Protokoll der Sitzung vom 06.07.2000

zu den in Kioto ausgehandelten Verpflichtungen auch stehen und diese umsetzen. Das kann nur lokal passieren!

Vielleicht für die CDU: Der frühere Umweltminister und heutige Umweltbeauftragte der Uno Töpfer sprach in diesem Zusammenhang kürzlich sogar von der Aggression der Industrieländer, denn die meisten Flüchtlinge aus den so genannten Entwicklungsländern sind heute schon Ökoflüchtlinge. Dies macht die besondere Verantwortung deutlich, die wir an dieser Stelle haben. Damit Deutschland seine internationalen Klimaverpflichtungen noch einhalten kann, sind erhebliche Anstrengungen notwendig. Hier ist auch die Kommune gefordert!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die zweite Anmerkung: Die Atomkraftnutzung ist keine Alternative! Sie ist eine unverantwortliche Risikotechnologie. Ich könnte jetzt den ganzen Fächer der Unverantwortlichkeit sicherlich ausbreiten. Ich tue es nicht, weil es sich ja auch um einen interfraktionellen Antrag handelt. Ich werde mich auf ein einziges Zitat beschränken, und zwar ein Zitat von einem überparteilichen, unabhängigen Beratergremium, dem Sachverständigenrat für Umweltfragen.

Dieser Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in seinem Umweltgutachten 2000 auch die rotgrüne Bundesumweltpolitik bewertet. Dies wird häufig dazu benutzt, um sie auch schlecht zu reden. Ich muss sagen, dass das offensichtlich alle machen, die weder dieses Gutachten noch die vorangegangenen zur Merkel-Zeit gelesen haben. Ich will aber jetzt hier vor allem aus diesem Umweltgutachten 2000, aus der Drucksache des Deutschen Bundestages 14/3363, zum Bereich Atomenergienutzung mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren:

„Für den Umweltrat steht bei der Bewertung der Risiken der Atomenergie die Entsorgungsfrage im Vordergrund. Zwar gibt es bei allen betriebenen Atomkraftwerken Restrisiken wie die Möglichkeit einer Kernschmelze und deren katastrophale Folgen, für deren sichere Beherrschung die Anlagen nicht ausgelegt sind. Jedoch erscheint die Entsorgung radioaktiver Abfälle aus dem Kernkraftwerksbetrieb und aus der Wiederaufbereitung noch dringlicher. Diese Frage ist weiterhin nicht gelöst. Bei hohem Schadenspotential betrifft sie geologische Zeiträu

me. Der Umweltrat hält aufgrund der Charakteristiken bestrahlter Brennelemente und der darin begründeten, in weiten Teilen ungelösten Entsorgungsprobleme eine weitere Nutzung der Atomenergie für nicht verantwortbar.“

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Soweit dieses Expertengremium!

Wir Grüne haben dafür gekämpft und werden weiter dafür kämpfen, dass ein Ausstieg aus dieser Risikotechnologie erfolgt. Es war heute ja auch wieder im „Weser-Kurier“ zu lesen, unsere Position und auch unser Kampf ging immer in die Richtung, es zu ermöglichen, dass gerade ältere Kernkraftwerke wie Esenshamm schnellstmöglich vom Netz gehen. Mit dem Energiekonsens sind die prinzipiellen Voraussetzungen hierfür geschaffen.

Es ist aber nicht das Ziel, und das ist auch klar, wie wir es uns vorgestellt haben. Man kann es aber nur zusammen mit dem Gesetz für erneuerbare Energien bewerten, das seit dem 1. April 2000 in Kraft ist. Mit diesem Gesetz und mit dem Atomkonsens sind auch neue Rahmenbedingungen geschaffen, die es nun auf Landesebene aufzugreifen und zu flankieren gilt. Ich hoffe, dass der gemeinsame Antrag ein erster Schritt in diese Richtung ist. — Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Kummer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir erleben heute kurz vor den Sommerferien ein parlamentarisches Highlight! Wir bringen heute einen interfraktionellen Antrag ein, der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen initiiert wurde.

Wir lehnen diesen Antrag „Ökostrom in Bremen“ nicht naturgemäß ab, nein, wir stimmen ihm sogar zu!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

So etwas war in Ihrer kleinen Broschüre gar nicht vorgesehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Sie sehen, auch eine ganz große Koalition kann mitunter lernfähig sein.

Meine Damen und Herren, dieser Antrag hat für mich schon so etwas wie Symbolcharakter: Symbolcharakter für die von der rotgrünen Regierung eingeleitete Energiewende und für deren Unterstützung auf lokaler Ebene.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber ein biss- chen überinterpretiert, Frau Kollegin!)

Frau Mull wird dazu sicherlich noch das eine oder andere sagen können!

Symbolcharakter hat er aber auch für die Vorteile der Liberalisierung des Energiemarkts. Wir können jetzt aussuchen, woher unser Strom kommt: als vermeintlich billigerer Strom aus Atomkraftwerken — wie unsicher die sein können, haben wir leider heute im „Weser-Kurier“ lesen können — oder aus sauberen, regenerativen Energien. Symbolcharakter hat er aber auch dafür, dass wir Energiepolitik vielleicht betreiben können, auch ohne die Mehrheit an den Stadtwerken zu besitzen, und Symbolcharakter für die Vorbildrolle der öffentlichen Hand! Das Thema hatten wir heute bei der Debatte über illegale Beschäftigung und Landesvergabegesetz.

