Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummer 15 (Drs. 17/13211)
Änderungsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Christine Kamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hier: Art. 14 - Kein bayerisches Sonderstrafrecht (Drs. 17/13421)
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Dr. Magerl. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist gleich Geisterstunde; das passt zu dem Gesetzentwurf, den die Staatsregierung dem Landtag vorgelegt hat.
Ich bedauere es, dass Frau Kollegin Wittmann vor mir nicht geredet hat; ich hätte mich gern mit ihren Argumenten auseinandergesetzt. Ich habe aber Verständnis dafür, dass die CSU die Lust verloren hat, diesen miserablen Gesetzentwurf hier weiter zu verteidigen.
Angesichts der schlechten Qualität des Entwurfs arbeiten Sie jetzt nach dem Motto: "Augen zu und durch!" Sie hoffen, das Ganze irgendwie zu überstehen. Ich finde das Agieren der Mehrheitsfraktion dieses Parlaments ziemlich daneben. So etwas habe ich in den insgesamt über 25 Jahren, die ich dem Haus angehöre, noch nicht erlebt. Das ist ein Tiefpunkt der
Aus allen Ecken und Enden des Artikels 14 des Gesetzentwurfs trieft die Angst. Anders kann man es nicht sagen. Es ist die Angst der CSU vor dem Machtverlust. Es ist die Angst der CSU, dass der rechte Rand Stimmen von ihr abzieht. Die CSU versucht, mit der Diskriminierung von Ausländern, mit der Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten – darum geht es in Artikel 14 – am rechten Rand zu fischen. Wozu das führt, haben wir heute gesehen: Der rechte Rand, der auf der Tribüne sitzt, applaudiert bei CSUBeiträgen.
Mit diesem Artikel 14 stellen Sie – wie schon mit Artikel 13 – Migrantinnen und Migranten im Prinzip unter Generalverdacht. Sie sprechen vom Schutz der geltenden verfassungsmäßigen Ordnung. Die Forderung nach Achtung unserer verfassungsmäßigen Ordnung muss für alle hier lebenden Menschen gelten. Alle – nicht nur Migrantinnen und Migranten, sondern auch Inländer – müssen sich an diese Ordnung halten. Wenn Sie so etwas explizit und ausschließlich in den Entwurf eines Integrationsgesetzes schreiben, diskriminieren Sie Migrantinnen und Migranten. Sie stellen sie, wie gesagt, unter Generalverdacht. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das ist extrem schäbig.
Dieser Artikel dürfte genauso wie der vorhergehende einer verfassungsmäßigen Überprüfung nicht standhalten. Ich finde es schon seltsam, wenn Sie die verfassungsmäßige Ordnung mit einem Artikel schützen wollen, der wohl verfassungswidrig ist. Diesen Widerspruch hat mir bisher niemand erklären können; Sie werden es heute auch nicht mehr nachholen.
Herr Kollege Arnold hat zu Artikel 14 schon eine kurze Anmerkung gemacht und dabei auf Seite 23 – das ist die Begründung des Gesetzentwurfs – Bezug genommen. Ich stelle diese Passage nur in den Raum; von der CSU hätte ich gern Ausführungen dazu gehört, was sie bedeutet. Ich zitiere:
beim Täter eine Parallelwertung in der Laiensphäre genügen. Belangt werden kann daher regelmäßig auch derjenige, dem die in Deutschland geltende Verfassungsordnung gleichgültig ist.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, was bedeutet dieser Satz in der Begründung? Wird jemand, der vor Jahrzehnten oder vielleicht sogar noch nie in eine Verfassung hineingeschaut hat, belangt, weil er gleichgültig gegenüber der Verfassung ist? Was heißt das? Erklären Sie das bitte hier!
