Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Nein, aber Herr Schuster, Sie müssen sich doch die Frage stellen: Warum ist das so? Auch Sie, so fortschrittlich schätze ich Sie ein, werden nachts Ihre Bücher über das Internet bestellen und sich die dann direkt schicken lassen. Sie gehen nicht mehr zum Einzelhandel, weil Sie gar nicht die Zeit haben, weil Sie ja Ihre Zusammenarbeit mit der PDS vorbereiten müssen zu den Zeiten, wo Sie sonst einkaufen könnten!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grunde müssten eigentlich auch gerade Sie mehr Flexibilität für die Öffnungszeiten fordern!

Sehr geehrte Damen und Herren, ein weiteres Problem, was wir immer nachlesen können, und das ist auch durch verschiedenste Gutachten unterstrichen, ist, dass eine Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten insbesondere dann auch durch einen flexibleren Einsatz von Personal natürlich dazu führen wird, dass auch bei den Beschäftigen größere Freizeitblöcke entstehen, weil zum Beispiel Mittagszeiten entsprechend zusammengefasst werden, weil eine Blockbildung entsteht, weil neue Arbeitszeitmodelle in Form von Jahresarbeitszeitkonten ent

stehen. Sie können in verschiedenen anderen Bereichen sehen, es ist in den letzten Jahren auch in der verarbeitenden Industrie nicht so gewesen, dass die Freizeitanteile der Beschäftigen aufgrund der verlängerten Maschinenlaufzeiten nun zurückgegangen sind. Aus diesem Grunde glaube ich auch, dass es gerade im Interesse der Beschäftigen ist, dass es dort zu liberalisierten, zu neuen Modellen kommt, um insgesamt auch eine größere Freizeitblockbildung zu ermöglichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir in die anderen europäischen Länder sehen, stellen wir fest, auch dort findet eine zunehmende Liberalisierung statt, auch dort sind längere Einkaufszeiten möglich. Komischerweise sind die Deutschen in aller Regel diejenigen, die nach ihren Urlaubsreisen am meisten davon schwärmen, dass man dort die Möglichkeit hat, länger einzukaufen. Ich finde, es ist Zeit, dieses antiquierte Gesetz zu ändern. Wenn es nicht möglich ist, es so zu ändern, wie die CDU es gern hätte, dann bieten wir auch dem Koalitionspartner Gespräche darüber an, zügig entsprechende Initiativen zu starten, dass wir dies mit einem vernünftigen Vorschlag ändern werden. Wir haben gerade in Bremen ein großes Interesse daran. Wir wollen den Tourismus ausbauen, haben die verschiedensten Aktivitäten unternommen, und es macht natürlich nur Sinn, den Tourismus auch auszubauen, wenn es dann auch Möglichkeiten für die Touristen gibt, ihr Geld hier in den Geschäften zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen wir gerade als Bremer ein großes Interesse daran haben.

Ein Zweites, warum gerade Bremen dieses große Interesse haben muss, ist die Tatsache, dass insbesondere die Metropolen von längeren Öffnungszeiten profitieren. Ich glaube, dass dies bei allem Streit um diese Frage auch völlig unbestritten ist. Unbestritten ist, dass es in den verschiedensten Untersuchungen die Metropolen sind, die von einer Verlängerung der Öffnungszeiten profitieren. Wenn Bremen die Metropole Nordwestdeutschlands sein will, dann müssen wir auch bei den Öffnungszeiten entsprechend reagieren, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Ich fordere also den Senat auf, zukünftig die Erarbeitung solch umfangreicher Antworten zu unterlassen, sich hinzusetzen, eine Lösung zu finden und im Bundesrat zu diesem Thema entsprechend initiativ zu werden! Wenn das denn so ist, sehr geehrte Damen und Herren, da spreche ich, glaube ich, auch im Namen des Kollegen Böhrnsen, wenn die Öffnungszeiten dann verlängert sind, ist es vielleicht möglich, dass uns die Grünen nicht einfach nur ei

nen Rock überreichen, den sie sich irgendwo leihen mussten, weil wahrscheinlich gerade, als sie uns einen kaufen wollten, die Geschäfte geschlossen hatten. In diesem Sinn wünsche ich uns eine heitere Debatte. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, der Kollege Eckhoff überschätzt etwas die Unkosten, in die wir uns für ihn stürzen würden, deswegen haben wir natürlich diese Röcke auch nur geliehen als sparsame Fraktion, Sparen und Investieren, ist doch völlig klar.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber das wäre ein Invest!)