Dass wir uns den Strom aussuchen können, meine Damen und Herren, ist allerdings für ein Land in Haushaltsnotlage vielleicht nicht so ganz richtig ausgedrückt. Es ist zwar unbestritten, dass sich Energiesparmaßnahmen immer lohnen, aber wir müssen schon ganz genau hinschauen, ob am Ende die Gleichung auch in finanzieller Hinsicht aufgeht. Deswegen legen wir großen Wert darauf, diesen Vorschlag auch unter dem Kostenaspekt zu prüfen. Viel höhere Stromrechnungen können wir uns nämlich schlicht und einfach nicht leisten.

Trotzdem, ich freue mich, hier auch einmal eine energiepolitische Debatte unter positivem Vorzeichen zu führen, zeigt doch dieser interfraktionelle Antrag, dass die Chance besteht, auf dem Weg der Agenda 21 gemeinsam ein Stück voranzukommen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Mull.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Zachau sagte eben, ich soll nicht die Harmonie kaputt machen. Ich fürchte aber, es geht nicht ohne.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Eindämmung der weltweiten CO2-Emission zur Stabilisierung des Weltklimas ist derzeit die größte umweltpolitische Herausforderung. Das wurde bereits mehrmals gesagt. Handlungsziel ist es, die CO2-Emission um 25 Prozent bis zum Jahr 2005, immer im Vergleich zum Basisjahr 1990 gerechnet, zu vermindern. Dieses Ziel lässt sich aber nur durch Maßnahmen der Energieeinsparung und der rationellen Energieverwendung sowie mit einem ausgewogenen Mix verschiedener Primärenergieträger erreichen.

Meine Damen und Herren, während sich die Weltbevölkerung seit Beginn des letzten Jahrhunderts versechsfachte, stieg der Energiebedarf um das ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Achtzigfache. Heute verbrauchen wir in einem Jahr Rohstoffe, die sich im Laufe von einer Million Jahren angesammelt haben. Für alle Länder stellt sich somit die Notwendigkeit, ihre Energiesysteme zukunftsfähiger zu gestalten. Das heißt, auch wir in Bremen müssen prüfen, ob und wie wir einen Beitrag zur Reduzierung des Energieverbrauchs leisten können. Wir stellen deshalb gemeinsam mit der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen die Fragen, wie es mit dem Strombezug für öffentliche Gebäude aussieht und wie es mit einer Energiestrategie steht. Meine Damen und Herren, eine Energiesparlampe von elf Watt zum Beispiel kann eine 60-WattGlühbirne ersetzen, ohne dass es weniger hell ist. Sie kostet zwar zehnmal so viel wie die konventionelle Leuchte, doch hat sie eine achtmal längere Lebensdauer und verbraucht 80 Prozent weniger Strom. Das bedeutet eine Entlastung des Geldbeutels um 140 DM und für die Umwelt eine Tonne CO2 weniger an Belastung. Heute konnten wir in der Zeitung lesen, dass die swb Enordia ein neues Förderprogramm mit der Bezeichnung „Minus CO2“ vorgelegt hat. Es hilft beim Energiesparen, reduziert die Schadstoffbelastung, ohne allerdings auf den gewohnten Komfort verzichten zu müssen, was den meisten Verbrauchern ja sehr wichtig ist. Meine Damen und Herren, uns ist es wichtig, eine zukunftsfähige und klimaschonende Energienutzung zu betreiben. Unsere Energiepolitik hat sich an den Zielen Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preiswürdigkeit auszurichten, denn schließlich muss die Energie für den Verbraucher ja auch bezahlbar sein. Wir sehen insbesondere — und jetzt kommt es, Herr Zachau, jetzt ist es vorbei mit dem Frieden — in der Nutzung der Kernenergie zur CO2-freien Stromerzeugung einen Eckpfeiler der Klimavorsorgepolitik,

(Beifall bei der CDU)

auch wenn die Atomkraft eine gesellschaftlich umstrittene Energie ist. Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion bedeutet die friedliche Nutzung der Kernenergie einen wesentlichen Beitrag zur ökonomischen, zur ökologischen und zur sozialen Entwicklung, denn seit dem Ausbau der Kernenergie in den siebziger Jahren ist der Stromverbrauch in Deutschland gegenüber den Prognosen erheblich gesunken. Zudem trägt die Kernenergie aus der Sicht der Klimapolitik wesentlich zur CO2-Reduktion bei. Durch die derzeit betriebenen Kernkraftwerke werden in Deutschland jährlich bis zu 160 Millionen Tonnen CO2 im Vergleich zur Stromerzeugung in Steinkohlekraftwerken vermieden. Dies, meine Damen und Herren, entspricht fast den jährlichen CO2-Emissionen des gesamten deutschen Straßenverkehrs. Meine Damen und Herren, die friedliche Nutzung der Kernenergie leistet also einen bedeutsamen Bei

trag zu einer Energieversorgung im Sinne des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung. Dieser Beitrag ist mittel- bis langfristig notwendig, um das Ziel der Agenda 21 von Rio, wonach die Erzeugung und Verwendung von Energie in Wahrung der wirtschaftlichen Entwicklung, unter Schonung der fossilen Energiequellen und möglichst geringer Belastung der Erdatmosphäre erfolgen soll, umzusetzen und zu realisieren.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Aber Ökostrom ist es noch nicht!)

