Protokoll der Sitzung vom 18.10.2016

Ohne dabei andere Religionen auszugrenzen oder zu diskriminieren – das möchte niemand von uns –, werden wir diesen Kurs beibehalten. Hierbei werden wir natürlich weiterhin einen konstruktiven Dialog mit den Kirchen pflegen. Wir alle stehen dabei in unseren Wahlkreisen zuhause in sehr gutem Kontakt mit den

Kirchen und müssen uns nicht von irgendjemandem an die Seite drücken lassen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Jetzt darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Unterländer das Wort erteilen. Bitte schön.

Liebe Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde trägt den Titel: "Christliche Nächstenliebe – Kritik der Kirchen an der Staatsregierung ernst nehmen". Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass wir uns angesichts der Kritik von kirchlicher und von politischer Seite hier über Inhalte der Zukunftsgestaltung und unser Gemeinwesen austauschen.

Leider musste ich jedoch feststellen, dass es Ihnen in erster Linie um Vorwürfe geht und darum, politisches Kapital aus Meinungsverschiedenheiten zu ziehen, bei denen es eigentlich normal ist, dass man sich austauscht. Das führt letztlich zu einer unschönen Diskussion. Deshalb fordere ich Sie auf: Kommen wir doch zu einer vernünftigen, ernsthaften und seriösen Debatte zurück!

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Wir sollten in der Politik die Kritik der Kirchen ernst nehmen, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit dieser Fragestellung, sondern auch, wenn es um andere Fragestellungen geht, die sich um Werteorientierung drehen oder die fachpolitische Fragen betreffen. Leider muss ich feststellen, dass diejenigen, die heute eine große Differenz zwischen Kirche und CSU in den Mittelpunkt dieser Aktuellen Stunde rücken, überhaupt kein Interesse daran haben. Da ist dann ein gutes Stück Heuchelei dabei.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin sehr froh darüber, dass beispielsweise der Landtagsvizepräsident Meyer oder auch der Kollege Markus Blume hier darauf hingewiesen haben, wie notwendig ein sachlicher Dialog ist. Eine Aktuelle Stunde wie diese sehe ich auch als eine Chance dafür, dass wir uns über ein solches Thema austauschen können, was ich für notwendig halte. Dann machen Sie das aber bitte auch, und führen Sie hier nicht nur einen politischen Streit.

(Markus Rinderspacher (SPD): Wir machen das! Wir haben genau zugehört!)

Diskutieren in der Sache ist etwas anderes, als dem politisch Andersdenkenden zu unterstellen, mit den

nicht nur kulturprägenden Religionsgemeinschaften in Auseinandersetzungen zu treten.

(Zurufe von der SPD)

Das halte ich nicht für okay.

Ich möchte Ihnen als Motiv, als Antrieb für das, was wir in unserem politischen Leben als Konsens miteinander suchen sollten, auf den Weg geben, was sich im Alten Testament bei Jeremia in Kapitel 29 findet: "Suchet der Stadt Bestes". Das ist ein Leitmotiv, das wir uns im Grunde konfessions- und glaubensübergreifend als Maßstab für politisches Handeln aneignen und auch als christliche Orientierung akzeptieren sollten.

Darüber hinaus sollten wir den Konsens beachten, wie er zwischen den Kirchen, den Sozialenzykliken und der Soziallehre von katholischer und evangelischer Seite aus besteht. Wir sind, wenn ich dieses Metier hier ansprechen darf, in der Sozialpolitik der Auffassung, dass es häufig getreu dem Subsidiaritätsprinzip besser ist, wenn kleinere Einheiten, wie sie sich beispielsweise aus Vereinen oder aus Wohlfahrtsverbänden heraus bilden, bestimmte Aufgaben für das Gemeinwesen erledigen, als wenn das immer von staatlicher Seite vorgegeben wird.

Wir sind uns hoffentlich auch darin einig, dass wir uns in einem ernsthaften Dialog über die Zukunftsprobleme dieser Gesellschaft, was Migration, demografische Entwicklung und die Digitalisierung dieser Welt anbelangt, austauschen müssen. Das alles sind Fragen, in denen die Schnittmenge zwischen Kirchen und der politischen Verantwortung sehr groß sind.

Darauf weisen die Kirchen zu Recht immer hin, und da besteht im Übrigen eine große Übereinstimmung zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der CSU-Landtagsfraktion. Wir lassen uns hier nicht auseinanderdividieren, nur weil es in einer Frage ein demokratisches Ringen gibt.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Müller um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Deutschland kann nicht alle Notleidenden dieser Welt aufnehmen. Es geht nicht allein um Barmherzigkeit, sondern auch um Vernunft. – Dieses Zitat stammt von niemand anderem als Seiner Eminenz Kardinal Marx, der eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen fordert.

