Horst Isola

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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte mir an sich eine etwas andere Rede vorgenommen und wollte ein bisschen auf die Schwerpunkte dessen eingehen, was nun im Konvent im Zusammenhang mit der Verfassung beraten wird, aber nun hat es hier am Anfang noch wieder eine Polemik seitens des Kollegen Kuhn gegen den Bürgermeister gegeben. Das muss wahrscheinlich so sein, das kultivieren und pflegen Sie ja auch wie ein wertvolles Gut über die Jahre. Das ist für Sie als Oppositionspolitiker sicher auch richtig. Nur eines habe ich nicht ganz verstanden, wieso Sie sich über die Kritik des Präsidenten des Senats oder die Warnung vor einer übermächtigen Bürokratie in Brüssel erregen können. Da hat er doch völlig Recht.
Das ist doch gerade die Sorge der Bürger, dass sie nicht mehr durchblicken, was dort passiert, keinen Überblick mehr haben und im Grunde genommen Ängste vor dem haben, was dort in Europa entsteht. Deswegen ist die Diskussion, was können Regionen einbringen, überhaupt entstanden. Wenn er nun als ein führender Politiker eines Bundeslandes ebenfalls die Hand in diese Wunde legt und an dieser Stelle sagt: Aufpassen, wir können kein Europa konstruieren, das sich immer mehr vom Bürger entfernt, es soll für den Bürger gemacht werden, der aber ohnmächtig davorsteht und Ängste hat, dann ist das nicht nur seine Pflicht, sondern dann sind wir sehr dankbar, dass Bürgermeister Scherf auf diesen Punkt hingewiesen hat und hier auch politisch versucht, mit seinen Möglichkeiten gegenzusteuern.
Dass ausgerechnet Sie als Grüne das kritisieren, die nun mit dem Wort bürgernah in jedem zweiten Satz herumlaufen und manchmal dann so ein bisschen bei Europa auch völlig die Fasson verlieren und alles, was Europa ist, im Prinzip erst einmal als ganz toll bezeichnen!
Die Entwicklung hin zu einem größeren Europa wird auch von uns begrüßt, aber ich mache daraus auch keinen Hehl, es gibt da sicherlich Probleme, und die müssen diskutiert werden. Ich sage das ganz offen, die Entscheidung ist gefallen, aber ich war am Anfang eher skeptisch, was die große Erweiterung anbelangt, solange nicht die Vertiefung Europas auch gelungen ist. Nun gehen wir beides an, und das muss auch füglich unterstützt werden, aber führen wir die Diskussion bitte nicht ohne die Bürger, über deren Köpfe hinweg! Hier muss noch sehr viel nachgearbeitet werden.
Dennoch, und das sage ich auch deutlich für unsere Fraktion, gibt es zu dem Weg hin zu einem gemeinsamen Europa keine Alternative. Angesichts der Globalisierung sind die einzelnen europäischen Länder völlig überfordert, diesen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen auch nur annähernd gerecht zu werden. Zweitens, nur ein gemeinsames Europa ist in der Lage, den Globalisierungsprozess demokratisch mitzugestalten. Das können die einzelnen Länder nicht. Europa muss mit einer Stimme sprechen. Das ist ein hehrer Anspruch, von dem wir leider in der Realität, Sie haben darauf hingewiesen, noch sehr weit entfernt sind.
Deswegen kommen wir auch gerade zur Frage der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, bei der es nun zwingend notwendig wäre, aber die Realität hat es leider vor dem Hintergrund des Irak-Krieges anders gezeigt, im Rahmen der internationalen Politik hier zu einer gemeinsamen europäischen Politik zu gelangen. Ob der europäische Außenminister, wer auch immer das sein wird – das ist, glaube ich, völlig unwichtig –, diese Institution sein wird, die das
schafft, ist eine Voraussetzung dafür, entscheidend aber ist, ob die einzelnen europäischen Länder bereit sind, Souveränitätsrechte auch in dieser Beziehung abzugeben. Das sehe ich momentan nicht, eher im Gegenteil.
Es läuft ein richtiger Riss durch Europa, was insbesondere die Beitrittsländer in ihrem Verhältnis zu den USA einerseits und in ihrem Verhältnis zu den, ich sage einmal, alten europäischen Ländern wie beispielsweise Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite anbelangt. Hier gibt es erhebliche Meinungsunterschiede, und auch eine Verfassung wird solche Probleme nicht dadurch lösen, indem man das aufschreibt, sondern es muss auch gelebt, es muss auch entsprechend politisch gehandelt werden. Hier liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.
Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik darf sich übrigens nicht nur auf Sicherheit im engeren Sinne beschränken. Es ist im Gegenteil von einem umfassenderen Sicherheitsbegriff auszugehen, der auch beispielsweise die Armutsbekämpfung weltweit einbezieht, der die Ursachen einbezieht, die zu mehr Unsicherheit in der Welt führen können. Die beiden Bundestagsfraktionen der SPD und der Grünen haben sich auch darauf verständigt, dass bei weltweiter Armutsbekämpfung, aber auch bei Problemen der Umwelt, der nachhaltigen Entwicklung, Hilfe für Völker und Länder und Regionen, in denen Menschen leben, wo es Naturkatastrophen gibt, geholfen wird, dass hier eine entsprechende nachhaltige Entwicklungshilfe betrieben wird, die vermeidet, dass es zu Konflikten zwischen diesen Ländern und den so genannten reichen Ländern kommt. Ich nenne zum Beispiel nur das große Problem der Wasserversorgung in diesen Ländern. Alles das gehört im Grunde genommen zu einem umfassenden Sicherheitsbegriff. Die Aufstellung von neuen Armeen löst nicht solche Probleme, sondern hier muss eine Politik betrieben werden.
Aber Stichwort europäische Armee: Auch hier wird man natürlich beim Integrationsprozess auch weiter gehen. Wenn demnächst die anderen Länder beitreten, sind wir insgesamt 25 europäische Länder und haben 25 europäische Armeen mit zwei Millionen Soldaten. Die Amerikaner haben 1,3 Millionen Soldaten, sind aber militärisch viel stärker. Auch hier wird man überlegen müssen, wie man solch eine europäische Armee bildet, die wesentlich kostengünstiger, aber auch wesentlich effektiver sein kann.
Ich möchte, und das wird Sie auch nicht überraschen, auf einen anderen Punkt eingehen, der am Rande schon erwähnt worden ist, die Justiz- und Innenpolitik in der Europäischen Union. Der Konvent hat hierzu auch Vorschläge gemacht, die Frage der Grundfreiheiten der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Gemeinschaft vertie
fend zu verankern. Das hört sich wie eine Selbstverständlichkeit an, zumindest was Rechtsstaatlichkeit anbelangt. Zur Rechtsstaatlichkeit gehört auch der Schutz der Richter und ihre Unabhängigkeit. Die Realität sieht leider im alten Europa völlig anders aus. Ich habe das mit einer flachsigen Bemerkung hier schon einmal gesagt, aber es ist tiefer Ernst, was sich in Italien zurzeit abspielt – das ist das Niveau, ich hätte fast gesagt, eines afrikanischen Landes, aber dann würde man diese Länder beleidigen –, wenn ein Ministerpräsident mit einer unglaublichen Mehrheit im Parlament öffentlich zur Hetze gegen Richter aufruft, ein Ministerpräsident, der sich zu vergegenwärtigen hat, dass er womöglich demnächst zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird. Sein Gehilfe, der frühere Verteidigungsminister Previti, ist zu elf Jahren Freiheitsstrafe vor 15 Tagen verurteilt worden, einer seiner Vorgänger, Andreotti, zu 24 Jahren Freiheitsstrafe wegen Anstiftung zum Mord!
Alles nicht richtig, nein, das ist klar! Das waren alles verführte, verblendete Richter. Wie wird das eigentlich sein, wenn Berlusconi zu seiner Freiheitsstrafe, die demnächst zu erwarten ist, dann die Präsidentschaft der Europäischen Union antritt! Da gibt es noch einige Fragen zu lösen, wie man sich auch in diesem Zusammenhang verhält.
Die Frage der Rechtsstaatlichkeit ist selbst im alten Europa noch lange nicht gelöst. Hier ist es eine Sache der Europäischen Union, darauf hinzuwirken, dass zum Beispiel die Gerechtigkeit auch in solchen Ländern weiterhin eine Chance hat, dass zum Beispiel Richter geschützt werden und ihrer Tätigkeit nachgehen können. Insofern begrüße ich es ausdrücklich, dass eine europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet wird, die die Möglichkeiten hat, nach einem Katalog von Straftaten zunächst die nationalen Gerichte zu befassen, das ist völlig klar, aber auch im europäischen Raum entsprechende Straftaten zu verfolgen.
Was dringend notwendig ist, darüber hat es inzwischen auch verschiedene Rechtskongresse gegeben, ist eine Harmonisierung der Rechtssysteme in Europa. Das ist nicht sehr einfach, wie wir alle wissen. Trotzdem werden bereits solche Anstrengungen unternommen. Ich nehme zum Beispiel das Zivilrecht. Hier ist es dringend notwenig, beispielweise im materiellen Familienrecht, dazu gehört das Namensrecht, auch das Umgangsrecht und das grenzüberschreitende Sorgerecht zu harmonisieren, damit es hier nicht zu unterschiedlichen Auffassungen kommt.
Das Gleiche gilt für die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit der Strafjustiz. Auch hier muss es
zumindest zu Harmonisierungen im materiellen und formellen Strafrecht kommen. Es müssen prozessrechtliche Mindeststandards auf international anerkannter Justizgarantieebene geschaffen werden.
Last, not least, das darf ich auch noch einmal sagen, Europol, die europäische Konvention muss auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden. Die Arbeit dieser Europol, auch sämtlicher Institutionen, die im Justizbereich stattfinden, muss gerichtlich überprüft werden können. Das ist bis heute nicht der Fall. Hier gibt es noch erhebliche Lücken.
Der Europäische Gerichtshof wird daher in seinen Kompetenzen erheblich ausgeweitet werden müssen. Ich sehe hier drei Ebenen, die künftig der Europäische Gerichtshof im Rahmen der neuen Verfassung auch wahrnehmen sollte. Die wichtigste, die wir im deutschen Bundesverfassungsgericht haben, nämlich die Wahrnehmung des individuellen Rechts des einzelnen Bürgers vor dem Europäischen Gerichtshof, das heißt das individuelle Klagerecht, dass der einzelne Bürger den Europäischen Gerichtshof, natürlich nach Beschreiten des Rechtswegs in den einzelnen Ländern, anrufen kann.
Der zweite Punkt ist die Möglichkeit der nationalen Parlamente, bei uns Deutscher Bundestag und Bundesrat, auch ebenfalls den Europäischen Gerichtshof in Fragen der Subsidiariätsverletzung anrufen zu können. Der dritte Punkt betrifft hier unmittelbar uns, unser Haus, auch das Parlament hier in Bremen, ist, dass die Länderparlamente als regionale Körperschaften ebenfalls ein Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof bekommen. Das sind Forderungen, und, ich denke, dahinter kann sich auch das gesamte Haus versammeln.
Lassen Sie mich zum Abschluss dann doch noch die Kurve zu dem bekommen, was wir hier vor ein, zwei Sitzungen debattiert haben, denn das gehört zusammen, nämlich die Föderalismusreformdebatte! Nicht ohne Grund hat sich die Versammlung der Landtagspräsidenten ebenfalls Konvent genannt. Hier treffen sich diese beiden Ebenen, nämlich die Frage, wie sich gerade die Länder, die Regionen, insbesondere die Landesparlamente künftig in diesem europäischen Prozess aufstellen. Dies ist von außerordentlicher Wichtigkeit. Wer in dieser Woche den „Spiegel“ gelesen hat, der die aktuelle Debatte über das Grundgesetz aufnimmt, der konnte etwas lesen, ich muss sagen, das war hochinteressant, insbesondere über das Problem zwischen Landesparlament und Landesregierung, die, wie wir alle wissen, an der Bundesgesetzgebung teilnehmen, aber ohne im Grunde genommen eine demokratische Legitimation zu haben. Die Länder sind völlig außen vor, haben formell nicht einmal die Möglichkeit, durch Beschlüsse den Senat und die Landesregierung zu zwingen, in einer bestimmten Sache so abzustimmen, wie es die Volksvertreter des einzelnen Landes wollen. In den USA haben wir den Senat. Die Senatoren sind direkt vom Volk gewählt.