Der Ersatz der Kernenergie durch Kohlekraftwerke, meine Damen und Herren, vernichtet allerdings die bisherigen Erfolge in der Klimapolitik. Mit dem verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken würden die Bemühungen um die vorsorgliche Minimierung der Luftverschmutzung, insbesondere durch Schwefeldioxid und Feinstaub, konterkariert. Wir sind der Auffassung, dass man doch nicht nur, um den ideologisch begründeten Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie durchzusetzen, die drohende dramatische Klimaveränderung billigend in Kauf nehmen darf.

(Beifall bei der CDU)

An dieser Stelle möchte ich übrigens auch noch sagen, dass in Frankreich zum Beispiel aufgrund des hohen Nuklearanteils beim Strom die CO2-Emission halb so hoch ist wie in Deutschland.

Meine Damen und Herren, alle Atomkraftwerke, die über den Globus verteilt sind, haben einen Anteil von gerade 18 Prozent an der Stromerzeugung, und die Atomreaktoren decken gerade fünf Prozent der Bereitstellung von Energie ab. Zudem ist die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke im internationalen Vergleich auf höchstem Niveau. Dies wird auch von der jetzigen Bundesregierung nicht bestritten. Darüber hinaus leistet die Bundesrepublik einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit der Kernenergie in Europa und global. Sie sprachen gerade Esenshamm an. Natürlich müssen wir jetzt erst einmal abwarten, was die Ergebnisse bringen, und dann muss, wenn sich das Ganze so bestätigen sollte, wie es heute den Eindruck vermittelt, schnellstens gehandelt werden.

Meine Damen und Herren, was nützt es denn im Übrigen, wenn wir unsere Atomkraftwerke abstellen, aber weiterhin von im Ausland stehenden Kraftwerken mit minderen Sicherheitsstandards umzingelt sind beziehungsweise der Atomstrom importiert wird?

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auslösendes Moment für den uns vorliegenden Antrag ist ja sozusagen

die Liberalisierung des Strommarktes, das wurde bereits gesagt, und damit hat jeder Stromkunde die Möglichkeit, einen Stromlieferanten frei zu wählen. Gleichzeitig geht mit der Öffnung des Marktes aber auch eine Diversifizierung des früher einheitlichen Produktes Strom einher. Unter Ökostrom, grünem Strom oder Naturstrom, wie er genannt wird, verstehen wir elektrische Energie, die aus regenerativen Energieträgern produziert wird. Dies sind für uns in erster Linie Sonnenenergie, Windenergie, Biomasse beziehungsweise Biogas. Trotzdem muss nicht überall Öko darin sein, wo Öko daraufsteht, und eine einheitliche Zertifizierung des Produktes halten wir deshalb für wichtig. Das würde natürlich auch für mehr Transparenz beim Verbraucher sorgen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Für uns muss eine zukunftsfähige Energiepolitik konzeptionell international entstehen. In Wissenschaft und Forschung sind erhebliche Potentiale für eine positive Entwicklung ökoeffizienter Verfahren und Produkte vorhanden. Auch wir als Einzelne können einen Beitrag zum Energiesparen leisten, und ich denke, dies sollten wir auch tun, jeden Tag ein bisschen mehr. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächste hat das Wort Frau Dr. Mathes.

(Abg. B e c k m e y e r [SPD]: Was, noch einmal?)

Sie haben nur eine Minute.

Ich sage auch nur zwei Sätze, weil ich das Thema so wichtig finde. Ich denke, dass das, was Frau Mull am Schluss hinsichtlich der Atomkraftnutzung gesagt hat — und es ist ja klar, dass das der wesentliche strittige Punkt ist —, so nicht stehen bleiben darf. Es gibt Szenarienrechnungen, gerade erschienen in der Zeitschrift „Umwelt“, 6/2000, wie die Ziele der CO2-Reduktion zu erreichen sind trotz Abschaltens der Atomkraftwerke mit verschiedenen Endlaufzeiten. Das war Punkt eins.

In Punkt zwei gehe ich darauf ein, dass immer wieder gesagt wird, dann würde mehr Atomstrom aus dem Ausland importiert! Ich finde, unsere Aufgabe als Politiker und Politikerinnen ist es, genau dem entgegenzuwirken. Was durch den Energiekonsens passiert ist, ist, dass sich gerade auf europäischer Ebene jetzt mehr Nationen auf den Weg machen, das ist ein Zeichen auch an die anderen Nationen, auszusteigen.

Hier arbeiten wir Grüne auch auf europäischer Ebene mit, dass wir genau dahin kommen und das nicht passiert. — Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.