Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

Dann gibt es einen weiteren Platz für Migrantinnen und Migranten und einen Platz für Menschen mit Behinderung. Ganz ehrlich: Das war es dann auch schon. Das war es, was Sie uns zur Vielfalt anbieten. Gerade die Aufnahme einer Vertretung von Freizeit,

Tourismus, Gastronomie und Hotel in die Räte ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wenn wichtige gesellschaftliche Gruppen wie die Frauenorganisationen, die bisher nur über die kirchlichen Frauenorganisationen vertreten werden, Filmschaffende, Vertreter der LSBTI-Gesellschaft, wenn muslimische Verbände oder zum Beispiel auch der Bitkom keinen Platz erhalten.

Eine bunte Bank, wie sie zum Beispiel unser Vorschlag vorsieht, hätte bedeutet, dass wir tatsächlich auch über die festgeschriebenen Gruppen und die organisierten Verbände hinweg Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder auch Einzelpersönlichkeiten, die über besondere Kompetenzen und Interessen für eine gute Medienaufsicht verfügen könnten, den Zugang ermöglichen. Das darf es mit der CSU natürlich nicht geben. Dabei wären in den Räten auch die Ansichten nicht verbandlich organisierter Gruppen und Personen wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir hingegen haben die Vorgaben konsequent umgesetzt, und wir haben weitergedacht. Wir reduzieren den Anteil der staatsnahen Mitglieder im Rundfunkrat und im Medienrat auf 21 bzw. 24 %. Wir sind also deutlich besser als gefordert. Wir beenden ein für allemal Ihre unfaire Praxis, über die Entsendung von staatsnahen Personen durch Verbände in die Räte eine noch breitere CSU-Mehrheit zu zementieren. Wir vergrößern den Rundfunkrat eben nicht und verkleinern den Medienrat von 47 auf 38 Mitglieder.

Weil wir nahe und näher als Sie an den Menschen sind, sind wir mit der Vielfalt unserer Gesellschaft auch gut vertraut. Wenn Sie unserem Gesetzentwurf folgen, wäre deshalb im Medienrat zukünftig zum Beispiel die Gruppe der Filmschaffenden vertreten. Das ist eine entscheidende Gruppe, die das Programm herstellt, ja die entscheidende Gruppe, die das Programm herstellt, die über Wissen verfügt, das bisher im Rundfunkrat überhaupt noch nicht vorhanden ist,

(Beifall bei den GRÜNEN)

und die natürlich auch an den aktuellen Entwicklungen im Medienbereich viel näher dran ist. Das sind Kompetenzen, auf die Räte nicht verzichten dürfen.

Auch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender wären vertreten. Es ist nämlich wichtig, dass Persönlichkeiten aus dieser Gruppe vertreten sind, gerade in einer Zeit, in der wir Toleranz, Vielfalt und Offenheit verteidigen und offensiv vertreten müssen. Auch die Säkularen wären vertreten. Nehmen Sie doch endlich zur Kenntnis, dass es in Bayern keine einheitlich religiös geprägte Gesellschaft mehr gibt. Die Gruppe der

Säkularen, der religiös nicht gebundenen Menschen, wird größer. Auch diese haben Organisationen gefunden, die sie zumindest zum Teil vertreten.

