Protokoll der Sitzung vom 28.01.2014

Ich darf nun den Kollegen Felbinger ans Mikrofon bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr verehrte Minister und Staatssekretäre, werte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem jetzt die

Märchenstunde der CSU, vorgetragen von Frau Dr. Eiling-Hütig, vorüber ist,

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

möchte ich Sie, meine Damen und Herren von der CSU, mit den Realitäten des Alltags konfrontieren.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Oh, oh!)

Ich möchte Ihnen ein Zitat bringen:

Wir gehen in Bayern nicht den Weg anderer Länder, die den Personalstand im Bildungswesen zurückfahren. Wir garantieren vielmehr den bayerischen Schulen, dass auch bei sinkenden Schülerzahlen die freiwerdenden Lehrerstellen vollständig im Bildungssystem belassen werden.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Wer hat das gesagt? – Ministerpräsident Horst Seehofer: Das kann nur von mir sein!)

Dieses Zitat stammt nicht von den FREIEN WÄHLERN, sondern findet sich exakt so im Bayernplan der CSU zur Landtagswahl. Herr Ministerpräsident, Sie werden es sicherlich gespeichert haben.

(Ministerpräsident Horst Seehofer: Selbstver- ständlich kann das nur vom Ministerpräsidenten kommen!)

Wenn ich jetzt die Meldungen der letzten Tage über die Streichung von 830 Lehrerstellen lese, denke ich, das war eine der vielen Versprechungen der CSU, die jetzt schon wieder Schnee von gestern sind und bei denen den Bürgern etwas vorgegaukelt wurde.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Hauptsache, sie haben die Wahl gewonnen. Das andere ist denen doch wurscht!)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden sich vielleicht fragen, was ein guter Ganztag mit der erwähnten demografischen Rendite zu tun hat. Ich meine, eine ganze Menge. Denn gute Ganztagsschulen gibt es nur mit ausreichend vielen Lehrkräften, noch dazu solchen, die den Anforderungen einer Ganztagsschule gewachsen sind und dafür ausgebildet worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, jeder Einzelne von Ihnen hat die genannte Garantie im Wahlprogramm abgegeben. Schon deshalb erwarte ich von Ihnen, dass Sie die von Kultusminister Spaenle angekündigte Kürzungsorgie bei Lehrerstellen nicht mitmachen, sondern Ihre Stimme erheben. Denn wer sich selbst als Herzkammer bezeichnet,

muss beweisen, dass sein Herz überhaupt noch schlägt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Aber bei einem so dominanten Ministerpräsidenten scheint mir fast, dass hier Herzstillstand herrscht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Am 14. November 2013 haben wir, die FREIEN WÄHLER, den Dringlichkeitsantrag gestellt: Garantie für Lehrerstellen, demografische Rendite muss im Schulsystem bleiben. Wir wollten damals von der CSU die Garantie, dass das so ist. Das Votum war damals schon ablehnend. Ich möchte hier explizit den Kollegen Reiß zitieren, der damals zu Protokoll gegeben hat, die demografische Rendite bei den Schulen werde jedoch im Bildungssystem verbleiben.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Nachtragshaushalt wird hier in diesem Hohen Haus und nicht in Vier-Augen-Gesprächen im Hinterzimmer beschlossen. Wenn vorhin der Kollege Zellmeier gesagt hat, die CSU sei die wahre Partei mit Bürgerbeteiligung, muss ich das schon hinterfragen.

Ich erwarte, dass sich jeder Einzelne der Sache genau bewusst ist, wenn er Stellenkürzungen mitträgt. Denn wir brauchen die Stellen gerade für die Ganztagsbetreuung. Der vorliegende Antrag der SPD listet ja alle guten Vorschläge des Zukunftsrates Bildung auf, und wir sind uns absolut einig, dass vieles davon schnellstmöglich und eigentlich dringendst vorangetrieben werden muss. Die notwendigen Weiterentwicklungen wurden ja vorhin von den Kolleginnen schon angesprochen. Ich möchte das gar nicht wiederholen.

Aber ich möchte noch kurz einen Aspekt ansprechen, der bisher noch nicht erwähnt wurde. Guter Ganztag braucht natürlich auch entsprechende bauliche Voraussetzungen, und dafür sind die Kommunen als Sachaufwandsträger verantwortlich. Die Staatsregierung hat es sich immer zur Aufgabe gemacht, kommunale Bildungsregionen voranzubringen, und das finden wir auch durchaus in Ordnung. Aber mit einem Siegel der Bildungsregion ist keinerlei finanzielle Förderung verbunden.

