Protokoll der Sitzung vom 15.12.2016

Ich komme zum nächsten Thema: Schuldner- und Insolvenzberatung. Herr Kollege Vogel, da möchte ich Sie direkt ansprechen. Sie haben vor zwei Wochen im Sozialausschuss wörtlich gesagt: In Bayern bricht die Schuldner- und Insolvenzberatung nicht zusammen, auch wenn noch keine Einigung erzielt worden ist. – Ich habe mich über diese Aussage sehr gewundert. Es geht gar nicht darum, ob die Schuldner- und Insolvenzberatung zusammenbricht. Es geht darum, das umzusetzen, was richtig ist. Es geht darum, das umzusetzen, was beschlossen ist. Es geht darum, den Trägern der Schuldner- und Insolvenzberatung endlich zu signalisieren, dass die jahrelange Unterfinanzierung ein Ende hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was passiert denn, wenn die von allen Fraktionen anerkannten Kosten in Höhe von 8 Millionen Euro nicht anerkannt werden und Sie die Träger durch ein In-dieLänge-ziehen der Verhandlungen irgendwann kleinbekommen? Für 6 Millionen Euro kann man keine Leistung erbringen, die 8 Millionen Euro kostet. Im Zusammenhang mit Konnexität müssten diese 8 Millionen Euro anerkannt werden. Das wissen Sie so gut wie ich. Es war ein Armutszeugnis, im Sozialausschuss zu hören, dass das Ministerium lediglich zur Weiterführung von Gesprächen einladen könne; denn das Ministerium sei an den Betrag gebunden, den der Haushaltsgesetzgeber zur Verfügung stelle. Liebe Kollegen und Kolleginnen, wer ist denn der Haushaltsgesetzgeber? – Sie sind es! Sie hätten es in der Hand, ein klares Zeichen zu setzen.

Natürlich bricht die Schuldner- und Insolvenzberatung nicht zusammen; aber die Träger gehen seit Jahren in Vorleistung und haben weniger Geld und weniger Personal für andere Zwecke. Wenn Sie das weiterhin auf

die lange Bank schieben, dann wird sich das nicht ändern. Die Menschen, die sich bei der Schuldner- und Insolvenzberatung informieren wollen, sind die Leidtragenden, nicht die Schuldner- und Insolvenzberatungen.

Sie als CSU-Fraktion sind diejenigen, die in den nächsten beiden Jahren 450 Millionen Euro für das unsinnige Betreuungsgeld ansetzen. Sie verschwenden fast 6 Millionen Euro für den Umzug des Gesundheitsministeriums, und Sie setzen die falschen Schwerpunkte. Nach jahrelangen Diskussionen weigern Sie sich aber, knapp 2 Millionen Euro mehr bei der Schuldner- und Insolvenzberatung anzusetzen. Das Betreuungsgeld dagegen, das weder sozialpolitisch sinnvoll ist noch zielgerichtet ärmere Familien unterstützt, blockiert den ganzen Haushalt für sinnvollere Maßnahmen. Auf jeden Fall ist eine Erklärung, wie viele Menschen bereit sind, Geld zu nehmen, wenn es ihnen quasi hinterhergetragen wird, kein Grund für Ihr regelmäßiges Eigenlob. Ich habe es schon am Anfang gesagt: Es ist nicht schwer, Geld unter die Leute zu bringen, aber es ist schwer, die richtigen Prioritäten zu setzen.

Ich sage noch ein paar Worte zu "Bayern barrierefrei": Das angebliche und groß angekündigte Sonderinvestitionsprogramm ist nach wie vor eine Durchreichenummer für Mittel, die schon seit Jahren regelmäßig für barrierefreie Maßnahmen im Haushalt stehen. Oder es sind gleich fiktive und grob geschätzte Zahlen, zum Beispiel die 11 Millionen Euro, die Sie für Barrierefreiheit in Schulen und Kitas investieren; oder die 30 Millionen Euro für barrierefreie Linienbusse. Sie reichen sie einfach vom Bund aus weiter. Genau das müssen Sie auch tun. Aber das ist etwas völlig anderes als ein eigenes Investitionsprogramm, wie Sie es versprochen hatten. Sie klotzen nicht, Sie kleckern nur rum.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Ihr eigenes Investitionsprogramm beschränkt sich dagegen auf jeweils 13,7 Millionen Euro für Barrierefreiheit in staatlichen Bestandsgebäuden und ein paar flankierende Maßnahmen. Genau diese sollen im kommenden Haushalt auch noch gekürzt werden. Ihr Wille zu Einsparungen in allen Ehren – aber der barrierefreie Ausbau staatlicher Gebäude ist viel mehr, als einen Zugang für Rollstuhlfahrer einzurichten. Was machen Sie denn zum Beispiel für Menschen mit Hörbehinderungen? Wie arbeiten Sie konkret darauf hin, diesen Menschen die Barrieren aus dem Weg zu räumen? Sie sind nicht einmal mit auf dem Logo drauf. Das werden wir heute nicht abschließend klären können; aber ich habe eine Anfrage dazu eingereicht.

