Protokoll der Sitzung vom 24.02.2000

Ein stetige Veränderung der Wahrnehmung des Alkoholmissbrauchs ist nicht allein durch Kampagnen zu erreichen, meine Damen und Herren.

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Aber auch!)

Nicht allein, habe ich gesagt, das beinhaltet das ja!

(Abg. Frau H a m m e r s t r ö m [SPD]: Ich sagte: Aber auch!)

Ja, das ist richtig, das sehe ich vollkommen ein!

Diese Wahrnehmungsveränderung muss von politischen Maßnahmen flankiert werden. Dazu gehören auch Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten für ehemalige Suchtkranke, die geschaffen werden müssen. Dies ist ein wichtiger Baustein für ihre soziale Eingliederung.

In Bremen soll dieses Bündnis für den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol gegründet werden. Das wird in der aktuellen Antwort des Senats ausgeführt, aber das wurde es auch schon 1998. Das Gründungstreffen der Aktionspartner zum Aktionsbündnis ist endlich geplant. Hoffentlich gehen nicht wieder zwei Jahre bis zur Realisierung ins Land! Deshalb haben wir auch den Antrag von CDU und SPD unterstützt, um das endlich hier in Bremen durchzusetzen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der CDU)

sonst wird leider noch viel Alkohol fließen mit allen seinen problematischen Folgeerscheinungen! — Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Alkohol und die Gefahren durch Alkoholmissbrauch hat die Bürgerschaft zuletzt Mitte Mai 1998 beschäftigt. Schon damals ist der Standpunkt des Senats ausführlich dargelegt worden, das ist hier auch eben gesagt worden. An der Aktualität des Problems Alkohol hat sich seitdem, das werden Sie alle so bewerten, nichts verändert. Ich sage ausdrücklich das Problem Alkohol, denn nur das interessiert in diesem Zusammenhang.

Vielleicht vorab zu den Ausführungen von Frau Hoch: Es geht in keiner Weise darum, in Bremen oder Bremerhaven, wobei ich für Bremerhaven na

türlich nur eingeschränkt sprechen kann, den Selbsthilfegruppen den Boden zu entziehen, oder darum, dass wir nun überhaupt keine Angebote hätten, was Arbeitsplätze angeht, was aufsuchende Sozialarbeit zum Beispiel auch angeht, über den Sozialpsychiatrischen Dienst. Also, überlassen Sie das vielleicht den Haushaltsberatungen! Wir haben überhaupt nicht vor, da den Boden zu entziehen, wir haben vielmehr vor zu versuchen, weitgehend auch das zu sichern, was Sie einfordern mit Planungssicherheit, damit es nicht immer von Jahr zu Jahr für die Beschäftigten dort um ihre eigene Existenz gehen muss

(Beifall bei der SPD)

und damit die Arbeit auch ein Stück blockiert wird. Also, lassen Sie uns diesen Teil vielleicht im Rahmen der Haushaltsberatungen besehen und uns jetzt dem zuwenden, was wir an Bewusstseinsveränderungen auch erreichen können in den Debatten und in den Aktionen, die wir vorhaben! Es ist weniger ein Problem, dass es Alkohol gibt und dass Alkohol als gesellschaftliche Droge auch in unserer Kultur eine wichtige Rolle spielt. Alkohol kann durchaus, das werden Sie alle bestätigen, auch ein Genussmittel sein. Sie mögen vielleicht aber auch aus Ihrem persönlichen Lebensumfeld wissen, wie schleichend der Übergang vom Konsum zur Abhängigkeit ist. Wer kennt nicht eine Person, deren Abhängigkeit nicht nur sie selbst, sondern auch Freundschaften, Familien, Kinder zugrunde gerichtet hat? Oder denken Sie an Autofahrten unter Alkoholeinfluss, die die schlimmsten Konsequenzen mit tödlichem Ausgang oder schweren gesundheitlichen Folgen hatten! Dies im Vorfeld zu verhindern, darum geht es mir mit dem Debattenbeitrag im Ansatz auch heute, wobei ich glaube, Frau Sauer und Frau Hoch, dass die staatlichen Möglichkeiten des Eingriffs dabei auch eine natürliche Grenze haben. Ich glaube, wir alle, nicht nur wir hier, sondern alle müssen uns auch überlegen, inwieweit wir nicht verpflichtet sind, auch frühzeitig einzugreifen. Frau Sauer hat vorhin gesagt, wir wollen nicht zuschauen, aber leider wird sehr oft nur zugeschaut. Wir alle kennen auch Leute, von denen wir sicher wissen, die haben da ein massives Problem, möglicherweise schon ein Suchtproblem, aber wir tun sehr wenig, weil wir uns scheuen, weil wir Angst haben vor dem Konflikt, weil wir nicht da irgendetwas lostreten wollen. Die Suchtberater, die wir im öffentlichen Dienst beschäftigen, sind da ein ganz wichtiger Ansatz und leisten gute Arbeiten. Nur, wir können staatlicherseits nicht Suchtberater für die gesamte Gesellschaft organisieren, sondern das müssen auch viele in ihrem ganz persönlichen Verantwortungsbereich ganz persönlich übernehmen.

