Protokoll der Sitzung vom 05.07.2000

Ich möchte drei Punkte ansprechen, Herr Kuhn. Zunächst einmal noch einmal die Frage der Themenhausarbeit, und das auch im Zusammenhang mit dem Schwerpunkt und der Wissenschaftlichkeit von Ausbildung: Wir bejahen sie. Das habe ich auch vorgetragen, das ist auch die Auffassung der Koalitionsfraktionen. Deswegen haben wir die Hausarbeit mit der Maßgabe beibehalten, dass auch die Schwerpunktausbildung, die wir ebenfalls für gut halten, erhalten bleibt.

Man sollte nur etwas vorsichtig sein, man kommt sonst in eine Falle: Die Ausbildung an denjenigen Universitäten oder in Ländern, die Prüfungsordnungen haben, in denen keine Hausarbeit vorgesehen ist, ist nicht etwa unwissenschaftlich. Es wäre doch von Bremen aus ein bisschen Hybris zu sagen, nur wir in Bremen vermitteln eine wissenschaftliche Juristenausbildung.

Ich kann Ihnen sagen, das wissen die meisten Kollegen gar nicht, weil sie sich sonst nicht mit diesen Dingen befassen: Baden-Württemberg kennt keine Hausarbeit, aber sieben Klausuren; Bayern, acht Klausuren, keine Hausarbeit; Berlin, neun Klausuren, keine Hausarbeit; Brandenburg, neun Klausuren, keine Hausarbeit; Rheinland-Pfalz, acht Klausuren, keine Hausarbeit; Saarland, sieben Klausuren, und so geht das weiter. Das heißt, das sind Länder, zu denen man schlecht aus Bremen sagen kann, dort finde keine wissenschaftliche Juristenausbil––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

dung mehr statt. An dieser Stelle würde ich sehr vorsichtig sein. Aus diesen Ländern kommen hoch qualifizierte Juristen, bekanntlich gerade aus Bayern, Namen brauche ich hier nicht zu nennen, Einserjuristen, die sich durchaus nicht nur sehen lassen können, sondern die auch an der Spitze der Jurisprudenz im wissenschaftlichen Sinne rangieren.

Wir haben übrigens nicht die schärfste Regelung, das behaupten Sie immer wieder. Ich darf Ihnen einmal eine nennen: Thüringen acht Klausuren und mündliche Prüfung oder alternativ fünf Klausuren, Hausarbeit und mündliche Prüfung, das ist durchaus im bremischen Umfeld. Ähnlich ist das in Nordrhein-Westfalen und in anderen Länder, aber das kann ja auch kein entscheidendes Kriterium sein.

Zweiter Punkt, Abschichtung! Darüber haben wir vor allem in der Wissenschaftsdeputation gesprochen. Wir haben dieses Thema noch einmal vertieft. Es ist uns von Professorenseite gesagt worden: Das wollen wir nicht. Wir wollen diese Abschichtung nicht. Die staatliche Seite hat sich an dieser Stelle bisher zurückgehalten, aber wenn die Universität jetzt hier auf der Professorenebene sagt, wir halten sie nicht für zweckmäßig — im Übrigen wird sie in keinem anderen Land praktiziert, wohl gemerkt, so ist uns die Auskunft gegeben worden —, dem ist nicht widersprochen worden, dann gehen Vorwürfe fehl, die aussagen, hier müsse unbedingt die Abschichtung eingeführt werden.

Ich komme noch auf ein Argument zu sprechen, das wir sehr ernst nehmen, das Sie hier vorgetragen haben. Sie haben völlig Recht, man muss sich hüten, die schlechten Examensergebnisse im zweiten Examen allein ursächlich auf die Prüfungsvoraussetzungen zum ersten Examen, die wir jetzt diskutieren, zurückzuführen. Es gibt keine Monokausalität. Das haben wir nie behauptet. Es spielen sicherlich auch andere Dinge eine Rolle, zum Beispiel die von Ihnen, Herr Kuhn, zu Recht erwähnte Referendarausbildung.