Sie sollten mit Ihrem Begriff "Leitkultur" und Ihren Vorwürfen in Richtung Migrantinnen und Migranten vielleicht etwas vorsichtiger sein. Dieses Land hat in seiner Geschichte hervorragende Integrationsleistungen vollbracht. Ich schließe mit einem Zitat aus Wikipedia. Dort habe ich unter dem Stichwort "Bajuwaren" nachgeschaut. Ich habe einiges gefunden zu der Frage, woher wir kommen, was unsere Wurzeln sind. Sie können das gern nachlesen. Ich zitiere jetzt eine Passage:
Vermutlich haben sich die Bajuwaren in einem Verschmelzungsprozess aus verschiedenen Gruppen gebildet: Elb- und ostgermanische[n] Kleinstämme[n], keltischer Urbevölkerung, ansässigen Römern, alemannischen, fränkischen und thüringischen, ostgotischen und langobardischen Flüchtlingen sowie Nachkommen germanischer und anderer Söldner der dort früher stationierten römischen Grenztruppen.
Aus dieser Integration heraus ist Bayern entstanden. Ich muss sagen, es ist etwas Hervorragendes entstanden. Diese Integration war gut. Anders kann man es nicht sagen.
Ich wiederhole das, was Kolleginnen und Kollegen vor mir schon betont haben: Wer ausgrenzt, spaltet. Wer spaltet, schwächt das Land. Zusammenhalt macht uns stark. Gemeinsam gewinnen wir. – Wir lehnen den Artikel 14 ab.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung" – so ist Artikel 14 überschrieben. "Unterlaufen" ist ein Begriff, der darauf hindeutet, dass man unter etwas hindurchgeht. Man kann aber auch über etwas hinübergehen, das heißt, über das Ziel hi
In Artikel 14 Absatz 1 heißt es zum Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung, dass es verboten sei, "öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften dazu aufzufordern, die geltende verfassungsmäßige Ordnung zu missachten". Welche verfassungsmäßige Ordnung gilt? Diese Frage stellt sich zum Beispiel dann, wenn ein Gesetz beschlossen wird, das sich hinterher als verfassungswidrig herausstellt. Unterlaufen Menschen, die der festen Überzeugung sind, dass die Regierung einen verfassungswidrigen Gesetzentwurf vorgelegt hat, und die dagegen demonstrieren, die verfassungsmäßige Ordnung? Mit solchen Begriffen kann auch bei Gericht niemand etwas anfangen.
Noch schlimmer ist die Frage, wer das überhaupt aufklären soll. Herr Kollege Scheuenstuhl hat ein solches Verhalten salopp als Erfüllung des Spitzeltatbestands charakterisiert. Wer soll also in diesem Zusammenhang tätig werden?
Sie alle wissen, dass wir bei der Polizei einen Staatsschutz haben. Dieser ist hinreichend beschäftigt und kommt angesichts der Fülle einschlägiger Straftaten kaum damit zurecht, diese aufzuklären. Sie alle wissen – gerade Sie von der CSU müssten es wissen –, dass in diesem Zusammenhang die Vermummung von der Ordnungswidrigkeit zum Straftatbestand aufgewertet worden ist. Jetzt wollen Sie von CSU und Staatsregierung der Polizei noch die Aufgabe übertragen, die "geltende verfassungsmäßige Ordnung" zu definieren und entsprechende Informationen an ein Landratsamt oder eine andere Sicherheitsbehörde weiterzuleiten, wohl in der Hoffnung, dass dabei eine Geldbuße herauskommt.
Sie muten damit der Verwaltung, der Polizei als vollziehender Gewalt und allen anwendenden Behörden einiges zu. Sie muten aber auch der Rechtsprechung einiges zu; denn letztlich wird jeder vernünftige Bürger dieses Staates, auch wenn er die verfassungsmäßige Ordnung nicht akzeptiert, versucht sein, Rechtsmittel gegen ein entsprechendes Urteil einzulegen. Rechtsmittel können Sie niemandem verwehren. Dann muss über die Sache nochmals entschieden werden. Grundlage sind aber Allgemeinplätze, die in der Tat sehr schwierig zu fassen sind. Es gibt zwar Definitionen von "Verleumdung" und "Verunglimpfung"; das stimmt. Aber wie wollen Sie damit jemanden "einfangen", wenn es um den Gegenstand dieses Artikels 14 geht? Wie wollen Sie das schaffen?
in Bayern – gesagt, dass wieder Züge rollen müssten. 8.000 Deutsche – oder auch andere – haben dazu gerufen: "Widerstand! Widerstand!" Ein glattes Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung! Das war insoweit Volksverhetzung. Damals hätte die Polizei einschreiten und diese Demonstration unterbinden müssen.