Erzbischof Marx benennt hier ganz klar die Balance, die wir in der Flüchtlingspolitik finden wollen und müssen. Sie gelingt uns aber nur, wenn wir in unserer Asyl- und Integrationspolitik die richtigen Schwerpunkte setzen. Dies entspricht genau unserem Dreiklang: Humanität, Integration und Begrenzung.

(Margit Wild (SPD): Das gilt aber nicht für alle!)

Daraus leiten sich fünf Handlungsmaximen ab, nämlich erstens ein faires Verfahren für jeden Asylsuchenden, zweitens eine menschenwürdige Unterbringung aller Asylsuchenden in Deutschland während des Asylverfahrens, drittens die Integration derer, die bleiben dürfen, viertens die Rückführung derer, die keinen Bleibeanspruch haben, und fünftens die Verbesserung der Integration in den Herkunftsländern. Die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern nach Deutschland und Bayern im Jahr 2015 waren für uns alle eine riesige Herausforderung. Wir haben uns aber unserer humanitären Verantwortung mit großer Solidarität und großer Mitmenschlichkeit gestellt. Jeder Asylsuchende, ob mit oder ohne Bleibeperspektive, bekommt ein faires Verfahren. Niemand, der vor Krieg und Verfolgung flieht, wird zurückgeschickt.

Punkt zwei: Alle, die zu uns gekommen sind, wurden anständig untergebracht, vom ersten Tage an medizinisch versorgt und über die Asylsozialberatung betreut. Dies war nur durch das großartige Engagement der Ehrenamtlichen, der Wohlfahrtsverbände, der Kirchen, der Kommunen und der vielen Mitarbeiter in den Behörden möglich. Das ist gelebte Nächstenliebe. Die Kirchen, die Caritas und die Diakonie decken die Asylsozialberatung zu 90 % ab und leisten eine sehr gute Arbeit. Die Kirchen waren bei allen Entscheidungen im Lenkungsstab dabei und haben sich dabei sehr stark engagiert. Dafür danke ich allen Beteiligten von ganzem Herzen. Gerade bei dem Ansturm auf Bayern im Jahr 2015 haben wir Bayern eine Visitenkarte der Humanität abgegeben. Rückblickend müssen wir jedoch ganz klar feststellen: Es gibt eine objektive Grenze der Belastbarkeit. Das ist keine Grenze des guten Willens, sondern eine Grenze der Kapazität. Deswegen müssen wir die Zuwanderung klar begrenzen sowie viertens Ordnung und klare Regeln für die Integration und für das Zusammenleben schaffen. Die Integration der Bleibeberechtigten ist eine gewaltige gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die uns noch über Jahrzehnte beschäftigen wird. Das ist keine Aufgabe, die von heute auf morgen geleistet werden könnte. Wir brauchen dafür Geduld und einen langen Atem.

Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen wir klar zwischen denjenigen unterscheiden, die bleibeberechtigt sind, und denjenigen, die keine Bleibeberech

tigung haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Integration kann nur gelingen, wenn wir ihr eine Richtung geben, und diese Richtung ist unsere Leitkultur. Meine Damen und Herren von der Opposition, Integration bedeutet nicht, dass sich Einheimische und Neuankömmlinge auf halbem Wege treffen und wir daraus eine neue Kultur der Beliebigkeit schmieden. Integration braucht vielmehr eine klare Richtung. Diese Richtung kann nur unsere Leitkultur, unsere Werteordnung, unser Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung sein. Leitkultur ist das Gegenteil von Multikulti. Herr Kollege Markus Blume hat das Thema Leitkultur vorhin bereits im Detail dargestellt, und daran halten wir fest.

Mit dem Grundsatz des Förderns und des Forderns haben wir für beide Seiten eine Verbindlichkeit geschaffen. Wir fördern die Integration. Dafür haben wir bereits im Herbst ein Integrationsprogramm auf den Weg gebracht. Wir investieren allein im Jahr 2016 mehr als eine halbe Milliarde Euro für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, für zusätzliche Lehrer und Polizisten, aber auch für Sprachkurse, Wohnungen, die Integration in Ausbildung und Arbeit und vieles mehr. Wir fördern die Integration aber nicht nur, wir fordern sie auch ein. Wir wollen, dass die Menschen miteinander leben, nicht nebeneinander und auch nicht gegeneinander. Wichtig ist, dass sich Migrantinnen und Migranten integrieren wollen und Integrationsangebote annehmen; denn nur so kann Integration auch gelingen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die Eckpfeiler unserer Flüchtlingspolitik. Viele Christinnen und Christen haben damit in der Sache überhaupt kein Problem, im Gegenteil. Sie sehen in dieser Politik eine Verbindung von christlicher Grundorientierung mit realitätsnaher und verantwortungsbewusster Politik. Sofern es Differenzen über die Wortwahl oder Stilfragen gibt, klären wir diese mit unseren Schwestern und Brüdern im Gespräch. Dafür brauchen wir keinen Antrag der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Sie stehen doch nur dann an der Seite der christlichen Kirchen, wenn es Ihnen opportun erscheint. Dieses Verhalten entlarvt sich selbst.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist eine Unverschämtheit! – Ulrike Gote (GRÜNE): So viel zum Thema Spalten!)

Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes (Drs. 17/13092) - Erste Lesung

und

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Rundfunkgesetzes und des Bayerischen Mediengesetzes (Drs. 17/13224) - Erste Lesung

Begründung und Aussprache zum Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN werden miteinander verbunden. Damit hat die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zehn Minuten Redezeit. Ich erteile Frau Kollegin Gote das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nun liegen sie endlich auf dem Tisch, die Vorstellungen der Staatsregierung zur Reform der Medienaufsicht. Das war nun wirklich eine schwere Geburt. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das sie letztlich gedrängt hat, nun endlich tätig zu werden, stammt aus dem Jahr 2014. Im Jahr 2015 hat dieser Landtag dazu eine Anhörung durchgeführt. Jetzt, gegen Ende des Jahres 2016, liegt endlich Ihr Gesetzentwurf vor.

Auf einmal muss alles ganz schnell gehen. Wir müssen die Beratungsfrist verkürzen. Sie haben sich noch nicht einmal Zeit für die Verbandsanhörung genommen. Ich finde es wirklich unverschämt, dass Sie den Verbänden eine Frist gesetzt haben, die am Montag endet, und am Dienstag bringen Sie das Gesetz in das Kabinett ein. Ich kann mir an fünf Fingern abzählen, was Ihnen die Kommentare der Verbände wert sind. Jetzt geht alles hoppla hopp. Das Bundesverfassungsgericht und der immer stärker werdende öffentliche Druck haben bewirkt, dass wir wenigstens die Chance für eine sinnvolle Reform haben. Allerdings dauert es bei Ihnen immer etwas länger, bevor Sie gesellschaftliche Realitäten verstehen. Da wir wussten, dass dies bei Ihnen eine schwere Geburt werden würde, haben wir heute einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.

Zu Ihrem Gesetzentwurf kann ich nur sagen: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die vier Grundpfeiler einer zeitgemäßen Medienaufsicht heißen Staatsferne, Vielfalt, Gendergerechtigkeit und Transparenz. Zur Staatsferne: Wir wollen in unserem Gesetzentwurf den Anteil der staatsnahen Mitglieder in Rundfunkrat und Medienrat auf 21 bzw. 24 % reduzieren. Wir bleiben also weit unter der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, das eine Reduzierung auf ein Drittel gefordert hat.

Liebe CSU, wir beenden ein für alle Mal Ihre unfaire Praxis, über die Entsendung von staatsnahen Personen durch Verbände in den Räten eine noch breitere CSU-Mehrheit zu zementieren. In diesem Zusammenhang muss ich leider die Namen Goppel und Kränzle noch einmal öffentlich nennen. Wir vergrößern den Rundfunkrat nicht. Wir verkleinern aber den Medienrat von 47 auf 38 Mitglieder. Sie dagegen blähen die Gremien auf und halten die Drittel-Vorgabe gerade einmal so eben ein.

Zur Vielfalt: Weil wir nahe an den Menschen sind, sind wir auch mit der Vielfalt unserer Gesellschaft gut vertraut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb werden im Rundfunkrat und im Medienrat zukünftig auch Vertreter und Vertreterinnen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Transgendern, Intersexuellen und Queeren also von der LSBTTIQ-Community, sowie Sinti und Roma, Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderungen sitzen. Sie alle werden endlich eine Stimme in diesen wichtigen Gremien haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden die großen und wachsenden Gruppen der Muslime und der Konfessionsfreien berücksichtigen. Sie hingegen würden am liebsten gar nichts ändern und agieren mutlos. In einem Punkt – dem letzten, den ich genannt habe – kann man es nicht einmal mehr mutlos nennen, sondern muss sagen: Das ist diskriminierend. Sie geben den Muslimen nämlich keinen Platz. Das halte ich gerade in den Zeiten, in denen wir leben, und gerade im Hinblick auf die Diskussionen, die wir eben geführt haben, für eine ganz große Frechheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht hier um eine Gruppe, die nach Aussagen der Staatsregierung im Rahmen einer Antwort auf eine Anfrage der SPD bereits mehr als 10 % der bayerischen Bevölkerung ausmacht. Wir reden hier nicht von wenigen Menschen. Wir reden auch nicht von Geflüchteten. Wir reden hier von deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern muslimischen Glaubens. Es ist

nötig, dass sie endlich eine Vertretung in den Räten haben. Stattdessen geben Sie dem Tourismusverband einen Platz. Kein Mensch versteht, was das soll. Der Aspekt der gesellschaftlichen Vielfalt kann Sie hier nicht geleitet haben, sondern eher der starke Arm einer Lobby.