Protokoll der Sitzung vom 18.10.2016

nötig, dass sie endlich eine Vertretung in den Räten haben. Stattdessen geben Sie dem Tourismusverband einen Platz. Kein Mensch versteht, was das soll. Der Aspekt der gesellschaftlichen Vielfalt kann Sie hier nicht geleitet haben, sondern eher der starke Arm einer Lobby.

Ich komme zur Gendergerechtigkeit. Wir schreiben wirkungsvolle Regeln fest, um den Frauenanteil endlich angemessen zu erhöhen, nämlich auf die Hälfte der Mitglieder. Sie bleiben sich in Ihrem Gesetzentwurf auch in diesem Punkt treu und schlagen Regeln vor, die allzu leicht zu unterlaufen sind. Da genügt die Erklärung, dass es Sachzwänge gebe, dass man gerade keine Frau vorschlagen könne, und schon ist die Quote ad acta gelegt.

Wir machen weitreichende Vorschriften zu Transparenz- und Veröffentlichungspflichten. Wir wollen, dass die Bezüge sowie Sonderzahlungen und Abfindungen der Leitungsebenen beim Bayerischen Rundfunk und bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien im Geschäftsbericht namentlich offengelegt werden. Das gilt in unserem Entwurf für den BR und die BLM gleichermaßen. Warum der CSU-Entwurf diese Pflichten nur für die BLM vorsieht, müssen Sie uns mal erklären. Der BR hat seit 2010 ein Defizit in Höhe von 101 Millionen Euro aufgehäuft. Diese finanzielle Misere offenbart ein Leitungsversagen und ein Gremienversagen, aber auch ganz deutlich ein Aufsichtsversagen des Verwaltungsrates. Kolleginnen und Kollegen, Verwaltungsräte sind keine Kaffeekränzchen und kein Austragsstüberl für verdiente Parteisoldaten. Deshalb legen wir Ihnen heute Vorschläge zur Professionalisierung des Verwaltungsrats vor. Es muss mehr Sachverstand in die Verwaltungsräte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, hier geht es mal nicht um gesellschaftliche Vielfalt, sondern um Kompetenz, nicht so, wie es in Ihrem Entwurf steht. Wir finden, dazu passt, dass es keine Verwaltungsratssitze qua Amt mehr geben darf. Was ist damit gemeint? – Die Insider wissen es. Die Landtagspräsidentin bzw. der Landtagspräsident soll nicht mehr automatisch Vorsitzender des Verwaltungsrats des BR sein und der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs nicht mehr automatisch dem Verwaltungsrat des BR angehören.

Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, wir haben den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts ernst genommen. Die Vorgaben treffen sich hervorragend mit unseren Vorstellungen von einer effizienten und zeitgemäßen Medienaufsicht. Unsere Vorschläge sind im Vergleich zu allem, was hier schon vorgelegt wurde –

FREIE WÄHLER und SPD haben auch schon Vorschläge eingebracht –, und vor allem im Vergleich zu dem, was die Staatsregierung hier heute vorlegt, die mutigsten und am besten durchdachten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

So bringen wir den Bayerischen Rundfunk wieder auf Kurs und stärken den Privatrundfunk in Bayern. Ich habe heute die Defizite Ihrer Vorschläge nur anreißen können; denn mehr Kritik und mehr Debatte dazu wird es in den Ausschüssen geben. Ich freue mich auf eine gute Beratung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Den Gesetzentwurf der Staatsregierung begründet Herr Staatsminister Dr. Huber. Bitte sehr.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir in Bayern sind stolz auf die Qualität unserer Medienlandschaft. Das liegt zum einen an der Vielfalt der Medien in unserem Lande. Es liegt aber auch an der vielfältigen Ausrichtung derer, die in den Gremien der Aufsichtsräte des Bayerischen Rundfunks und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien sitzen.