Das stimmt! Wenn wir aber zur Sache kommen, dann ist mir nach Ihrer Rede, ehrlich gesagt, die Position der CDU zu den Ladenöffnungszeiten wieder etwas unklarer als vorher. Ich komme gleich darauf zurück, nämlich auf Ihre Pressemitteilung vom Oktober, wo ich doch einige Ansätze auf eine Bewegung gesehen hatte, die in eine Richtung geht, die auch mit den Grünen zu diskutieren wäre.

Sie haben zu Recht gesagt, dass wir das in diesem Haus, aber überall in der Republik auch sonst sehr nachhaltig schon diskutiert haben. Im Prinzip hatten wir noch vor einem Jahr, und deswegen hatte ich da auch Fortschritte gesehen, hier noch eine Situation, dass die CDU für völlige Abschaffung, die SPD mehr oder weniger für Beibehaltung war und die Grünen einen eigenen, unserer Meinung nach in die Zukunft weisenden Vorschlag gemacht hatten, nämlich durch so genannte lokale Zeitpakte die Ladenschlussregelung zu kommunalisieren und dort auch das demokratische Element dann einzuführen. Ich werde darauf zurückkommen.

Inzwischen ist ein Jahr vergangen, vielleicht hat sich auf dieser und auch auf dieser Seite die Erkenntnis durchgesetzt – ich hoffe das jedenfalls, wir werden das gleich noch hören –, dass wir von der Salamitaktik bei der Diskussion des Ladenschlussgesetzes, die wir in den vergangenen Jahren hatten, auf jeden Fall wegkommen. Diese sah nämlich so aus, wir beschließen in einem Jahr, das ist nun 19 Uhr, und dann beschließen wir ein Jahr später, es ist 20 Uhr, und übermorgen beschließen wir, es ist 20.30 Uhr. Dass wir so mit diesem strukturellen Problem Ladenschlusszeiten nicht umgehen können, dass wir so unserer politischen Verantwortung nicht gerecht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

werden, das haben wir Grünen hier immer gesagt, und dazu stehen wir auch heute!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich deshalb mit Genehmigung des Präsidenten etwas tun, und da komme ich jetzt auf Ihre Rede zurück, was ich ansonsten hier selten tue, nämlich ausführlicher eine Pressemitteilung von Herrn Eckhoff und der CDU zum Ladenschlussgesetz vom 9. Oktober dieses Jahres zitieren, weil ich sie doch sehr bemerkenswert finde! Herr Eckhoff, Sie sagen dort unter anderem: „Einkaufszentren mit großzügigem und kostenlosem Parkraum sind in den Randgebieten der Stadt entstanden.“ Das haben Sie gut beobachtet! Ich habe mich da natürlich sofort gefragt: Sind die vom Himmel gefallen, oder sind kleine Marsmenschen gekommen, die die dort gegründet haben? Wer hat eigentlich die Beschlüsse gefasst und die Entscheidungen getroffen, dass diese Einkaufszentren am Stadtrand in immer größerer Zahl in Bremen entstehen und dieses Problem verursachen, das Sie selbst hier jetzt gleich im Anschluss beschreiben?

Sie sagen nämlich richtigerweise in Ihrer Pressemitteilung: „In der Bremer Innenstadt sind dadurch die Renditen für spezialisierten Facheinzelhandel so weit gesunken, dass vielfach nur noch die Filialen großer Handelsketten, die alle ähnlich aussehen, übrig bleiben.“ Da kann ich nur sagen, Recht haben Sie! Nur, wer trägt dafür die Verantwortung, dass das so geschehen ist? Diese Frage beantworten Sie aber an dieser Stelle nicht!

