Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Akzeptanz beim Bürger ist gerade bei großen Projekten äußerst wichtig.
In den letzten Jahren hat sich einiges verändert, und deshalb wollen wir auch die Möglichkeit haben, den Bürger nach seiner Meinung zu fragen. Darüber, wie wir das genau ausgestalten, werden wir uns sehr wohl und intensiv Gedanken machen. Schnellschüsse, wie sie von Ihnen kommen, sind nach unserer Meinung nicht zielführend. Bayern ist mit Volksentscheiden und Bürgerentscheiden wirklich vorbildlich!
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Weil wir alle Jahre einen starten, darum geht etwas voran! Volksbegehren kommen nicht von Ihnen!)
Bürgerbeteiligung hat es Gott sei Dank schon lange vor den FREIEN WÄHLERN gegeben. Das muss man auch dazu sagen.
(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Konnexitätsprinzip! Studiengebühren! G 8! Wir haben schon manches eingebracht!)
Kollege Aiwanger, kommen Sie wieder einmal zur Ruhe. Ich kenne die Meinung der FREIEN WÄHLER draußen auch.
Der Bürger ist Ihnen vor allem dann angenehm, wenn die Entscheidung so ausgeht, wie Sie es gerne hät
Ich kenne einige Bürgerentscheide in meinem Stimmkreis, die nicht nach der Meinung der FREIEN WÄHLER ausgegangen sind. Damit haben Sie ein großes Problem. Wir akzeptieren die Meinung der Bürger, weil uns die Meinung der Bürger wirklich wichtig ist. Uns fehlt ein dem Ratsbegehren entsprechendes Instrument für den Landtag, wobei ein Ratsbegehren der Rat auch nur mit Mehrheit beschließen kann. Dieses Instrument soll auch hier im Landtag eingeführt werden.
Wir wollen auch nicht, dass auf Kosten des Steuerzahlers ein Dauerwahlkampf der Opposition veranstaltet wird. Sie kennen die aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen. Darin bringen die Bürger zum Ausdruck, dass sie beteiligt werden wollen, aber nur bei wirklich wichtigen Themen und nicht bei allem, was den Politikern gerade am Herzen liegt. Wir wollen keine Inflation von Volksbefragungen. Wir wollen keinen Dauerwahlkampf. Natürlich ist uns klar, dass eine Volksbefragung eine faktische Bindungswirkung hat, auch wenn sie im Gesetz nicht festgelegt ist. Ich möchte denjenigen sehen, der gegen den Willen des Volkes stimmen wird, wenn er deutlich zum Ausdruck gebracht wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Petitionsrecht ist der Bayerische Landtag in Deutschland ebenfalls federführend. Wir haben ein offenes Verfahren. Fast alle Petitionen werden öffentlich behandelt. Die Kollegin Sylvia Stierstorfer als Vorsitzende und die Kollegin Johanna Werner-Muggendorfer können bestätigen, dass viele Ortstermine stattfinden, dass sich die Bürger im Ausschuss zu Wort melden können. Das gibt es in keinem anderen Landtag und auch nicht im Deutschen Bundestag. Trotzdem sehen wir beim Petitionsrecht die Möglichkeit nachzubessern, gravierende Änderungen halten wir aber nicht für notwendig. Nach dem, was die GRÜNEN vorschlagen, geht es bei den Online-Petitionen darum, Stimmung zu machen und Wahlkampf zu betreiben. Das wollen wir nicht. Für sinnvolle Verbesserungsvorschläge sind wir jederzeit offen.
Danke schön, Kollege Zellmeier. Für die FREIE-WÄHLER-Fraktion hat Professor Dr. Piazolo das Wort. – Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Direkte Demokratie ist wichtig. Sie ist auch ein Markenzeichen der Bayerischen Verfassung. Vielleicht ist es kein Zufall, dass wir in diesen Tagen rund 25.000 Unterschriften für unser Volksbegehren gesammelt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie reden, wir handeln! Wir stehen hier, weil wir von der bayerischen Bevölkerung gewählt worden sind. Wir wurden gewählt, um zu entscheiden, nicht um zu fragen. Wenn wir fragen, dann sollte das Ergebnis einer solchen Befragung verbindlich sein.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wir wollen keinen Publikumsjoker, den man ausspielt, wenn man nicht mehr weiterweiß, indem man das Publikum fragt, was man tun soll. Das ist nicht in unserem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir FREIE WÄHLER wollen die zweite Säule der Gesetzgebung stärken. Wir wollen eine Stärkung der direkten Demokratie. Wir wollen mehr Gesetzgebungskompetenz und mehr Entscheidungskompetenz für die Bevölkerung.