Nach deren Beantwortung werden wir das Thema wieder aufnehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt sage ich noch ein paar wenige Worte zu den 130 anerkannten bayerischen Betreuungsvereinen, die seit Langem chronisch unterfinanziert sind. Deren Arbeit bildet das Rückgrat für die vielen ehrenamtlichen Betreuer. Wenn dieses Rückgrat angesichts der Belastung bricht, werden wir mehr berufliche Betreuung brauchen. Sie sparen hier seit Jahren an der falschen Stelle.

Ich nenne das Stichwort Landesbehindertenplan. Das Sprichwort "Einen alten Baum verpflanzt man nicht" gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Ältere Menschen mit Behinderungen scheiden aus den Werk- und Förderstätten aus. Sie brauchen Wohnund Tagesbetreuungsplätze. Sie möchten oft gerne dort bleiben, wo sie schon lange gelebt haben. Das sollten Sie ihnen gönnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gönne Ihnen jetzt noch eine zweite Runde der Kritik an diesem Haushaltsplan. Das übernimmt aber meine Kollegin Christine Kamm.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Unterländer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich einiges zu den vorhergehenden Rednerinnen und Rednern feststellen, ausgenommen natürlich Herr Wolfgang Fackler mit seinem hervorragenden Beitrag.

(Allgemeine Heiterkeit)

Sie machen wie schon in der Vergangenheit den Kardinalfehler in der Familienpolitik, den Eltern in ihre Lebensbiografie und ihre Erziehungsgestaltung hineinreden zu wollen. Das geht die Politik nichts an. Sie muss für alle Modelle und alle Optionen den richtigen Weg anbieten. Das machen wir zum einen mit dem Betreuungsgeld, das wirklich ein Erfolgsmodell ist; denn es wird – ich sage es gerne noch einmal – von 70 % der insgesamt 100.000 Eltern in Anspruch genommen. Dass Sie so daherreden und sagen, die Eltern bräuchten es nicht, ist eine Unverschämtheit gegenüber den Familien in unserem Land.

(Beifall bei der CSU)

Genauso argumentieren Sie beim Landeserziehungsgeld, das ebenfalls ein Erfolgsmodell ist. Aufgrund der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und entsprechender Entscheidungen der Sozialministerin haben wir die Einkommensgrenzen in Anbetracht der allgemeinen Lebensbedingungen und der Entwicklung der Einkommen deutlich, nämlich um fast 40 %, angehoben, damit ein noch größerer Kreis von Familien Anspruch auf das Landeserziehungsgeld erhält. Deswegen sage ich ganz klar: Hände weg vom Landeserziehungsgeld!

(Beifall bei der CSU)

Sie fordern, dass die Schuldner- und die Insolvenzberatung zusammengelegt werden. Da sind sich der sozialpolitische Ausschuss, die Staatsregierung, die öffentliche und die Freie Wohlfahrtspflege als Träger der Einrichtungen und die sonstigen Beteiligten einig. Der Haushaltsausschuss hat zusätzlich 2 Millionen Euro ab dem Jahr 2018 zur Verfügung gestellt.

(Peter Winter (CSU): Wir sind halt großzügig!)

Das ist der klare Handlungsauftrag an die Bayerische Staatsregierung und das Sozialministerium, mit der öffentlichen und der Freien Wohlfahrtspflege zu verhandeln. Sie wollen nicht, dass es zu einem vernünftigen Ergebnis kommt. Vor allen Dingen wollen Sie nicht, dass die Schuldner- und die Insolvenzberatung weiterhin differenziert arbeiten. Wir wollen, dass den Menschen geholfen wird. Wir wollen aber vor allen Dingen auch, dass die Schuldner- und Insolvenzberatung effizient erfolgt.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Sie haben auch eine bessere Förderung der Frauenhäuser gefordert. Es ist unumstritten notwendig, den Schutz von Frauen vor Gewalt in der Familie und in der Gesellschaft weiter zu verbessern. Dazu gibt es die sogenannte Bedarfsermittlungsstudie, und es gibt einen Weg, den die CSU-Fraktion mit geebnet hat, indem sie die Zuschüsse für den proaktiven Ansatz bei den Frauenhäusern erhöht hat. Ich gebe zu, damit ist die Diskussion nicht beendet; aber wir werden das weiterführen. Seien Sie dessen sicher, dass die Einrichtungen froh sind, dass wir hier eingestiegen sind, und seien Sie dessen sicher, dass die Frauenhäuser davon profitieren werden und ihre wertvolle Arbeit weiterentwickeln können. Wir haben das im Haushaltsausschuss unterstützt, und die Bayerische Staatsregierung setzt es um.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Nur Phrasen!)

Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Themen ansprechen. Zum einen möchte ich darauf hinweisen,

dass die Sozialpolitik im Freistaat Bayern beständig auf aktuelle Entwicklungen und neue Herausforderungen eingegangen ist und präventive Ansätze gezeigt hat. Ohne das Gemeinschaftswerk des Bayerischen Sozialministeriums, des Bayerischen Landtags, der öffentlichen und der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfeinitiativen und vieler Ehrenamtlicher würde unser Gemeinwesen nicht funktionieren. Die Sozialpolitik bietet Hilfe für diejenigen, die die Unterstützung des Gemeinwesens in besonderer Weise benötigen. Wichtig sind aber auch die Hilfe zur Selbsthilfe und eine aktivierende Sozialpolitik – das müssen wir auf Landesebene immer im Blick haben –, die präventiv handelt und die Menschen in die Lage versetzt, ihre Situation selbst in die Hand zu nehmen.

Drei wesentliche gesellschaftliche Entwicklungen spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Die eine ist die demografische Entwicklung und die Seniorenpolitik, bei der es unter anderem um die Vermeidung von Altersarmut geht. Die Bayerische Staatsregierung, der Bayerische Landtag und vor allem die CSU-Fraktion haben ein Konzept zur Vermeidung der Altersarmut unter Berücksichtigung der Alterssicherungssysteme entwickelt. Wir wissen, wie zentral das Anliegen für unsere Wirtschaft, für unser Gemeinwesen und vor allen Dingen für jeden Einzelnen und jede Einzelne ist, Altersarmut zu vermeiden.

(Beifall bei der CSU)

Die zweite Entwicklung ist die Globalisierung, die wegen des intensiven Dialogprozesses auch auf Landesebene unter dem Aspekt "Wirtschaft und Arbeit 4.0" eine prägende Rolle spielen wird. Dabei ist ganz klar festzustellen, dass die großen Chancen, die dieser Prozess beinhaltet, was neue Arbeitsplätze und Flexibilisierung anbelangt, genutzt werden müssen. Wir werden diesen Prozess unter Einbeziehung der Wirtschaft, der Unternehmen, aber auch der Arbeitnehmer und ihrer Vertretungen, der Gewerkschaften, unterstützen, damit es nicht zu einer Aushöhlung des Arbeitsschutzes und der Arbeitszeitregelung kommt. Wir dürfen nicht zusehen, wenn dieser Prozess zu einer Selbstausbeutung oder einem Abbau von Arbeitsplätzen in weniger qualifizierten Bereichen führen würde. Dies wäre keine gute Antwort. Wir müssen hier die Politik einer sozialen und ökologischen Marktwirtschaft auch in Zukunft unterstützen.

Meine Damen und Herren, es ist notwendig – ich habe das schon im Zusammenhang mit Ihrer Bewertung des Betreuungsgeldes und des Landeserziehungsgeldes angesprochen –, die Familienpolitik auf fünf wesentliche Säulen zu stellen. Zum Ersten darf es keine Bevormundung in der Lebensbiografie geben, und die Familien sind in ihren jeweiligen Le

benssituationen finanziell zu unterstützen. Das gilt natürlich auch für die Alleinerziehenden. Wenn gesagt wird, Bayern ist das Familienland Nummer eins, ist das zweifellos in keiner Weise übertrieben. Vergleichen Sie unsere Leistungen mit denen der anderen Länder. Dann wird auch Ihnen deutlich werden, dass in Bayern die beste Familienpolitik in Deutschland gemacht wird.

(Beifall bei der CSU)

Das Zweite ist eine familienfreundliche Kommunalpolitik. Darüber werden wir an anderer Stelle weiter zu diskutieren haben. Mit dem Pakt, den die Staatsregierung unterstützt, wird ein wesentlicher Ansatz zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geleistet. Ich sage auch: Es ist eine der zentralen Herausforderungen in unserem Gemeinwesen, dass dies gelingt.

