Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Diese Geschichtsklitterung sollten wir etwas ins rechte Licht rücken. Die SPD hat 1946 doch nicht allein mit ihren 28,8 % und 51 Sitzen in der Verfassunggebenden Landesversammlung die Bayerische Verfassung beschlossen. Nein, beschlossen hat sie die Mehrheit in der Verfassunggebenden Landesversammlung, und dazu hat die CSU mit 58,3 % und 109 Sitzen beigetragen. Herr Schindler, das ist die Wahrheit. Wenn Sie glauben, man könne die Volksgesetzgebung mit knapp 29 % durchsetzen, ist das mathematisch zwar interessant, mit der Realität aber nicht in Einklang zu bringen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Schauen Sie erst einmal, dass Sie sich im Bund durchsetzen können!)

Bürgerbegehren und Bürgerentscheide wurden aufgrund einer Initiative des Volkes eingeführt. Dabei vom Widerstand der etablierten Parteien zu sprechen – bei Ihnen ist das immer die CSU, das verstehe ich auch –, stimmt nicht, weil sich auch viele von der CSU für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide starkgemacht haben. Wir sollten doch nicht versuchen, mit

aller Gewalt Gegensätze aufzubauen, die es nicht gibt. Alles wird immer irgendwie negativ dargestellt. Lassen wir es aber einmal dabei.

Ich persönlich habe Probleme, wenn ich mir anschaue, wie wichtig es ist, mehr Demokratie zu haben, und erleben muss, dass die GRÜNEN und die SPD massiv gegen die Volksbefragung vorgehen. Was jetzt? Mehr Demokratie oder doch nicht so ganz? Diese Fragen haben Sie mir nicht beantwortet. Sie müssen sie mir auch nicht beantworten.

Wir haben aber das Glück, dass wir die plebiszitären Elemente seit 1946 weiterentwickelt haben. Jetzt machen wir den nächsten Schritt. Unsere Mitglieder haben uns einen Auftrag gegeben und gesagt, sie wollen Volksbegehren auf Bundesebene. In vier Wochen wird uns dann wahrscheinlich ein Antrag blühen, mit dem gefragt wird, warum noch nichts geschehen ist, obwohl Sie wissen müssten, dass es noch nicht sehr weit führt, wenn nur ein Bundesland das will.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Also ist das nur ein Showantrag auf Bundesebene!)

Herr Aiwanger, wir wissen doch beide, dass wir dazu andere Bundesländer brauchen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die Frau Merkel bräuchten Sie dazu! Die CDU bräuchten Sie!)

Frau Merkel ist nicht Mitglied des Bundesrats. Das wollen wir jetzt nicht weiter vertiefen. Ich gehe davon aus, dass seitens der Staatsregierung Kontakte mit anderen Bundesländern aufgenommen werden, die wir dazu brauchen. Wenn wir auf Bundesebene plebiszitäre Elemente einführen wollen, müssen wir klarlegen, welche Quoren wir dazu in den jeweiligen Bundesländern brauchen. Wir müssen dann ehrlich zueinander sein. Wir müssen festlegen, welche Themen sich die anderen Länder für Plebiszite vorstellen können. Erst dann kann ich es umsetzen. Es macht sich vielleicht in der Zeitung ganz gut zu äußern, das ginge von gestern auf heute, aber das ist nicht seriös.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Was?!)

Jetzt haben wir den richtigen Input. Wir haben die plebiszitären Elemente weiterentwickelt. Unsere Mitglieder wünschen das. Wir werden es jetzt auch weiter vorantreiben.

Lassen Sie mich auch noch einen Satz zu Quoren und Ähnlichem sagen. Wir sind der festen Überzeugung, dass gerade wegen des klaren Quorums Volksbegehren und Volksentscheide bei unseren Bürgerinnen und Bürgern einen so hohen Stellenwert haben.