Ich möchte keine Umfragedemokratie. Wir haben meines Erachtens schon viel zu viele Umfragen. Es soll sogar Ministerpräsidenten geben, die mehr nach Umfragen regieren als nach dem, was ihre Partei möchte.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN – Heiterkeit des Abgeord- neten Thomas Gehring (GRÜNE) – Ministerpräsident Horst Seehofer: Aber sehr erfolgreich!)
(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Ja, ein Eigentor durch Sie, Herr Piazolo! – Josef Zellmeier (CSU): In der SPD machen sie es genauso! Die Meinungsumfrage bestätigt unsere Politik!)
Herr Schindler, Sie machen Herrn Hoegner zum Zeugen für die Idee, mehr direkte Demokratie zu wagen. Das finde ich gut. Ich frage mich nur, ob die Form, die Sie gewählt haben, die Befragung der Bevölkerung,
Die erste Frage: Warum tun Sie das mit einem einfachen Gesetz und nicht mit einer Verfassungsänderung? Wenn man die Grundfesten der Verfassung zwischen direkter und repräsentativer Demokratie verändert, wenn man die Bevölkerung befragen will, dann muss man die Bevölkerung fragen, ob sie überhaupt befragt werden will. Eine Verfassungsänderung ist nur möglich, wenn die Bevölkerung das möchte. Dann können wir so etwas tun, aber nicht durch die Hintertür mit einem einfachen Gesetz wie in diesem Fall.
Die zweite Frage: Warum so schnell? Der Ministerpräsident hat das angerichtet. Ich hatte den Eindruck, Sie verstehen unter Großer Koalition, dass wir umsetzen, was der Ministerpräsident vielleicht denkt. Das ist keine Große Koalition. Außerdem haben wir in Bayern keine Große Koalition. Insofern glaube ich, ist das die falsche Intention.
Warum das Quorum von 20 %? Damit kann ich noch leben; das steht so auch in der Verfassung. Die ganz entscheidende Frage ist aber: Warum unverbindlich? Wenn wir das wollen, dann müssen wir der Bevölkerung doch auch das Recht geben, über Dinge zu entscheiden. Wenn wir sie befragen, dann können wir nicht sagen: Wir wollen etwas von euch wissen, aber was wir dann tun, das bleibt uns überlassen. Das ist für mich einer der Knackpunkte.
Für mich stellt sich auch die Frage: Was ist mit den bisherigen Volksbegehren und Volksentscheiden? Wie ordnen wir sie ein? Bleibt das wie bisher? Das ist ein weiteres Problem. Ich sage ganz deutlich: Wir FREIE WÄHLER wollen mehr Entscheidungen durch das Volk. Wir wollen Volksentscheide und Volksbegehren stärken. Wir können uns auch Volksbefragungen vorstellen, aber dann verbindliche. Wir wollen klare Entscheidungen und klare Antworten. Ich glaube, der Bürger möchte das. Die Bürger wollen nicht, dass wir sie fragen, ohne zu wissen, was die Antwort bedeutet.
Ich habe den Eindruck, dass die Gefahr besteht, dass die SPD fragt, um das zu hören, was sie hören will; denn man macht eine Volksbefragung vielleicht nur, um ein ganz bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Das Instrument ist insoweit verführerisch. Ich bin mir aber nicht sicher, ob es unsere Demokratie in dieser Form stärkt. Ich befürchte, dass es das nicht tut.
Ich wiederhole das: Wenn wir die Verfassung festschreiben und verändern, dann ist das Mindeste, dass der Bürger entscheiden kann, ob er das, was wir ihm vorschlagen, wirklich will.
Ein letzter Satz zum Vorschlag der GRÜNEN, das Petitionsgesetz zu ändern. Ich habe viel Sympathie dafür. Man muss aber prüfen, gerade auch vor dem Urteil zur Volksinitiative, ob das, was gefordert wird, verfassungsgemäß ist. Wenn es das ist, dann stehe ich voll dahinter.
