Bei meiner hauptamtlichen Tätigkeit mit Ehrenamtlichen stelle ich dies jedenfalls immer wieder fest. Mit geschärftem Blick finden wir in allen Ecken Ehrenamtliche, die mit kleinen Aufgaben große Dinge verrichten.
Herr Oppermann hat schon von der neuen Umfrage hier berichtet. Im Jahr 1993 sind von 63 Millionen Bundesbürgern 22 Millionen ehrenamtlich tätig. Mir ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass von diesen 22 Millionen, was einem Durchschnitt von 34 Prozent entspricht, in der Altersstufe der Vierzehn- bis Vierundzwanzigjährigen sogar 37 Prozent tätig sind.
Wie bitte? Nein, das ist mir wichtig! Weil wir immer sagen, dass die Jugendlichen sich nicht beteiligen, finde ich, müssen wir die Brille einmal putzen und richtig hinschauen! Sie beteiligen sich!
Sie beteiligen sich nicht so, wie wir das vielleicht mit 20 oder 18 Jahren getan haben, aber sie beteiligen sich.
Die Motive für bürgerschaftliches Engagement haben sich geändert. Man engagiert sich nicht in lebenslangen, sondern in zeitlich überschaubaren Aufgaben und zur eigenen Lebenssituation passend. Eigene Fragen und deren Beantwortung beziehungsweise die Bearbeitung eigener Probleme sind oft der Grund für das ehrenamtliche Engagement. Ganz wichtig ist, dass es Spaß machen muss. Die Freiwilligkeit der Aufgabe steht im Vordergrund und der Wunsch, bei den Aufgaben mitzuentscheiden. Vorbereitung, Fortbildung, Austausch und Absicherung werden vorausgesetzt.
Ich gebe dem Bericht Recht, dass diese Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Daneben gibt es nach wie vor die vielen Formen des traditionellen Ehrenamtes, auf die unsere Gesellschaft nicht verzichten kann. Allerdings muss auch hier die neue Entwicklung berücksichtigt werden.
Die Erwartungen neuer freiwilliger Mitarbeiter an Träger und Einrichtungen, die beschrieben werden, kann ich aus meiner beruflichen Erfahrung bestätigen. Angebote müssen überschaubar sein, konkrete Ziele und vielfältige Möglichkeiten der Mitgestaltung haben. Wichtig ist auch die Einführung und die Begleitung der Ehrenamtlichen, erst dann wird nach Fortbildung und Anerkennung gefragt. Weiter ist wichtig: In dem Moment, in dem jemand kommt und aktiv werden möchte, müssen die Verbände und Einrichtungen in etwa eine Lösung haben.
Ich hatte jetzt einen Anruf einer pensionierten Lehrerin, die mir sagte, sie möchte gern etwas mit Kindern tun, eher mit kleineren Kindern. Indem ich ihr einen Kindergarten anbieten konnte, noch nachfra
gen konnte, wo ihre Interessen lagen, sie anschließend den Kindergarten sah und sah, dass es dort eine Sprachförderung gab, hat sie gesagt, an dieser Stelle kann ich mich einbringen, und da kann ich mit unterstützen.
Das sind auch Dinge, die die Verbände und Einrichtungen lernen müssen, mit Ehrenamtlichen umzugehen und ihnen die Türen zu öffnen. Die Ängste der Hauptamtlichen müssen an der Stelle bewältigt werden, dass ihen Arbeitsplätze genommen werden sollen. Wir müssen es lernen, die Ehrenamtlichen und Freiwilligen als ein zusätzliches Angebot, sozusagen die Sahne auf dem Stück Kuchen, in den Einrichtungen der Stadt Bremen zu verstehen.
Die SPD-Fraktion begrüßt, dass der Deutsche Bundestag eine Enquetekommission eingesetzt hat. Wir hoffen dort auf Regelungsvorschläge im Bereich der Auslagenerstattung und der steuerlichen Vergünstigung. Skeptisch sehen wir neue Wege der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung. Hier finde ich es auch falsch, Hoffnungen zu wecken, die nicht eingehalten werden können.
