Protokoll der Sitzung vom 06.07.2000

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Sie wollen doch eine Konzentration!)

Latent ist doch heute immer noch vorhanden, was Sie, Herr Senator Lemke, als ideologiebelastete Diskussion der Nach-Achtundsechziger bezeichnen, nämlich eine „Allergie gegen das Faktenwissen“.

(Zuruf von der SPD: Quatsch! — Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: So ein Quatsch!)

Da reicht es eben nicht aus, ich habe es schon einmal gesagt, dass wir in Bremen mit Rahmenlehrplänen arbeiten. Je höher und ausgeprägter die Autonomie der einzelnen Schule ist, desto enger muss auch der Inhalt formuliert werden.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Die TIMSS-Studie spricht von Fakten!)

TIMSS hat aufgezeigt, Frau Kollegin Hövelmann, ich habe den Eindruck, Sie haben es nicht richtig gelesen,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ja, Sie wiederholen sich aber!)

dass wir uns viel mehr Gedanken über die Methodik machen müssen, mit der der Unterrichtsstoff den Schülern nahe gebracht werden sollte. Deutlich geworden ist, dass wir auch in Bremen nicht gerade nach den neuesten Methoden und Erkenntnissen Inhalte vermitteln.

(Unruhe — Glocke)

Hier besteht ein erheblicher Nachholbedarf, auch in Bremen, meine Damen und Herren.

Ich komme zum Schluss!

(Zuruf der Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD])

Sie hätten sich melden können, aber wahrscheinlich fällt Ihnen gar nichts mehr ein!

(Beifall bei der CDU)

Dazwischenreden allein reicht nicht, Frau Kollegin Hövelmann!

Herr Zachau, gestatten Sie mir zum Schluss auch ein paar Worte an Sie persönlich! Wir haben fünf Jahre die bildungspolitischen Klingen gekreuzt. Manchmal, muss ich sagen, war es das Florett, manchmal auch der Säbel, aber wenn man grundsätzlich unterschiedlicher Meinung ist, muss auch manchmal der Säbel herhalten und das Holzschnittartige dargestellt werden. Ich möchte aber zum Ausdruck bringen, dass es mir immer Freude gemacht hat, mit Ihnen zu diskutieren, wenn es auch manch

mal nervig war, aber das liegt wahrscheinlich an beiden Seiten.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das hängt mit Sicherheit auch damit zusammen, dass eben bildungspolitische Ansätze, die wir immer wieder zwischen unseren beiden Fraktionen und Parteien festgestellt haben, weit auseinander liegen. Wenn wir mit den Bildungsthemen, die wir hier behandelt haben, manchmal für Bewegung, für Unruhe, auch für Engagement, manchmal aber auch für einen leeren Saal gesorgt haben — heute ist er ja relativ voll —,

(Heiterkeit)

so liefen diese Debatten in der Bürgerschaft, aber auch in der Deputation, das darf ich feststellen, menschlich immer fair ab, und dafür möchte ich mich auch bei Ihnen bedanken.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich wünsche Ihnen in Ihrem Beruf einen guten Wiedereinstieg

(Zuruf: Er wird Sie kritisch begleiten!)

und viel Erfolg! — Danke schön!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/377 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Studienreform statt Studiengebühren

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 13. Juni 2000 (Drucksache 15/378)

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eigentlich hatte ich gedacht, ich könnte damit anfangen, ich knüpfe ganz gut an das vorherige Thema an, aber das sage ich jetzt lieber nicht. Es ist doch nicht ganz einfach heute Nachmittag, und ich glaube, es ist in der Bremischen Bürgerschaft so wie im wirklichen Leben, wie ich gelernt habe: Wenn es gut geht, ist ein bisschen Spaß dabei, aber es hat auch etwas mit Leistung zu tun, und beides kann man nicht immer zur gleichen Zeit haben, nicht im gleichen Augenblick.

Studiengebühren ist das Thema. Ich muss ein bisschen, um den politischen Ort des Antrags zu erläutern, noch einmal auf die Vorgeschichte eingehen, weil es sich sonst nicht erschließt, warum wir heute noch einmal die Bürgerschaft auffordern, zwei einfache Punkte klar zu sagen. Erstens: In Bremen wird es keine Studiengebühren, auch nicht in der badenwürttemberischen oder bayerischen Form ab dem 15. Semester, geben, und zweitens, Bremen wird alles dafür tun, dass die Nachbarländer im norddeutschen Verbund auch nicht zu solchen Schritten kommen.

