Es ist allerdings nicht die Aufgabe des Staates, die Schüler und deren Eltern einkommensunab hängig von allen Kosten im Zusammenhang mit der Schülerbeförderung freizustellen bzw. für alle individuellen Härten oder Lebensgestaltungen ei gene finanzielle Hilfen bereitzustellen. Die bei einer Ausweitung der Vorschriften entstehenden Mehrkosten führen nicht zu mehr Bildungsge rechtigkeit, verringern aber die bereitstehenden Mittel für die Prioritäten im Bildungsbereich wie eine verbesserte Unterrichtsversorgung, Ausbau der Ganztagsschulen, Inklusion, Weiterentwick lung der Hochschulen etc.
Deshalb gibt es vonseiten der Staatsregierung keine Planungen, die Vorschriften über die Schü lerbeförderung auszuweiten.
Das war im Jahr 2012. Das sieht die SPDFraktion heute wie damals anders. Die Umsetzung der Bil dungsgerechtigkeit in diesem Land, die grundsätzli che Freistellung für alles, was mit Bildung zu tun hat,
Deshalb nehmen wir heute wieder einen Anlauf, die Eltern deutlich zu entlasten, indem der Schulbus für alle kostenfrei ist. In der eben zitierten Antwort auf die Schriftliche Anfrage hat die Staatsregierung ebenfalls festgestellt, dass eine grundsätzliche Ausweitung der Kostenfreistellung bei der Schülerbeförderung nur über eine gesetzliche Regelung möglich sei. Heute folgen wir diesem Rat und legen einen Gesetzentwurf zur Änderung des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes vor.
Wir wollen konkret zwei Punkte neu regeln. Zum einen bekommen Eltern grundsätzlich die Fahrtkosten zur nächstgelegenen Realschule oder zum nächstge legenen Gymnasium erstattet, auch wenn sie eine Schule wählen, die weiter entfernt ist. Zum anderen übernimmt der Staat den Elternanteil der Fahrtkosten auch für Kinder ab der 11. Klasse. Hierfür müssen wir Artikel 3 Absatz 2 des Schulwegkostenfreiheitsgeset zes neu fassen und einen neuen Absatz 3 einfügen.
Die Kosten der notwendigen Beförderung sind in der Regel für den Besuch der nächstgelegenen Schule zu erstatten. Im Fall des Besuchs einer weiter entfernt gelegenen Schule erstattet der Aufgabenträger gegen Nachweis zumindest die Kosten bis zur Höhe der Kosten nach Satz 1. Weitere Ausnahmen hierzu sind in einer Rechts verordnung zu regeln.
Damit liegt es nicht mehr im Ermessen der Landrats ämter, ob sie einen Kostenbeitrag leisten oder nicht. Nach dem Gesetzentwurf der SPD müssen sie we nigstens die Kosten bis zur nächsten Schule bezah len. Damit entlasten wir viele Eltern und schaffen mehr Gerechtigkeit.
Es kann nicht angehen, dass einige Kinder Bus und Bahn kostenlos nutzen dürfen, während die Eltern an derer Kinder alles bezahlen müssen.
Dieser Sachverhalt ist nicht neu. Deshalb ist es inte ressant, einmal in das Plenarprotokoll vom 16. De zember 2009 hineinzuschauen. In der damaligen Sit zung hat Herr Kollege Hans Herold von der CSU Fraktion in der Aussprache durchaus Verständnis für eine Neuregelung geäußert. Ich zitiere:
Die Schulwegkostenerstattung ist ein Thema, mit dem wir uns daheim in den Stimmkreisen immer wieder beschäftigen. Als Bürgermeister habe ich immer wieder erlebt, dass Kinder, aus welchen Gründen auch immer, nicht die Schule vor Ort, sondern eine andere Schule besuchen wollten. Natürlich sollten wir uns immer wieder Gedanken darüber machen, wie ein bestehendes System verbessert werden kann. Die Einführung eines geldmäßigen Erstattungsanspruchs wäre aller dings ein Systemwechsel, der mit massiven Fol gewirkungen verbunden wäre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, davor schrecken Sie zurück. Sie wissen, dass es eine Ge rechtigkeitslücke gibt, haben aber nicht den Mut, das zu ändern. Das können Sie endlich tun, indem Sie un serem Gesetzentwurf zustimmen.