Glauben Sie, mit der Aufnahme des Tatbestands "Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung" könnten Sie irgendetwas regeln? Wenn es Ihnen tatsächlich darum geht, die Einführung einer bestimmten Ordnung zu verhindern, dann nennen Sie doch die Scharia. Nennen Sie sie doch beim Namen! Damit tun Sie sich schwer, weil der Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung auch die Achtung von Grundrechten – dazu gehört die Bekenntnisfreiheit – beinhaltet. Manche Bekenntnisse sind kurios; das muss man akzeptieren. Ich erinnere daran, dass wir in jüngster Zeit mit den Reichsbürgern zu tun hatten. Alle Anhänger von Bekenntnissen sind sehr darauf bedacht – ich kenne das aus vielen Verfahren vor dem Amtsgericht Fürth –, auf ihre Meinungsfreiheit zu pochen. Wo ist die Grenze? Wo kann man sie ziehen?
Sie wissen, dass laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im politischen Meinungskampf überspitzende Formulierungen zulässig, sozusagen gerechtfertigt sind. Wie soll sich die Verwaltungsbehörde künftig verhalten? Klar ist, dass im politischen Meinungskampf Überspitzungen zulässig sind. Soll das Gericht dann entscheiden, was noch zulässig ist?
Wir kommen auf ein rechtliches Terrain, in dem es uns unmöglich gemacht wird, Menschen zu integrieren. Das Gesetz wendet sich an jedermann. Breite Bevölkerungskreise werden verunsichert. Sie wissen nicht mehr, ob sie noch auf die Straße gehen und demonstrieren dürfen, weil sie sich nicht sicher sein können, was ein "Unterlaufen der verfassungsmäßigen Ordnung" darstellt und was nicht. Ich bitte Sie von der CSU und der Staatsregierung, Vertrauen in die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, aber auch in die Migrantinnen und Migranten zu haben. Das Bedürfnis, sich auf Demonstrationen zu äußern, ist auch in unserer Gesellschaft hoch. Im Vergleich dazu ist die Delinquenz, sofern es um Verstöße gegen das Demonstrationsrecht geht, relativ gering.
Ich nehme erneut Bezug auf die von mir zuvor geäußerten Bedenken, was die Gesetzgebungskompetenz des Freistaates in Bezug auf den vorgelegten Entwurf betrifft. Die nötige Bestimmtheit des Entwurfs ist mit Sicherheit nicht gegeben; damit meine ich insbeson
dere diesen Artikel 14. Möglicherweise wird eine Art Zufallsgenerator die Auslegung vornehmen. Auch aus den Protokollen wird nicht ersichtlich, was Sie mit diesem Gesetz wirklich erreichen wollen. Angesichts all dessen bitte ich Sie, dieses Gesetz gänzlich zu streichen – so, wie wir es beantragt haben.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen damit zur Abstimmung. Vorweg ist über die einschlägigen Änderungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Es geht erneut um die Nummer 15 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13211 und ferner um den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/13421. Beide Änderungsanträge fordern die Aufhebung des Artikels 14. Der endberatende Ausschuss empfiehlt die Ablehnung beider Anträge.
Wer entgegen dem Ausschussvotum der Nummer 15 des Antrags der Fraktion der SPD zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen! – Keine. Damit ist die Nummer 15 des Änderungsantrags der SPD-Fraktion abgelehnt.
Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen! – Das ist die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN abgelehnt.
Zu Artikel 14 empfiehlt der federführende Ausschuss Zustimmung. Wer diesem Artikel zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist es so beschlossen.
Jetzt hat nach § 113 der Geschäftsordnung Herr Kollege Halbleib außerhalb der Tagesordnung das Wort. Bitte schön.