Also, hier bedarf es unbedingt einer Handlung, um auch auf diesem Weg zu einer bürgernahen Politik zu kommen. Insofern treffen sich die beiden Dinge. Es liegt in der nächsten Legislaturperiode noch viel Arbeit vor Ihnen. Machen wir uns an die Arbeit! – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen über zwei Komplexe reden, einmal über den Inhalt, was Richterselbstverwaltung bedeutet, und über diesen Vorschlag des Deutschen Richterbundes und dann zweitens über Form und Stil, wie man mit solchen Vorschlägen umgeht.
Ich kann für die SPD-Fraktion eindeutig erklären, dass der Vorschlag des Deutschen Richterbundes, eine Richterselbstverwaltung einzuführen, bei uns auf wenig Sympathie stößt. Wir halten diesen Vorschlag für falsch, übrigens wie die Mehrheit des Deutschen Juristentages, der das erst kürzlich in Berlin sehr sorgfältig in Arbeitsgruppen diskutiert hat, und der Verband der Deutschen Verwaltungsrichter hat sich übrigens auch eindeutig dagegen ausgesprochen, auch mit vielen Gründen, die ich jetzt hier nicht näher ausbreiten will.
Die SPD-Fraktion will daher auch einen anderen Weg gehen, den haben Sie ja auch schon angeschnitten, der ruht noch in den Beratungen dieses Parlaments. Wir wollen den Weg der erweiterten Kompetenz im Richterwahlausschuss gehen. Das wird noch diskutiert, und ich hoffe, dass wir da auch zu einem brauchbaren Ergebnis kommen.
Ich halte, Herr Kollege Kuhn, es auch für falsch zu sagen, die Richterselbstverwaltung würde mehr demokratische Kontrolle und mehr Transparenz brin––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
gen. Ich bin da eher der Meinung, da ist vielleicht sogar eher das Gegenteil der Fall. Die Kooptation, das ist das Fremdwort für ein Verfahren, dass Richter sich selbst ergänzen, auch in der Beförderung, halte ich, mit Verlaub gesagt, und jetzt werde ich etwas polemisch, für ein vordemokratisches Modell. Dem können wir uns auf keinen Fall anschließen.
Das ist auch sehr deutlich von vielen Richtern auf dem Deutschen Juristentag so gesagt worden, dass man das ablehne. Hier besteht die Gefahr, dass sie sich aus der demokratischen Legitimationskette, die das Bundesverfassungsgericht ja einmal in einem Urteil aufgestellt hat, dann verabschieden. Insofern, denke ich, sagen wir dann deutlich Nein. Wir halten das deutsche System so mit den Justizministern, wie das vorgesehen ist, an sich für gut, und das gerade mit Blick auf andere Länder. Italien ist ja nun weiß Gott ein Beispiel, das ja grauenhaft ist, es liegt allerdings weniger an der Justiz
als vielmehr an einem hoch kriminellen Regierungschef, aber der Kriminalität dadurch bekämpft, indem er die Tatbestände dann durch das Gesetz beseitigen lässt.
Wer gestern den Film in Arte gesehen hat, der weiß, was für schlimme Dinge sich da vorbereiten. Das wollen wir verhindern, schützt aber auch leider nicht die Richter und das Richterselbstverwaltungsmodell vor solchen üblen Angriffen. Hier haben wir die Kontrolle des Parlaments gegenüber dem Justizminister und Senator, und das möchten wir erhalten mit den Vorschlägen, die wir unterbreitet haben.
Was anderes ist es, da haben wir auch eine ganz eindeutige Position als Fraktion, Vergleiche zur NSZeit im Zusammenhang mit dieser Diskussion herzustellen. Diesen Vergleich, den Herr Mäuer in diesem Gastkommentar angestellt hat, macht sich die SPD-Fraktion nicht zu Eigen. Wir distanzieren uns auch davon.
NS-Vergleiche sind auch immer sehr heikel, wie die jüngste Vergangenheit zeigt. Da hat es ja einige Beispiele gegeben von Frau Däubler-Gmelin über Lafontaine bis hin zu Goppel, der Einzige, der noch im Amt ist.
Das hängt vielleicht an den Mehrheiten in der CSU.
Wir sagen sehr deutlich, und darauf legen wir Wert, es kann heftig über politische Vorschläge, auch übrigens Richterverbände sind nicht frei von Kritik, diskutiert werden. Das ist im Rahmen eines demokratischen Diskurses möglich, aber im Rahmen eines demokratischen Diskurses müssen auf jeden Fall die persönliche Integrität und das persönliche Ansehen des anderen respektiert werden, sonst erleidet zum Beispiel die Justiz erheblichen Schaden. Hierauf legen wir Wert, und darauf bestehen wir auch, dass zukünftig diese Grenzen beachtet und nicht überschritten werden.
Es ist uns signalisiert worden, dass jetzt auch Gespräche mit den Richtern und den Richterräten stattfinden sollen, das finden wir in Ordnung, wir unterstützen das. Wir hoffen, dass die Verärgerungen, die zu Recht entstanden sind, und die Irritationen auf diese Weise ausgeräumt werden können. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit noch einmal sagen, es sind zwar keine Schulklassen da, aber wer solche Vergleiche anstellt, Parallelen zur NS-Zeit und Richter, was sollen eigentlich junge Menschen dann noch vom NS-Staat halten! Dann sagen die, das kann ja bei dieser Art von Verharmlosung wohl alles nicht so schlimm gewesen sein.
Also, schon aus historischen Gründen sollte man hier sehr vorsichtig sein, diese schlimmste Zeit der deutschen Geschichte als Kleingeld hier zu verspielen. Das geht nicht! Hier sollte man sehr sorgfältig abwägen in seinen Formulierungen. Das ist unsere herzliche Bitte auch für die Zukunft.
Zum Schluss: Es ist in der Tat jetzt die zweite Aktuelle Stunde über Herrn Mäurer. Ich sage einmal offen für unsere Fraktion, wir sind es nun auch ein wenig leid, dass ein Beamter sich in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung stellt. Das ist an sich nicht richtig,
und ich hoffe, dass das jetzt auch das letzte Mal war. Jetzt reicht es auch so in dieser Beziehung! Ich möchte Herrn Mäurer auch einmal sagen, ich hatte das letzte Mal schon angedeutet, das Ressort hat viele Probleme zu lösen, bitte lösen Sie diese Probleme, und schaffen Sie uns nicht neue! – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Ihnen zunächst einmal ein Kompliment machen. Sie haben hier eine frische Rede gehalten über unsere Ausschussberatungen, an denen Sie im Grunde genommen gar nicht teilgenommen haben.
Das zeigt, dass Sie als Politikerin noch Karriere machen werden. Das ist schon gekonnt, das habe ich noch nicht so ganz geschafft. Das Zweite ist, wir haben weiter gar nichts beraten.
Das war schon eine Farce. Na ja, so, Herr Teiser, nicht, aber in etwa war es eine Farce, vor allen Dingen, wenn Sie dasaßen und uns freundlich anlächelten oder angrinsten und sagten, was gibt es heute, Vertagung, das war es!
Nein, das Ärgerliche ist, jetzt komme ich einmal darauf zurück, was Sie hier vorgetragen haben, Frau Kollegin, das sind ja grundsätzliche Bedenken gegen eine weitere Öffnung des Volksbegehrens und Volksentscheides. Bitte, diese Debatte und diesen Beitrag hätten Sie dann auch in der ersten Lesung im Mai dieses Jahres leisten können! Dann wäre nämlich Ende der Durchsage gewesen, und wir hätten dann die erste Lesung nach einer Abstimmung beenden können und eben keine Mehrheit für eine weitere Lesung gehabt. So verfährt man normalerweise.
Wenn man aber in einer ersten Lesung andeutet, grundsätzlich lassen wir uns darauf ein – das haben Sie ja gemacht, sonst wären wir ja gar nicht in diese weitere Ausschussberatung eingetreten –, allerdings mit dieser etwas auch inzwischen bremisch-seltsamen Variante, dass gar nicht der zuständige Ausschuss genommen, sondern zunächst ein anderer Ausschuss gewählt wird, das ist ja schon der zweite Fall, und uns dann plötzlich doch mitteilen, übrigens nicht zu unserer Überraschung, dass Sie das nicht mitmachen wollen, ich denke, solch ein Verfahren könnte man abkürzen, dafür sind solche Gremien und die Zeit auch zu schade, außer dass wir dann Sitzungsgelder bekommen für Sitzungen, die drei Minuten gedauert haben, das finde ich nicht so gut!
Wir haben als Sozialdemokraten in der ersten Lesung und auch im Ausschuss gesagt, dass wir bereit sind, uns im begrenzten Umfang auf den Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einzulassen unter Beachtung auch der Vorgaben der Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Der hat da ja auch sehr enge Vorgaben gemacht. Wir haben gesagt, im Prinzip möchten wir es schon so belassen, wir hatten ja 1994 und 1997 übrigens auch schon zwei Verfassungsänderungen mit Erleichterung des Zugangs zum Volksbegehren und zum Volksentscheid. Das wäre jetzt ein dritter Schritt gewesen. Wir haben als Sozialdemokraten signalisiert, dass wir bereit wären, die zu überwindende Schwelle für den Beginn eines solchen Verfahrens, nämlich das Verlangen nach einem Volksentscheid oder das so genannte Volksbegehren, hier entsprechend den Vorschlägen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen herabzusetzen, nämlich dieses Quorum, das jetzt erforderlich ist, noch einmal zu halbieren. Das würden wir noch mittragen, damit auch Bürger einmal die Möglichkeit haben, dass solch ein Verfahren einmal in Gang gesetzt werden kann.
Im Übrigen hätten wir aber nach wie vor Bedenken gehabt, beim Entscheid selbst das Quorum zu senken, wobei wir durchaus noch bereit gewesen wären zu überlegen, ob man statt des so genannten Zustimmungsquorums, wie wir es jetzt haben, ein Beteiligungsquorum eingeführt hätte, wie es in vielen anderen Landesverfassungen inzwischen auch schon der Fall ist.
Auf keinen Fall, und das möchte ich hier schon für die SPD-Fraktion deutlich machen, hätten wir uns an einem Verfahren beteiligt, die Abkürzung der Wahlperiode noch zu erleichtern, und das mit den Vorgaben, wie Sie sie gegeben haben. So geht es nun nicht! Das Volk wählt mit 70 bis 80 Prozent Zustimmung ein Parlament, und dann sollen zehn oder 15 Prozent dann wieder auflösen können. Das sind Quoren, die wir für schlicht inakzeptabel halten. Das hätte dann nicht unsere Zustimmung bekommen, aber, wie gesagt, in diesem begrenzten Umfang hätten wir uns darauf verständigen können. Da aber für Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist und der Koalitionspartner mit Gründen, die man ja vertreten kann, sagt, wir machen das nicht, ist damit das Projekt für diese Legislaturperiode gescheitert. Aber auch in der nächsten Legislaturperiode, Kollege Kuhn, wenn man das vorhat, braucht man wieder eine verfassungsändernde Mehrheit. Ich schätze es einmal so ein, egal wie die Verhältnisse laufen, die CDU werden wir da immer noch brauchen,
sonst kommen wir nicht auf zwei Drittel. Deswegen möchte ich bei den Kollegen der CDU weiter werben. Man geht ja jetzt auch in die Wahlkämpfe, Kollege Eckhoff hat gesagt, das ist hier auch noch einmal Bestandteil der Wahlprogramme, darüber noch einmal nachzudenken. Vielleicht kommt man dann über den Wahlkampf und danach in die neue Legislaturperiode mit neuen Erkenntnissen und hätte dann in der nächsten Legislaturperiode Chancen, im begrenzten Umfang die Möglichkeiten zu verbessern, das Volk an unmittelbaren Entscheidungen zu beteiligen. – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kuhn, ich möchte nicht diese beiden Themen vermengen, den vorliegenden Gesetzentwurf, der zum Ziel hat, einen Gesamtrichterrat einzuführen, und die laufende Debatte, ein anderer Tagesordnungspunkt, eben über die Möglichkeiten der Reform des Richterwahlausschusses. Ich denke, dass wir uns demnächst auf jeden Fall in der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
nächsten Sitzung des Rechtsausschusses damit befassen, und ich gehe auch einmal davon aus, dass wir da zu plausiblen und akzeptablen Ergebnissen kommen. Übrigens, in dem Zusammenhang wird es dann sicherlich auch eine interessante Debatte über die Bestrebungen in der Richterschaft geben.