Dadurch kommt außerhalb der repräsentativen Demokratie nur das zum Tragen, was von einer breiten Mehrheit getragen wird. Auf diesem Weg wollen wir weitermachen. Ich danke fürs Zuhören und freue mich, dass Sie die Demokratie so hoch schätzen, Herr Kollege.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Kollege Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Demokratie war noch nie so schön wie heute. Die Debatte hier im Haus zeigt, dass Demokratie lebhaft sein und die freie Rede vorherrschen muss. Das ist so schön, dass dabei eigentlich alle und auch das Volk mitmachen sollten. Bei den Anmerkungen von Herrn Zellmeier und der CSU, die für manche plebiszitären Elemente die Urheberschaft beanspruchen, kommt mir ein Gedanke: Sie sagen, Sie hätten eine Koalition mit dem Volk. Vorher haben wir von Herrn Schindler gehört, dass nach der Bayerischen Verfassung das Volk der Souverän ist und dass das Volk bestimmt, während die Staatsregierung eigentlich nur das ausführende Organ ist. Wenn Sie dann von einer Koalition mit dem Souverän sprechen, erheben Sie sich selbst zum Souverän. Das ist falsch. Dieser Blickwinkel auf dieser Seite ist völlig falsch. Sie sagen, Sie seien auf Augenhöhe mit dem Volk. Nein, das Volk steht über uns. Das müssen wir uns bewusst machen. Das ist der richtige Weg und die richtige Sichtweise.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herr Schindler, Ihre Ausführungen waren höchst interessant. Jetzt wissen wir, was die SPD einmal war. Was sie heute ist, wissen wir noch nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Josef Zell- meier (CSU): Sehr richtig!)

Dass Sie sich vor 70 Jahren große Ehren erworben haben, ist richtig. Wir müssen aber auch heute immer wieder für die Demokratie kämpfen und für sie eintreten. Deswegen ist es auch legitim, wenn wir als Neulinge in diesem Haus dieses Thema immer wieder auf das Tapet heben; denn Demokratie ist keine Urkunde, die man irgendwann einmal verfasst, ins Bücherregal stellt und verstauben lässt. Um Demokratie muss man tagtäglich ringen.

Das ist es, was wir hier tun. Das ist es auch, was das Volk möchte. Die Politik handelt eigentlich immer vom Zusammen- und Miteinandersein der verschiedensten

Akteure in einem Land. Politik entsteht, wenn die Menschen ihre verschiedenen Meinungen und ihre Vielfalt artikulieren und zusammenbringen und daraus etwas Neues entsteht. Die Freiheit ist der Sinn der Politik, die Freiheit, immer wieder einen Neuanfang zu machen und immer wieder etwas Neues zu erringen. Hierfür ist es wichtig, dass es den Raum für die freie Rede gibt. Gerade durch die plebiszitären Elemente wollen und müssen wir Räume für die freie Rede und für die Freiheit schaffen. Wir müssen Räume schaffen, in denen die Menschen ihre Verschiedenheiten artikulieren und zusammentragen können, damit durch die Vielfalt der Meinungen etwas Neues entstehen kann und damit die Menschen auch mitgenommen werden. Es geht um die politische Teilhabe der Vielen. Dazu gehört auch, dass die Informationen vorher fließen und die Menschen aufgeklärt und mitgenommen werden. Wichtig und richtig ist, dass es in Bayern die meisten Volks- und Bürgerbegehren gibt. Hier werden die Menschen mitgenommen. Das ist ein ganz zentraler Aspekt.

Ich verweise hier auf die Enzyklika "Laudato si’" von Papst Franziskus: Einen privilegierten Platz in der politischen Auseinandersetzung hätten die Einwohner vor Ort. Diese seien zu hören und mitzunehmen. Aber Papst Franziskus sagt auch, dass Beteiligung Information verlange. Deswegen brauchen wir neue Instrumente der Information.

Das haben wir, die Opposition, immer wieder vorgelegt, zum Beispiel in Informationsfreiheitsgesetzen und in Informationstransparenzgesetzen. Die Menschen müssen die Informationen erhalten können, um letztlich entscheiden zu können und um mitgenommen werden zu können. Wenn man diese Informationen nicht gibt und die Menschen nicht mitnimmt, dann folgen unerwünschte Ergebnisse. Diese Situation ebnet den Raum für Populisten, die das Volk missbrauchen können. Aber wir brauchen eine aufgeklärte, mündige und informierte Bürgerschaft. Die Voraussetzungen dafür müssen wir schaffen und immer wieder neu schaffen.