Wir haben hier auch als Sozialdemokraten zusammen mit den Kollegen der CDU signalisiert, es müsse etwas geschehen. Wir werden das nach der Sommerpause zu einem besonderen Punkt im Rechtsausschuss machen und werden, was Sie schon angedeutet haben, sicherlich nächsten Montag, wenn wir in der Sondersitzung des Rechtsausschusses über das andere Gesetz beraten, nämlich wie der künftige Status der Referendare aussehen soll, über die Frage reden, was mit den verbleibenden Mitteln geschehen soll.

Ich erkläre aber heute schon, in dieser Lesung, weil ja ein inhaltlicher Zusammenhang besteht, übrigens nicht überraschend, weil wir das während der Haushaltsberatungen, übereinstimmend CDU- und SPD-Berichterstatter, das war übrigens Herr Ravens, gesagt haben, die Mittel sollen im Justizressort bleiben, um hier die Mittel zur Verfügung zu stellen,

die notwendig sind. Dazu gehört nach unserer Auffassung auch die Referendarausbildung. Sonst würde es keine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf geben. Das ist auch die Ausgangslage für die MontagsSitzung. Wir werden uns hier nicht an einer Statusänderung für Referendare beteiligen, um ihnen schlicht Geld wegzunehmen, und zum Schluss kommt für die Justiz und für die Referendare nichts dabei heraus. Das können wir nicht verantworten!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich sage das auch deutlich an unsere Kollegen des Finanzbereichs. Wir müssen uns noch einmal zusammensetzen, damit wir da gemeinsam zu entsprechenden Lösungen kommen. Es geht nicht, dass wir hier nur einseitig einen Bereich schwächen. Eine solche Lösung können wir rechts- und ausbildungspolitisch nicht verantworten. Deswegen werden wir den nächsten Gesetzentwurf sehr sorgfältig mit der Maßgabe prüfen, die ich hier eben vorgetragen habe. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort Herr Staatsrat Mäurer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, in der Sache ist alles gesagt. Ich möchte den Schluss dieser Debatte nutzen, um den Mitgliedern des Rechtsausschusses und insbesondere den Mitgliedern der Deputation für Wissenschaft für die geleistete Arbeit zu danken. Dieser Prozess war sehr konstruktiv. Wir haben erlebt, dass ein, glaube ich, guter Gesetzentwurf des Senats noch durch eine intensive Beratung verbessert werden konnte. Ich finde das Ergebnis überzeugend, und ich habe die herzliche Bitte, dass Sie jetzt in zweiter Lesung diesem Antrag zustimmen. — Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß Paragraph 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Änderungsantrag des Rechtsausschusses, Drucksache 15/390, abstimmen. Wer dem Änderungsantrag des Rechtsausschusses mit der Drucksachen-Nummer 15/390 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Änderungsantrag zu.

Jetzt lasse ich über das Gesetz mit der Drucksachen-Nummer 15/289 in zweiter Lesung abstimmen.

Wer das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die erste juristische Staatsprüfung und den juristischen Vorbereitungsdienst und des Vorbereitungsdienst-Zulassungsgesetzes, Drucksache 15/289, unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Änderungen in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in zweiter Lesung mit den Änderungen.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht des Rechtsausschusses, Drucksache 15/390, Kenntnis.

Arbeitsmarkteffekte von ISP-Projekten

Mitteilung des Senats vom 9. Mai 2000 (Drucksache 15/309)

Dazu als Vertreter des Senats Bürgermeister Perschau.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält die Abgeordnete Frau LemkeSchulte.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem wir hier im Februar gemeinsam den Antrag auf Berichterstattung über die Arbeitsmarkteffekte des ISP gefasst haben, ist uns dieser Zwischenbericht, und das betone ich ausdrücklich, es handelt sich um ei

nen Zwischenbericht, hier vorgelegt worden, der unbedingt fortzuschreiben ist.

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das muss man auch betonen!)

