Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot trägt in seiner Vielfalt dazu bei, dass die Menschen in unserem Land darüber entscheiden können, wie sie ihr Leben leben möchten, zu welcher Meinung sie kommen und wen sie letztlich wählen. Wir sollten den öffentlichrechtlichen Rundfunk daher durchaus als Einrichtung der Daseinsvorsorge betrachten.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag hat in den vergangenen Jahren mehrfach Initiativen zur Reform der Rundfunkaufsicht gestartet. Ihr Ziel war es stets, fraktionsübergreifend Lösungen für die schon lange vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag vom März 2014 überfällige Neugestaltung der Rundfunkaufsicht zu finden. Die Mehrheitsfraktion, die CSU, hat sich aber leider nicht dazu herabgelassen, mit uns im Parlament eine Novellierung anzupacken. Genau aus diesem Grund liegen uns heute vier Gesetzentwürfe vor.

Was genau hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil über die Normenkontrollklage gegen den ZDF-Staatsvertrag vom Gesetzgeber verlangt, und inwieweit erfüllen die vorliegenden Gesetzentwürfe diese Vorgaben? – Die wichtigsten Anforderungen werden in den vier Gesetzentwürfen erfüllt.

Erstens. Sie begrenzen den Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Gremien auf weniger als ein Drittel. Der SPD-Entwurf begrenzt den Anteil auf weniger als ein Fünftel.

Zweitens. Sie schließen aus, dass staatliche und staatsnahe Vertreter auf dem Ticket von Verbänden in die Gremien kommen und dass sie ohne 18-monatige Karenzzeit von Parlamenten oder Staatsfunktionen direkt in die Rundfunkaufsicht wechseln können. Das ist in allen vier Gesetzentwürfen zu finden.

Drittens. Alle vier Vorschläge sorgen dafür, dass zumindest weitgehend Geschlechtergerechtigkeit hergestellt wird. Beim Entwurf der Staatsregierung ist die Hintertür allerdings verdammt weit offen; denn bei Ihnen reicht eine einfache Erklärung, dass es nicht gelungen sei, eine Frau zu finden, um direkt ein Männerticket auszustellen. Ehrlich gesagt erinnert mich das stark an Ihre halsstarrigen Quotenversuche in Ihrer eigenen Partei.

(Beifall bei der SPD)

Viertens. Alle vier Vorschläge sorgen dafür, dass die Gremienarbeit transparenter wird. Alle vier Vorschläge nehmen das Gebot der Vielfaltssicherung ernst und versuchen, in der Besetzung von Rundfunk- und Medienrat möglichst vielfältige Perspektiven und Erfahrungshorizonte aus allen Bereichen des Gemeinwesens zu erfassen, wobei meiner Meinung nach der Vorschlag der Staatsregierung ziemlich zaghaft ist.

Wo sind jetzt die besonderen Knackpunkte und die Unterschiede zwischen den vier vorliegenden Gesetzentwürfen?

Die Staatsregierung schlägt vor, Rundfunk- und Medienrat nur um drei Mitglieder zu ergänzen, davon ist eines Vertreter der Menschen mit Behinderung. Dazu sage ich nur: Das ist längst überfällig!

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Mitglied ist ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte. Auch das ist überfällig und gehört, lieber Herr Blume, wahrscheinlich oder wie ich hoffe zu Ihrer neuen Ordnung, zu der Sie sich ja selbst auf Ihrem Parteitag geäußert haben.

Schließlich will die Staatsregierung auch einen Vertreter des Tourismus-, Hotel- und Gaststättengewerbes. Herr Blume, ehrlich gesagt, warum das dritte weitere Mitglied ausgerechnet ein Vertreter des Tourismusgewerbes sein soll, verstehen wir nicht. Es ist zumindest erklärungsbedürftig. Warum ausgerechnet vom Touristikverband und nicht von einer anderen Organisation? Was ist zum Beispiel mit einem Vertreter der

Wohlfahrtsverbände oder einem Vertreter von Lesben- und Schwulenorganisationen?

(Beifall bei der SPD)

Was ist mit einer Vertreterin der Frauen oder einem Vertreter der Seniorenverbände, der Menschenrechtsorganisationen oder muslimischer Verbände? Wir sind der Meinung, dass die vom Verfassungsgericht verlangte Vielfalt mehr erfordert als das, was Sie vorschlagen.

(Beifall bei der SPD)

Wie ist jetzt Ihre Argumentation? Das wird uns Herr Blume sicherlich gleich erneut vortragen. Sie sagen, es sei zu teuer, die Räte mit noch mehr Vertretern der Gesellschaft auszustatten.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Es gibt genügend Stellschrauben, an denen man drehen kann. Ich nenne als Beispiel nur die Aufwandsentschädigung der Ratsmitglieder. Daran könnte man zuallererst schrauben.