Selbstverwaltung, das sollten wir auch hier einmal diskutieren und auch einmal unsere Position dazu markieren, wie wir das denn sehen, denn das ist ja eine Debatte, die es nun einmal gibt, die ist auch auf dem Deutschen Juristentag geführt worden, übrigens nicht ganz zur Freude all derer, die die Selbstverwaltung fordern, das kann ich jetzt schon einmal sagen, aber mehr will ich jetzt nicht! Das ist ein schönes, interessantes Thema, das sollten wir dann diskutieren, wenn es hier auf der Tagesordnung steht.
Zurück zum Gesetzesvorschlag! Eine Gesamtrichtervertretung einzuführen ist nicht nur eine Idee der Richterräte und der Verbände, die dahinter stehen, sondern es hat nun auch zahlreiche Gespräche gegeben, übrigens schon im letzten Jahr, die wir auch als Parlamentarier geführt haben. Ich habe es immer als Defizit, also als Mangel empfunden, dass nicht ein gemeinsames Sprachrohr, eine gemeinsame Vertretung da ist. Gegenüber dem Justizressort, das ist eine andere Sache, das vertreten wir ja nicht, aber auch gegenüber uns im Rechtsausschuss war es immer relativ diffus, dass dann mehrere Richterräte erschienen, uns womöglich dann auch noch unterschiedliche Auffassungen vortrugen.
Deswegen war es übrigens so, ich hatte es angeregt: Versucht es doch einmal! Was haltet ihr davon, wie in anderen Bundesländern üblich, in Flächenländern zumal, eine Gesamtrichtervertretung zu bilden, wollen wir da heran? Da war keineswegs nur Freude unter den Richterräten. Die haben sich zunächst richtig gestritten und haben mir dann signalisiert, Ellen Best war das damals, die Richterrätin war, die sagte: Horst Isola, ich bin damit gescheitert bei meinen Kollegen, die wollen das nicht. Ich sagte, na ja, nun ist das im politischen Raum, nun lasst euch nicht entmutigen, diskutiert das einmal weiter, und siehe da, dann kam doch dieser Vorschlag der Richterverbände, den Sie dann auch übernommen haben und der uns jetzt entsprechende Regelungen auch im Bremischen Richtergesetz vorschlägt! Ich halte das an sich für ganz vernünftig. Das hat übrigens nichts mit Machtverlust und Machtbegrenzung jetzt in diesem Fall zu tun, sondern es ist eine Organisation des Gesprächs, Exekutive, Legislative und auf der anderen Seite Judikative. Ich denke, hier führen wir Regelungen ein, die einfach der Sache dienlich sind.
Sie haben ja einige Beispiele genannt. Ich kann da noch ein, zwei Punkte hinzufügen, die uns zum Beispiel eben über die normale Situation des einzelnen Gerichts hinausführen. Das sind zum Beispiel die Anwendung der neuen Steuerungsmodelle auf die richterliche Tätigkeit, die zentrale Frage, wie es
mit der Budgetierung bei der Justiz weitergeht, und in diesem Zusammenhang geht es um die Auswirkungen auf die Tätigkeit der Richter. Das ist ja nicht nur eine Einzelgerichtsangelegenheit, sondern das ist eine zentrale Justizangelegenheit.
Es geht aber auch um solche Fragen, die immer wieder Aufregung unter den Richtern auslösen, das Beurteilungswesen von Richtern. Sie werden es eventuell noch einmal im Zusammenhang mit dem Richterwahlausschuss bekommen, wenn wir da womöglich über Beförderungen reden. Hier geht es ja um Beurteilungen. Das muss auch einmal einheitlich gemacht werden, da gibt es immer wieder Streit, auch mit der Exekutive. Hier befürworten wir auch als Parlamentarier, Hilfestellung zu leisten, wie wir das in Zukunft besser lösen können.
In diesem Sinne begrüßt meine Fraktion diesen Entwurf. Wir müssen ihn natürlich noch im Detail beraten. Wir müssen insbesondere auch noch mit den Vertretern des Gesamtpersonalrats im Ausschuss ein Gespräch führen. Ich rege hier schon an, ich nehme an, dass alle Fraktionen damit einverstanden sind, dass wir dann auch mit denen noch einmal ein Gespräch darüber führen, denn es gibt ja hier Abgrenzungen und Überschneidungen. Überschneidungen zu vermeiden und Abgrenzungen herbeizuführen, das denke ich, muss noch geschehen, damit es hier nicht noch womöglich zu einem Konflikt kommt. Deswegen stimmen wir in erster Lesung diesem Entwurf zu, beantragen aber gleichzeitig Überweisung des Gesetzentwurfs an den Rechtsausschuss zur weiteren Beratung dort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat haben wir hier zwei Bereiche, über die wir uns unterhalten. Das ist einerseits der juristische, der rechtliche Bereich und dann der politische Bereich, nur, sie sind eng miteinander verknüpft. Ich habe Schwierigkeiten, jetzt in der Weise zu differenzieren, dass ich da womöglich zu anderen Auffassungen komme.
Ich habe mich gemeldet einmal nach dem Beitrag des Kollegen Güldner, aber ich hatte vorher schon mit gewissem Erstaunen diese Pressemitteilung der Staatssekretärin Marieluise Beck gelesen. Da heißt es, ich darf zitieren: „Es spricht jedoch einiges dafür, bei einer Ausbildung, für die ein Ausbildungsmonopol des Staates besteht, die Neutralitätspflicht des Staates, die bei dem Tragen eines Kopftuchs während eines Schulpraktikums lediglich gering beeinträchtigt wird, zurücktreten zu lassen.“ Diesen Satz kann ich zwar unterschreiben, aber ich muss hinzufügen, es spricht leider sehr vieles dagegen.
Es spricht leider sehr vieles dagegen, und das ist eben nicht nur eine juristische Frage, sondern eine hoch politische Frage. Deswegen diskutieren wir das dann hier so. Natürlich wird das alles überwölbt auch durch die Situation, die wir in der Gesellschaft vorfinden, nicht nur in Bremen und Bremerhaven, in Deutschland und auch weltweit. Deswegen ist ja auch eine gewisse Aufgeregtheit und Unruhe. Ich denke einmal, wir werden wahrscheinlich nicht die einzige Diskussion hier heute über dieses Thema führen, sondern es wird ab jetzt ein Thema werden, bei dem wir überlegen müssen als Politiker – übrigens in Ver––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
antwortung auch für die Bevölkerung, die uns gewählt hat –, wie gehen wir künftig mit diesem Thema um. Da vertrete ich allerdings die Auffassung, das wird Sie vielleicht nicht überraschen, dass ich nicht bereit bin, von substantiellen Entscheidungen in unserer Verfassung, die erkämpft worden ist, abzuweichen zugunsten anderer Auffassungen, die ich nicht nur rechtlich, sondern auch politisch für sehr problematisch halte.
Die Neutralitätspflicht des Staates ist ein erkämpftes Recht, übrigens gegen die Vorgänger der CDU, die hat sich da ja gewandelt, der Vorgänger war das Zentrum. Vor 130 Jahren, 1870, ging der Streit los, der später dann in den berühmten Kulturkampf mündete, übrigens zentral mit den Schulen. Da war es nämlich der damalige Papst, der die Unfehlbarkeit verkündete. Dann haben auch die Lehrer gesagt – da hat sich die Lehrerschaft gespalten –, wir folgen diesem Papst, obwohl wir in staatlichen Schulen unterrichten, und andere haben gesagt, wir machen das nicht, und die sollten dann entlassen werden. Das war damals die Forderung einer zunächst klerikalen, dann politischen Bewegung, das war das Zentrum, das dann in dieser Hinsicht verlor.
Übrigens, die Folge war dann die Zivilgesetzgebung, die dann einsetzte im Deutschen Reich mit Zivilehe und so weiter. Das ist seinerzeit eine Errungenschaft gegen die historischen Vorläufer gewesen.
Ich werde der Letzte sein, der heute noch die CDU beschimpft, dass sie nun endlich auch dieser Auffassung ist, übrigens hinsichtlich aller religiösen Symbole. Ich bin froh, dass es soweit gelungen ist, denn in Bayern ist es keineswegs so. Wir haben ja Beschimpfungen des Urteils erlebt, was das Kruzifix angeht. Aber ich denke einmal, in diesem Fall ist eine Abwägung in der Tat vorzunehmen zwischen der Religionsfreiheit, die Bestandteil unseres Grundgesetzes ist, und dem Recht auf Berufsfreiheit und Berufsausbildung. Dann muss man aber auch zu einer Entscheidung kommen. Ich meine, dass es in diesem Fall zumutbar ist, dass die individuelle Religionsfreiheit, die überhaupt nicht tangiert wird, gegenüber dem höheren Recht, nämlich der Neutralitätspflicht des Staates, der Schule gegenüber den Schülern, zurücktreten muss,
und dass es zuzumuten ist, dass in diesem Fall auf das Kopftuch verzichtet wird. Ihr soll ja nicht die Ausbildung verwehrt werden.
Ich finde, dies ist auch Bestandteil einer Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen wissen, was ist denn unsere Grundrechtsordnung. Sie ist tolerant, aber sie hat auch ihre Grenzen. In diesem Fall ist es einfach Gebot, das ergibt sich aus unserer Verfassung, zu sagen, an dieser Stelle verläuft die Grenze, und das bitte respektiere, sonst geht es auch
in diesem Land nicht weiter! Auch die freiheitlichdemokratische Grundordnung zeigt hier deutlich ihre Grenzen auf, und das ist keine Diskriminierung.
Das ist ein Lernprozess, und der ist zumutbar und akzeptabel. Ich halte daher die Entscheidung auch für bedauerlich, ich mache daraus keinen Hehl. Ich halte die Entscheidung des Kollegiums in Bremerhaven für richtig und auch selbstverständlich die Position des Bildungssenators, der dann plötzlich in diese Schwierigkeiten gekommen ist.
Wissen Sie, Kollege Röwekamp, es ist ein begünstigender Verwaltungsakt, das ist alles ganz schwierig! Vielleicht sollten wir es auch dann von diesem Fall wegnehmen.
Ich möchte nur noch eines in diesem Zusammenhang sagen, auch zum Kollegen Güldner, aber auch zu Willi Lemke. Es kommt nicht auf die Absicht an, die der Träger oder die Trägerin eines Kopftuches damit verbindet. Da kommen Sie rechtlich überhaupt nicht heran. Ich kann durchaus erklären, ich habe nicht die Absicht, das ist auch glaubhaft, zu missionieren und so weiter. Entscheidend ist der objektiv mögliche Eindruck auf die Kinder. Darauf hebt übrigens das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig ab. Sie haben hier eine Klientel, von vier bis 14, also fünf oder sechs Jahre, bis zwölf, 13, die religionsunmündig ist, sie ist hoch sensibel und beeinflussbar gerade in diesen frühen Lebensjahren. Neutralität des Staates heißt hinsichtlich jeglicher Religionsausübung, hier außen vor zu bleiben. Hier mischen wir uns nicht ein, es sei denn, die Eltern treffen eine andere Entscheidung und schicken sie zur Konfessionsschule.
Zweitens möchte ich noch sagen: Stellen Sie sich einmal vor, auch andere Religionen, Christen, aber auch Juden, gehen jetzt provokant offen mit Religionssymbolen in unsere Schulen, und das vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts zwischen Islam und Juden! Dann ist doch der Schulfrieden wohl auf jeden Fall gefährdet, wenn nicht sogar gestört. Das könnte man gar nicht hinnehmen. Man kann da auch nicht abwarten, bis es soweit kommt. Ich meine, man kann auch nicht abwarten, bis ein Elternteil dann sagt, das mache ich nicht mehr mit, sondern hier haben wir eine Aufsichtspflicht und Kontrollpflicht.
Ich finde, der sollte man auch nachkommen.
