker als bisher kinderfreundliche und familiengerechte Wohnungen in den Kommunen. Es kann nicht sein, dass Familien aufgrund eines herbeigeführten Wohnungsmangels große Probleme haben oder gar in Obdachlosigkeit geraten.

Meine Damen und Herren, diese Initiativen sind im Haushalt gebündelt. Sie sind eine große Chance für die Menschen, für die Familien im Freistaat Bayern. Wir wollen den entscheidenden Beitrag dazu leisten. Unterstützen Sie diesen Weg für den Freistaat Bayern als Familienland Nummer eins!

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Bevor ich der nächsten Kollegin das Wort erteile, darf ich eine Begrüßung vornehmen. Auf der Tribüne darf ich eine Delegation der Assemblée nationale du Québec unter der Leitung von Herrn Präsidenten Jacques Chagnon begrüßen.

(Allgemeiner Beifall)

Mit ihm zu Gast im Bayerischen Landtag sind die Vizepräsidenten der Delegation der Nationalversammlung für die Beziehungen mit Bayern, Herr Norbert Morin und Herr Stéphane Bergeron, sowie die Abgeordneten und Mitglieder der Delegation der Nationalversammlung für die Beziehungen mit Bayern, Herr Guy Hardy und Herr Mathieu Traversy.

Québec und Bayern verbindet seit vielen Jahren eine enge Freundschaft und eine Partnerschaft, die auf parlamentarischer Ebene bis in das Jahr 1999 zurückreicht und sowohl auf dieser als auch auf der Ebene der Exekutive regelmäßig intensiv gepflegt wird.

Auf Regierungsebene unterzeichneten nach längeren bilateralen Beziehungen, die noch auf Franz Josef Strauß zurückgehen, im Jahr 1989 der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl und der Premierminister von Québec Robert Bourassa ein Koope

rationsabkommen, dessen 25-jähriges Bestehen 2014 mit gemeinsamen Aktionen und gegenseitigen Besuchen gefeiert werden konnte.

Deshalb freuen wir uns über die Anwesenheit unserer Gäste, die bereits am vergangenen Samstag in Bayern, übrigens zunächst in Würzburg, eingetroffen sind und mit ihrem Besuch die Beziehungen zwischen Bayern und Québec weiter vertiefen.

Nach vielen Gesprächen mit Mitgliedern des Präsidiums, Vertretern der Fraktionen und der Ausschüsse, der 9. Sitzung der gemischten parlamentarischen Kommission Bayern-Québec sowie mehreren Besuchen bei bayerischen Unternehmen und auch bei einem Projekt der Flüchtlingshilfe neigt sich Ihr Besuch nun langsam dem Ende zu.

Wir freuen uns, Sie als Gäste dieser Plenarsitzung hier im Hohen Haus begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen! Wir wünschen Ihnen eine gute Rückkehr nach Québec am morgigen Freitag.

(Allgemeiner Beifall)

Nun hat die nächste Rednerin das Wort. Das ist die Frau Kollegin Rauscher von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Unterländer, Sie haben gerade Bayern in bunten Farben geschildert und den Traum von einem Familienland gezeichnet. Ich glaube, Sie sollten die rosarote Brille einmal abnehmen und sich die Lebenswirklichkeit von Familien in Bayern differenzierter anschauen.

(Beifall bei der SPD und den FREIEN WÄH- LERN)

Dann sieht es nämlich in dem Bilderbuchfamilienland gar nicht mehr so rosig aus. Man muss sich nur einmal den Sozialbericht der Staatsregierung anschauen, der ganz deutlich zeigt, dass das Leben in Bayern nicht für alle Familien kunterbunt ist; denn durchschnittlich 42 % der alleinerziehenden Frauen und Männer in Bayern sind von Armut betroffen. Die Armutsgefährdungsquote von Familien mit drei oder mehr Kindern liegt bei fast 20 %

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Familien mit nur einem Kind oder zwei Kindern. So viel zu der Bereitschaft von Familien, mehr Kinder zu bekommen.

Nahezu jedes zehnte ein- oder zweijährige Kleinkind bezieht Sozialgeld. Damit sind die Jüngsten in unserer Gesellschaft die traurigen Spitzenreiter.

Aber auch im Alter sieht es nicht besser aus: 22,4 % aller über 65-Jährigen sind von Armut betroffen, davon besonders die Frauen. Auch wenn die Armutsquote im Bundesvergleich zu den niedrigeren gehört, ist jede Familie, die von Armut bedroht ist, doch eine zu viel.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt umso mehr angesichts der Tatsache, dass die Zahlen zunehmen und nicht abnehmen. Sie rühmen sich immer, bundesweit die höchsten Investitionen in die Kinderbetreuung vorzunehmen. Auch da lohnt sich ein Blick ins Detail.