Es wird ja selbst vom Senat beziehungsweise auch vom BAW, der zu- und mitgearbeitet hat, an mehreren Stellen festgestellt, Frau Kollegin Dr. Trüpel, dass es sich in der Tat hier nur um einen Zwischenbericht handelt und dass manches auf jeden Fall noch verbesserungswürdig ist.

Sie wissen alle, dass die Sanierungszahlungen von Bund und Ländern das Land Bremen in die Lage setzen, innerhalb der nächsten zehn Jahre 8,6 Milliarden DM zu investieren, so lautet jedenfalls die Koalitionsvereinbarung. Dieses Investitionssonderprogramm soll im Wesentlichen dazu betragen, vor allem die strukturellen Probleme auf den besseren Weg zu bringen. Das Stichwort ist immer, die Finanzund Wirtschaftskraft des Landes muss nachhaltig gestärkt werden, um die öffentlichen Haushalte damit auf Dauer zu stabilisieren. Das ist ein hohes Ziel. Andere Kollegen sprechen von Hurrapatriotismus, Herr Senator Perschau, aber wir haben uns zu diesem Sanierungsweg verpflichtet, und wir werden davon auch nicht abweichen.

Dass eine nachhaltige Sanierung nur gelingen kann, wenn zugleich alles daran gesetzt wird, die durch strukturelle Umbrüche wie zum Beispiel durch die Vulkan-Krise verstärkten Verwerfungen am Arbeitsmarkt zu mindern oder auch möglichst zu beseitigen, das stand für uns Sozialdemokraten von Anfang an außer Frage. Dass dieses uns selbstverständlich erscheinende Ziel in Verträgen und Entschließungen zunächst nicht explizit neben der Absicht, nämlich die Wirtschafts- und Finanzkraft zu stärken, gestanden hat, trug womöglich dazu bei, dass angesichts noch immer zu hoher Arbeitslosenquoten in der öffentlichen Debatte der Eindruck entstand, das ISP gerate zum reinen Selbstzweck.

Die für Bürgerinnen und Bürger immer schmerzhafteren Einschnitte im konsumtiven Bereich verstärken die Zweifel daran, dass die versprochene bessere Zukunft wirklich eintreten werde. Die immer noch überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit macht es eben auch vielen schwer, der Prognose tausender durch das ISP initiierter neuer Stellen zu vertrauen, dies umso mehr, als der von vielen als vage empfundenen Hoffnung auf bessere Zeiten eben die konkrete Erfahrung des Verzichts auf das, was sie für wichtig halten, gegenübersteht.

Auch in unseren eigenen Reihen mehrten sich die kritischen Anfragen und wuchs die Sorge, dass diese beschwerliche Reise ihr Ziel verfehlen könnte. Ich finde es überhaupt nicht schlimm, sondern ganz im Gegenteil, ich finde, das ist eine Stärke von politischer Arbeit, wenn man sich ernsthaft mit der Frage auseinander setzt, ob man sich bestimmte große Pro

jekte noch leisten kann. Wir haben das gerade vor kurzem bewiesen mit der Entscheidung zum Rhodarium, die wir getroffen haben, die in der Bevölkerung auf entsprechende Anerkennung getroffen ist, aber auch mit der mehrfach verbesserten Vorlage zur Rennbahnsanierung.

Die Kurskorrektur, Herr Kollege Perschau, die natürlich kein Ausstieg aus dem ISP-Projekt insgesamt, sondern dessen Optimierung unter vom Koalitionsausschuss definierten Bedingungen ist, ist ein Indiz dafür, dass wir die verfügbaren Mittel effektiv und mit für die Bürgerinnen und Bürger maximalem Erfolg einsetzen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole: Investitionen um der Investitionen willen wären aus unserer Sicht ebenso unverantwortlich wie das Sparen um des Sparens willen.

(Beifall bei der SPD)

Ich merke Ihre Unruhe, die Unruhe hier auf der Senatsbank, nicht im Plenum.