Das Dritte ist die Versorgung der Eltern mit Plätzen in Kindertagesstätten. Wir haben mit Ausnahme großer Kommunen, wo seit vielen Jahren Sozialdemokraten die Verantwortung tragen, eigentlich überall eine bedarfsgerechte Versorgung; das muss man klar feststellen. Wo die Verantwortung bei der Union liegt, ist der Ausbau in den letzten Jahren hervorragend gelungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Im Gegensatz zu dem, was Sie behauptet haben, tut sich gerade in diesem Jahr etwas beim Ausbau und bei der Änderung der Fehlzeitenregelung, was die Randzeiten anbelangt. Es gibt eine unbürokratische Regelung, eine Lösung auch im Kindertagesstättenbereich. Dazu stellen die Einrichtungen und ihre Spitzenverbände ausdrücklich fest, dass es vernünftige Lösungen seien, zum Beispiel der Jahresmittelwert. Das wurde von den Trägerverbänden mitgestaltet und ausdrücklich auch mitgetragen.

Ein weiteres grundsätzliches Thema ist die Flüchtlings-, Integrations-, Migrations- und Asylpolitik. Hierzu möchte ich nur zwei Punkte ansprechen, weil darauf verschiedentlich schon eingegangen worden ist.

Zum einen ist es auch für die kommunale Familie ein großer Erfolg, dass es noch in den letzten Wochen eine Vereinbarung zwischen der Bayerischen Staatsregierung – dem Ministerpräsidenten, der Sozialministerin – und den kommunalen Spitzenverbänden gegeben hat. Dementsprechend wird für die jungen unbegleiteten Minderjährigen und volljährig Gewordenen eine Erstattungsregelung funktionieren.

Dies heißt aber auch, dass wir diesbezüglich auch inhaltlich noch etwas weitergestalten und weiterentwickeln müssen, gemeinsam mit den Trägern, die dazu

übrigens vollständig bereit sind. Es ist nicht in jedem Fall Jugendhilfe traditioneller Art notwendig. Mit Jugendwohngemeinschaften und neuen inhaltlichen Konzepten, wie sie von den Trägern auch angeboten werden, wird es eine Zukunft eine effizientere und in dieser Verbindung auch kostengünstigere Regelung geben. Darüber hinaus werden die Kommunen entsprechend entlastet.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang möchte ich einen weiteren Punkt ansprechen: die Begleitung und Beratung von Menschen, die geflüchtet sind. Wir können sehr gute Erfolge feststellen, auch aufgrund der Förderung der Asylsozialberatung. Es ist jetzt aber notwendig, dies für Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, weiterzuentwickeln. Das Sozialministerium ist diesen Weg auch gegangen, den Weg einer Weiterentwicklung von der Asylsozialberatung hin zu einer Migrationsberatung, wofür entsprechender Bedarf vorhanden ist.

Wir müssen auf die Situation reagieren, die sich hier ergibt, damit bei einer Bleibeperspektive die Zielsetzungen gelingen können, etwa hinsichtlich der Förderung der Sprache, der Bildung, der Arbeit und der Integration.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum vorläufigen Abschluss des Inhaltlichen noch eine Bemerkung zur Politik für Menschen mit Behinderung. Ich finde es, gelinde gesagt, schon merkwürdig – auch wenn das natürlich das Recht der Opposition ist –, wenn Sie einen Ansatz von über 12 Millionen Euro, der ab 2018 zur Umsetzung des Teilblinden- bzw. Schwerstsehbehindertengeldes realisiert wird, schlechtreden, indem Sie darauf hinweisen, das hätte ja früher kommen können und im Übrigen sei das alles nicht ausreichend.

Meine Damen und Herren, wir setzen die Prioritäten so, dass Menschen mit Behinderung im Sinne einer barrierefreien, inklusiven Lösung auch dadurch besser beteiligt werden, dass sie finanziell entlastet werden.

(Beifall bei der CSU)

Ein weiterer Punkt – das wird für die Zukunft eine Aufgabe sein – ist das Ausführungsgesetz zum kommenden Bundesteilhabegesetz. Das ist eine wichtige Aufgabe, an der alle Verbände beteiligt werden. Dies halte ich für dringend notwendig. Ich möchte besonders danken für die Rolle, die die Bayerische Staatsregierung – der Ministerpräsident und die Sozialministerin – zur Entstehung eines guten Gesetzentwurfs zum Bundesteilhabegesetz gespielt haben.