Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. – Für die Fraktion FREIE WÄHLER spricht jetzt Kollege Häusler. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer ein Ziel verfolgt, wird auch den Weg dorthin beschreiben. Wer ein sehr ambitioniertes Ziel verfolgt, wird auch härtere Maßnahmen vorgeben und sich daran orientieren. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag des Bundesrates, ab 2030 Verbrennungsmotoren zu verbieten, ist keine Illusion mehr, sondern das ist eine Utopie. Das ist schlicht und einfach nicht machbar. Das kann auch unsere Schlüsselindustrie, die Automobilindustrie, mit ihren Zulieferern bei uns in Bayern und auch in Deutschland nicht leisten. Deshalb werden wir Ihren Dringlichkeitsantrag unterstützen.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aber die anderen werden es leisten! – Zuruf des Abgeordneten Harry Scheuenstuhl (SPD))

Nein. Auch die dargestellten Alternativen, seien es Brennstoffzellen oder die Wasserstofftechnologie, sind zumindest bei den deutschen Herstellern noch nicht serienreif.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Gehring (GRÜNE))

Wir sind im Moment nicht in der Lage, das bis zu diesem Zeitpunkt umzusetzen. Wir würden also unserer

Schlüsselindustrie tatsächlich einen Bärendienst erweisen und viele Arbeitsplätze gefährden. Dass es 500.000 sind, wie der Kollege Blume gesagt hat, möchte ich in Abrede stellen. Aber es wäre auf jeden Fall ein massiver Eingriff, den wir so nicht akzeptieren können und dürfen.

Auf der anderen Seite sage ich aber – das ist sicher auch wichtig –, dass wir uns nicht nur mit Wohlgefallen äußern dürfen. Die Bundeskanzlerin hat 2012 das ambitionierte Ziel verkündet, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. Das liegt jetzt etwa vier Jahre zurück, und bis jetzt haben wir 25.000 Autos. In den restlichen dreieinhalb Jahren sollen wir die weiteren 975.000 auf die Straße bringen. Wer das irgendwie definieren kann, möge das gerne tun; aber ich sage: Auch das war utopisch und absolut realitätsfern. Das zeigt, dass wir hier viel zu wenig Innovation, viel zu wenig Förderung und viel zu wenig Motivation haben, die wir natürlich als Gesetzgeber in Form von Leitplanken vorgeben können und sollen.

Das Problem ordnungsrechtlich lösen zu wollen, ist, glaube ich, der falsche Ansatz. Hybridfahrzeuge, die vielfach angesprochen werden, auch in der Förderung, sind nicht die Lösung. Ich glaube, das ist jedem klar: Bei einem Hybridfahrzeug beschleunigt man mit dem elektrischen Antrieb und schaltet dann auf fossile Energie um. Das hat keinen Sinn. Das ist, denke ich, ein Stück weit Blendung. Wichtig ist, dass wir massiv mit entsprechenden Fördermitteln an die Sache herangehen und ein Stück weit Druck aufbauen, damit wir dorthin kommen. Dann haben wir uns allen einen guten Dienst erwiesen.

Das Thema der blauen Plakette ist ganz interessant, Kollege Blume. Ich habe eine Anfrage an die Umweltministerin gestellt, und sie hat mir geantwortet, dass am 7. April dieses Jahres die Änderung der Kennzeichnungsverordnung in der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes von den Umweltministern einstimmig, also auch mit der Stimme Bayerns, verabschiedet wurde. Im August wurde sie praktisch schon wieder auf Eis gelegt. Hier kommt die CSU immer wieder in die gleiche Situation. Sie trägt Gesetzesvorgaben mit, kann deren Ausführung nicht nachvollziehen und möchte sie revidieren. So ist es nicht nur hier. So war es auch beim Netzausbau; ursprünglich wollte man keine Erdverkabelung. Das Gleiche gab es beim Mindestlohn mit der ganzen Aufzeichnungsbürokratie. Hier ist, glaube ich, auch einmal darüber nachzudenken, welche Wirkungen Maßgaben jeweils nach sich ziehen, um nicht im Nachhinein korrigieren zu müssen.

Zu der blaue Plakette: Ich habe sehr viele Anrufe von Mittelständlern bekommen, die neue Lieferfahrzeuge angeschafft haben. Sie können nicht jedes Jahr ein anderes Auto kaufen, nur weil wir ganz schnell umstellen müssen. Das ist nicht möglich. Wir brauchen eine vernünftige langfristige Perspektive. Deswegen lehnen auch wir diesen Punkt ab.

Kollege Häusler, auch Ihr Redezeitkontingent ist zu Ende.

Dann gebe ich noch kurz unser Abstimmungsverhalten bekannt. Ich habe gesagt, dass wir den Vorschlag der CSU unterstützen. Den Antrag der SPD, der viele gute Ansätze enthält, würden wir ebenfalls unterstützen, wenn Sie den dritten Spiegelstrich herausnehmen. Den Antrag der GRÜNEN können wir aufgrund der Spiegelstriche eins und drei leider nicht unterstützen und werden ihn deshalb ablehnen.