Dann hieß es vonseiten der CSU in den vorbereitenden Beratungen des Wirtschaftsausschusses, Schwule und Lesben müssten nicht eigens vertreten sein, so Frau Haderthauer; sie gehörten sowieso zum Querschnitt der Gesellschaft und seien überall mit vertreten. Wenn Sie von der CSU tatsächlich dieser Auffassung sind, frage ich mich schon, warum Sie mit der Anerkennung der Homo-Ehe in der Gesellschaft solche Probleme haben, wenn dies alles ganz normal wäre und alle überall vertreten wären. Dieses Rätsel lösen Sie vielleicht heute für uns auf. Geben Sie sich also einen Stoß, besonders beim zweiten Punkt, die Homo-Ehe zu bejahen sowie einen Vertreter der Schwulen und Lesben in die Räte zu entsenden.

(Beifall bei der SPD)

Bezogen auf die Wohlfahrtsverbände, die im Gesetzentwurf der Staatsregierung nicht eigens einen Ratsplatz erhalten, hieß es in den Vorberatungen im Wirtschaftsausschuss – so Frau Haderthauer –, die Wohlfahrtsverbände seien ja sowieso vertreten – in den Kirchen. Ich muss da ganz ehrlich sagen: Autsch! Wenn Sie die nichtkirchlichen Wohlfahrtsverbände fragen, dann verdrehen deren Vertreter nicht nur die Augen, sondern sie fragen sich, welche Ansicht Sie beispielsweise über die Arbeit der Wohlfahrtsverbände oder anderer Verbände haben. Sie gehören in die Räte!

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Knackpunkt: Die Staatsregierung hält in ihrem Gesetzentwurf fest, dass der Präsident oder die

Präsidentin des Bayerischen Landtags geborener Vorsitzender oder geborene Vorsitzende des Verwaltungsrates des Bayerischen Rundfunks bleibt. Das ist schlichtweg singulär in den ARD-Anstalten und definitiv nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei der SPD)

Kein anderes Rundfunkratsgremium hat diese Regelung. Zeitgemäß wäre es, dass sich das Gremium seinen Vorsitzenden selbst wählt. Erfolgreiche Unternehmen machen das schließlich auch und fahren damit ziemlich gut. Angesichts der erwünschten Politikferne in den Gremien darf man sich schon fragen, wie das zusammenpasst oder ob Sie da etwas übersehen haben.

Das Argument, das in den Vorberatungen fiel, lautete: Der Landtagspräsident oder die Landtagspräsidentin sei neutral; damit sei das überhaupt kein Problem. Ich frage mich aber, warum Sie dann im Verwaltungsrat ein ungerades Stimmenverhältnis herstellen, damit nicht am Ende des Tages die Verwaltungsratsvorsitzende das entscheidende Element ist. Das passt irgendwie alles nicht zusammen. Politikferne hieße: Das Gremium bestimmt selbst, und der Landtag maßt es sich nicht an, jemanden einfach an die Spitze des Verwaltungsrates zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Zeitgemäß wäre nach unserer Ansicht auch, dass ein Mitglied des Personalrats in den Verwaltungsrat einzieht. Gerade in einer Situation, in der die öffentlichrechtlichen Anstalten aufgrund des Spardrucks einem enormen Strukturwandel unterliegen, braucht die Belegschaft eine Stimme. Gerade in öffentlich-rechtlichen Körperschaften sollte Mitbestimmung zur Kultur gehören. Jede große Aktiengesellschaft tut das und fährt damit gut.

Zum Schluss darf ich Ihnen noch eines sagen, liebe Vertreter der CSU. Wenn Sie auch in Zukunft in dieser Geschwindigkeit Medienpolitik betreiben, wie Sie das im Moment tun – im allerletzten Moment! –, sind das erschreckende Aussichten. Wir arbeiten nach einem Urteil aus dem Jahr 2014; wir haben jahrelang Zeit gehabt. Es war bereits vor dem Urteil erkennbar, dass wir etwas für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, für unsere Demokratie tun müssen. Sie haben es bis zum letzten Moment verzögert, sodass wir erst jetzt, im Dezember 2016, überhaupt darüber diskutieren.

Ich sage Ihnen eines: Die digitale Welt wird die Öffentlich-Rechtlichen, wird die Privaten, wird die ganze Medienlandschaft derart verändern, dass unser Tempo schneller werden muss. Wir müssen die Rahmenbedingungen – auch die finanziellen Bedingungen – so

setzen, dass der Öffentlich-Rechtliche bestehen kann, wenn wir ihn in Zukunft erhalten wollen. So wie Sie arbeiten, geht es in meinen Augen auf keinen Fall. Sie können nicht in dieser Zögerlichkeit weitermachen. Um eins bitte ich auch noch: Die Opposition macht immer wieder Vorschläge. Es sind nicht die schlechtesten.