Wir fordern deswegen, dass mit dem Gütesiegel nicht nur eine ideelle Unterstützung, sondern auch eine finanzielle Förderung verbunden ist, auch um das Ziel guter Ganztagsschulen voranzubringen. Es ist seit Langem notwendig, die Erhöhung der Zuschüsse an die Kommunen für die Ganztagsbeschulung endlich in die Tat umzusetzen. Denn wir brauchen eine qualitative Verbesserung der Ganztagsbeschulung, und das

geht ganz bestimmt nicht bei einer Streichung von Lehrerstellen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Herzlichen Dank. Ich darf nun den Kollegen Gehring bitten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SPD-Antrag bezieht sich auf ein Papier, das vom Verband der Bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegeben worden ist. Ich darf vielleicht daran erinnern, dass die CSU ihren ideologischen Schwenk von der Gegnerschaft zur Ganztagsschule hin zur Befürwortung eigentlich ausschließlich deswegen vollzogen hat, weil der Anstoß aus der Wirtschaft und vom Verband der Bayerischen Wirtschaft gekommen ist. Frau Kollegin Eiling-Hütig, die CSU sucht ja wieder einmal das Gespräch mit der Wirtschaft. Ich denke, das würde sich lohnen und wäre hilfreich für ihre bildungspolitische Positionierung.

Das Ergebnis des Papiers ist – das zeigt auch der SPD-Antrag -: Ganztagsschulen sind, auch wenn man sich zu ihnen bekennt, keine Selbstläufer, und auch eine Garantieerklärung unseres Ministerpräsidenten hilft nichts, wenn keine konkreten Umsetzungsschritte, Zahlen und Qualitätsstandards benannt werden.

Nachdem ich heute gelesen habe, dass der Kultusminister den Auftrag bekommen hat, jetzt einmal ein Konzept vorzulegen, wie es mit den Ganztagsschulen gehen soll, muss ich sagen: Zeit wird’s, und die Zeit der Konzeptionslosigkeit muss eigentlich vorbei sein. Wir müssen endlich einmal vorankommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei dem Aktionsrat Bildung ist interessant, dass deutlich die gebundene Ganztagsschule präferiert wird, dass die Antwort also nicht nur Kinder am Nachmittag in der Schule sind und dass ganz deutlich die Qualität neben der Quantität betont wird.

Eine kleine Anmerkung zum Ausbauziel und zum Ausbautempo in Bayern. Bayern hat sich vom letzten auf den vorletzten Platz verbessert und liegt dabei nach wie vor hinter Baden-Württemberg. Da muss ich sagen: Super! Wenn wir so weitermachen, wird es bis zur Spitzenstellung noch lange dauern.

Die Wissenschaftler haben in der Untersuchung auch gesagt, es gebe keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Ganztag und schulischen Leistungen. Das hat zum einen forschungsmethodische Gründe und zeigt zum Zweiten, dass es auch auf die Qualität der Ganztagsschulen ankommt. Eindeutig ist die so

ziale Verbesserung; die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird verbessert. Da geht es nicht um Freizeit, sondern wirklich darum, wie wir Familien unterstützen können. Deutlich ist auch, dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund gut gefördert werden, wenn sie Ganztagsschulen besuchen.

Aber es wird kritisiert, dass es zu wenig Verzahnung zwischen dem schulischen Unterricht und dem Nachmittagsangebot und zu wenig Verzahnung zwischen Unterricht und außerunterrichtlichen Elementen gibt. Eine gute Ganztagsschule ist nur eine Schule, die sich auch öffnet und bei der nicht der ganze Tag in der Schule verbracht wird.

Die Qualifikation des Personals ist sehr unterschiedlich. Das hat mit der Bezahlung zu tun. Die Schulleitung hat eine zentrale Rolle. Ich verweise auf unsere alte Forderung, die Schulleitung entsprechend zu entlasten, damit sie ihre Aufgaben in der Ganztagsschule wahrnehmen kann.

Der SPD-Antrag ist unterstützenswert, weil er deutlich macht: Neben der Quantität geht es um die Qualität. Um sie müssen wir uns kümmern; denn Ganztagsschulen werden nur erfolgreich sein, wenn die Eltern davon überzeugt sind, dass das gute Schulen sind. Nur dann werden sie ihre Kinder auf diese Schulen schicken. Dann werden wir auch hohe Bedarfe haben.

Zum Zweiten. Ich verstehe Punkt 1 des SPD-Antrags so, dass das Land zu seiner rechtlichen Verantwortung für den Ausbau der Ganztagsschulen stehen muss. Was wir heute haben, ist ein Geschäft zwischen dem Land und den Kommunen, das sehr zulasten der Kommunen geht. Die Kommunen steigen in die Finanzierung der Ganztagsschulen mit ein. Sie finanzieren das Personal an Ganztagsschulen oft zusätzlich zur staatlichen Ausstattung oder finanzieren das Personal, weil die Mittel des Landes nicht reichen.