Mit Blick auf die rechte Seite sage ich: Wenn Sie es mit der Forderung nach mehr direkter Demokratie ernst meinen, dann ebnen Sie auch den Weg für die Informationen für die Bürger. Nicht das Durchregieren, wie es die CSU oft und gerne sagt und macht, ist das Motto der Zeit, sondern das Motto der Zeit ist, den Bürger ernst zu nehmen und dem Bürger Informationen zu geben, damit er selber die richtigen Entscheidungen treffen kann.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Lorenz von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Vizepräsident, werte Kollegen! Wenn wir uns die politische Landschaft in den deutschen Bundesländern anschauen, sehen wir, dass die Mehrheit der Bundesländer von SPD-Ministerpräsidenten regiert wird. Viele Bundesländer sind rot-grün-regiert. Außer Bayern gibt es kaum ein Bundesland, in dem SPD und GRÜNE in den letzten Jahren nicht in irgendeiner Regierungsverantwortung gewesen sind. Daher ist es verwunderlich, dass genau in diesen Bundesländern – in den meisten Bundesländern hatten Sie in den vergangenen Jahren auch Verantwortung – das Element der direkten Demokratie nicht so ausgeprägt ist wie in Bayern.

Bayern ist unbestritten das Musterland der direkten Demokratie. Darauf sind wir alle stolz. Die Zahlen wurden bereits genannt. Im kommunalen Bereich finden 40 % aller deutschen demokratischen Akte in Bayern statt. Was die Zahl der landesweiten Volksentscheide angeht, waren 6 von 23 in Bayern. Bayern liegt unter den 16 Bundesländern weit an der Spitze. Andere Bundesländer tun sich da sehr, sehr schwer. Hier kann man die Frage stellen: Ist es Ihnen, RotGrün, nur da wichtig, das Thema direkte Demokratie anzusprechen, wo die Aussichten auf Regierungsbeteiligung nicht so gut sind? Wieso gibt es diese basisdemokratischen Elemente nicht in den anderen Bundesländern, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen? Da muss ein bisschen an der Redlichkeit der Argumentation gezweifelt werden.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Es wäre besser gewesen, er hätte geschwiegen!)

Aber um Sie auch etwas in Schutz zu nehmen, weil die GRÜNEN gesagt haben, sie waren immer schon für die direkte Demokratie, kann ich sagen, dass eine Partei wie die SPD oder die CSU eine deutlich längere Parteitradition haben. Dass sich Meinungen im Laufe der Jahrzehnte oder wie bei der SPD im Laufe von über 100 Jahren ändern, dürfte selbstverständlich sein.

Wir als Münchner sind insbesondere auch darauf stolz, dass wir den ersten kommunalen und erfolgreichen Bürgerentscheid in ganz Bayern gehabt haben. Dass solche Entscheidungen sehr, sehr langfristige Wirkungen haben, sieht man an den damals geforderten und beschlossenen drei Tunnels. Diese sind erst vor Kurzem umgesetzt worden. Deswegen ist es richtig, diesen Weg weiterzugehen. Die erfolgreichen Bür

gerbeteiligungen, die wir auf kommunaler und auf Landesebene haben, sollen auch auf Bundesebene ermöglicht werden. Der Bürger soll insbesondere bei europapolitischen Fragen einbezogen werden.

Die Politik ist das Bohren dicker Bretter. Wie schon oft gesagt, ist unsere Haltung gegenüber Bürgerbegehren und Volksentscheiden klar. Sie wurde im letzten Mitgliederentscheid noch einmal eindeutig bestätigt. Leider konnten wir auf Bundesebene noch nicht alle überzeugen, aber wir arbeiten daran. Es ist gut, wenn wir im Bayerischen Landtag in dieser Hinsicht alle einer Meinung sind. Das ist auch ein gutes Zeichen für eine Demokratie. Lassen Sie uns alle daran arbeiten, dass wir das auch auf Bundesebene umsetzen können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich Sie noch kurz von einer Entscheidung in Kenntnis setzen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Plenarsitzung haben wir den Kollegen Martin Neumeyer verabschiedet, der aus dem Bayerischen Landtag ausgeschieden ist. Die Landeswahlleiterin hat gemäß Artikel 58 des Landeswahlgesetzes Herrn Florian Hölzl aus Pfeffenhausen als Listennachfolger festgestellt. Herr Hölzl ist seit dem 1. November Mitglied des Bayerischen Landtags. Lieber Herr Kollege, ich heiße Sie herzlich willkommen in unserer Mitte und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer parlamentarischen Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (Drs. 17/13793) - Erste Lesung