Deshalb gehören auch die Weltanschauungsgemeinschaften in die Räte, ebenso wie die Muslime. Muss ich wirklich noch einmal daran erinnern, dass das die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Bayern ist? Wie ist denn überhaupt zu begründen, dass diese Gruppe in den Räten überhaupt keine Vertretung haben soll, während die Evangelischen und die Katholischen mit vier Vertretern und die jüdische Gemeinschaft mit einem Vertreter in den Räten sitzen? Sie sollten einmal erklären, wie das zu begründen ist. Wir alle wissen, worauf es fußt, dass gar nichts vorangeht. Ich finde: Es ist wirklich eine Schande, dass Sie das nicht berücksichtigen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Natürlich wären nach unseren Vorstellungen auch weitere Frauenverbände vertreten. Wir würden den Landesfrauenrat berücksichtigen. Er vertritt 49 Mitgliedsorganisationen. Bisher sind in den Räten nur kirchliche Frauenorganisationen vertreten. Wollen Sie auch hier behaupten, dass Frauenarbeit, Gerechtigkeit sowie der Kampf für Gerechtigkeit und Gendergerechtigkeit nur in den kirchlichen Frauenverbänden gelebt bzw. geführt wird? Ich muss dazu sagen: Machen Sie einmal die Augen auf und schaffen Sie eine vernünftige Vertretung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zuletzt möchte ich noch den Verband der Sinti und Roma nennen. Als einzige im Freistaat lebende nationale Minderheit und vom Naziregime verfolgte Opfergruppe sind sie immer noch stigmatisierender und vorurteilsbehafteter Berichterstattung in Öffentlichkeit und Medien ausgesetzt. Deshalb wäre ihre Vertretung besonders im Medienrat sehr wichtig.

Andere Bundesländer sind längst weiter und haben ihre Räte zu modernen, zeitgemäßen und effizient arbeitenden Gremien weiterentwickelt. Sie berücksichtigen die Gruppen, die wesentliche Teile unserer heutigen Gesellschaft repräsentieren, die Vielfalt widerspiegeln, die wichtige Berater und Beraterinnen und Entscheider und Entscheiderinnen sind, wenn es um die Belange und um die Aufsicht des Rundfunks und der privaten Medien geht.

Sie sehen: Wir haben den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts ernst genommen. Die Vorgaben treffen sich hervorragend mit dem, was wir unter einer effizienten und zeitgemäßen Medienaufsicht verstehen. Unsere Vorschläge sind im Vergleich zu allem, was hier schon vorgelegt wurde, und auch zu den vier an

deren heute vorgelegten Gesetzentwürfen die mutigsten und die am besten durchdachten. So würden wir den BR auch wieder auf Kurs bringen und auch den Privatrundfunk in Bayern stärken.

Ich sage Ihnen eines: Wenn Sie heute den Vorschlag der Regierung annehmen, erweisen Sie dem öffentlichen und dem privaten Rundfunk in Bayern einen Bärendienst; denn Sie tragen dann nicht dazu bei, dass der Bayerische Rundfunk, der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukunftsfest wird, und Sie tragen nichts dazu bei, dass die Akzeptanz für das Institut des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung wieder steigt, dass das Ansehen und die Beachtung einer Berichterstattung, die unsere Demokratie dringend braucht, und der Respekt davor wieder wachsen. Deshalb meine ich, dass es auch in den nächsten Jahren Kritik geben wird, weil nach Ihren Vorschlägen die Medienaufsicht nicht arbeitsfähig und nicht zukunftsfähig sein wird. Ich prophezeie: Wir werden uns zu diesem Thema hier wiedersehen; denn die Diskussion wird weitergehen, und sie muss weitergehen. Wir werden an anderer Stelle weiter gehende und bessere Vorschläge als das, was heute leider beschlossen werden wird, vorlegen.

Ich bitte Sie nochmals: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu, und lehnen Sie den CSU-Entwurf ab!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächster hat Kollege Dorow von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Kohnen, Sie haben Herrn Blume angekündigt. – Ich muss Sie enttäuschen; Sie müssen mit mir vorliebnehmen. Ich hoffe, das ist im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Ich werde mir Mühe geben, die eine oder andere Frage, die Sie gestellt haben, zu beantworten.

Kolleginnen und Kollegen, da wir heute eine Mammutsitzung haben und erst am Beginn dieser Sitzung stehen und weil auch meine drei Vorredner in ausführlicher Art und Weise besprochen haben, worum es eigentlich geht, werde ich meine Redezeit vermutlich nicht voll ausschöpfen. Es ist zur Genüge besprochen worden, worum es genau geht, weswegen ich mich auf wenige Sätze beschränken möchte.