Wenn wir mit den Ganztagsschulen vorankommen wollen, muss der Bildungsgipfel von Land und kommunalen Spitzenverbänden, der 2009 stattgefunden hat, wiederholt werden. Er muss erneuert werden. Die Fehler von damals müssen verbessert werden, und es muss eine Anpassung an die veränderten Situationen erfolgen. Wir brauchen bei der Finanzierung ein neues Verhältnis zwischen Land und Kommunen, und das darf, denke ich, nicht auf die Zeit nach der Kommunalwahl verschoben, sondern muss vorher angegangen werden.

Dann brauchen wir eine klare Aufgabenverteilung. Das Land ist für die Qualität und für das Personal zuständig, und die Kommunen sind für die Gebäude und deren Ausbau zuständig. Damit werden wir dann auch

Qualität erreichen. Das geht aber nicht, wenn man Lehrerstellen streicht. Die 800 Lehrerstellen, die gestrichen werden, entsprechen 1.600 Ganztagsklassen. Das heißt, damit könnte man 400 gebundene zweizügige Grundschulen finanzieren. Das geht nicht, wenn das Land weiterhin konzeptionslos ist, und es geht nicht, wenn die Lasten auf die Kommunen abgeschoben werden.

Deswegen brauchen wir neben diesem Antrag, dem wir natürlich zustimmen, weil es in ihm um die Qualität geht, einen großen Aufschlag, eine große Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen bei dem Thema Ganztag. Sonst werden die wunderschönen, aber inhaltslosen Visionen und Garantien unseres Ministerpräsidenten nichts erreichen und Bayern wird bei Ganztag weiterhin lang auf dem letzten Platz bleiben.

Vielen Dank. Ich bitte jetzt Herrn Staatsminister Dr. Spaenle ans Rednerpult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Entwicklung der Ganztagsangebote ist ein Schwerpunkt der bayerischen Bildungspolitik. Das ist in der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten mit der entsprechenden Garantie auf eine ganztagsschulische Unterstützung und mit einem Angebot für Kinder bis 14 Jahren, wie es Frau Kollegin Eiling-Hütig beschrieben hat, zugrunde gelegt.

(Dr. Simone Strohmayr (SPD): Aber leider ist mehr bisher nicht passiert!)

Ganztagsangebote sind in der bildungspolitischen Strategie des Freistaats Bayern ein zentrales Element, das bedarfsorientiert ist - deswegen ist der Grundtenor des Antrags so, wie er vorliegt, für uns nicht mittragbar - und flächendeckend ausgebaut wird. Die Ausstattung der Ganztagsangebote in Bayern ist in der Frage der Zuwendung an Lehrerstunden und entsprechenden Mitteln nur noch mit der in Rheinland-Pfalz vergleichbar. Alle anderen Länder, auch etwa Nordrhein-Westfalen, dessen zuständige Ministerin als Präsidentin der Kultusministerkonferenz an diesem Kongress teilgenommen hat, statten ihre Ganztagszüge im Einzelnen deutlich schlechter aus, als dies in Bayern der Fall ist. Dass das immer verbesserungswürdig ist, ist völlig klar.

Das Zweite. Wir haben das Thema der flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausstattung. Wir haben eine Vereinbarung mit den Kommunen getroffen – Herr Kollege Gehring hat es angesprochen –, die aus der unterschiedlichen gesetzlichen Zuständigkeit, nämlich aus der Verantwortung der Kommune für den

Bereich der Mittagsbetreuung durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz und durch die schulische Unternehmung – das war ja die Veränderung, die qualitative Weiterentwicklung –, auch kostenfrei für die Familien im Bereich der schulischen zusätzlichen Angebote ist.

Hier ist es in der Tat richtig, dass kein Antrag, der nicht das pädagogische Konzept auf Genehmigung für eine ganztagsschulische Angebotserweiterung erfüllt, abgelehnt wurde, ganz im Gegenteil: Wir stellen fest, dass zum Beispiel in der Landeshauptstadt München im Jahr 2011, was die bauliche Unterstützung angeht, die auch dauerhaft verbessert wurde, nämlich mit einem durchschnittlich 15 % höheren FAG-Zuschuss für entsprechende Baumaßnahmen im Durchschnitt von 55 %, kein einziger Cent - als Münchner würde mich die wirtschaftliche Lage freuen – zur Unterstützung für den Ausbau von Ganztagsmaßnahmen abgerufen wurde.

Das ist unsere Strategie: Wir unterstützen die bauliche Seite, die die Kommune zu leisten hat, mit einem erhöhten Zuschusssatz. Wir unterstützen den Ausbau flächendeckend und bedarfsorientiert. Deshalb ist die Qualitätssicherung für uns der dritte wichtige Punkt. Wir haben einen Qualitätssicherungsrahmen, der durch die entsprechenden Qualitätssicherungsbeauftragten bei den Regierungen und die Qualitätsagentur, das ISB, begleitet wird. Diese Qualitätsagentur ist in ihrer Arbeit erst vor Kurzem selbst mit ganz herausragenden Ergebnissen evaluiert worden.