Protokoll der Sitzung vom 24.02.2000

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen es daher nicht nur bei den grundsätzlichen Aussagen zu Weg und Ziel der Sanierung belassen, sondern jeden neuen Schritt, der aus der Haushaltsnotlage herausführt, noch genauer prüfen. Als zentrales Kriterium zur Bewertung aller Sanierungsaktivitäten gilt dabei für uns die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Wer mit Blick auf eine bessere Zukunft auf vieles verzichten soll, der hat Anspruch auf mehr als politische Versprechungen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir Sozialhilfeleistungen beschränken müssen und zugleich Hunderte von Millionen DM zum Beispiel für Tourismusprojekte bereitstellen, muss die Sinnhaftigkeit dieser Entscheidungen, von der wir zu überzeugen sind, auch nachgewiesen werden.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Anspruch, den andere, aber auch wir selbst an uns stellen, wollen wir erfüllen. Die Steigerung von Wirtschafts- und Finanzkraft ist dabei ein wichtiges und in allen Sanierungsvereinbarungen genanntes Kriterium.

(Unruhe beim Bündnis 90/Die Grünen)

Werden Sie jetzt schon unruhig? Dieses Kriterium ist notwendig, aber allein nicht hinreichend, meine Damen und Herren. Die Reduzierung der Arbeitslosenquote ist ein mindestens gleichwertiger Maßstab für den Sanierungserfolg.

(Beifall bei der SPD)

Den Nachweis der Beschäftigungswirksamkeit der ISP-Projekte zählen wir zu einer der wichtigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode. Wir sind daher entschlossen, meine Damen und Herren, Haushaltsmittel für ISP-Projekte dann zu bewilligen, wenn sie konkrete und nachvollziehbare Prognosen über direkte und indirekte Arbeitsmarkteffekte enthalten. Auch für von Senat und Parlament bereits abschließend genehmigte Projektfinanzierungen erwarten wir bis Ende April Angaben darüber, wann, wo und in welchem Umfang jede einzelne Investition neue Arbeitsplätze schafft oder vorhandene sichert beziehungsweise den Abbau begrenzt.

(Beifall bei der SPD)

„Arbeitsmarkteffekte der ISP-Projekte“ lautet der Titel unseres Antrags, und das Bündnis für Arbeit unter der Leitung von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit vielen prominenten Befürwortern steht auch hierfür. Das ist unser klassisches sozialdemokratisches Profil. Wir erwarten, meine Damen und Herren, dass die vorgelegten Zahlen die in die Projekte gesetzten Hoffnungen erfüllen und Entlastungen am Arbeitsmarkt bewirken und dass auch die Bürgerinnen und Bürger unserer Städte schließlich sagen werden, das Sanierungsprogramm hat sich gelohnt, es hat etwas für uns bewirkt.

Deshalb bin ich erfreut, dass ich dabei einen ebenso anerkannten wie prominenten Befürworter, nämlich Professor Rudolf Hickel, an meiner Seite habe, der mit zunehmendem Vergnügen mit Herrn Zachau einen Streit über Wirtschaftsstrukturpolitik in der „taz“ führt. Wir werden einiges daraus aufgreifen.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das Vergnügen ist auf unserer Seite!)

Wo Planungen notwendige Sparsamkeit oder unzulängliche Wirkung erkennen lassen, werden wir diese zurückweisen. Wir werden uns nicht einlassen auf vermeintlich schöne oder illusorisch begründete Versprechungen ohne konkrete Erfolgsaussichten.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben nichts zu verschenken, im Gegenteil! Wir wollen auch verhindern, dass möglicherweise pri

vate Planer und Investoren von unserer Notlage profitieren.

(Beifall bei der SPD — Zurufe vom Bünd- nis 90/Die Grünen)

Warten Sie einmal ab! Sparsamer Mitteleinsatz, meine Damen und Herren, heißt aber zum Beispiel auch, dass wir nicht jeden Wunsch der neuen Gesellschaften einfach erfüllen. Für die BIG sowie ihre Schwestern und Töchter muss gelten „small is beautiful“!

(Beifall bei der SPD — Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grünen]: Wenn Sie sie schon BIG nennen!)

Beantworten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern!

Bitte, Herr Abgeordneter Pflugradt!

Frau Kollegin, wenn Sie von der BIG reden, dann gilt das ja nicht nur für Investitionen von BIG und Wirtschaft, sondern sicherlich für alle Investitionen, wie Sie gesagt haben. Wenn wir gerade diese Woche in der Zeitung gelesen haben, dass die Gehwege in den Wallanlagen, obwohl sie nicht sanierungsbedürftig sind, erneuert werden, sind das auch Investitionen. Vielleicht können Sie mir ja erklären, was diese Investitionen im Hinblick auf Arbeitsplätze ausmachen.

Herr Kollege Pflugradt, das gilt sicherlich für alle Projekte. Der Grundsatz muss klar sein. Sie haben sich ja auch hinter unserem Antrag dankenswerterweise versammelt. Es ist ein Antrag der großen Koalition.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das muss man offensichtlich noch einmal betonen!)