Nun ist es ja auch noch so, wenn Sie über die Einkaufszentren am Stadtrand und nicht in Innenstadtlagen sprechen, dass es umso seltsamer ist, dass man immer wieder gehört hat, dass der Vorschlag besteht und auch vor allen Dingen von Ihrer Seite gemacht wird, dass zum Beispiel der Space-Park von den Ladenschlusszeiten ausgenommen werden soll. Wie Sie das mit Ihrer Initiative für die Innenstadt verbinden wollen, bleibt mir schleierhaft, und das müssen Sie hier heute auch noch beantworten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

In Ihrer Presseerklärung heißt es nämlich weiter: „Der CDU-Fraktionsvorsitzende vertritt die Meinung, dass die angestrebte Verlängerung der Ladenöffnungszeiten“, und jetzt kommt es, „in den Innenstädten“, und davon haben Sie vorhin nicht gesprochen, „entscheidend dazu beitragen wird, den Trend, heraus aus der Innenstadt, zu stoppen.“ Es geht weiter: „Um solche Dinge für Städte und Gemeinden umzusetzen, bedarf es keiner bundeseinheitlichen Vorschriften. Die Städte allein können am Besten darüber entscheiden, wo sie zur Förderung der Innenstadt Ladenöffnungszeiten zulassen wollen, jedoch zur Einsetzung kommunaler Satzungen müs

sen die Städte durch ein Bundesgesetz ermächtigt werden.“

Da kann ich nur sagen, das ist genau ein Ansatz, in dieser Presseerklärung zumindest, der genau in die Richtung geht, die wir Grünen hier vor einem Jahr vorgeschlagen haben, kein starres einheitliches bundesweites Ladenschlussgesetz, sondern eine Experimentier- und Öffnungsklausel, die den Kommunen erlaubt, und jetzt schreiben Sie das in Ihrer Presseerklärung selbst, die den Kommunen erlaubt, saisonal, branchenspezifisch und nach jeweiligen regionalen Bedürfnissen Ladenschlusszeiten festzulegen, und hier, glaube ich, ist zunächst einmal, das hatte ich gehofft, ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir hätten, wenn das so ist, dass Sie von der fundamentalistischen Position des Weg mit dem Ladenschlussgesetz, und zwar sofort, die Sie bisher immer noch hatten, zu mehr differenzierten Modellen kommen, hier eine Chance, endlich in dieser Sache weiterzukommen.

Ich glaube, es ist wichtig, aber einen weiteren Punkt zu setzen. Der Unterschied zwischen unserem Modell und dem von Ihnen zumindest in dieser Presseerklärung vorgeschlagenen Modell ist, dass wir sagen, Kommunalisierung ja, Öffnungsklausel im bundesweiten Ladenschlussgesetz ja, aber unser Modell, dann wird ein Schuh daraus, wenn wir sagen, Kommunalisierung plus Demokratie, plus lokale Demokratie, das ist das Modell der Grünen, und dieser Aspekt fehlt bei Ihnen natürlich vollkommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sagen deswegen, Kommunalisierung des Ladenschlusses plus Demokratie, weil wir etwas nicht wollen, was bei der völligen Abschaffung der Ladenschlussregelungen entstehen würde. Was würde entstehen? Erstens, der kleine und mittlere Einzelhandel, die mittelständischen Betriebe würden nach allen Erfahrungen unter dieser neuen Regelung, wenn sie dort nicht einbezogen werden in eine vernünftige Regelung, leiden.

Man muss ebenfalls, und dafür stehen wir Grünen eben auch, natürlich die Interessen der Beschäftigten berücksichtigen. Es geht hier nicht nur darum, einseitig für Kundenwünsche, einseitig für Einzelhandelsinteressen oder einseitig für Gewerkschaftsinteressen einzutreten, sondern die Aufgabe der Politik, wenn sie denn verantwortlich wäre, wäre gerade, Kundenwünsche, Einzelhandelsinteressen und Arbeitnehmerinteressen zusammenzubringen und an einen Tisch zu bringen, das wäre eigentlich die Aufgabe, der sich Politik stellen müsste.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben klar gesagt, dass dies in unserem Modell vorhanden ist. Wenn eine bundesweite Öff