Damit Sie sich auch nicht vertun, dieser Fall wird jetzt so durchlaufen. Damit ist sicherlich nun auch
nicht die freie demokratische Grundordnung im Land Bremen zusammengebrochen und gefährdet, nur, es ist auch ein Lehrstück für die Zukunft. Ich denke, dass die Behörde, das hat auch der Bildungssenator angekündigt, jetzt auch einmal anhand dieses Falls für die Zukunft einmal mit den Mitarbeitern bespricht, wie wollen wir eigentlich in dieser Angelegenheit verfahren. Aber ich hoffe, dass es dann doch zu einer Entscheidung kommt, dass wir aufgrund unserer, ich sage das noch einmal ganz offen, erkämpften Verfassung, die freiheitlichen Charakter hat, eine entsprechende Reaktion dann auch erfahren werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist zufrieden mit der Antwort des Senats, übrigens des Senats, der aus SPD und CDU besteht und damit auch eine Antwort des Koalitionssenats darstellt. Herr Röwekamp ist nun empört, dass er mit seinem albernen Versuch, den Bürgermeister Scherf und den Justizsenator in die Nähe von CDU-Justizpolitik zu rücken, kläglich gescheitert ist.
Das wäre ja besonders schön für Sie gewesen, aber Sie finden hier eine Antwort vor, die Ihre CDU-Senatoren mittragen. Übrigens ist diese Antwort kein Schnellschuss, denn wir haben wochenlang die Diskussionen zwischen den Ressorts verfolgt. Sie haben sich ja auch wiederholt da noch eingebracht, wie wir vernehmen konnten. Ich habe mich da sehr zurückgehalten, denn der Senat, davon bin ich ausgegangen, und das hat auch unsere Auffassung und unsere Erwartung bestätigt, hat hier nach fachlichen Gesichtspunkten eine umfassende Antwort erteilt, und diese Antwort begrüßen wir.
Sie ist eben nicht von Parteiideologie durchsetzt und durch einen unsinnigen Versuch, Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung zu erwecken, sondern versucht, auch auf die wirklich wichtigen Fragen, die die Kriminalitätsbekämpfung angehen, eine sachlich fundierte, übrigens von der jugendrichterlichen Praxis getragene Antwort zu geben. Das wird auch zitiert. Es wird nicht etwa das SPD-Parteiprogramm zitiert – Sie tragen ja laufend Ihr CDU-Programm hier vor –, sondern der Senat und die Sachbearbeiter im Ressort haben Rückfrage, wie es üblich ist, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
auch mit der jugendrichterlichen Praxis gehalten: Was haltet ihr beispielsweise von dem Vorschlag einer Strafrahmenerhöhung bei heranwachsenden Tätern? Was haltet ihr beispielsweise davon, die Anwendung von Jugendrecht bei Heranwachsenden zum absoluten Ausnahmefall zu machen? Wie ist da eure praktische Erfahrung, seht ihr als Richter und als Staatsanwälte ein solches Bedürfnis? Das ist verneint worden.
Übrigens, es ist auch ganz interessant, da, wo die CDU Verantwortung trägt oder getragen hat, sieht sie es genauso. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man in einer Regierung ist und dann auf solche Fragen antworten muss, oder ob man in einer Opposition beziehungsweise hier in einem kleinen Landesparlament sitzt und kampagnenartig versucht, seine Vorstellungen vorzutragen.
Ich darf einmal verweisen auf eine hochinteressante Debatte im Deutschen Bundestag zu einem Zeitpunkt, als in den neunziger Jahren die Presse voll war vom Anstieg der Jugendkriminalität. Das hat alle umgetrieben, auch die Bundestagsfraktionen, und die SPD-Fraktion hat seinerzeit eine Große Anfrage an die damalige Kohl-Regierung gestellt unter dem Stichwort „Jugendstrafrecht und Präventionsstrategien“. Sie hat auch immer wieder an verschiedenen Stellen gefragt: Sieht die Bundesregierung Kohl eine Notwendigkeit, das Jugendgerichtsgesetz hinsichtlich einer Strafverschärfung zu ändern? Das war 1997, also kurz vor Ende dieser Regierungszeit Kohl.
Ich darf Ihnen einmal mit Genehmigung des Präsidenten aus der Antwort der CDU/FDP-Regierung zitieren. Da heißt es: „Auch der Vergleich mit den achtziger Jahren, in denen die Jugendstrafrechtspraxis zunehmend von nicht freiheitsentziehenden Maßnahmen und der Diversion Gebrauch machte und dabei nicht etwa eine Kriminalitätszunahme deswegen erfolgte, zeigt, dass der aktuelle Anstieg“ – 1997 und in den Jahren davor – „nicht auf ein vermeintlich zu mildes strafrechtliches Vorgehen zurückgeführt werden kann. Wichtig bleibt eine solide und konsequente Justizpraxis auf dem bisherigen Weg, die den ihr möglichen Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung leistet.“
Weiter heißt es in der Antwort auf die Frage der SPD-Bundestagsfraktion: „Sollte nicht Jugendstrafe, Jugendstrafvollzug, Ultima Ratio sein?“ Antwort der Bundesregierung Kohl: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass Untersuchungshaft und Strafhaft gegenüber jugendlichen Beschuldigten und Verurteilten stets Ultima Ratio sein müssen. Dies ergibt sich aber nicht erst daraus, dass schädliche Nebenwirkungen von Vollstreckung und Vollzug der Haft zum Beispiel positive Einwirkungsmöglichkeiten des Jugendvollzugs überlagern können, sondern bereits aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.“ Da-rauf hat der Kollege Kuhn hingewiesen.
Letztes Zitat, damit will ich es dann auch beenden, aber ich halte es einfach für notwendig, dass auch die Kollegen hier in Bremen von der CDU das einmal erfahren,
da heißt es dann: „Unter dem generellen Vorbehalt der beschränkten Wirkungsmöglichkeiten strafrechtlicher Reaktionen“ – ich wiederhole noch einmal –, „unter dem generellen Vorbehalt der beschränkten Wirkungsmöglichkeiten strafrechtlicher Reaktionen ist vornehmlich das jugendstrafrechtliche Instrumentarium insoweit auch zu erzieherischen beziehungsweise spezial präventiven Einwirkungen auf junge Gewaltdelinquenten ausreichend. Defizite können allerdings in der Praxis bestehen.“ Darauf werde ich gleich noch zu sprechen kommen.
„Insbesondere ist für eine gelungene Umsetzung der rechtlichen Möglichkeiten, die das Jugendgerichtsgesetz bietet, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Justiz und Jugendhilfeträgern wesentlich.“ Letztes Zitat: „Der Bundesregierung liegen keine empirischen Erkenntnisse dergestalt vor, dass durch eine härtere Bestrafung von Gewalttätern eine erhöhte generelle Abschreckungswirkung des Jugendstrafrechts gegenüber jungen Menschen erzielt werden kann.“
Soweit also einmal aus einer Antwort, die zwar bereits fünf Jahre alt ist, aber damals
ein Thema war in sämtlichen Gazetten! Inzwischen hat sich die Lage, insofern haben Sie Recht, stabilisiert, allerdings auf einem Niveau, was uns alle nicht zufrieden stellen kann, aber keineswegs Anlass gibt, hier jetzt über Rechtsänderungen nachzudenken.
Das Gleiche gilt übrigens für das Strafvollzugsgesetz, wenn ich das einmal an dieser Stelle erwähnen darf, das Sie hier immer wieder angreifen. Dieses Strafvollzugsgesetz ist 1976 übrigens einstimmig bei einer Stimmenthaltung beschlossen worden, damals war die CDU in der Opposition, da kenne ich mich aus. In 16 Jahren Kohl-Regierung ist nicht einmal der Versuch unternommen worden, etwa die Möglichkeiten von Vollzugslockerungen, Freigang und Ausgang oder Urlaub, irgendwie auf dem Gesetzeswege einzuschränken. Es hat immer wieder diese Diskussionen, auch innerhalb der CDU, gegeben. Gott sei Dank haben sich immer die Fachleute, die dann rückgekoppelt haben, durchgesetzt und
damit auch die Mehrheit der Bundestagsfraktion der CDU überzeugt.
Lassen wir die Finger davon! Wir haben ein modernes, effektives Recht, entscheidend ist, wie die Praxis mit diesen Dingen umgeht.
Das ist auch Aufgabe hier in Bremen. Die Länder vollziehen ja das Recht. Sie wenden es durch die Gerichte an, aber vollziehen dann zum Beispiel nach dem Strafvollzugsgesetz und nach anderen Regelungen auch die Sanktionen. Das wird auch von niemandem bestritten, schon lange nicht von uns.
Ich erinnere an die letzte Debatte über Intensivtäter. Ich sage, wir brauchen keine großartigen Verlautbarungen über Intensivtäter, ein Unwort übrigens, das das Gesetz gar nicht kennt, weil nämlich in der Regel Täter im Strafvollzug einsitzen, die man als solche bezeichnen kann. Dort sitzt keiner nur wegen eines Ladendiebstahls ein, sondern dort ist immer eine Serie von Straftaten vorangegangen oder eben eine sehr schwere Straftat mit schwerer Schuld wie Totschlag oder Mord.
Dass aber die räumlichen, sachlichen und personellen Voraussetzungen und die Konzeption stimmen müssen, dass diesen jungen Menschen geholfen werden kann, da kann ich mich nur dem Kollegen Kuhn, ich habe es hier auch schon zehn Mal gesagt – –.
Es schadet Ihnen übrigens nicht, auch einmal bei diesen Punkten zuzuhören! Sie mögen da auf anderen Feldern Kompetenzen haben, aber davon verstehen Sie wirklich nichts.
Herr Eckhoff, mit großen breiigen Reden – ich werde Ihnen gleich noch etwas zu Texas sagen – werden Sie hier nicht weiter kommen! Da mögen Sie einige aus Ihrer Klientel befriedigen, aber die Fachöffentlichkeit überzeugen Sie damit nicht.
Sie geben immer vor, Sie würden die Öffentlichkeit schützen. Jede gelungene Resozialisierung – übrigens hat Resozialisierung Verfassungsrang, daran darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal erinnern – ist nicht gleichrangig mit Sicherheit, jede gelungene Resozialisierung ist ja ein Mehr an Sicherheit. Lesen Sie dazu einmal, Sie kennen das, Herr
Röwekamp, die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, das so genannte Lebach-Urteil, durch, hat hohen Rang! Doch nicht, weil das Bundesverfassungsgericht oder weil der Gesetzgeber, einschließlich CDU, seinerzeit gemeint hat, wir müssen Wohltaten an die Straftäter verteilen, sondern weil es vernünftig ist! Übrigens hat das internationalen Standard, zumindest in Europa, auf diese Weise gerade im Jugendvollzug mit möglichst weit gehenden erzieherischen Maßnahmen auch im Jugendstrafvollzug zu reagieren. Das mag Sie ärgern! Inzwischen hat auch einmal das Ressort beziehungsweise der Senat klargestellt, wie er mit Intensivtätern im Jugendstrafvollzug umgehen will.
Da gab es sicherlich Missverständnisse in der letzten Debatte, die im Vorfeld stattfand. Mit der heutigen Antwort kann die SPD-Fraktion leben, sie ist auch vernünftig. Hier wird auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Erziehung und Resozialisierung jugendlicher Straftäter im Strafvollzug hingewiesen. Es wird aber nicht gesagt, dann, wenn das nicht klappt und der junge Mensch sich verweigert, machen wir nichts mehr und schließen ihn weg, sondern es heißt dort deutlich, hier sind dann besondere Maßnahmen erforderlich, sind auch herauszunehmen aus der anderen Gruppe, damit sie nicht stören, um hier zu einem Ergebnis zu kommen.
Der Senat hat hier deutlich gesagt, wir lassen junge Menschen nicht fallen und geben junge Menschen nicht auf. Das ist auch genau die Position der Sozialdemokraten und der Grünen, das sollte an sich die Position des gesamten Hauses sein, finde ich.
Was uns fehlt, und das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal anmerken, wenn wir schon über Rechtsänderungen sprechen oder hier rechtliche Forderungen stellen, ist ein Jugendstrafvollzugsgesetz. Nach wie vor wird der Jugendstrafvollzug mit einer Ausnahme, einer rechtlichen Bestimmung im Jugendgerichtsgesetz, aufgrund von Verwaltungsrichtlinien vollzogen. Das ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht mehr als bedenklich.
Ich habe gelesen, dass einige Jugendgerichte bereits einen Vorlagebeschluss gemacht haben an das Bundesverfassungsgericht. Sie haben sich geweigert, eine Jugendstrafe auszusprechen, weil sie sagen, der Vollzug der Jugendstrafe ist eben nicht gesetzlich normiert wie bei den Erwachsenen, und hier müssten die Länder reagieren. Das ist ja ein altes Thema. Die Länder bestreiten übrigens nicht, dass es notwendig ist, ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu
beschließen, das würde der Bund auch beschließen müssen, aber mit Zustimmung der Länder.