(Beifall bei der SPD)

Da sind wir alle sicherlich noch viel mehr gefordert, als wir das in der Vergangenheit wahrgenommen haben.

Der Senat steht durchaus im Einklang mit dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von 1997 und dem Europäischen Aktionsplan 2000/2005 der Weltgesundheitsorganisation. Wir halten an den übergeordneten Zielen auch nach wie vor fest, die ich hier kurz noch einmal benennen möchte, nämlich ein verstärktes Bewusstsein für gesundheitspolitische Konzepte zu schaffen, mit denen die Schäden durch Alkohol vermindert werden können.

Das Risiko alkoholbedingter Probleme, die in gesellschaftlichen Zusammenhängen, beim Arbeitsplatz, bei Festen und Lebenssituationen, wie zum Beispiel bei Schwangerschaft entstehen, ist zu verringern. Die alkoholbedingten Schäden wie Todesfälle, Unfälle, Gewalttätigkeiten und Familienkrisen, die ja auch häufig mit Alkohol zu tun haben, sowohl vom Umfang als auch von ihrer tief greifenden Wirkung, sind zu verringern. Menschen, deren Alkoholverbrauch als gefährlich oder schädlich zu bezeichnen ist, und Alkoholabhängigen ist eine für sie angemessene zugängliche und wirksame Betreuung anzubieten. Kinder und junge Menschen und alle, die auch vielleicht keinen Alkohol trinken wollen, sind besser zu schützen vor dem von der Umwelt in diesem Zusammenhang leider auch oft noch ausgehenden Druck, sich doch zu beteiligen.

Meine Damen und Herren, es geht um eine große Herausforderung, nämlich ein Problembewusstsein gegenüber einem schädlichen Umgang mit Alkohol in der Gesamtbevölkerung zu entwickeln und zu fördern und die Sensibilität für den anderen, der Probleme hat, zu stärken. Der Senat hat im vergangenen Jahr oder in den letzten Jahren verschiedene Aktionen auf den Weg gebracht, zum einen die Überprüfung des Gaststättengesetzes und da besonders den Apfelsaft-Paragraphen, der festlegt, dass mindestens ein nichtalkoholisches Getränk zum gleichen Preis und in der gleichen Menge wie das billigste alkoholische Getränk vorzuhalten sein muss, was von großer Bedeutung ist, denn wenn es billiger ist, Alkohol zu trinken, dann greifen vielleicht gerade Jugendliche auch lieber zu diesem Weg, als sich das teurere nichtalkoholische Getränk zu kaufen.

Wir haben die Aktion „Voll und Abgefahren“ gemacht, die neben der Presseresonanz auch eine Menge sehr nachdenklicher junger Leute erzeugt hat, die nämlich auf einem Verkehrsübungsplatz und in Begleitung von Fahrlehrern und -lehrerinnen zunächst ohne Alkohol und dann unter Alkoholeinfluss ihre eigene Fahrtüchtigkeit erproben konnten, und das hat schon Nachdenken hervorgerufen. Wir haben eine Fachtagung durchgeführt, Frau Hoch hat sie genannt, und ich bitte, wenn Sie jetzt ganz ehrlich in sich hineinhorchen, Ihre Reaktion auf den Titel hat gezeigt, dass wir alle doch auch vielleicht ein

Problem mit dem Umgang mit dem Thema Alkohol haben.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe deshalb in meinem Redebeitrag den Titel abgeändert und habe gesagt, die Fachtagung behandelt die besonderen Suchtprobleme von Frauen, weil ich mir gedacht hatte, welche Reaktionen deren Titel „Frauen trinken anders“ hier hervorrufen würde. Vielleicht sollten wir auch darüber einmal nachdenken!

Viele verschiedene Aktionen wird es auch in diesem Jahr geben, Punktnüchternheit ist angesprochen, das muss unser vorrangiges Ziel sein, in bestimmten Lebenssituationen, wo Alkohol zur Gefahr wird, die Punktnüchternheit zu erzielen. Ich kann Sie alle beruhigen, Sie müssen gar nicht besonders wachsam sein. Es wird nicht anderthalb Jahre dauern, bis wir jetzt aktiv werden, die Einladungen für das Aktionsbündnis für den verantwortlichen Umgang mit Alkohol im Lande Bremen sind unterschrieben, im März wird das erste Treffen stattfinden.