Wir konzentrieren uns in unserem Gesetzentwurf auf das Wesentliche, Frau Gote. Es geht um die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Besetzung der Gremien. Ich glaube, wir müssen keinen Wettlauf in Bezug darauf machen, wer hier noch eines drauflegt. Wie soll es unserer Meinung nach funktionieren? – Wir werden den Rundfunkrat und den Medienrat moderat

(Ulrike Gote (GRÜNE): Aufblähen!)

"aufblähen", von 47 auf 50 Mitglieder. – Unter Blähungen verstehe ich etwas anderes. – Damit ist es möglich, neue Interessengruppen in diesem Rat zu integrieren, die bisher nicht dort beteiligt waren. Uns ist sehr wichtig, dass diese Leute dort vertreten sind. Sie haben eine Ausweitung vor und wollen den Medienrat völlig anders besetzen als den Rundfunkrat. Darin sehe ich überhaupt keinen Sinn. Man kann das sicherlich noch in Ausschussberatungen ausdiskutieren; aber ich habe, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden, was dahinterstehen sollte. Es scheint mir nicht angezeigt, das ganze System auf den Kopf zu stellen; denn im Gegensatz zu Ihrer Sichtweise ist hier eine breite Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Minderheiten sollen vertreten sein; aber es ist unmöglich, hier alle Minderheiten abzubilden. Die Gesellschaft besteht nicht nur aus Randgruppen. Ich glaube, die an

gestrebte Besetzung wird zusammen mit den drei Vertretern die gesamte gesellschaftliche Vielfalt dieses Landes widerspiegeln.

Wir schätzen die Arbeit der aktuellen Rundfunk- und Medienratsmitglieder. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich jemand fühlt, der nach langer Tätigkeit zugunsten eines Vertreters der vielen Minderheiten in diesem Land hinausgeworfen wird. Er müsste dies als schlechtes Zeugnis Ihrerseits empfinden. Wir werden das, was uns vorgegeben ist, natürlich erfüllen. Wir werden den Anteil der Frauen in den Gremien durch eine effektive Regelung sicherstellen. Ich bin mir ganz sicher, dass dieses Vorgehen der Sache dient und wesentlich flexibler ist als das, was Sie vorschlagen. Wir werden einer "Versteinerung" entgegenwirken, indem wir die Amtszeiten auf drei Perioden beschränken. Wir werden uns verpflichten, die Gremienbesetzung und die geleistete Arbeit regelmäßig zu überprüfen. Die neuen Regeln zur Transparenz, aber auch zur Qualifizierung derer, die im Verwaltungsrat tätig sind, sind ganz eindeutig. Ich sehe nicht, dass uns das droht, was Sie geschildert haben.

Wir werden die Politikferne durch das von uns beschriebene Inkompatibilitätsprinzip sicherstellen. Wir werden damit den Bayerischen Rundfunk für die neuen Herausforderungen fit machen. Ich bin mir ganz sicher: Wir werden das in den Gremien mit ausreichend Zeit debattieren können. Die Zeit bis zum 1. Januar 2017 scheint mir lang genug zu sein, um dies bequem tun zu können. Bei einer Besetzung der Gremien im Mai ist das locker noch machbar. Die drei Wochen und die zehn Tage, die wir zur Verbandsanhörung hatten, erschienen mir vollkommen ausreichend.

Mit der Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes werden wir dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht und werden die Arbeitsweise der Gremien verbessern. Die Änderung sorgt für mehr Gendergerechtigkeit und mehr Transparenz. Wir garantieren die Medienvielfalt in Bezug auf hochwertige Informationen und Meinungsvielfalt in diesem Land, nicht nur in Bayern, sondern in ganz Deutschland. Wir setzen auf Qualität, Transparenz, Gerechtigkeit und Vielfalt im öffentlichrechtlichen und privaten Rundfunk. Wir werden unseren Gesetzesvorschlag in den Gremien ausreichend deutlich begründen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. –

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Ehrengastbereich der Besuchertribüne hat Herr Omar Semadeh, Mit

glied und Fraktionsvorsitzender im ägyptischen Abgeordnetenhaus, Platz genommen. Er hält sich zu Gesprächen in Bayern auf und ist heute Gast im Maximilianeum.