Es ist immer das Problem der Kosten, die damit in Verbindung stehen, hier müsste nur einmal ein Kompromiss gemacht werden. Hier geht es aber auch nicht um die Zukunft dieser jungen Menschen, das würde schon allein reichen, es geht um die Sicherheit der Bevölkerung, es geht auch um Rechtssicherheit im Vollzug, dass man hier nicht nur nach Verwaltungsvorschriften agiert, sondern bundesweit einen gleichen Standard hat. Ich möchte die Gelegenheit hier noch einmal wahrnehmen und auch an den Senat appellieren, in den Gesprächen mit dem Bund und den anderen Ländern auf den Erlass eines Jugendstrafvollzugsgesetzes zu drängen.
Meine Damen und Herren, damit komme ich dann zu einem Thema, das uns hier aktuell auf den Nägeln brennt. Der bremische Strafvollzug insgesamt ist insofern notleidend, als wir uns alle einig sind, dass es einer Neuordnung bedarf, und zwar einer Neuordnung von Grund auf. Wir haben uns im politischen Raum an sich darauf verständigt, jedenfalls in der großen Koalition, bei den Grünen ist mir die Position noch nicht so ganz klar, dass diese alten Anstalten, insbesondere JVA Oslebshausen, ein Jahrhundertwerk, über 100, 110, 112 Jahre alt, im Grunde genommen kaum noch den Anforderungen für einen modernen Strafvollzug gerecht werden kann, trotz aller Bemühungen, die dort in den letzten Jahren auch unter Bürgermeister Scherf vorgenommen worden sind, Einrichtung eines Wohngruppenvollzuges und so weiter. Der Personalaufwand ist dort so erheblich aufgrund dieses alten Gebäudes, einer Mauer, die im Grunde genommen, wenn man sich dagegen lehnt, ich sage das einmal etwas burschikos, fast umfällt. Wir haben früher immer Gelder aus diesem Maueretat genommen, um andere Dinge zu finanzieren.
Auch der Jugendstrafvollzug, die Anstalt ist zwar noch nicht so alt, war aber von vornherein sehr unmodern angelegt. Hier jetzt Überlegungen anzustellen, wie wir insgesamt diesen Strafvollzug auch räumlich neu unterbringen, halte ich nicht nur für legitim, sondern für erforderlich! Das haben wir auch in den Diskussionen im Rechtsausschuss, aber auch in der Fraktion deutlich gemacht.
Hier erwarten wir jetzt allerdings auch, dass alsbald eine Entscheidung des Senats kommt. Das Roland-Berger-Gutachten liegt jetzt seit über einem Jahr vor, ich glaube eineinviertel Jahr, und hier muss etwas geschehen. Herr Kollege Kuhn hat ja Recht! Immer unter Hinweis darauf, dass es demnächst einen Neubau geben wird, sparen wir bereits bei den Bediensteten immer weiter ein. Das geht natürlich nicht so weiter.
Hier muss jetzt auch deutlich werden, dass der Senat in einer Grundsatzentscheidung erstens sagt, wir wollen den Bau und zweitens, wohin er soll. Das
zeichnet sich deutlich ab, er soll auf das Gelände der jetzigen Jugendstrafanstalt. Auch die Finanzierung ist sichergestellt, und außerdem wissen wir auch, was mit dem Altbau passiert. Das sind Voraussetzungen, die schnellstens zu klären sind, damit wir Ruhe in den Strafvollzug bekommen. Ich hoffe, dass Bürgermeister Scherf hierzu heute auch noch etwas sagen wird.
Ich darf bei dieser Gelegenheit aber noch einen Hinweis geben! Wir werden über die Konzeption und über die Art und Weise, wie dieser Neubau gestaltet werden soll, parlamentarisch beraten. Das wird ein sehr schwieriges Unterfangen, alle Vollzugsarten des Landes Bremen in einem Bau unterzubringen. Das ist an sich nicht normal!
Erlaubt ist es schon, lieber Kollege! Dieses Strafvollzugsgesetz hat immer Ausnahmebestimmungen, aber es ist schon ungewöhnlich! Normalerweise sagen Fachleute, baut bitte keine Anstalten, die größer sind als 250 bis 300 Insassen. Hier soll eine Anstalt geplant werden, die mehr als doppelt so groß ist, weil wir nun, bis auf den offenen Vollzug, alle dort unterbringen. Ich sehe da aber keine Alternative, ich sage das auch ganz deutlich!
Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, auch bei der Feinberechnung der Plätze, die wir benötigen, sehr sorgfältig heranzugehen. Aber nicht nur das, sondern wir sollten alle Möglichkeiten auch des Bundesrechts, das womöglich noch kommen wird, und damit komme ich auf die Reform des Sanktionenrechts an dieser Stelle zu sprechen, ausnutzen, dass wir in Bremen eine Strategie fahren, die noch mehr als bis jetzt zur Vermeidung von Inhaftierungen führt, zu Alternativen zum Strafvollzug.
Deswegen, Herr Röwekamp, verstehe ich das überhaupt nicht, Sie müssen wenigstens aus Haushaltsgründen dafür sein! Der Bau eines Haftplatzes kostet 250 000 bis 300 000 DM. Ein Haftplatz, das muss man sich einmal vorstellen! Wenn wir nur zehn sparen, dann sind das 2,5 bis drei Millionen DM, das sind doch Dinge, die für den bremischen Haushalt eine Rolle spielen. Sie können das also weiter rechnen.
Ja, das ist Ihre törichte Antwort, so gehen Sie mit einer solchen Problematik um!
Sehen Sie einmal, dann kann man Sie als Gesprächspartner auch nicht mehr ernst nehmen!
Ein Hafttag kostet 166 DM!
In Bremen! Es soll jetzt versucht werden, die Kosten auf vielleicht 140 DM zu senken. Immer noch zu viel! Ein Bewährungstag kostet fünf DM. Man muss sich einmal diese Dimensionen vorstellen! Keiner von uns, und ich sage das hier, weil gleich der Versuch gemacht wird, jetzt will er gar keinen Strafvollzug und solchen Unsinn, keiner sagt, es ist nicht nötig, eine Strafanstalt zu bauen. Keiner sagt, es ist nicht nötig, dann auch entsprechend Hafttage zu haben. Aber wir haben verdammt noch einmal doch die Pflicht, das so zu reduzieren, dass wir es verantworten können, auch diejenigen, die gefährlich sind, gesichert unterzubringen zum Schutz der Bevölkerung und zur Verbüßung von Schuld, um das deutlich zu sagen, auf der anderen Seite aber das in Bremen übrigens vorbildliche System, das in den letzten zwei Jahrzehnten zur Verhütung von Straftaten entwickelt worden ist, behutsam weiter auszubauen! Da sind wir bis jetzt gesetzlich an die Grenze gestoßen.
Jetzt kommt die Bundesregierung in Berlin und schlägt vor, Strafen, die bisher Nebenstrafen waren, wie gemeinnützige Arbeit oder das Fahrverbot, zu Hauptstrafen hochzustufen und damit den Richtern mehr Möglichkeiten zur Auswahl zu geben, übrigens das, was wir im Jugendstrafrecht schon lange haben. Das heißt ja nicht, dass plötzlich kein Mensch mehr inhaftiert wird, bestimmt nicht! Es könnte sich um 20, 30 Plätze handeln, aber das ist Sache der Fachleute, das noch einmal genau zu begutachten.
Herr Bürgermeister Scherf, da war ich schon, muss ich sagen, enttäuscht. Sie haben gesagt, das machen wir später, wenn der Gesetzentwurf da ist. Einverstanden! Ich hätte es an dieser Stelle aber doch gewünscht, um es noch einmal deutlich zu machen: Das muss auch die Strategie sein, Herr Perschau sitzt ja dabei, der muss das doch hören und sagen, wenn ich da nur zwei Haftplätze spare, und das ist vertretbar aus justizpolitischer Sicht und Strafvollzugssicht, müsst ihr die sparen.
Ich fordere den Senat also auf, diese Dinge jetzt bei der Planung zu berücksichtigen, auch im Bundesrat solche Maßnahmen in der nächsten Legislaturperiode zu unterstützen, damit wir effektiver werden. Es geht um Kleinkriminelle. Was sollen die eigentlich im Strafvollzug? Ersatzfreiheitsstrafen, darum geht es ja, Herr Röwekamp, die lächerlich sind, binden Personal, binden Räume, die teuer sind. Die gehören da nicht hinein! Hier müssen Ersatzmaßnahmen ergriffen werden, und ich denke, das müsste auch die Strategie eines jeden Senats sein, unabhängig von der parteipolitischen Couleur.
Sie haben dann noch einmal die aktuelle Geschichte angesprochen, die jetzt in der Presse stand, Finanzgericht, Oberverwaltungsgericht, Herr Kollege Böhrnsen wird dazu auch gleich noch etwas sagen. Ich darf vielleicht noch einmal eben aus Sicht des Rechtsausschusses dazu etwas sagen. Wir haben das Thema seit einem Jahr im Rechtsausschuss. Herr Röwekamp, da muss irgendetwas bei Ihnen falsch angekommen sein. Wir haben eben gerade nicht bereits vor einem Jahr gesagt, wir stimmen dieser Doppelspitze zu. Wie Sie sich erinnern, haben die Sozialdemokraten im Rechtsausschuss den Vorschlag gemacht – darüber hat sich auch der Kollege Dr. Kuhn geärgert –, zunächst einmal nur grünes Licht für die Besetzung des OVG-Präsidenten zu geben und die Frage des Finanzgerichtspräsidenten zurückzustellen, bis es so weit ist, das ist nämlich jetzt demnächst, um dann noch einmal im Licht der Ereignisse und der Tatsachen zu beraten, die sich dann stellen.
Da hat sich ja einiges getan. Inzwischen haben wir nämlich ein Justizzentrum, das wir immer gewollt haben, und das ist auch mit eine Begründung, dass wir sagen, die faktischen Voraussetzungen sind so, wir lassen die Finger von einem rechtlichen Abenteuer, durch das wir womöglich in rechtlich schwieriges Fahrwasser geraten bei einer solchen Personalfusion. Lassen Sie Verschwörungstheorien hier weg, die sind widerlich, unangenehm, auch unter Namensnennung, das muss ich hier auch noch einmal deutlich sagen! Das weise ich für meine Fraktion mit Entschiedenheit zurück!
Wir werden dann in die weiteren Beratungen, auch mit dem Ressort, in dieser Frage eintreten. – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist bereit, sich auf den Vorschlag der Grünen, die Verfassung in Bezug auf das Volksbegehren und den Volksentscheid noch einmal zu überprüfen, einzulassen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Ihre Vorschläge, wenn ich einmal das Argument aufnehmen darf, das Sie ja auch hier vorgetragen haben, müssen wir natürlich im Licht der Entscheidung des Staatsgerichtshofs betrachten. Ich sage einmal gleich von vornherein, da sehe ich kein Problem, denn das war ein Urteil, das auch weiter entwicklungsfähig ist. Es ging ja auch nicht um solche Vorschläge, worüber der Staatsgerichtshof seinerzeit zu entscheiden hatte, sondern um den anderen Vorschlag des Vereins „Mehr Demokratie“, der in der Tat so weitgehend war, dass wir uns dem sowohl aus rechtlichen als auch aus politischen Gründen nicht angeschlossen haben.
Es ist richtig, inzwischen ist die Zeit weitergegangen, und es liegt in der Tat ein Gesetzesantrag dem Deutschen Bundestag von den Fraktionen der SPD und der Grünen vor, der übrigens, das möchte ich auch nicht verschweigen, viel weiter geht als das, was Sie jetzt auch hier vorschlagen. Ich möchte in dem Zusammenhang einmal einen Punkt ansprechen, ich habe ihn selbst vor einiger Zeit auch mitverschuldet, aber wir sind heute sieben Jahre weiter – beziehungsweise war der erste Schritt zur Veränderung dieser Vorschriften sogar 1994, drei Jahre später dann der zweite Schritt –, ob wir es weiterhin dabei belassen sollen, in der Verfassung beim Volksentscheid von einem Zustimmungsquorum auszugehen und ob wir nicht stattdessen doch auf ein Beteiligungsquorum umschwenken. Das würde die Hürden erheblich senken.