Es muss allerdings Regelungen für Vollzeitfreiwillige geben. Es kann zum Beispiel nicht angehen, dass ein junger Mensch, der sich viele Jahre ehrenamtlich und für ein Taschengeld engagiert hat, anschließend nicht bafögberechtigt ist, wohingegen ein junger Mensch, der sechs Jahre bei Mercedes gearbeitet hat und dann studieren möchte, Bafög bekommt. An der Stelle müssen Sachen geändert werden.
Mit der Erklärung der Vereinten Nationen 2001 zum internationalen Jahr der Freiwilligen soll weltweit erreicht werden, mehr Menschen, besonders junge Menschen, für das freiwillige Engagement zu begeistern, denn wissenschaftlich ist festgestellt, wer sich mit 20 Jahren engagiert, bleibt oft dabei oder wird Wiederholungstäter. Wenn ich mir die Biographien der 100 Abgeordneten hier im Parlament anschaue, dann bestätigt das eigentlich, dass wir an der Stelle Wiederholungstäter sind.
Weiter möchten die Vereinten Nationen die Aufwertung durch Dank und Anerkennung insgesamt hinbekommen und die Rahmenbedingungen verbessern. Ich schilderte schon zu Anfang, dass wir alle darauf aufpassen müssen, dass mit dem Ausklingen des Jahres 2001 nicht die Vergesslichkeit wieder einsetzt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bürgerschaftliches Engagement ist das Fundament unserer Gesellschaft. Hinter diesen Worten und mit großem Lob können sich, glaube ich, alle Politikerinnen und Politiker in Deutschland vereinen, gepaart mit vielen guten Absichtserklärungen, wie das bürgerschaftliche Engagement gefördert werden soll. Bei dem vielen Lob wird auch noch ordentlich darauf geachtet, möglichst ganz nah bei den vielen Veranstaltungen an die Gelobten heranzurücken, damit noch möglichst viel Glanz von dem Lob und von den Gelobten auf die Politikerinnen und Politiker abfällt.
Wir haben schon ein paar Mal kritisiert, dass man ein bisschen aufpassen muss, dass man nicht in einen solchen Tenor fällt. Frau Wangenheim hat hier, darüber habe ich mich gefreut, angedeutet, dass auch die SPD-Fraktion da ein Problembewusstsein hat. Es darf nicht dazu führen, dass die Politikerinnen und Politiker sich selbst loben. Das tun sie in diesem Zusammenhang ziemlich gern, indem sie das bürgerschaftliche Engagement, das ja allseits akzeptiert ist, ordentlich fördern oder das wenigstens behaupten. Das Lob ist auf jeden Fall dem bürgerschaftlichen Engagement so lange gewiss, solange keine Inhalte vertreten werden, die der Politik nicht so richtig in den Kram passen.
In der Antwort des Senats heißt es: „Eine lebendige Demokratie ist auf das Engagement der Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen angewiesen. Der vom Grundgesetz geforderte demokratische und soziale Rechtsstaat besteht nicht nur aus den Wahlen zum parlamentarischen Repräsentativsystem, sondern verlangt Teilhabe- und Teilnahmemöglichkeiten auf allen Ebenen des Alltags. Ehrenamtliches Engagement trägt dazu bei, diesen Partizipationsgedanken des Grundgesetzes und der Landesverfassung einzulösen.“
Genauso ist es. Das weist auch auf den Schwerpunkt der Grünen in dieser Debatte hin, es geht nämlich auch um Politik in diesem Zusammenhang. Gehen Sie einfach noch ein ganz kleines Stück weiter, als es die Antwort des Senats hier möglich macht,
dann heißt es nämlich: „Bürgerschaftliches Engagement ist auch unbequem, ist auch widersetzlich, ist auch Einzelinteressen verhaftet.“
Man muss aufpassen, dass das Lob nicht vereinnahmt. Man muss aufpassen, dass wir die Tatsache, dass dort auch etwas gegen den Staat und die Inhalte, die wir hier vertreten, stattfinden kann, nicht aus den Augen verlieren. Man muss aufpassen, dass die staatliche Förderung, die wir dem Bereich zu Recht angedeihen lassen, nicht gerade so funktioniert, dass unbequeme Anteile bürgerschaftlichen Engagements ausgegrenzt werden.