Moment! Das Redezeitkontingent der FREIEN WÄHLER ist zu Ende. Aber Sie dürfen noch dableiben, weil der Kollege Scheuenstuhl eine Zwischenbemerkung machen möchte.

(Volkmar Halbleib (SPD): Er kommt Ihnen bei der Redezeit zu Hilfe!)

Gerne.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Ja, jetzt ist die Redezeit ein bisschen länger. Eine Frage, Herr Kollege Häusler. Sie haben die Investitionen angesprochen. Sind Sie nicht auch der Meinung – das ist von Herrn Blume und vom Kollegen Roos geschildert worden –, dass eine lange Entwicklungszeit notwendig ist und wir die Arbeitsplätze sichern wollen? Das wollen wir ja gemeinsam. Dann wäre es doch wichtig, dass wir die Investitionen absichern. Das größte Problem ist, dass die Automobilindustrie, vor allem die deutsche Automobilindustrie, bei den Reichweiten weit hinterherhinkt. Zapfsäulen könnte man machen, aber bei den Reichweiten fehlt es einfach noch. Da ist uns Amerika weit voraus. Diese Investitionen müssen eine Sicherheit haben, und sie brauchen irgendwann ein Signal. Sonst können sie nicht anfangen, sonst machen sie nichts.

Ich persönlich habe ein viel größeres Vertrauen in die bayerische und die deutsche Industrie als Sie. Ich bin der Meinung, sie schaffen das. Ich habe das im technischen Bereich schon oft erlebt. Aber Sie haben gerade selber gesagt: Es hat am Engagement gefehlt. Die eine Million Elektrofahrzeuge, die wir, wie Sie gesagt haben, bis 2020 schaffen wollten – das hat die Bundeskanzlerin bekannt gegeben –, sind bei Weitem

nicht erreicht. Das heißt, wir brauchen mehr Engagement. Wir brauchen Ziele. Wir müssen den Leuten sagen, wie es weitergeht, und die Leitplanken vorgeben. Darüber, ob das jetzt ein Jahr mehr oder weniger ist, kann man immer sprechen.

Ich frage Sie jetzt: Wie ist denn Ihr Zeitplan für Paris 2050? Sie wissen genau, dass dieses Ziel nur zu erreichen ist, wenn der Verkehr massiv CO2-emissionsärmer wird. Es ist aber nun einmal der Verbrennungsmotor, der diese Schadstoffe liefert. Sagen Sie uns doch einmal, wie denn Ihr Zeitplan wäre.

Etwas anderes möchte ich gleich dazusagen: Die Elektromobilität ist immer damit verbunden, dass wir den Strom umweltfreundlich und nicht wieder aus Verbrennung oder und mit Atomenergie erzeugen.

(Petra Guttenberger (CSU): Zeit!)

Damit haben wir vielleicht eine noch viel größere Aufgabe vor uns als die, die Reichweite zu erhöhen.

Ich gebe bekannt, dass die Redezeit genau zwei Minuten war. Er hat nicht überzogen. – Herr Häusler, bitte schön.

Danke schön, Kollege Scheuenstuhl, für die Zwischenbemerkung und die Fragen. Sie haben Paris angesprochen. 2050 ist hier die Maßgabe. Das ist natürlich auch unsere Zielsetzung; gar keine Frage. Darin sind wir uns durchaus einig. Wir sind uns auch darin einig, dass wir generell eine Zielsetzung brauchen, wie das der Kollege Roos eben angesprochen hat. Nur wäre der Termin 2030 absehbar nicht einzuhalten und würde unsere heimische Wirtschaft vor unlösbare Probleme stellen.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Das ist Ihr Zeitpunkt!)

Das ist nicht realistisch. Wir müssen jetzt, wie Sie es selber angesprochen haben, ganz schnell zu höheren Investitionen kommen und mehr Forschung betreiben. Natürlich muss es nicht bis 2050 dauern. Je früher, desto besser; das ist gar keine Frage. Deshalb habe ich eben auch die Passivität, die von der Bundeskanzlerin ausgegangen ist, sehr kritisch angesprochen. Seit 2012 ist bisher nichts passiert. In vier Jahren wurden 4 % erreicht. Da ist es utopisch, in dreieinhalb Jahren 96 % nachzuliefern. Aber da soll es jetzt auch einen Auftrag geben. Es ist ja, glaube ich, ein bisschen der Hintergrund der Antragstellung der CSU, dass sie auch bei den eigenen Ministerien etwas Druck aufbaut. Auch der Landtag soll beispielgebend vorangehen. In diesem Sinn können wir dieses Thema positiv verbuchen, wenn die entsprechenden

Impulse wahrgenommen und letztendlich – ich schaue zur Wirtschaftsministerin – auch umgesetzt werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich danke Ihnen, Kollege Häusler. – Für die CSU hat sich noch Kollege Dr. Schwartz gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Die prinzipielle Frage, die sich hier stellt, ist, wovon Sie glauben, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leben.