In der Tat weist der ehemalige Staatssekretär des Kul tusministeriums, Herr Dr. Marcel Huber, der heute Chef der Staatskanzlei ist – gerade ist er nicht da –, in der Plenarsitzung am 16. Dezember 2009 darauf hin, dass wir eine rechtssystematische Schwierigkeit hät ten, weil den Kindern im Gesetz über die Kostenfrei heit des Schulweges und in der Verordnung über die Schülerbeförderung kein Kostenersatz zustehe, son dern darin die Sicherstellung der notwendigen Schü lerbeförderung als Sachleistung festgelegt sei. Für die NichtKundigen muss man erwähnen: Die Kommunen sind die Aufgabenträger, und der Staat gibt ihnen für diese Aufgabe einen Zuschuss. Selbstverständlich fließt kein Geld an die Eltern. Der Staatssekretär sagte damals: "Der gesunde Menschenverstand gibt der Argumentation sehr leicht recht, den Schulweg wenigstens bis zur nächsten Schule zu bezahlen". Das sehen auch viele Petenten so. Jedes Jahr wer den viele Petitionen zu diesem Thema an den Land tag eingereicht.
In der Antwort auf die Schriftliche Anfrage aus dem Jahr 2012 schreibt Marcel Huber, er wolle lieber das Geld in Ganztagsschulen, in die Verkleinerung der Klassengrößen und in andere Maßnahmen stecken. Was ist daraus geworden? – Er hat sich viel Geld ge spart, weil er das Gesetz nicht geändert hat. Sind wir bei den Ganztagsschulen wirklich vorangekommen? Haben wir den gebundenen Ganztag in der Grund schule, der Realschule und am Gymnasium wirklich wesentlich ausgebaut? – Ich denke nicht. Haben wir die großen Klassen abgebaut? Wie viele Klassen gibt es an den Realschulen und Gymnasien noch mit 30 und mehr Kindern? Was ist mit Ihrem Wahlverspre chen, in den Grundschulen die Schülerhöchstzahl pro Klasse auf 25 zu senken? Das alles ist nicht passiert.
Sie haben das aber als Argument benützt, um den El tern dieses Geld vorzuenthalten. Das ist ein schwa ches Argument und trifft nicht zu.
Der Staatssekretär hat tatsächlich recht, dass wir die rechtssystematische Schwierigkeit mit einem Gesetz entwurf beheben müssen. Das werden wir jetzt auch tun. Damit werden wir den Landratsämtern auch viel Arbeit ersparen. Der Verwaltungsaufwand, den Eltern immer wieder klarzumachen, warum nicht bezahlt wird, ist enorm. Dieser Verwaltungsaufwand muss wirklich nicht sein.
Nummer 2 im Gesetzentwurf ist Folgende: Der Staat übernimmt bei den Fahrtkosten zur Schule den Eltern anteil auch für Schüler ab der 11. Klasse. Dazu wollen wir in Artikel 3 des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes den ehemaligen Absatz 2 ändern. Konkret geht es darum – auch das ist nicht ganz einfach zu verstehen –, dass der Freistaat Bayern den Betrag bis zur Fami lienbelastungsgrenze von derzeit 420 Euro über nimmt. Bisher bezahlen die Eltern die Fahrtkosten zur Schule zunächst aus eigener Tasche. Sie müssen die Fahrkarte selber kaufen und darauf achten, dass immer die günstigste Variante gewählt wird. Um die Ferienzeiten muss immer eine Wochenkarte gekauft werden. Die Originale müssen bis zum Schuljahre sende aufbewahrt werden. Die Eltern dürfen dann den Erstattungstermin am 31.10. nicht verpassen. Es han delt sich hier um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Die Landratsämter beklagen den immensen Aufwand, der hier zu leisten ist. Sie beklagen weiterhin, dass das früher auch nicht so gewesen sei. Eine Erstattung gibt es also nur für den Anteil, der über 420 Euro pro Schuljahr liegt. Nach der momentan geltenden Geset zeslage müssen die Eltern die 420 Euro auf jeden Fall bezahlen. Völlige Kostenfreiheit besteht also nur für die Eltern, die drei oder mehr Kinder haben oder Empfänger von Sozialleistungen sind. Das steht auch im Gesetz.