Die rotgrüne Bundesregierung hat 1998 in der Koalitionsvereinbarung beschlossen, endlich unter die schwelende Studiengebührendebatte in Deutschland einen Schlussstrich zu ziehen, wenigstens für eine bestimmte Zeit, und den Studierenden und vor allen Dingen denjenigen, die anfangen wollen zu studieren, Rechtssicherheit zu geben, zum ersten Abschluss ohne Gebühren studieren zu können. Sie hat dafür den Versuch gemacht, zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Ländern zu kommen, denn es geht ja um die Länder, und es ging ja vor allen Dingen darum, dass es nicht so geht, dass das eine oder andere Land damit beginnt und im Dominoeffekt eines nach dem anderen umfällt. Wir können uns noch gut erinnern, Frau Kollegin Kahrs, wie es gewesen ist, als Niedersachsen diese Einschreibegebühr einführte, welcher Druck auf Bremen entstand, das auch zu machen, weil wir natürlich hier nicht auf einer Insel leben. Wir haben es noch abwehren können, aber der Druck war da, und er würde wiederkommen, wenn um uns herum andere Länder so etwas machen würden.

Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern waren schwierig, weil vor allen Dingen Baden-Württemberg und Bayern von ihrer Strafgebühr gegen

über so genannten Langzeitstudierenden nicht lassen wollten. Erst der Vorschlag von Minister Zöllner aus Mainz, auch die Variante eines so genannten Studienkontenmodells möglich zu machen, führte zu einer Lösung, die im Mai die Kultusminister dann einvernehmlich und einstimmig beschlossen haben. Der Inhalt: Studiengebühren ab dem fünfzehnten Semester oder nach dreißigprozentiger Überschreitung der so genannten Studienkonten können, dürfen die Länder erheben. Sie müssen es nicht, aber sie dürfen vorher im Erststudium keinerlei Gebühren erheben. Die Kultusminister haben dann die Ministerpräsidenten gebeten, diese Einigung in einem Staatsvertrag umzusetzen.

Dieser Beschluss der KMK war nach unserer Auffassung durchaus keine Meisterleistung, und ich persönlich teile auch nicht die Hoffnung auf dieses Studienkontenmodell. Da gibt es einige sympathische Züge, aber wenn man es einmal wirklich durchrechnet, wird es doch ein ziemlich bürokratisches Ding. Ich habe deswegen auch durchaus Verständnis für die Kritik von Studierenden. Vor allen Dingen aber die Wissenschaftssenatorin der Grünen, Krista Sager aus Hamburg, hat immer darauf hingewiesen, man müsse das Ergebnis, auch wenn es einem nicht so ganz gefällt, an dem messen, was nach wie vor einige Politiker in Bund und Ländern wollen. Sie hatte ganz offensichtlich nicht Unrecht, denn die Ministerpräsidenten sind der Bitte ihrer Wissenschaftsminister, einen solchen Staatsvertrag in Auftrag zu geben, eben nicht nachgekommen, auf Betreiben von Bayern und Baden-Württemberg, wie wir gestern früh ja gehört haben. Die Wissenschaftsminister, wenigstens die dortigen, aber ich glaube, das richtete sich eigentlich auch an alle, haben eine kräftige Ohrfeige bekommen und sollen nun nach anderen Wegen suchen. Herr Lemke, da kann ich Ihnen als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz jetzt schon viel Vergnügen wünschen!

An dieser Stelle möchte ich doch eine Bemerkung zu den erstaunlichen Ausführungen machen, die der Bürgermeister gestern in der Fragestunde gemacht hat. Die Ministerpräsidenten können ja reden, mit wem sie wollen; ob vor dem Kamin, im Kamin, hinter dem Kamin, das ist ihnen alles völlig unbenommen, und es gibt sicherlich Gelegenheiten, die muss es geben, bei denen sie einmal unter sich diskutieren. Eine andere Frage ist, dass dann die Ministerpräsidenten, deren Beschlüsse ja Gewicht haben und hier etwas bedeuten und bewegen, hinterher dann klar sagen können müssen, wer denn was beschlossen hat. Das ist heute nicht gewährleistet, und da kann ich keinen Funken von Transparenz und Demokratie sehen. Wie scheinheilig das ist, ist ja ganz klar, das hat man gestern wieder gesehen. Wenn es einem in den Kram passt, sagt man natürlich öffentlich, wer es gewesen ist, wenn es nicht in den Kram gepasst hätte, wenn Niedersachsen dabei gewesen wäre, ich gehe jede Wette ein, dass der Bürgermeis

ter nicht gesagt hätte, wer es gewesen ist. Das ist das große demokratische Defizit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie gesagt: Reden Sie vor oder hinter dem Kamin, so viel Sie wollen, aber hinterher muss klar sein, wer was gewollt und beschlossen hat!