Den Gesetzentwurf begründet die Staatsregierung. Für sie spricht Herr Staatssekretär Gerhard Eck. Bitte schön, Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die innere Sicherheit ist ein hohes Gut. Wir messen diesem Thema sehr viel Bedeutung bei. Für die hohen Sicherheitsstandards in Bayern sorgen neben unseren Polizeibeamtinnen und -beamten vor allem Hunderttausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, Feuerwehrleute, Helfer des Technischen

Hilfswerks und auch viele Ehrenamtliche unserer freiwilligen Hilfsorganisationen. Diese Personen helfen in Not. Sie sind Tag und Nacht zur Stelle, wenn sie gebraucht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz besonders freut es mich, dass ich heute einen Gesetzentwurf vorstellen darf, der gerade diese Helfer in den Blick nimmt und ihre Situation verbessert. Das Hauptanliegen dieses Gesetzentwurfs ist es, für die Ehrenamtlichen gute und klare rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir wollen sie vor Nachteilen durch ihren Dienst schützen und rechtlich absichern.

Kernpunkt der gesetzlichen Änderung ist die Helfergleichstellung, das heißt die Erweiterung des Personenkreises, dem im Einsatzfall gesetzliche Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüche zustehen. Diese Ansprüche sind für die Helfer ein ganz wichtiges Element, weil sie in der Folge ihren Arbeitsplatz für ihren Dienst verlassen dürfen, ohne dadurch Nachteile für ihr Arbeitsverhältnis befürchten zu müssen.

Wir haben die Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüche in den letzten Jahren Schritt für Schritt ausgeweitet. Seit dem Jahr 2008 stehen sie nicht mehr nur den Dienstleistenden bei der Feuerwehr und den Helfern des Technischen Hilfswerks zu, sondern auch den Helfern der freiwilligen Hilfsorganisationen bei Einsätzen im Katastrophenfall. Im Jahr 2013 erfolgte eine erneute Ausweitung im Rahmen des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes. Seither sind auch ehrenamtliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst erfasst.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir noch einmal eine Erweiterung für ehrenamtliche Helfer erreichen, die als Mitglied einer Schnell-Einsatz-Gruppe über die Integrierte Leitstelle zu einem Einsatz alarmiert werden. Damit schließen wir eine Lücke im bisherigen System; denn der neue Freistellungsanspruch gilt für alle Unterstützungskräfte in den Schnell-Einsatz-Gruppen und auch, das ist ganz wichtig, unterhalb der Schwelle einer Katastrophe und eines Massenanfalls von Verletzten.

Wir haben die Gelegenheit genutzt, gleichzeitig auch einige weitere Anpassungen im Katastrophenschutzgesetz vorzunehmen, zum Beispiel bei der Regelung der Rechtsstellung der sogenannten Unterstützungsgruppe des örtlichen Einsatzleiters. Der Staatsregierung ist es wichtig, dass keine Gesetze erlassen werden, die an den Bedürfnissen der Praxis, also der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer und der bayerischen Unternehmen, vorbeigehen. Die Anhörung der betroffenen Verbände ist für uns ein sehr bedeutender

Schritt in einem Gesetzgebungsverfahren. Sie sorgt dafür, dass die Interessen der Betroffenen gehört und angemessen einbezogen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, allen Verbänden, die sich zu diesem Gesetzentwurf geäußert haben, gilt daher unser ganz besonderes Dankeschön. Vor allem möchte ich mich bei der Arbeitsgemeinschaft Bevölkerungsschutz und einem ihrer Mitglieder, dem Bayerischen Roten Kreuz, ausdrücklich bedanken. Die Arbeitsgemeinschaft und das Bayerische Rote Kreuz haben sich mit Leidenschaft für die Helfergleichstellung eingesetzt und so maßgeblich zum Gelingen des Gesetzentwurfs beigetragen. Das möchte ich einmal deutlich sagen.