Wir wollen in unserem Gesetzentwurf erreichen, dass der Weg zur Schule für diese Schülergruppe grund sätzlich kostenfrei ist. Alle Schüler sollen einen An spruch auf eine Fahrkarte haben, und die Eltern sol len von der Zahlung dieser Karte freigestellt werden. Damit wird ganz nebenbei auch eine Entlastung für unsere Kommunen geschaffen. Mit dem Gesetzent wurf soll also eine Gerechtigkeitslücke geschlossen werden. Auch für die Jugendlichen ab der 11. Klasse soll der Schulweg kostenfrei sein. Damit werden die Eltern tatsächlich finanziell entlastet, sodass sie das Geld für ihren Konsum verwenden können.
Wenn ich einen Blick auf den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER werfe, dann kann ich feststellen, dass nur einer der beiden Bereiche geändert werden
soll. Diesen haben Sie offensichtlich kurzfristig bei uns abgeschrieben. Ihr Absatz 2 klingt genauso wie unse rer. Sie wollen eigentlich nur die Kostenerstattung bis zur nächsten Schule festgeschrieben haben. Dieser Forderung werden wir natürlich nach der Zweiten Le sung zustimmen, diese Forderung ist auch Gegen stand unseres Gesetzentwurfes.
Ich freue mich auf die Beratung im Bildungsaus schuss und hoffe, dass wir endlich diese Kuh vom Eis bekommen. Lassen Sie uns endlich eine finanzielle Entlastung für die Eltern schaffen! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön. – Der nächste Redner ist Prof. Dr. Piazolo. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Fraktion der FREIEN WÄHLER die Begründung und die Aussprache eben falls verbindet und zehn Minuten Redezeit zur Verfü gung steht.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir in der Fraktion sehr intensiv über das Thema Schul weg gesprochen haben, ist mir der Geist ein wenig auf Reisen gegangen. Das passiert mir manchmal in Fraktionssitzungen. Dabei ist mir ein Film ins Ge dächtnis gekommen: "Baby Boom – Eine schöne Be scherung". Der Film mit Diane Keaton ist für einen Sonntagabend bzw. für einen Sonntagnachmittag gut geeignet. Es geht um Folgendes: Eine erfolgreiche Managerin, die sehr auf den Beruf fokussiert ist, erbt von ihrer verstorbenen Schwester ein zweijähriges Kind. Plötzlich wird sie in all die Probleme hineinge worfen, die in der Schule und in der Erziehung auf einen zukommen. Im Film gibt es eine Szene, in der sie mit dem Kind auf einem Spielplatz ist und sich zum ersten Mal bei den anderen Müttern nach dem Kindergarten erkundigt. Die anderen Mütter, die total fokussiert auf die Erziehung und Bildung der Kinder sind, reagieren total entsetzt. Sie fragen die Mutter: Du weißt noch nicht, in welchen Kindergarten das Kind gehen soll? Wenn du den falschen Kindergarten auswählst, dann folgen die falsche Grundschule, das falsche Gymnasium, das falsche Studium und ein ver fehltes Leben.
Ich glaube nicht, dass es bei uns so schlimm wie in Amerika ist. Aber die Wahl der richtigen Schule ist von ganz entscheidender Bedeutung, auch in Bayern. Deshalb ist das aktuelle Thema "Die Schulwahl und die Erstattung von Schulwegekosten" für viele Eltern so entscheidend. Wir merken das im Bildungsaus schuss an den vielen Petitionen. Der Kollege Güll hat
es bereits angesprochen. Seit wir im Landtag sind, verfolgt uns dieses Thema ständig, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir setzen uns ständig mit diesem Thema auseinander. Die Eltern sind sehr besorgt, weil sie ihr Kind aus finanziellen Gründen nicht auf die Schule schicken können, auf die sie wollen. Genau darum geht es. Die Schulwahl, die dem eigenen Wunsch entspricht, ist für das spätere Leben von ent scheidender Bedeutung.
Grundsätzlich gibt es das Recht auf freie Schulwahl. Dafür genügt ein Blick in die Bayerische Verfassung. Das ist in Artikel 128 geregelt: "Jeder Bewohner Bay erns hat Anspruch darauf, eine seinen erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung entspre chenden Ausbildung zu erhalten." Das ist der Verfas sungsgrundsatz. Dieser ist auch umgesetzt. Aber er ist durch die Regelung über die tatsächlich erstatteten Kosten eingeschränkt. Das sind grundsätzlich die Kosten zur nächstgelegenen Schule, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Gibt es die Freiheit der Schulwahl? – Ja! Aber die Erstattung der Kosten er folgt nur bis zur nächstgelegenen Schule. Auf die Ein zelheiten werden wir sicherlich noch im Ausschuss eingehen. Die Freiheit ist zwar vorhanden, wird aber auch eingeschränkt.