In anderen Nordländern laufen übrigens ähnliche Initiativen, und dies soll der Versuch sein, unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen, die Fachöffentlichkeit, die Medien, die Kirchen, Vereine, Betriebe und so weiter zusammenzuführen. Natürlich werde ich auch die Alkoholindustrie einladen und die Getränkeindustrie, die wir ja zum Teil auch hier in Bremen haben, weil sie, glaube ich, in dieser Frage in einer besonderen Verantwortung stehen und hier auch aufgefordert sind, deutlich zu machen, wie man verantwortlich mit dem von ihr produzierten Produkt umgeht.

Ich möchte aber auch in diesem Zusammenhang die politischen Parteien nicht vergessen, denn gerade Parteien spielen, was die Schaffung und Veränderung von Bewusstsein angeht, in unserer Demokratie eine wichtige, hervorgehobene Rolle, auch zu diesem Thema. Insofern bitte ich Sie bei unserer Kampagne, die dann Ende März beginnen wird mit einem ersten Zusammentreffen, um Ihre Unterstützung. Die Bildung und der Aufbau eines solchen Aktionsbündnisses sind ein erster Schritt, dann müssen Taten folgen in Form von gemeinsamen Aktionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf der Grundlage dieses Bündnisses. Das wird ein langer und hoffentlich gemeinsamer Weg, den wir zusammen dann gehen müssen, aber wir alle haben die gesellschaftliche Verantwortung, uns vor diesem Problem nicht wegzuducken. Ich bitte Sie, mit mir aufrecht an diesem Thema zu arbeiten! — Danke!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der DrucksachenNummer 15/219 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Damit ist der Antrag angenommen.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 15/204, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Arbeitsmarkteffekte von ISP-Projekten

Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU vom 16. Dezember 1999 (Drucksache 15/155)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Hattig, ihm beigeordnet Staatsrat Dr. Färber.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort Frau Lemke-Schulte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sanierungsvereinbarungen, Koalitionsvertrag und Sanierungssicherstellungsgesetz verpflichten zu langjährig hohem Investitionsniveau und rückläufigen konsumtiven Ausgaben. Hinter diesem Vorsatz haben wir uns hier alle versammelt. Vielleicht waren einige von uns sich nicht über die Schmerzhaftigkeit dieser Selbstverpflichtung im Einzelnen klar, vielleicht hatten auch einige die Hoffnung, den eigenen Politikbereich vor allzu harten Einschnitten schützen zu können. Die Anmeldungen zum Stadtreparaturfonds sind ein Beispiel dafür, weil sie dessen Volumen bei weitem übersteigen, obwohl die Anmeldenden sicherlich davon überzeugt waren, sich auf das Notwendigste zu beschränken, und das zeigt, wie schwer es ist, grundsätzlich für richtig Befundenes in praktische Politik umzusetzen.

Meine Damen und Herren, insgesamt umfasst die Liste der auf Sanierung zielenden Großprojekte und kleineren, aber auch mittleren Vorhaben über fünf Milliarden DM Investitionsvolumen. Viele von ihnen erfordern nicht nur hohen Mitteleinsatz, sie sind auch sehr langfristig. Der Erfolg der hohen Investitionen wird sich zum Teil auch erst in späteren Jahren ein

stellen, und dem steht hier und jetzt der Verzicht auf unverzichtbar Erscheinendes gegenüber.

Ich sage aber auch genauso deutlich, der Aussicht auf Tausende prognostizierter neuer Stellen steht die Erfahrung in Bremen und auch in Bremerhaven nach wie vor weit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit gegenüber.

Nicht nur von der Opposition und in der Öffentlichkeit, nein, auch in den eigenen Reihen werden wir gefragt, ob die beschwerliche Reise, an deren Anfang wir erst stehen, überhaupt ein Ziel hat. Können wir uns bestimmte Projekte leisten, wenn wir in anderen Bereichen, ich nenne nur beispielhaft den sozialen Bereich, den kulturellen Bereich, man kann die Diskussionen um den Erhalt der öffentlichen Bäder hinzuziehen, Einschnitte abverlangen, die schmerzhaft sind und diese der Bevölkerung zumuten? Können wir uns das überhaupt leisten? Das sind die Fragen, die für diesen Konflikt stehen und die wir auch mit diesem Antrag aufgreifen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir nehmen diese Fragen in meiner Fraktion sehr ernst und wollen entsprechend handeln. Investition um der Investition willen, meine Damen und Herren, wäre ebenso unverantwortlich wie Sparen um des Sparens willen.

(Beifall bei der SPD)