Die Bundesvorlage spricht nur noch von der Beteiligung, das heißt einem bestimmten Prozentsatz der Bevölkerung. Bei der einfachen Gesetzgebung sollen sich 20 Prozent der Wahlbevölkerung beteiligen an einem Volksentscheid, in dem die Mehrheit entscheidet. Das wären zehn Prozent und eine Person. Das ist natürlich eine wesentlich niedrigere Hürde. Wir haben ja zurzeit noch die Regelung des Zustimmungsquorums. Bei uns entscheidet zwar die Mehrheit, aber es müssen mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten zustimmen. Das ist also eine viel höhere Hürde. Ich räume ein, darüber muss man noch einmal diskutieren. Wir haben in unserer Fraktion die Diskussion begonnen, und ich denke, dass wir das gemeinsam unter den drei Fraktionen jetzt weiter erörtern wollen.
Auf jeden Fall sehe ich aus unserer Sicht eine Notwendigkeit, die Eingangshürde erheblich zu senken, damit man überhaupt in das Verfahren des Volksbegehrens und Volksentscheids hineinkommt, beim Volksbegehren eine erheblich niedrigere Hürde zu nehmen – zurzeit liegt sie bei zehn Prozent, fünf Prozent können wir hier ohne weiteres mitmachen –, damit überhaupt einmal ein solches Verfahren in Gang kommt und es nicht gleich an dieser Stelle eine derartige Hürde gibt, dass ein politischer Prozess überhaupt gar nicht mehr in Gang kommt. Dem könnten wir zustimmen.
Bei der Frage, wie weit finanzwirksame Volksbegehren eine Rolle spielen, hat sich die Lage, sage ich einmal, insofern schon etwas entspannt, als auch der Staatsgerichtshof bereits entschieden hat, dass man nicht jegliches Volksbegehren als verfassungswidrig ablehnen kann, nur weil es ein paar Euro kostet. Das geht sowieso nicht mehr, es muss doch schon erhebliche Auswirkungen auf den Haushalt haben. Wir werden dann noch einmal darüber reden, ob wir Ihren Vorschlag, Ihre Formulierung übernehmen oder stattdessen die Formulierung, die in der Bundestagsvorlage steht, die dann doch noch einige Gesetzesvorhaben, wie zum Beispiel das Haushaltsgesetz, ausschließt.
Das wollen Sie nicht streichen! Dann wäre das ein Punkt, an dem man sich auch sehr schnell verständigen könnte.
Sie haben andere Entwicklungen in anderen Ländern angesprochen, Nordrhein-Westfalen beispielsweise, und ich denke einmal, dass wir jetzt nicht gleich dazu übergehen – die Tagesordnung sieht das übrigens auch nicht vor –, die erste Lesung zu beenden. Dann müsste zwangsläufig ein Ausschuss nach Artikel 125 der Landesverfassung eingesetzt werden.
Wir stellen den Antrag, diese erste Lesung zu unterbrechen und stattdessen Ihren Antrag jetzt noch einmal an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zu überweisen, um noch einmal das Material zu sichten und im Lichte dessen, was sich in den letzten Jahren, einschließlich auf Bundesebene, getan hat, in eine Erörterung Ihres Antrags einzutreten. Die SPD-Fraktion hofft, dass wir uns über eine Verbesserung und Änderung der Verfassungsbestimmungen zum Volksbegehren und Volksentscheid verständigen werden. – Schönen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss zunächst einmal eine verfassungsrechtliche Vorbemerkung machen. Zuständig für Politik und die Verkündung von Wenden in der Politik sind nach unserer Verfassung die Verfassungsorgane Senat und Parlament und nicht Beamte, auch nicht politische Beamte, um das hier einmal deutlich festzustellen.
Hier ist keine Wende in der Politik verkündet worden, sondern es ist die Frage, ob wir dahin kommen, wenn das politisch entschieden ist.
Zweite Vorbemerkung: Es geht hier in dieser Diskussion um Intensivtäter und wie diese behandelt werden sollen. Herr Röwekamp, ich stimme Ihnen ja völlig zu, dass man die Augen nicht vor diesen Tätern verschließen kann, aber wer diese Täter einschließt, verschließt die Augen vor diesen Tätern, denn dann machen Sie nichts mehr.
Glauben Sie wirklich, dass diese Täter, die Sie zwei bis drei Jahre wegschließen, anschließend geläutert sind, dass diese Täter, die Sie dann wieder auf die Menschheit loslassen, etwa dann ein Leben ohne Straftaten führen? Im Grunde genommen entlassen Sie völlig deformierte Persönlichkeiten, permanente Zeitbomben mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko.
Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie erreichen wollen. Diese Diskussion flackert ja immer wieder auf.
Wir hatten ja diesen alten Vollzug. Ich habe den zum Teil noch besichtigen dürfen. Herr Scherf weiß das auch, er fing ja damals im Sozialbereich auch so an. Wie sah das aus? Da war das Hilfsangebot an Schule, Arbeit und so weiter sehr gering. Übrigens darf ich einmal sagen, gehen Sie doch einmal in eine Jugendstrafanstalt! Da sitzen überwiegend Intensivtäter. Da sitzen doch keine Ministranten, die gerade einmal einen Ladendiebstahl begangen haben! Da sitzen Täter, und zwar überwiegend Deutsche, die 60, 70, 80, über 100 Straftaten begangen haben. Das sind die Jugendlichen, die zu Hause weglaufen, wochenlang durch die Gegend streunen und Laubeneinbrüche am laufenden Band machen. Es sind locker über 100 Straftaten. Übrigens ist schon wiederholt versucht worden, mit Erziehungsmaßregeln oder Bewährungsaussetzungen und so weiter, auf diesem Wege klarzukommen, und das ist nicht passiert. Dann kommen sie in den Knast.
Nach Ihrer Ideologie wären sie nicht mehr behandelbar. Dann bräuchten wir den Jugendstrafvollzug mit dem ganzen Apparat von Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeitern nicht mehr. Dann könnten wir das einstellen und sie nur noch wegschließen. Gerade hier setzt aber die Arbeit jetzt im Jugendstrafvollzug an.
Übrigens, internationaler Standard! Was Sie da geäußert haben, Herr Röwekamp, als Mitglied des Rechtsausschusses, das ist schon verblüffend, Aufgabe des Strafvollzuges sei nicht die Resozialisierung. Das ist doch sogar beim Strafvollzug für Erwachsene so! Sie sollten sich vielleicht einmal das Gesetz, aber auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1972 dazu durchlesen.
Da hat Resozialisierung Verfassungsrang! Gerade Sie als stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses! Wenn Sie aus dem Hafenausschuss kämen – Entschuldigung, ich will dazu nichts sagen –, könnte ich das noch verstehen, dann wird Ihnen das erklärt, aber doch nicht im Rechtsausschuss!
Beim Jugendvollzug ist das noch viel eingehender. Hier sprechen der Vollzug und das Gesetz eben vom Erziehungsvollzug. Das ist nicht nur eine Bremensie und auch nicht nur in Deutschland so, das ist internationaler Standard. Ich darf Ihnen einmal die Mindestgrundsätze des Europarats für die Behandlung von Gefangenen vorhalten, die auf die Vorschriften der Vereinten Nationen von 1955 zurückgehen. Hier ist ausdrücklich verboten, über den bloßen Freiheitsentzug hinaus weitere Übel hinzuzufügen, insbesondere bei Jugendlichen, und es muss alles getan werden, um hier Maßnahmen anzusetzen, damit diese ein straffreies Leben führen.
Die Diskussion über Resozialisierung und Sozialisierung ist sowieso müßig. Die sind in der Regel nicht sozialisiert, hier müssen ganz mühsam Maßnahmen angesetzt werden. Das gibt das Gesetz vor. Hier liegt unsere Verpflichtung, insbesondere der Justizverwaltung, darauf zu achten, dass erstens solche Konzeptionen erarbeitet werden und zweitens auch konsequent durchgeführt werden. Daran mangelt es.
Zu unserer Verblüffung hörten wir in der letzten Sitzung des Rechtsausschusses, Herr Kollege Röwekamp, da waren Sie nicht dabei, von dem Oberanstaltsleiter, Dr. Otto, der übrigens eine sehr gute Figur gemacht hat, ich war nicht das erste Mal da, ich schätze diesen Mann, der ganz nüchtern gesagt hat: Wir haben keine Personalprobleme – das war der Ärger über dieses Urteil des Jugendrichters, der dann plötzlich feststellte, es gibt zu wenig Personal –, sondern es gibt Strukturprobleme.
Es ist nach den Richtlinien vorgeschrieben, dass für jeden Jugendlichen individuell aufgrund seiner
Lebenssituation und aufgrund des Urteils ein so genannter Erziehungsplan aufzustellen ist, an dem alle Fachkräfte und -dienste mitwirken. Dazu wird mit ihm auch entschieden, ob er in die Schule geht, ob er arbeitet, welchen Therapiemaßnahmen er sich zu unterziehen hat und so weiter. Ganz wichtig ist, dass er auch einmal Freizeitverhalten und Konfliktlösung ohne Faust und Messer kennen lernt. Das ist vorgeschrieben! Dafür ist auch Personal da.
Wir hören aber von dem Anstaltsleiter, dass das überhaupt nicht funktioniert. Diese Erziehungspläne werden gar nicht konsequent durchgehalten. Man weiß gar nicht, warum beispielsweise plötzlich Unterricht ausfällt. Wir haben Sie aufgefordert und warten übrigens seit einem Jahr auf ein Jugendvollzugskonzept, das überarbeitet ist, jetzt endlich einmal im Rechtsausschuss vorzutragen, wie das Konzept aussehen soll, das gerade auch mit dieser schwierigen Klientel umzugehen hat, und wie wir mit diesen Jugendlichen fertig werden.
Keiner gibt sich der Illusion hin, mir müssen Sie das nicht erzählen, ich bin der Einzige, der dreieinhalb Jahre hinter Gittern gearbeitet hat, wie schwierig dieser Eingliederungsprozess ist. Der ist in der Regel mit Rückschlägen verbunden, es gibt keine glatt laufende Resozialisierung, die kommen wieder nach einiger Zeit, und dann wird wieder angesetzt. Fragen Sie doch einmal die Beamten! Aber wenn Sie denen jetzt eine Vorgabe machen, ihr sollt da sortieren, frage ich mich, nach welchen Kriterien eigentlich. Vielleicht wird da gewürfelt!
Vielleicht nur Ausländer! Ich sage aber, es sind auch viele Deutsche da. Vielleicht jeder Zweite soll nicht mehr! Das geht doch gar nicht. Der Versuch ist bei jedem zu unternehmen.
Dafür sind unsere Beamten übrigens auch ausgebildet. Wir haben im Laufe der Jahre eine hervorragende Ausbildung für diese Bediensteten vom Schließer weg hin zu Beamten, die mit diesen schwierigen Jugendlichen umzugehen haben. Die sind inzwischen in Pädagogik ausgebildet, sie haben eine psychologische Grundunterweisung, sie verstehen es häufig vor Ort am besten, mit diesen Jugendlichen umzugehen. Jetzt sollen sie plötzlich nur noch wegsperren? Wissen Sie, was dann passiert? Ich habe die Ausläufer eines solchen Vollzuges noch erlebt: eine erhöhte Selbstmordrate im Jugendvollzug, von den Versuchen ganz zu schweigen, Zellenzerstörungen am laufenden Band! Wir haben Jugendliche gesehen, die mit dem Kopf gegen die Betonwände gelaufen sind, weil sie nicht hinaus konnten. In der Silvesternacht 1973/74 hat Blockland gebrannt, Jugendliche ohne Perspektive, die Rauchvergiftungen erlitten, die schlicht noch nach dem alten Vollzug behandelt worden sind.
Diese Zeiten haben wir, Gott sei Dank, überwunden! Dahin wollen wir nicht wieder zurück,
sondern wir fordern, und da nehme ich sogar Ihren Begriff auf, Herr Röwekamp, eine härtere Gangart, aber konsequente Durchführung eines Erziehungsvollzugs. Der Jugendliche muss morgens auch aufstehen, und nicht, wenn die Beamten keine Lust haben, lassen sie ihn liegen. Das verstehen wir nicht. Es ist notwendig, dass er sich endlich an einen geordneten Tagesablauf gewöhnt, dass er pünktlich zur Arbeit geht. Das sage ich hier ganz deutlich, wenn er das nicht macht, bekommt er keinen Urlaub, dann kommt er eben nicht vorzeitig aus der Haft heraus, und das machen die Richter auch mit. Aber solch ein Konzept, und darauf kommt es an, muss erstens da sein, die Beamten müssen motiviert sein, und es muss zweitens konsequent durchgehalten werden im Sinne des Forderns dieser Jugendlichen, aber auch des Förderns.