(Allgemeiner Beifall)

Seien Sie uns ganz herzlich willkommen. – Ja, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, damit darf ich im Rahmen der Fortsetzung unserer Ersten Lesung der Frau Kollegin Fehlner das Wort erteilen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkaufsicht in Deutschland vom März 2014 im Hinblick auf die gebotene Staatsferne, die Vielfalt und die Transparenz der Gremien macht es erforderlich, dass auch die Gremien des Bayerischen Rundfunks und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien neu bestimmt werden, und dies bis Ende des Jahres. Die Zeit drängt also.

Die SPD-Landtagsfraktion hat dazu bereits vor über einem halben Jahr ihren Gesetzentwurf zur Reform der Rundfunkaufsicht vorgelegt. Inzwischen liegen weitere Gesetzentwürfe vor. Nach unserer Meinung berücksichtigen alle Entwürfe weitgehend die wichtigsten Vorgaben des Gerichts. Ich darf diese noch einmal komprimiert zusammenfassen:

Erstens. Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Gremien wird auf weniger als ein Drittel gesenkt.

Zweitens. Es wird ausgeschlossen, dass staatliche und staatsnahe Vertreter auf dem Ticket von Verbänden in die Gremien entsandt werden und dass sie ohne eine 18-monatige Karenzzeit von Parlamenten oder Staatsfunktionen in die Rundfunkaufsicht wechseln können. Es gilt die Inkompatibilitätsregelung.

Drittens. Die Geschlechtergerechtigkeit wird mehr oder weniger erfüllt.

Viertens. Ein wichtiger Schlüsselbegriff vor allem für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks allgemein, aber natürlich auch für die Akzeptanz seiner Aufsicht ist das Thema Transparenz.

Fünftens. Das Gebot der Vielfaltsicherung wird ernst genommen; der Vorschlag der Staatsregierung ist an dieser Stelle aus unserer Sicht noch unzureichend.

Das, Kolleginnen und Kollegen, ist die große Linie; das sind die Vorgaben, und in der Umsetzung gehen wir in einigen Punkten mit Ihnen konform. Aufgabe des Landtags ist es nun, das Best-of im Rundfunkge

setz und im Mediengesetz zu verankern. Dazu einige Anmerkungen.

Positiv hat uns überrascht, Herr Huber, dass im Gesetzentwurf der Staatsregierung die aus dem Landtag entsandten Aufsichtsratsmitglieder je zur Hälfte Frauen und Männer sein sollen. Damit wird der Geschlechterparität Rechnung getragen. Für uns ist das ein ganz wichtiger und zentraler Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gut ist auch die Absicht, eine sogenannte Freien-Vertretung einzurichten und damit endlich auch den kreativen Programmgestaltern Mitspracherechte zu eröffnen. Inwieweit es allerdings ausreicht, dies über ein Statut zu regeln, wie es die Staatsregierung vorsieht, oder ob es, wie meine Fraktion dies regeln wollte, einer klaren Regelung im Personalvertretungsgesetz bedarf, werden wir in den anstehenden Beratungen noch ausführlich diskutieren.

Jetzt aber zu den Punkten, mit denen wir nicht konform gehen: Wichtig ist für uns, dass die Staatsferne nicht nur gewahrt bleibt, sondern dass sie noch verstärkt wird. – Wir halten ferner eine Reduzierung von 13 auf nur noch 8 Vertreter im Gegensatz zu Ihrem Vorschlag von 12 Vertretern für sinnvoll. Der Anteil der Politik sowohl im Rundfunkrat wie auch im Medienrat wird damit von 34 % auf nur noch 20 % gesenkt. Das täte dem Gremium sicherlich gut.