nungsklausel kommt, haben die Kommunen die Verantwortung, dies sogar heruntergebrochen bis zum Stadtteil neu zu regeln. Man kann endlich auch auf branchenspezifische Unterschiede Rücksicht nehmen, man kann endlich den Unterschied zwischen Oberammergau, Bremen und Stuhr in die Debatte bringen, der ein erheblicher ist, man kann den Unterschied zwischen Winter und Sommer in die Debatte bringen, den Unterschied zwischen großem Kaufhaus, Bäckerladen und Schuhmacher in die Debatte bringen. Zu solch differenzierten Lösungen, aber eben mit demokratischer Beteiligung aller Betroffenen, müssen wir endlich kommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Projekt „zeiten:der:stadt“ hat ja in Bremen auch sehr viel Zuspruch gefunden, es gab Ausstellungen, es gab Veranstaltungen, es gab eine ganze Reihe von Debatten, und ich habe immer auf dieser Seite und auf dieser Seite des Hauses eigentlich viel Zuspruch und viel Sympathie für dieses Projekt „zeiten:der:stadt“ wahrgenommen. In diesem Projekt ist aber genau ein Modell entwickelt worden, wie es in einigen italienischen Großstädten auch praktiziert wird, und diesen Vorschlag machen wir hier heute erneut für die Grünen, nämlich, dass sich auf kommunaler Ebene unter der Schirmherrschaft der jeweiligen Kommune Verbraucherverbände, Einzelhandelsverband, aber auch die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Einzelhandels und Beschäftigtenvertreter zusammensetzen und versuchen, gemeinsam an einem Tisch solche spezifischen Öffnungsregelungen hinzubekommen, die alle Interessen oder zumindest in einem Kompromiss wesentliche Interessen berücksichtigen und so für einen Ausgleich der bisher so verhärteten Fronten sorgen.

Wir Grünen fordern Sie auf, nachdem Bewegung in dieses Thema gekommen ist und nachdem richtigerweise zunächst einmal dieser Ansatz der Wirtschaftsminister gestoppt worden ist, um zu einer weiteren Debatte zu gelangen, sich ernsthaft noch einmal mit diesen Vorschlägen auseinander zu setzen, sich an einen Tisch zu setzen und zu sehen, ob die verschiedenen Positionen, die sich seit einem Jahr doch erheblich angenähert haben, nicht auf einen Nenner zu bringen sind unter einem solchen Modell der lokalen Zeitpakte! Wir haben uns auf dieses Modell als Grüne festgelegt, sind aber flexibel, dort noch die einen oder anderen Vorstellungen genauso zu berücksichtigen, und wir glauben, dass sich dort die verschiedenen Seiten fast wie hier im Hause sozusagen in der Mitte auf der Basis dieses Vorschlages der Grünen treffen könnten. Setzen wir uns zusammen und versuchen, dieses leidige Problem Ladenschluss endlich konstruktiv und nicht destruktiv zu lösen! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Lemke-Schulte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu meinen Vorrednern! Herr Güldner, das Modell dieser so genannten Zeitpakte, wie Sie es nennen, oder auch „zeiten:der:stadt“ hatten Sie uns schon in der Debatte im letzten Jahr vorgestellt, und dann führen Sie an, dann kann man andere Regelungen finden, zum Beispiel für Oberammergau oder auch für Kiel, weil es da möglicherweise andere Mentalitäten gibt und andere Bedarfe, sich in Läden aufzuhalten, aber irgendwie, finde ich, produzieren Sie – –.

(Zuruf des Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Hören Sie doch einmal in Ruhe zu, bitte! Ich habe Ihnen auch sehr ruhig zugehört!

Irgendwie produzieren Sie damit ein Durcheinander, wenn ich mir dann vorstelle, und Sie sagen, das muss man dann stadtteilmäßig auch regeln, gerade das Ostertor/Steintor, dann stelle ich mir Findorff vor, dann stelle ich mir Walle vor, Huchting, man kann das beliebig aufzählen. Wenn ich mir dann dieses Durcheinander, das Sie da produzieren wollen, mit Ihrem Vorschlag auch noch vorstelle, dann hat also jeder Stadtteil unterschiedliche Öffnungszeiten. Das muss man dann irgendwie jeden Tag neu veröffentlichen: Wir haben geöffnet von sieben bis 20 Uhr oder von sechs bis 23 Uhr. Das auf einen Nenner zu bringen, scheint mir eine sehr schwierige Angelegenheit zu sein, denn wir wollen kein Durcheinander schaffen, sondern wir wollen eine kundengerechte Lösung finden.

(Glocke)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Güldner?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Dr. Güldner!

Vielen Dank! Sind Sie mit mir nicht auch der Meinung, dass dieses Projekt in Bremen-Nord, das Zeitbüro dort und die Anstrengungen, die unternommen worden sind, zum Beispiel, wenn man Bremen-Nord dann als einen eigenen Bereich sieht, gerade deutlich macht, wie notwendig es wäre, diese unterschiedlichen Bedürfnisse, die ja existieren, Entfernung zur Innenstadt und ähnliche Dinge spielen ja da eine Rolle, auch zu berücksichtigen, dass wir sehr ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

wohl zu einer solchen differenzierten Regelung kommen könnten?