Vielleicht noch eine Anmerkung vorweg. Kollegin Kohnen, ich weiß nicht, in welchen Ausschüssen Sie gesessen sind – ich weiß es natürlich –: Ich hatte die Wahrnehmung und den Eindruck, dass wir eigentlich mehrheitlich gut zusammengearbeitet haben. Von

einem Niederstimmen konnte in meinem Ausschuss zu keiner Zeit die Rede sein – ich meine den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst. Auch deshalb kann ich Ihnen versprechen, dass wir bei diesem Thema auch in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten werden und auch bei einigen Punkten, wenn auch nicht bei allen, auf derselben Seite des Stranges ziehen.

(Beifall bei der CSU)

Wenn es um die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien geht, über die wir heute reden, müssen wir auch noch einige andere Punkte berücksichtigen. Die Forderungen des Gerichts sind uns inzwischen von den vorangegangenen Debatten bekannt. Die allerwichtigsten Punkte in aller Kürze:

Der Anteil staatlicher und staatsnaher Mitglieder darf ein Drittel der gesetzlichen Gremienmitglieder nicht übersteigen. Staatliche bzw. staatsnahe Mitglieder sollen und müssen mittels einer Inkompatibilitätsregelung von den staatsfernen Sitzen ausgeschlossen werden. Frauen und Männer sollen gleichmäßig berücksichtigt werden. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich in den Gremien widerspiegeln, und die Gremienarbeit muss transparent sein. – Dies ist ausführlich und wiederholt dargestellt worden.

Bei der allgemeinen Inkompatibilitätsregelung und bei einer Karenzzeit von 18 Monaten waren sich eigentlich alle Fraktionen einig. Bei der Frage, wie man die Forderung nach maximal einem Drittel staatsnaher Mitglieder umsetzen soll, wurde uns ein bunter Strauß an Vorschlägen präsentiert.

Der Entwurf der FREIEN WÄHLER, Professor Piazolo, hat die Größe der Gremien beibehalten, der Verwaltungsrat soll gemäß den anderen Fraktionen um einen Platz auf sieben erhöht werden. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD – Sie haben es gesagt, Frau Kohnen – wollen sowohl den Rundfunkrat als auch den Medienrat auf 55 Personen vergrößern, und der Regierungsentwurf sieht eine Erweiterung von 47 auf 50 Mitglieder vor. Das wäre – ich finde, das ist heute etwas zu kurz gekommen – eine Rückkehr zur alten Größe und kann im Vergleich zum SPD-Vorentwurf als geringe Vergrößerung betrachtet werden.

Warum die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, Frau Kollegin Gote, die Größe des Rundfunkrats zwar beibehalten, den Medienrat aber auf 38 Personen reduzieren wollten, hat sich mir bis heute nicht erschlossen, und diese Frage ist bis heute nicht beantwortet.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich denke schon, dass sich der Gleichklang beider Gremien in den vergangenen Jahren bewährt hat. Für mich gibt es deshalb auch keinen Grund, davon abzuweichen.

Im Regierungsentwurf will man in einem Zug mit den zusätzlichen drei Plätzen den Anteil der staatlichen und staatsnahen Vertreter auf ein Drittel reduzieren, zugleich neue Perspektiven einbeziehen und damit für eine Aktualisierung sorgen.