Vielen Dank, Kollege Piazolo. – Für die Staatsregierung äußert sich Herr Staatsminister Herrmann. – Bitte schön.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bayern ist das Musterland für direkte Demokratie in Deutschland. In keinem anderen Bundesland gab es in den letzten 60 Jahren mehr Volksbegehren und Volksentscheide als in Bayern. In keinem anderen Bundesland gibt es aktuell auch auf kommunaler Ebene mehr Bürgerbegehren und Bürgerentscheide als in Bayern. Wir leben die Bürgerbeteiligung.
Vor diesem Hintergrund hat der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung eine Ausweitung dieser plebiszitären Elemente angekündigt, nämlich eine Initiative der Bayerischen Staatsregierung, Volksbefragungen zu konkreten, landespolitisch bedeutsamen Themen gesetzlich einzuführen. Ich werde in Kürze dem Ministerrat entsprechende Vorschläge vorlegen, dann werden wir sie alsbald auch in den Landtag einbringen.
Zu dem, was hier vorliegt, will ich heute nur sagen: Es zeigt sich, dass manches mit heißer Nadel gestrickt ist. Ich freue mich, dass die SPD von der Initiative des Ministerpräsidenten so begeistert ist, dass sie das gleich mit einem eigenen Gesetzentwurf unterstreichen will. Ich mache kein Hehl daraus, dass das, was Sie vorgelegt haben – –
(Volkmar Halbleib (SPD): Nennen Sie Ihren Vorschlag, bevor Sie andere kritisieren! Erst mal selber etwas vorlegen, Herr Minister, dann reden wir weiter!)
Darüber können wir uns gerne unterhalten. Ich will Ihnen nur schon jetzt sagen – wir werden das in den Ausschüssen sorgfältig diskutieren –, dass es mindestens drei wesentliche Punkte gibt, zu denen wir deutliche Bedenken geltend machen. Sie wollen eine Volksbefragung auch zu einem Gesetzentwurf, der im Landtag vorliegt, ermöglichen. Das hat aus meiner Sicht keinen Sinn; denn wenn es um Gesetzgebung geht, dann gibt es entweder eine klare Mehrheit hier im Landtag, oder es kann jemand ein Volksbegehren oder einen Volksentscheid betreiben. Wieso man parallel zu einem Gesetzentwurf, der im Landtag behan
Das Zweite ist: Ich sage klar, es muss um eine Initiative gehen, die vom Mehrheitswillen dieses Landtags geprägt ist. Die Volksbefragung hat keinen Sinn als Instrument einer kleinen Minderheit von 20 %. Dann hätten wir eine Situation, dass aus der Opposition heraus ständig beliebig irgendwelche Initiativen zur Volksabstimmung vorgelegt würden, ohne dass eine entsprechende Hemmschwelle vorhanden ist, ohne dass ein vernünftiges Maß vorhanden ist. Die Volksbefragung soll nicht als weiteres Instrument zur Öffentlichkeitsarbeit des Landtags genutzt werden. Das führt nicht weiter.
Das Dritte ist, meine Damen und Herren: Der Bayerische Landtag wird von den Staatsbürgern dieses Landes gewählt. Die deutsche Staatsbürgerschaft ist Voraussetzung für die Wahlberechtigung zum Landtag. Wir sind der Meinung, dass dies natürlich auch für plebiszitäre Instrumente, auch für Volksbefragungen gelten soll. Die Ausdehnung auf alle Unionsbürger führt nicht weiter.
Ich kann Ihnen ankündigen, dass wir hier alsbald einen schlanken Gesetzentwurf einbringen werden, der solche Volksbefragungen ermöglicht. Der Ministerpräsident hat kürzlich schon angekündigt, dass er sich zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Ausbau des Flughafens München eine solche Befragung vorstellen kann. Wir werden das zu gegebener Zeit zu beraten haben.
Was die Koalitionsberatungen in Berlin anbetrifft, will ich nur Folgendes ergänzen: Lieber Herr Kollege Schindler, es ist Kern der Absprache der Koalitionspartner gewesen, dass wir die internen Verhandlungen nicht publizieren. In der Arbeitsgruppe "Inneres und Justiz", der ich angehörte, haben wir uns jedenfalls daran gehalten. Wenn Sie schon über Beratungen mit Kollegen in Berlin berichten, will ich Ihnen noch einmal nahelegen, mit Herrn Kollegen Oppermann persönlich darüber zu sprechen.