(Beifall bei der SPD)

Der Sache ist nicht damit gedient, wenn sie immer reflexartig abgelehnt werden. Schauen Sie sich die Sachen an, und wenn Sie etwas parteiübergreifend machen sollten wie beim Rundfunk oder bei der Integration, die wir heute Nachmittag behandeln werden, dann tun Sie es. Demokratie heißt, Kompromisse zu finden, miteinander zu arbeiten. Es wird nicht immer besser, wenn man glaubt, man sei die Mehrheit und könne alle anderen immer überstimmen, man wisse am Ende alles besser. Ich hielte eine parteiübergreifende Zusammenarbeit für deutlich besser, sei es beim Rundfunk, sei es bei der Integration. Fangen Sie doch endlich damit an!

(Beifall bei der SPD – Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Selber anfangen!)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat Frau Kollegin Gote das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Getrieben durch das ZDFUrteil des Bundesverfassungsgerichts, beschließt der Landtag heute über eine Reform der Medienaufsicht, über eine Reform des Rundfunkrates und des Medienrates. Getrieben vor allen Dingen wurde die rechte Seite dieses Hohen Hauses; denn eigentlich – das wurde gerade ausgeführt – ist diese Reform längst überfällig. Wir haben Jahre zuvor immer wieder unsere Vorschläge für eine Reform der Räte eingebracht; denn es liegt klar auf der Hand, dass die Zusammensetzung des Rundfunkrates und des Medienrates vormodern ist, dass die Arbeitsweise der Räte intransparent ist und dass das keineswegs mehr einer modernen Medienaufsicht entsprechen konnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hinzu kommt ein wirklich spürbarer und schmerzhafter Verlust an Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, verschärft in den letzten eineinhalb Jahren, und auch deshalb ist es dringend notwendig, dass wir der Medienaufsicht wieder die Verfassung, den Umfang und die Transparenz geben, die wir brauchen. Maßstäbe für die Reform müssen Staatsferne, Vielfalt, Gendergerechtigkeit, Transparenz und die Steigerung der Effizienz in den Räten sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

An diesen Maßstäben müssen sich alle vorgelegten Gesetzentwürfe heute messen lassen. Wenn wir diese Maßstäbe anlegen, erkennen wir, dass in den Gesetzentwürfen der SPD und der FREIEN WÄHLER vieles enthalten ist, was wir auch gut finden. Ein bisschen ist auch im Gesetzentwurf der CSU-Regierung enthalten. Aber ganz ehrlich: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung ist mit Abstand der schlechteste der heute vorgelegten Gesetzentwürfe.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist der Versuch, eine Reform vorzutäuschen; denn es schien ja nur darum zu gehen, einen Weg zu finden, das Urteil, das ja umgesetzt werden muss, gerade einmal so eben umzusetzen und möglichst wenig zu verändern.

Meine größten Kritikpunkte daran – das haben Sie nicht gut umgesetzt – sind fehlende Staatsferne und fehlende Vielfalt. Sie haben das nicht aus dem Grund nicht umgesetzt, weil die Umsetzung schwierig wäre, sondern weil Sie es schlichtweg nicht wollen. Sie wollen keine Staatsferne, und Sie wollen keine Vielfalt in der Medienaufsicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um die geforderten Vorgaben zur Staatsferne gerade so eben umzusetzen, blähen Sie stattdessen die Räte auf, nämlich so weit, dass die verbliebene oder gleichbleibende Zahl der politischen Vertreter und Vertreterinnen die Drittelgrenze nicht mehr reißt. Dieses Aufblähen schadet aber den Räten, und es verbessert natürlich nicht die Arbeitsweise und die Effizienz. Dies ist übrigens auch ein Kritikpunkt am SPD-Entwurf. Auch hier hat man anscheinend nach dem Motto "Allen wohl und keinem wehe" nicht den Mut gefunden, die Räte, die jetzt schon zu den größten im ganzen Land gehören, sinnvoll zu verkleinern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Vielfalt bleibt bis auf drei neue Plätze für Tourismus, Freizeit und Gastronomie alles beim Alten. Ich muss ehrlich sagen: Hut ab vor dem, der sich das ausgedacht hat. Da war die einschlägige Lobby zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Schaltstellen. Wahrscheinlich können davon im Nachhinein alle lernen, die erfolgreich Lobbyismus betreiben wollen.

Dann gibt es einen weiteren Platz für Migrantinnen und Migranten und einen Platz für Menschen mit Behinderung. Ganz ehrlich: Das war es dann auch schon. Das war es, was Sie uns zur Vielfalt anbieten. Gerade die Aufnahme einer Vertretung von Freizeit,