(Beifall bei der SPD)

Sie schlagen dann vor, Rundfunkrat und Medienrat um jeweils 3 Mitglieder von 47 auf 50 Mitglieder zu erweitern, und zwar mit einem Vertreter der Menschen mit Behinderung – das war längst überfällig –, mit einem Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte – auch das längst überfällig – und mit einem Vertreter des Hotel- und Gaststättengewerbes. Das ist zumindest erklärungsbedürftig. Aus unserer Sicht fehlen in den Gremien allerdings andere, wichtige, bisher völlig unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel die Wohlfahrtsverbände, der Landesseniorenrat, muslimische Verbände, Menschenrechtsorganisationen und queere Lebensformen. Wir sind der Meinung, die vom Bundesverfassungsgericht verlangte Vielfalt erfordert mehr, als Ihr Vorschlag beinhaltet. Deshalb schlagen wir vor, die Gremien auf 55 Sitze zu erweitern.

In Ihrem Gesetzentwurf halten Sie daran fest, dass der Präsident des Bayerischen Landtags geborener Vorsitzender des Verwaltungsrates des Bayerischen Rundfunks ist. Das gibt es in keiner ARD-Anstalt mehr. Zeitgemäß wäre es, das Gremium seinen Vor

sitzenden oder seine Vorsitzende selber wählen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Für ebenfalls zeitgemäß halten wir es, dass ein Mitglied des Personalrats in den Verwaltungsrat einzieht. Gerade in einer Situation, in der die öffentlich-rechtlichen Anstalten aufgrund des Spardrucks einem Strukturwandel unterliegen, brauchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort eine Stimme. – So weit unsere Anmerkungen zum Gesetzentwurf der Staatsregierung.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN geht in einigen Bereichen über die mit Blick auf das ZDF-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu treffenden Regelungen für Rundfunkaufsicht und Vielfaltsicherung hinaus, insbesondere dort, wo es um Vorgaben für das Marktverhalten des Bayerischen Rundfunks geht und um erhöhte Befugnisse des Rundfunkrates bei wirtschaftlichen Entscheidungen des Senders. Darüber werden wir in den kommenden Beratungen ausführlich diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser gemeinsames Ziel muss ein starker, stabiler, unabhängiger und qualitätvoller Rundfunk in Bayern sein, der seine Informations- und Unterhaltungsaufgabe optimal erfüllen kann.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. – Als nächste Wortmeldung haben wir die von Herrn Prof. Dr. Piazolo für die FREIEN WÄHLER. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf noch einmal das Datum in Erinnerung rufen: Es war der 25.03.2014 – es ist mehr als zweieinhalb Jahre her –, dass das Bundesverfassungsgericht zum ZDF geurteilt hat. Allen war klar: Das gilt auch für den Bayerischen Rundfunk. Und dann braucht es mehr als zweieinhalb Jahre, bis die Staatsregierung reagiert und einen Gesetzentwurf vorlegt.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, wenn ich es richtig im Kopf habe, sind Sie Tierarzt. Als Tierarzt könnten Sie so nicht arbeiten. Zweieinhalb Jahre! Sie sind, glaube ich, auch noch bei der freiwilligen Feuerwehr, wenn ich es richtig weiß. Auch da kann man so nicht arbeiten. Aber in der Staatsregierung zweieinhalb Jahre warten, und dann das: Es ist ein Gesetz – – Ich will jetzt nicht übertreiben, aber es ist sehr wenig verändert worden gegenüber dem, was wir schon hatten.

In zweieinhalb Wochen hätte man das auch hingebracht, auch in zweieinhalb Monaten. Aber zweieinhalb Jahre – das ist schon unglaublich, besonders wenn man weiß, dass der Medienrat aufgrund dieser Zeitverzögerung nicht einmal wählen konnte. Er musste eine Wahl verschieben. Der Vorsitzende des Medienrates ist extra auf Bitten auch der Staatsregierung noch ein Jahr länger dran geblieben; die Wahl hat sich verschoben – alles nur, weil die Staatsregierung nicht in die Pötte gekommen ist.