Hier kommt das Thema der Bildungsgerechtigkeit ent scheidend zum Tragen. Das ist eben schon angespro chen worden. Ist es wirklich in unserem Sinn, dass diejenigen, die es sich leisten können, ihr Kind auf eine andere, weiter entfernte, vielleicht passendere und bessere Schule schicken können, und diejenigen, die es sich nicht leisten können, ihr Kind auf der nächstgelegenen Schule belassen müssen? – Wir sehen das Konfliktpotenzial. Viele Eltern sind bereit, zur Klärung dieser Frage vor Gericht zu gehen.
Beiden Gesetzentwürfen ist gemeinsam, dass nicht alle Kosten erstattet werden sollen. So weit wollen wir nicht gehen. Aber zumindest die fiktiven Kosten sollen erstattet werden. Die Eltern, die ihr Kind auf eine wei ter entfernte Schule schicken, sollen zumindest die Kosten erstattet bekommen, die sie erstattet bekä men, wenn ihr Kind auf die nächstgelegene Schule gegangen wäre. Dies zu tun ist gerecht und billig. Ich sehe keinen Grund dafür, dass die CSU oder auch die Staatsregierung diesen Gesetzentwürfen nicht folgen kann.
Aus meiner Sicht entspricht die Forderung dem Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. In Groß städten mit einem einheitlichen Angebot des ÖPNV ist es nicht so schwierig. Wer in München den Innenraum gebucht hat und die Kosten dafür erstattet bekommt,
kann sich bereits unter einer Vielzahl von Schulen entscheiden. In Nürnberg und in anderen Großstädten ist es ähnlich. Im ländlichen Raum ist es anders. Im ländlichen Raum müssen die Kosten selber getragen werden. Schon allein das Prinzip der gleichwertigen Lebensverhältnisse macht es notwendig, zumindest die fiktiven Kosten zu erstatten. Diese Kosten sind auch überschaubar. Aktuell geht man davon aus, dass ungefähr 5 % der Schüler eine andere weiterfüh rende Schule wählen würden als die, die am nächsten liegt. Das ist dann ein Kostenaufwand von 10 bis 15 Millionen Euro; nicht abgezogen sind hiervon die Kosten für den einen oder anderen Verwaltungsauf wand, den man sich erspart. 10 bis 15 Millionen Euro sollte uns das wert sein. Viele Eltern und auch viele Schüler wären dankbar, wenn wir uns bzw. wenn Sie sich den vorliegenden Gesetzentwürfen anschließen würden.
Warum ist unser Gesetzentwurf anders als der der SPD? – Herr Kollege Güll hat schon gesagt, sie unter scheiden sich. Der zweite Punkt im SPDGesetzent wurf betrifft die Förderung ab der Jahrgangsstufe 11; hier sollen die Schulwegkosten bis zu einer Familien belastungsgrenze von 420 Euro erstattet werden, wie Herr Güll erklärt hat. Der Grund dafür, dass wir das kritisch sehen, ist die Forderung nach Gerechtigkeit der Schulausbildung insbesondere auch im Verhältnis zur beruflichen Ausbildung. Diese wäre nämlich in diesem Fall benachteiligt.
Wir haben schon jetzt durchaus Schwierigkeiten, die Schüler von den Chancen zu überzeugen, die die be rufliche, die duale Ausbildung bietet.
Nein, überhaupt nicht, Herr Gehring. So ist es über haupt nicht gemeint, sondern wir wollen Gerechtigkeit. Wir wollen nicht, dass diejenigen, die auf eine weiter führende Schule gehen, ab der 11. Klasse die ent sprechenden Zuschüsse bekommen und die anderen, die eine Berufsausbildung machen, nicht. Wir sind, wie gesagt, in der Diskussion offen; vielleicht gibt es andere Lösungen, die man hier finden kann, andere Unterstützungen.