Vielleicht können wir uns darauf verständigen: Bloßes Wegsperren hilft dem Insassen selbst nicht, es demotiviert die Bediensteten, und es stellt eine erhöhte Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Ich wiederhole das noch einmal: Wer eingesperrt wird und dann irgendwann entlassen werden muss, der ist dann eine erhöhte Gefahr und birgt ein erhöhtes Sicherheitsrisiko gegenüber der Situation, als er eingesperrt worden ist.
Ich sage schon noch etwas zu Herrn Mäurer, ich bin ja noch nicht fertig. Seien Sie doch nicht so aufgeregt!
Ich habe, denke ich, klar gemacht, was wir fordern. Zu Herrn Mäurer sage ich ganz gern zum Schluss noch einmal, wir sind ja befreundet, ich darf das so sagen: Ulli, gelegentlich einmal ein Interview weniger und dafür ein bisschen mehr den Aufgaben, die ich eben geschildert habe, nachgehen, und die Ver
waltung auf Trab bringen! Wir hoffen, in der nächsten Rechtsausschusssitzung ein Konzept zu sehen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es heute mit einem Novum zu tun, denn zum ersten Mal berät dieses Parlament über vertragliche Beziehungen zwischen der evangelischen Kirche – jetzt allgemein gesagt, ich komme nachher noch auf Differenzierungen – und dem Bremer Staat.
Es gibt und gab bisher keinen Staatsvertrag zwischen diesen beiden Körperschaften. Es gibt eine vertragliche Regelung mit der katholischen Kirche. Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich von 1933 gilt auch für Bremen fort. Das wurde übrigens in den fünfziger Jahren zunächst einmal bestritten, von Bremen nicht anerkannt, ist dann aber durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1957 klargestellt worden.
Seit kurzem haben wir auch eine vertragliche Beziehung mit der Jüdischen Gemeinde, so dass sich natürlich durchaus erst einmal die Frage stellt: Warum nicht auch ein Vertrag mit der evangelischen Kirche, und warum hat man das nicht längst getan? Das liegt daran, dass wir in Bremen fast eine Besonderheit des Verfassungsrechts haben, anders als in anderen Bundesländern, in denen es solche Verträge gibt, ich glaube, mit Ausnahme Hamburgs, das ebenfalls keine vertragliche Regelung hat.
In Bremen, hier ist es nicht nur historisch gewachsen, sondern auch erkämpft, haben wir die Situation, die sehr eindeutig von Artikel 59 der Bremischen Landesverfassung umschrieben wird. Ich darf diesen Artikel mit Genehmigung des Präsidenten zitieren: „Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sind vom Staate getrennt. Jede Kirche, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre sämtlichen Angelegenheiten selber im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“ Das ist der verfassungsrecht––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
liche Grundpfeiler, der für Bremen gilt. Daraus ergibt sich schon zwangsläufig, dass überhaupt nur sehr wenig verfassungsrechtlicher Spielraum vorhanden ist, um in vertragliche Beziehungen mit der Kirche einzutreten. Dies als Erstes!
Als Zweites: Sie haben sicherlich der Drucksache entnommen, dass es als Vertragspartner nicht nur den bremischen Staat auf der einen Seite, das ist klar, gibt, aber dann nicht nur die Bremische Evangelische Kirche, die BEK, sondern darüber hinaus zwei weitere. Für mich war das auch neu, als ich das zum ersten Mal gelesen habe, ich dachte, in diese Materie muss ich einsteigen, und es ist ganz interessant, wie das historisch entstanden ist. Das will ich jetzt hier nicht alles darlegen, Sie brauchen keine Angst zu haben, das würde sehr weit führen, aber die Vertragspartner möchte ich schon noch einmal nennen. Das sind neben der Bremischen Evangelischen Kirche die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers und die Evangelisch-reformierte Kirche, in Klammern: Synode Evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland. Das ist ganz interessant. Mit diesen dreien soll also dieser Vertrag geschlossen werden.
Wenn man dann nachfasst, warum das so ist, dann kommt man darauf – viele ahnen es schon –, dass es etwas mit der Veränderung der Gebietskörperschaften im Lauf der Jahre, insbesondere mit dem Freistaat Preußen, der ja nicht mehr existiert, der aber seinerzeit entsprechende Verträge hatte, und auch mit den entsprechenden Kirchengemeinden zu tun hat. Heute ist es so, um es einmal zusammenzufassen, dass insbesondere in Bremerhaven von 16 Kirchengemeinden, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, 15 der Hannoverschen Landeskirche zugehörig sind, und es kommt noch eine weitere Gemeinde hinzu, die der Evangelisch-reformierten Kirche Nordwestdeutschland angehört. Das also zu den Vertragspartnern!
Daraus hat sich allerdings auch ein Problem entwickelt, denn einer der Vertragspartner hat sich nicht ganz mit dem einverstanden erklärt, was uns hier als Staatsvertrag vorgelegt worden ist. Ich darf Sie noch einmal auf die Drucksache verweisen, auf den vorliegenden Vertrag. Da heißt es im Schlussprotokoll zu Artikel 3: „Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers nimmt die Sonderstellung des Unterrichts in Biblischer Geschichte in der Freien Hansestadt Bremen zur Kenntnis. Sie hält dessen ungeachtet daran fest, dass das Zusammenwirken von Staat und Kirche im Schulwesen die Erteilung des bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts nach Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen außerhalb des Anwendungsbereichs des Artikels 141 Grundgesetz gebietet.“
Meine Damen und Herren, das ist die alte Auseinandersetzung. An sich ist sie erledigt aus Bremer Sicht, und ich glaube, auch für die Bremische Evan
gelische Kirche, obwohl, das muss ich schon sagen, ich bin nicht jetzt erst mit diesem Vertrag mit diesem Thema konfrontiert worden. Diese Vertragsverhandlungen, die auch von Bürgermeister Dr. Scherf ganz persönlich initiiert und betrieben worden sind, laufen ja schon etwas länger. Es hat in der Tat durchaus schon Bestrebungen und Versuche gegeben, gerade auch was den Unterricht an Schulen angeht, ein Thema, das wir hier übrigens auch öfter gehabt haben, doch irgendwie vertraglich in der Weise zu regeln, dass eine Gewährleistung dieses Unterrichts am Ende herauskommt. Das ist nicht möglich, und ich denke, das, was uns jetzt als Vertragsentwurf vorgelegt worden ist, kann von unserer Seite aus so mitgetragen werden.
Ich darf also noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass Artikel 32, der die Frage des Biblischen Geschichtsunterrichts bei uns in Bremen regelt, keine Gewährleistungspflicht enthält, sondern das ist gerade, was übrigens als Bremer Klausel auch bekannt geworden ist, die Besonderheit in Bremen, dass der Unterricht in Biblischer Geschichte – ich sage das hier einmal in Klammern zu meiner Person, ich gehöre gar keiner Kirche an, ich fand ihn trotzdem spannend, so wie er zu meiner Zeit, und ich hoffe, auch heute, gemacht worden ist – nämlich Information ist, eine Art religionskundlicher Unterricht, was denn eigentlich in der Bibel steht. Das ist einfach notwendig, um das zu wissen, dass dieser Unterricht aber freiwillig ist, für beide Seiten, sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer. Daran, meine Damen und Herren, wollen und können wir auch nicht rütteln. Es kann auch kein Vertrag diese Verfassungssituation ändern. Dem trägt auch dieser Vertrag Rechnung. So, wie er uns hier jetzt vorgelegt worden ist, meine ich, kann er unsere Zustimmung finden.
In Artikel 3 heißt es hier im Vertrag zum Unterricht in Biblischer Geschichte, die Hansestadt erfüllt hier die ihr obliegende Verpflichtung in der nach der Verfassung möglichen Weise. Ich denke, das ist eine Formulierung, die man ebenso mittragen kann wie den Absatz, der Bremischen Evangelischen Kirche werde Gelegenheit gegeben, zu den Lehrplänen Stellung zu nehmen. Da können ganz prüde Landesbürger sagen, das geht uns schon etwas zu weit. Ich denke, das ist gerade noch vertretbar, natürlich kann eine Kirche auch dazu Stellung nehmen.
Was in dem Vertrag nicht geregelt werden kann, ist auch relativ eindeutig. Es ergibt sich aus der Landesverfassung, und zwar aus Artikel 59, letzter Satz: „Die Kirche verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde.“ Das heißt, umgekehrt hat die Kirche hier auch ein Schutzrecht gegenüber dem Staat. Das gibt es in anderen Bundesländern nicht.
Ich darf zum Beispiel auf den Loccumer Vertrag, der das Verhältnis des Landes Niedersachsen mit der Evangelischen Kirche regelt, hinweisen. Er ist von
1955. Darin sind zahlreiche andere Fragen geregelt, zum Beispiel die wissenschaftliche Vorbildung von Geistlichen, die Ausbildung von Religionslehrern an pädagogischen Hochschulen, das Theologiestudium an Universitäten, Besetzung kirchlicher Ämter im Einvernehmen mit staatlichen Stellen, Einstellung von Pfarrern, Einspruchsrechte der Landesregierung gegen gewisse kirchliche Gesetze und so weiter. Auch das ist wiederum in Bremen nicht möglich. Hier haben beide im Grunde genommen ihren vollen Souveränitätsraum, das war verfassungsmäßig so gewollt und so auch durch die Geschichte vorgeprägt.
Ich will jetzt nicht noch einmal die einzelnen Bestimmungen aufzählen. Sie schreiben, das darf ich sagen, im Grunde genommen nur den Status quo der Praxis fest, wie er nun herrscht, einschließlich Kirchensteuerrecht, das auch im Bundesrecht und im bremischen Landesrecht verankert ist, so dass man also sagen kann, materiell oder substantiell gesehen wird hier nichts Neues geregelt, aber es stellt zum ersten Mal in der bremischen Geschichte und in der Kirchengeschichte ein Novum dar, dass wir eine vertragliche Beziehung haben. Damit können wir leben. Ich denke, wir können diesem Vertrag daher auch so zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir sind der Auffassung, dass die Art und Weise, wie bei uns in Bremen Richter berufen werden, und zwar nicht nur bei der Einstellung, sondern auch bei Beförderungen, zumindest diskussionswürdig, wenn nicht sogar änderungswürdig, reformbedürftig ist. Der verfassungsrechtliche Rahmen ist dabei allerdings zu beachten. Ich sehe da keine Probleme, oder ich denke, sie lassen sich mit dem Grundgesetz ausräumen.
Der Artikel 98 Absatz 4 bildet die verfassungsrechtliche Grundlage für alle Länder, dass über Richterberufungen der zuständige Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss entscheidet. Man kann sich jetzt darüber streiten, ob Anstellung nur die direkte Anstellung, die Einberufung in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, in das Richterverhältnis ist oder ob der Begriff einer weiteren Auslegung zugänglich ist. Andere Länder legen das entsprechend aus, das haben Sie ja schon gesagt, dazu zählen auch Beförderungen. Das ist das eine.
Ihr Vorschlag kollidiert allerdings zurzeit mit den Vorschriften der Bremischen Landesverfassung. Der ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Artikel 136 regelt erstens die Zusammensetzung eines Richterwahlausschusses und zweitens auch die Kompetenzen. Wenn wir uns also politisch einig sind, etwas ändern zu wollen, können wir dieses Verfahren so nicht weiter betreiben, wie Sie das hier vorgelegt haben. Dann müssten wir ein verfassungsänderndes Gesetz einbringen. Das erfordert drei Lesungen mit dem entsprechenden Ausschuss. Darüber müsste man sich dann verständigen. Es ist aber in der Tat sinnvoll, sich erst über die politischen Eckwerte klar zu werden. Dann kann ja der Ausschuss hier Hilfe geben, falls wir uns alle darauf verständigen, das zu machen.
Ich darf aber durchaus schon einmal einige Eckpunkte zu Protokoll geben, die aus unserer Sicht diskutiert werden sollten. Die Änderung der Zusammensetzung auf jeden Fall! Wir haben zurzeit das schon merkwürdige Kuriosum, dass die demokratische Legitimation durch das vom Volk gewählte Parlament nur sehr schwach vorhanden ist. Wir haben fünf Abgeordnete in dem Ausschuss, aber drei Senatoren – das ist übrigens einmalig, drei Minister – und drei Richter. Das heißt, die Abgeordneten sind in der Minderheit. Sie können in dieser Frage überstimmt werden. Das halte ich als Parlamentarier für außerordentlich problematisch! Hier ist etwas zu ändern, und der Ansatz ist richtig, ich möchte nicht die Richterbank verkleinern, aber die Senatorenbank. Es macht überhaupt keinen Sinn, hier reicht einer.