Dass man Projekte unterschiedlich bewerten muss in ihren Arbeitsmarkteffekten, deshalb heißt es Effekte und nicht Plätze, ist mir dabei klar, weil ich auch zum Beispiel von der Begrenzung des Abbaus oder auch der Sicherung bestehender Arbeitsplätze gesprochen habe. Dass bei verschiedenen investiven Maßnahmen, man könnte auch den Straßenbau dazu nehmen, unterschiedliche Effekte erzielt werden in der Arbeitsplatzsicherung, ist klar.

(Beifall bei der SPD — Abg. Frau L i n - n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sind die Wallanlagen jetzt auch schon im ISP?)

Ich fahre fort! Der Ehrgeiz der Spezialisten in diesen Gesellschaften, meine Damen und Herren, muss wie unserer darauf gerichtet sein, definierte Ergebnisse mit minimalem Ressourceneinsatz zu realisieren. Zu sagen, wir brauchen Flächen, ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt und damit Lebensqualität der Stadt, geht am Ziel vorbei.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir erwarten sowohl von Wirtschaftsförderern als auch -ansiedlern intelligentere Lösungen als bloße Flächenbereitstellungen.

(Beifall bei der SPD — Zuruf vom Bünd- nis 90/Die Grünen: Ach!)

Das sage ich nicht, meine Damen und Herren, um Sie möglicherweise auf dieser Seite zu ärgern, sondern das sage ich deshalb, und das ist auch der Ansatz, den mein Fraktionsvorsitzender mit dem Stichwort „Technopolis“ verfolgt, dass wir nämlich Einwohner in Bremen behalten und dass wir die Umlandabwanderung stoppen. Der Herr Kollege Perschau hat im Dezember dazu eine erneute Untersuchung vorgelegt und veröffentlicht, die klar und deutlich gesagt hat, die Umlandabwanderung ist insbesondere dann zu stoppen, wenn wir ein familienfreundliches Klima, eine familienfreundliche Qualität in unseren Städten haben.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört selbstredend auch so etwas wie die Attraktivität unserer Großstädte. Das ist unabdingbar. Ein Einwohner ist sehr viel wert, wie wir gestern Morgen auch festgestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Das meiste kann dienen, meine Damen und Herren! Allerdings sage ich auch, quasi vorbeugend, Frau Dr. Trüpel, sollte sich herausstellen, dass das öffentliche Engagement bei einem Projekt reduziert werden kann, stehen die womöglich einzusparenden Gelder keinesfalls für konsumtive Zwecke zur Verfügung. Das hat das Parlament im Sanierungssicherstellungsgesetz gerade erst beschlossen und bekräftigt.

Erfolge der Sanierung treten kaum kurzfristig ein. In Kindergärten und Freizeitheimen, bei Sozialhilfe und Kultur muss heute gekürzt werden. Die erwarteten Steuer-, Finanz- und Arbeitsmarkteffekte stellen sich aber zum Teil erst in einigen Jahren ein. An der Entwicklung der Schlachte wird deutlich, welche Durststrecke zurückzulegen war. Während mehr als zehn Jahren Planung und Realisierung gab es reichlich Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projek

tes. Erst jetzt hat sich der Erfolg des Schlachte-Boulevards herausgestellt.

Wir sind überzeugt, dass diese und andere Investitionen, die wir heute beschließen, die unsere Nachfolger aber mitfinanzieren müssen, Basis für den Fortbestand des Landes Bremen sind. Die Argumentation ist allerdings kein Freibrief. Je weiter in die Zukunft unsere Entscheidungen wirken, desto sorgfältiger sind ihre Wirkungen auszuloten.

(Beifall bei der SPD)

Der Zugriff auf künftige Haushalte erscheint nur dann gerechtfertigt, wenn es hierzu keine Alternative gibt.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Es gibt immer eine Alternative!)

Wir sehen uns dabei im besonderen Maße zur Minimierung des Mitteleinsatzes und zur Maximierung von Transparenz in Planung und Entscheidung verpflichtet. Dahinter können sich sicherlich alle versammeln.

(Beifall bei der SPD)

Wenn uns aber der Wirtschaftssenator, Herr Kollege Hattig, wie geschehen, Finanzierungsmodelle vorlegt, die Mittel aus noch gar nicht existierenden Investitionsprogrammen benötigen, können wir das nur schwerlich hinnehmen. Wir stehen zu dem Beschluss, das sage ich genauso deutlich, bis 2010 eine Investitionsquote von 14,2 Prozent durchzuhalten. Aber es muss auch unverzüglich das so genannte WAP IV für die Zeit von 2000 bis 2004 und respektive 2010 vorgelegt werden, so wie es in der Koalitionsvereinbarung festgelegt ist. Dazu erwarte ich wirklich unverzüglich die Vorlage des Senats.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, abschließend sei nochmals klargestellt: Erstens, langfristig, aber auch kurzund mittelfristig finanzierte Investitionsvorhaben finden dann Zustimmung, wenn dem entsprechenden Finanzierungsplan ein ebenso weit in die Zukunft reichender Plan beziehungsweise eine Prognose der Arbeitsmarkteffekte gegenübergestellt wird.

Zweitens: Wir müssen mit den erhaltenen Sanierungsgeldern sorgfältig umgehen und dabei sicherstellen, möglichst viel zu bewegen, das meiste soll und kann dabei dienen.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, weil wir heute erst über diesen Antrag beschließen können, in Punkt zwei den Termin zu ändern, und zwar vom