Darüber sollte man noch einmal nachdenken; denn es geht hier um die zehnfache Summe, Kollege Halbleib. Es geht nicht, wie beim ersten Punkt, um 10 oder 15 Millionen Euro, sondern um eine Größenordnung
von circa 125 Millionen Euro. Da muss man sich dann schon überlegen, in welche Schulart, in welchen Be reich man diese große Summe steckt. Das heißt nicht, dass wir nicht auch das bestimmte positive Empfinden auch in die Richtung haben, das zu unter stützen. Aber man muss sich überlegen, was man mit dem Geld dann macht. Da sagen wir: Wenn wir einem solchen Gedanken nähertreten, dann muss es für die berufliche Ausbildung entsprechende Initiativen in mindestens der gleichen Größenordnung geben. Da rüber können wir im Bildungsausschuss gerne noch diskutieren. Darauf freue ich mich auch. Wir sind schließlich in der Ersten Lesung, noch nicht in der Zweiten. Danach werden wir entscheiden, wie wir uns zu Ihrem Gesetzentwurf stellen.
Sehr verehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute die Schulwegkostenfreiheit; hierzu liegen uns die Gesetzentwürfe der FREIEN WÄHLER und der SPD vor. Ich möchte Folgendes an den Anfang der Debatte stellen: Wir haben im Freistaat Bayern die freie Schulwahl. Sie ist verankert und kann ausgeübt werden. Wir haben weiterhin die Garantie, dass jedes Kind die Schulart besuchen kann, die es nach seiner Fähigkeit, nach seiner Neigung, nach seinem Interes se besuchen möchte, ohne dass in diesem Zusam menhang Kosten entstehen – mit einer Ausnahme: Ab der 11. Klasse Gymnasium entstehen tatsächlich Kos ten. Der Kollege Piazolo ist bereits darauf eingegan gen, wo hier die Probleme liegen. Ich möchte mit die sem Punkt anfangen; mit den anderen Punkten, zu denen sowohl FREIE WÄHLER als auch SPD Ge setzentwürfe vorgelegt haben, sollten wir uns dann etwas intensiver beschäftigen. Ich bin mir nämlich nicht ganz sicher, ob man sich darüber im Klaren ist, was man mit den Gesetzentwürfen draußen anrichtet.
Die Frage, inwieweit Schülerinnen und Schüler der 11. Klassen die Kosten für ihren Schulweg selbst übernehmen sollen, ist keine Frage der sozialen Her kunft. Wir haben doch gerade vom Kollegen Halbleib gehört: Die, die es sich leisten können, können letzten Endes in die 11. und 12. Klasse gehen, die anderen aber nicht. – Herr Kollege Halbleib, ich mache auf Fol gendes aufmerksam: Diejenigen, deren Eltern mögli cherweise letzten Endes Sozialhilfe beziehen, bekom men die Kosten komplett erstattet; sie müssen nicht einmal die 420 Euro bezahlen. Sie bekommen die Kosten komplett. Dann kommen wir zu den kinderrei chen Familien, zu denen, die Kindergeld für drei oder mehr Kinder bekommen: Sie bekommen ebenfalls die
kompletten Kosten erstattet. Lediglich diejenigen, die nicht in diese beiden Gruppen fallen, müssen im Jahr maximal 420 Euro zahlen. Vor dem Hintergrund, dass der August weggerechnet wird und dass man ansons ten von Monatskarten für elf Monate ausgeht, bedeu tet das, dass jede Familie pro Tag 1,25 Euro ausge ben muss, damit ihr Kind zur Schule und wieder nach Hause kommt. Das betrifft die Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Klasse. In diesem Zusam menhang wissen wir auch: Die Gymnasien sind an den zentralen Orten angesiedelt; die Monatskarten können also nicht nur für den Schulweg, sondern auch am Abend und am Wochenende verwendet wer den. Deswegen – das sage ich ganz ehrlich – sollte man die Kirche im Dorf lassen.
Ich greife aber ausdrücklich auch den Ansatz auf, den wir bereits gehört haben, also die Frage der aus gleichenden Gerechtigkeit gegenüber denjenigen, die eine duale Ausbildung machen. Auch sie müssen ihre Beförderungskosten selbst tragen.
Lassen Sie mich, Herr Kollege Güll, sagen: Die Num mer 2 hätte es in dieser ganzen Breite überhaupt nicht gebraucht. Es hätte vollkommen ausgereicht, wenn Sie geschrieben hätten: In Artikel 1 Absatz 1 wird "bis einschließlich Jahrgangsstufe 10" gestrichen. – Dann bräuchten wir eigentlich die ganze Nummer 2 Ihres Gesetzesvorschlags nicht. Aber das nur am Rande. Was Sie da aufgeschrieben haben, ist so überflüssig wie ein Kropf. Aber darüber können wir vielleicht im Ausschuss noch etwas intensiver disku tieren.