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Von dem, was unsere Bauern produzieren!)

Herr Scheuenstuhl, zu Ihnen komme ich gleich. – Wer sind wohl die Auguren, die jetzt schon genau wissen, wohin sich Wirtschaft und Technik entwickeln? Dass das regelmäßig unmöglich ist und Leute, die sich mit den Themen besser auskennen, das auch falsch einschätzen, darf ich an folgendem Zitat festmachen. Es findet sich im US-Magazin "Scientific American". Damals hieß es, dass das Automobil praktisch die Grenzen seiner Entwicklung erreicht habe. Das werde auch dadurch deutlich, dass im vergangenen Jahr keine Verbesserungen radikaler Art eingeführt worden seien. Das ist eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1909. Sie zeigt, dass politisch verordnete Entwicklungen und Eingriffe in Märkte nicht nur falsch, sondern möglicherweise sogar gefährlich sind.

Ich bin ein bisschen enttäuscht, Herr Scheuenstuhl, dass es Ihnen gelungen ist, in dem Antrag mit keinem einzigen Wort das Thema Arbeitsplätze aufzugreifen, obwohl Arbeitsplätze gerade für Sie – davon möchte ich ausgehen – auch eine gewisse Bedeutung haben. Welche Rolle die Automobilindustrie in Bayern und für uns spielt, sollte ich Ihnen heute nicht erklären müssen; sie zu kennen sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

(Bernhard Roos (SPD): Deswegen müssen wir es nicht extra hineinschreiben!)

Ich bedaure, dass Sie das übersehen haben. Mir als Vertreter des ländlichen Raums liegt aber besonders am Herzen, dass Sie aufgrund Ihrer Tätigkeiten in München und sonst wo vergessen haben, wie es bei uns auf dem Land ausschaut. Ich komme aus einem ganz kleinen Dorf. Der Weg dorthin ist weit. Die Erklärung, wie Sie die Mobilität, an die wir uns alle gewöhnt haben und die wir zu schätzen gelernt haben, mit

einem E-Mobil schaffen wollen, bleiben Sie schuldig und müssen Sie schuldig bleiben.

Nicht vorstellen möchte ich mir, wie zentralplanwirtschaftliche Ansätze unser Land umkrempeln würden und wie die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auch und gerade im ländlichen Raum, die wir in die Verfassung aufgenommen haben, durch sie konterkariert würde. Ich möchte auch der Fama entgegentreten, man habe nichts getan. Ganz im Gegenteil hat man auf Bundesebene Kaufanreize geschaffen und ist gleichzeitig einem der Punkte, der vielleicht die größte Herausforderung in diesem Bereich darstellt, auch durch einen CSU-Minister initiiert, mit einem 300-Millionen-Programm für Ladestationen und Infrastruktur massiv begegnet, um eine solche Entwicklung in der Wirtschaft zu ermöglichen. Die Aufgabe der Politik besteht ja nicht darin, die Wirtschaft selber in die Hand zu nehmen, wirtschaftliche Einzelentscheidungen zu treffen und mikroökonomische Entscheidungen vorwegzunehmen, sondern darin, die Infrastruktur dafür zu schaffen, dass sich die Wirtschaft in die richtige Richtung bewegt.

Wenn man Ihnen zuhört, wird man immer wieder des Dreiklangs Wirtschaftsfeindlichkeit, Technologiefeindlichkeit und Zukunftspessimismus gewahr. Das ist uns fremd.

(Bernhard Roos (SPD): Gerade das Gegenteil, Herr Kollege Schwartz! Wir trauen der Industrie deutlich mehr zu!)

(Harry Scheuenstuhl (SPD): Wer hat denn die Wirtschaft ruiniert? Das wissen Sie doch!)

Da muss ich jetzt ein bisschen lachen; aber das können wir nachher klären.

(Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) – Harry Scheuenstuhl (SPD): Sie haben die Industrie niedergestreckt! – Glocke des Präsidenten)

Der von Ihnen verfolgte Ansatz, der Wirtschaft Vorgaben zu machen, geht in die falsche Richtung. Ich glaube, das haben Sie heute selber gemerkt.

Herr Kollege Scheuenstuhl, bei Zwischenrufen kann man sich auch ein bisschen mäßigen.

(Vom Redner nicht auto- risiert) Ich würde mich freuen, wenn Sie an dieser Stelle dazulernen, die bayerische Wirtschaftskraft nicht unterschätzen, die Arbeitsplätze hochhalten und

dem innovativen Unternehmergeist in Bayern genug zutrauen, dass wir keine staatlichen Verordnungen für Eingriffe brauchen, die, wie gezeigt, regelmäßig in die falsche Richtung führen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Kollege Dr. Schwartz. – Für die Staatsregierung darf ich jetzt Herrn Herrmann, dem Staatsminister des Innern, das Wort erteilen. Bitte schön.