Wir von der CSU sind der Meinung, dass die bisherige Zusammensetzung des Gremiums insgesamt durchaus ein treffendes Abbild der gesellschaftlichen Vielfalt dargestellt hat. Deshalb – das ist unsere Begründung – sollen auch alle bisher vertretenen Organisationen wieder ihre Vertreter entsenden. Neu aufgenommen werden sollen lediglich – Sie haben es gesagt und haben sich zumindest über den dritten Vertreter mokiert – ein Vertreter der Migranten, ein Vertreter der Menschen mit Behinderung und ein Vertreter aus dem Bereich Freizeit, Tourismus, Gastronomie und Hotel. Frau Kollegin Gote, Frau Kollegin Kohnen, Sie haben gefragt: Warum ausgerechnet Tourismus? – Weil in Bayern der Bereich Tourismus, Hotel und Gastronomie ein ganz entscheidender Wirtschaftsfaktor ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich könnte ebenso im Gegenzug fragen: Wieso ausgerechnet die Gruppierungen, die Sie genannt haben? Wenn ich das alles zusammenzähle, Frau Kollegin Gote, dann kommen wir auf über 100 Mitglieder. Wo ist die Grenze? Ich denke, mit der Bedeutung des Tourismus in Bayern ist eine Begründung geliefert worden. Er ist eine ganz entscheidende Größe, und das ist nicht irgendwelche Lobbyarbeit. Lobbyarbeit betreiben wir letztlich, wenn Sie so wollen, alle. Die betreiben Sie für Ihre Gruppen auch. Das kann also nicht das Kriterium sein.

(Beifall bei der CSU)

Es gibt keine Vorgabe, die Sitze der Abgeordneten zu begrenzen. Dieses Ziel erreichen wir auch mit drei zusätzlichen Plätzen. Eine Reduzierung und die vorgeschlagene Verteilung der Plätze würden nach unserer Auffassung die Mehrheitsverhältnisse auch nicht mehr zutreffend abbilden.

Wir Abgeordneten des Bayerischen Rundfunks – des Bayerischen Landtags – – Pardon.

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall – Isabell Za- charias (SPD): Genau! Das haben Sie schön gesagt!)

Ein freudscher Fehler. Jawohl, ich gebe es zu.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es gibt immerhin zwei, auch in der Fraktion der GRÜNEN. – Wir Abgeordneten des Bayerischen Landtags, Kolleginnen und Kollegen, verfügen aber als Vertretung des gesamten Volkes über eine besondere demokratische Legitimation. Die angemessene Vertretung in den Kontrollorganen ist damit ebenfalls sachgerecht und auch im öffentlichen Interesse.

Auch eine Vertretung der Staatsregierung hat ihre Berechtigung in den Gremien. Wir sollten nicht so tun, als wäre das etwas Anrüchiges. Es kommt auf die Größenordnung an. Da gebe ich Ihnen recht. Aber in der Praxis hat das doch bisher dazu gedient, dass eine unmittelbare Verbindung zwischen den mit Medien- und Rundfunkpolitik befassten Mitgliedern der Staatsregierung und dem Rundfunk in Bayern hergestellt wird. Diese Verbindung hat der Medienpolitik bisher zum Vorteil gereicht und nicht zum Nachteil.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ja, eben!)

Das ist ein Faktor, der nicht einfach weggewischt werden kann.

Kolleginnen und Kollegen, ich hatte teilweise schon den Eindruck, dass bei den Vorschlägen zur neuen Besetzung der Gremien eher die Eigeninteressen der Oppositionsfraktionen im Vordergrund waren; denn eine Veränderung bei den entsprechenden Organisationen ist weder ausgewogen noch empirisch begründet. Insbesondere der Vorschlag der GRÜNEN scheint bei der neuen Vergabe nicht mit gesellschaftlicher Relevanz begründet zu sein, sondern einseitig zugunsten von Interessengruppen formuliert zu sein, die unseren Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der GRÜNEN vermeintlich nahestehen. Frau Kollegin Gote, Sie haben gesagt: näher bei den Menschen. Diesen Menschen sind Sie selbstverständlich näher.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das sind ganz schön viele!)

Ja, das sind ganz schön viele. Das ist richtig. Das sehen wir an den Wahlergebnissen.