Das Zweite ist: Welche Kompetenzen soll künftig ein entsprechender Ausschuss haben? Wir sind der Auffassung, dass es völlig unzureichend ist, nur über einen bereits eingestellten Richter auf Probe zu entscheiden, ob er nun Richter auf Lebenszeit wird. Diese Entscheidung ist mit der Einstellung und dass er uns im Richterwahlausschuss vorgeschlagen wird, längst gefallen. Im Grunde genommen kann man darauf fast verzichten. Das ist im Grunde keine Tätigkeit mehr für einen Richterwahlausschuss. Er hat nicht zu entscheiden über die Beförderung, wer hier Vorsitzender Richter, wer Präsident wird, wobei ich etwas verwundert bin, wieso Sie ausgerechnet den Präsidenten des Landgerichts hier erwähnen. Er ist ja nun nicht der höchste Richter in Bremen, er hat noch den Präsidenten des Oberlandesgerichts vor sich, und es gibt Oberste Landesrichter. Deren Funktion muss auf jeden Fall hinein.
Übrigens hat der Richterwahlausschuss auch nicht zu entscheiden, ob Richter anderer Bundesländer nach Bremen übernommen werden. Das geht völlig am Richterwahlausschuss vorbei. Das sind die Dinge, die wir gründlich diskutieren müssen, und zwar mit dem Ziel einer entsprechenden Änderung.
Ein Blick in die Richtergesetze anderer Bundesländer zeigt übrigens, dass zahlreiche Länder dem Anspruch genügen und die Richterwahlausschüsse dort über Beförderungen entscheiden. Dabei sind ja die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Ein Richterwahlausschuss kann nicht allein entschei
den. Das soll auch nicht geschehen, das wäre nicht sinnvoll, weil er gar nicht die Sachkunde für solche Personalfragen hat.
Ich kann mir aber vorstellen, und das ist in anderen Ländern auch so geregelt, dass auf jeden Fall das Vorschlagsrecht, und zwar das alleinige Vorschlagsrecht, beim zuständigen Fachminister – bei uns kommt noch der Arbeitssenator für die Arbeitsgerichtsbarkeit hinzu, noch ist das ja dort angesiedelt – liegt. Das heißt, ohne den Vorschlag des Fachsenators kann überhaupt nicht entschieden werden. Man kann nur ja oder nein sagen, aber der Ausschuss selbst kann keine Vorschläge machen. Das heißt, es ist ein Einigungszwang vorhanden.
Der Einigungszwang ist dann übrigens auch im Vorfeld gegeben, denn es wäre ja unklug, völlig ungeschützt mit einem Vorschlag in einen solchen Richterwahlausschuss zu gehen, wenn man dort keine Mehrheit bekommt. Das macht man nur einmal, aber dann nicht wieder. Das heißt, hier ist ein Vorfeld geschaffen für eine Einigung, für eine Diskussion, die natürlich höchst vertraulich stattzufinden hat. Ich denke, dann hätten wir auch in Bremen eine demokratisch legitimierte, durch dieses Parlament legitimierte Wahl von Richtern.
Darüber, ob man jede einzelne Beförderung im Richterwahlausschuss entscheidet, zum Beispiel auch den Vorsitzenden Richter, muss man noch einmal reden, da bin ich nicht festgelegt. Man könnte es auch dabei belassen, die Präsidenten der obersten Gerichte einschließlich des Präsidenten des Landgerichts und des Amtsgerichtspräsidenten dort zu regeln. Das sind die entscheidenden Weichen, die auch für die dortige Personalpolitik eine Rolle spielen.
Ich denke aber, das Parlament ist aufgerufen, ich sage das immer wieder, hier den alten Zopf einer senats-autoritätsorientierten Verfassung abzuschneiden. Es ist ein Stück Modernisierung auch in diesem Bereich angesagt. Unsere Fraktion macht da mit. Wir sind für die Überweisung dieses Antrags, und wir sollten das so diskutieren, auch mit dem Ziel, dem Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf dann vorzuschlagen, wenn es uns gelingt, uns auf die Eckpunkte zu verständigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann übereinstimmen mit beiden Vorrednern, was die Grundproblematik des Justizhaushalts anbelangt, vor allen Dingen in den letzten Jahren. Ich habe immer von einer Art virtuellem Haushalt gesprochen, was die Anschläge bei Einnahmen und Ausgaben betrifft.
Es ist uns jetzt zum ersten Mal gelungen, insofern hat der Kollege Kuhn Recht, einen ersten Schritt, nämlich den entscheidenden Punkt bei den Anschlägen, den der Ausgaben, der Realität anzupassen. Dafür bin ich dankbar, übrigens, darf ich sagen, gegen den erbitterten Widerstand der CDU im Rechtsausschuss. Da haben wir als Sozialdemokraten das bereits für beide Bereiche, Einnahmen und Ausgaben, beantragt. Da waren wir noch nicht so weit, aber es ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
hat dann ein Lernprozess eingesetzt, und mit Hilfe insbesondere der Haushaltspolitiker ist das dann gelungen.
Es ist bei der Einnahmeseite noch nicht gelungen. Das ist zu bedauern, aber ich glaube, das ist nicht so sehr das Problem, wir müssen einmal abwarten, wie sich der Haushalt jetzt entwickelt. Wenn es, wie ja jetzt doch schon wieder prognostiziert wird, zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kommt, schlägt sich das womöglich auch auf der Einnahmenseite der Justiz nieder. Wenn wieder mehr Häuser gekauft werden, gehandelt werden, erhöht sich dieser Einnahmeposten. Wenn sich womöglich mehr Bürger scheiden lassen, bekommen wir auch mehr Geld, obwohl wir das nun nicht ausdrücklich propagieren wollen.
Daran sehen Sie, wovon Einnahmen im Justizhaushalt abhängig sind. Wir können die also schlecht beeinflussen, wir können ja auch keine Werbung in dieser Hinsicht betreiben.
Die Position, die wir darüber hinaus bei dem Entwurf des Senats für den Justizhaushalt als äußerst problematisch empfunden haben, das war in der Tat die, dass zunächst eine Mitfinanzierung der sozialtherapeutischen Anstalt Niedersachsen nicht vorgesehen war. Die ist aber zwingend notwendig, wir haben uns hier vertraglich eingelassen. Das ist jetzt entsprechend nachgebessert worden. Auch die Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung bei den Gefangenen ist verbessert worden, so dass wir, denke ich, jetzt einen Haushalt haben, der die Funktionsfähigkeit der Justiz gewährleistet.
Jetzt möchte ich auf zwei Punkte eingehen, nämlich auf die Alternativen zum Strafvollzug und den Strafvollzug selbst, die ja vorhin eine Rolle gespielt haben. Herr Dr. Kuhn, ich glaube, wir brauchen uns nicht zu verstecken, was die Ausstattung und die Finanzierung, aber auch das Volumen des Angebots an Alternativen zum Strafvollzug hier in Bremen angeht. Das kann sich sehen lassen. Das ist jahrelang Kriminalpolitik des Justizressorts in Bremen gewesen, übrigens zusammen mit dem Sozialressort, und wenn Sie das einmal im Ländervergleich sehen, auch was wir in der Relation zum Strafvollzug hier an Mitteln aufbringen, dann ist das vom Feinsten, und wir haben sogar an dieser Stelle nachgebessert.
Sie sagen, wir hätten nur 120 000 DM, also 60 000 Euro, nachgebessert. Ja! Das ist aber keineswegs ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern dieser Betrag war notwendig, um die Durchführung dieses Gesamtkonzepts, das zwischen Justiz und Soziales entwickelt worden ist als eine Art Netzwerk für alternative Hilfen nicht zu gefährden, sondern sicherzustellen, und das ist damit geschehen.
Nun zum Strafvollzug ein paar Worte, insbesondere an die Adresse des Kollegen Röwekamp! Mich
hat das schon ein bisschen amüsiert. Sie haben aus dem Papier des Gutachtens der Grünen von Herrn Bammann zitiert, das ist eigentlich Originaltext aus dem Strafvollzugsgesetz. Die Begründung dazu, der Wohngruppenvollzug ist gesetzlich vorgeschrieben, und auch die Motive, die dazu führen. Herr Röwekamp, Sie sind ein junger Politiker, aber offenbar sind Sie nicht der Garant dafür, dass Sie immer fortschrittliche Ideen haben. Sie sind eher rückwärts gewandt.
Das sollten Sie vielleicht noch einmal überdenken! Wir wollen nicht in den Strafvollzug der fünfziger, sechziger Jahre zurück, denn es waren ja gerade diese verheerenden Zustände, die Sie offenbar mit den Worten Abschreckung und derlei Unfug, muss ich sagen, meinten. Lesen Sie einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1973 nach, welche Verfassungsgrundsätze dort zum Strafvollzug aufgestellt worden sind, und machen Sie sich die bitte zu Eigen! Sie sind ja auch Jurist und können diesen Text ja durchaus auch entsprechend verarbeiten. Dorthin wollen wir nicht zurück!
Wir haben eher Schwierigkeiten, diese Art von Vollzug sicherzustellen, der übrigens international anerkannt ist, das ist sicherlich keine Bremensie und auch nicht nur in Deutschland so, vor allem aus dem Grunde, weil er Rückfälle vermeidet, uns damit Kosten erspart und – wenn auch ohne Garantie, es gibt kein Patentrezept – immerhin einen erheblichen Beitrag dazu leistet, dass straffällig gewordene Menschen, insbesondere junge Menschen, wieder in der Gesellschaft Fuß fassen können, integriert werden und uns nicht als Straffällige oder völlig Ausgegliederte zur Last fallen. Ich bitte Sie daher, Ihre Position dort noch einmal zu überdenken und unsere Konzeption da entsprechend zu unterstützen!
Wir werden über die Frage, wie es im Strafvollzug weiterzugehen hat, noch eine ausführlichere Debatte zu führen haben. Ich finde die Idee des Ressorts richtig zu sagen, mit dieser alten Anstalt in Oslebshausen – und ich beziehe da strukturell übrigens Blockland auch ein, ich kenne Blockland ja sehr gut – können wir im Grunde genommen die Bedürfnisse und Erfordernisse eines Vollzugs, der diesen Erwartungen entsprechen muss, wie ich sie eben dargestellt habe, gar nicht mehr erfüllen. Wer diesen alten Knast, 120 Jahre alt, kennt, weiß das. Er ist kostenaufwendig, personalintensiv, er bietet nicht die notwendige Sicherheit geschweige denn die notwendigen Behandlungsmöglichkeiten.
Deswegen, Frau Linnert, lassen Sie sich von Ihrem Kollegen Dr. Kuhn da belehren, das war heute Morgen absoluter Unsinn! Ich verstehe Sie aber, Sie sind da nun auch keine Expertin, Sie sprachen von dem unsinnigen Konzept der Idee eines Neubaus.
Diese Idee ist keineswegs unsinnig, sie wird sogar auch von Herrn Dr. Kuhn bejaht.
Unser Streit geht womöglich nur darum, in welcher Größenordnung, in welcher Binnendifferenzierung wir solch einen Vollzug machen. Da wird in der Tat noch viel zu diskutieren sein.
Ich begrüße es aber ausdrücklich, dass hier auch mit Niedersachsen eine Kooperation angestrebt wird wie auch in anderen Bereichen. Das Landessozialgericht wurde hier schon erwähnt. Wir können das nicht allein stemmen. Wenn man hier kostenmindernd die Erfahrungen des Nachbarlandes zu Rate ziehen kann, übrigens auch bei solch einem Neubau – das ist ein schwieriges Unterfangen, solch ein gigantisches Unternehmen auf die Beine zu stellen, auch planerisch schon, wir sind ja auch auf anderen Gebieten mit ihnen gemeinsam tätig –, dann halte ich das für vernünftig, und ich hoffe, dass wir im Frühjahr dann auch hier im Hause über eine Konzeption reden können. Dann werden wir sehen, ob wir sie akzeptieren oder ob wir entsprechende Verbesserungsvorschläge machen. – Schönen Dank!