Ich will Sie hier in diesem Zusammenhang noch einmal ansprechen, Frau Senatorin Adolf. Bei der letzten Debatte über dieses Thema hatte ich die Bedenken geäußert, dass im Moment die Freiwilligendienste gerade angesagt sind, die werden gefördert und sind gerade das liebe Kind der Politik, und dass das Netzwerk, das über viele Jahre hinweg in Bremen schon diese Aufgaben wahrgenommen hat, die jetzt auch von freiwilligen Diensten wahrgenommen werden, droht, unter die Räder zu geraten. Nein, haben Sie hier vor der Bürgerschaft gesagt, das wird auf keinen Fall passieren. In dem Bericht des Senats kommt das Netzwerk überhaupt nicht mehr vor.
Der Staat und seine Repräsentanten müssen das bürgerschaftliche Engagement nicht nur dulden. Sie müssen anerkennen, dass es sich um etwas Widersetzliches handelt, und sie müssen es fördern und bejahen. Das ist zugegeben ein hoher Anspruch. So gibt es auch in Bremen eine Vielzahl von Beispielen, wie groß die Differenz zwischen dem hohen Anspruch, den Sie hier verkünden und der auch in der Antwort des Senats zur Geltung kommt, und Ihrer eigenen konkreten Politik ist. Darauf möchte ich hier gern hinweisen und ein paar Beispiele nennen.
Das erste Beispiel ist das Spendenparlament. Von oben aus dem Sozialressort etabliert sollte sozusagen das Sozialressort zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern aus Bremen eine gute Tat tun und Ehrenamtlichkeit und Spendenbereitschaft bündeln. Das Ganze sollte dann im Dienste der Sozialverwaltung funktionieren. Es hat dann nicht richtig geklappt. Das war eine unnötige und nicht sinnvolle Konkurrenz zur Wilhelm-Kaisen-Bürgerstiftung.
Ein anderes Beispiel ist der Umgang in Bremen mit den Beiräten. Wir haben ja schon vorgestern ein bisschen länger darüber geredet, wie man auf der einen Seite das Hohelied des bürgerschaftlichen Engagements singen kann, auf der anderen Seite aber ohne Federlesens die Entscheidung zur Absage und Neugestaltung des Viertelfestes so rückgängig machen beziehungsweise konterkarieren kann und dann gleichzeitig noch mit einem Tenor, der die Abwertung der Menschen in sich birgt, die da diese Entscheidung getroffen haben. Das ist schon ein starkes Stück und zeigt im Grunde auch die, sagen wir einmal, Haltung von oben: Ihr könnt euch gern bür
Das leider erfolgreiche Kaputtmachen der großen Koalition von bürgerschaftlichem Engagement in Gestalt von Bürgeranträgen, Volksbegehren und Volksentscheid gehört in Ihre Sündenliste wie auch die Weigerung, behinderte Menschen an der Baudeputation wenigstens mit beratender Stimme zu beteiligen, damit in dem Bereich ein bisschen weniger Unsinn passiert und weniger Geld zum Fenster hinausfliegt.
Der vielgelobte Sport muss jährlich zittern, ob ihm nicht der Senat in seinen Haushaltsbeschlüssen die Übungsleiterpauschalen kürzt. Das dickste Ei, das in Bremen passiert ist, ist aus unserer Sicht nach wie vor der Umgang mit den Menschen, die am Agenda-21-Prozess beteiligt sind. Das ist peinlich, kann ich da nur sagen, und menschlich äußerst schofel. Bis zum Wahltermin heißt es umarmen, Hoffnung wecken, für Fotos posieren, und dann hat der Mohr seine Schuldigkeit getan, und der Mohr kann gehen, und dann lässt man ihn fallen wie eine heiße Kartoffel.
Bei der vom Senat selbst gelobten bürgernahen Verwaltung ist auch, weiß Gott, nicht alles Gold, was glänzt. Ich empfehle hier meinen lieben Kolleginnen und Kollegen, einmal zum Sozialamt Hemelingen zu gehen. Das ist verrammelt, Vorsprache nur nach telefonischer Terminabsprache! Das ist sozusagen die bürgernahe Verwaltung. Hier ist der Sozialstaat, wenn du Hilfe brauchst, dann komm! So ist die ja die gesetzliche Vorgabe. Davon sind wir weit entfernt.
Die Konzepte für Sozialzentren und Bürgerämter in Bremen leben fröhlich nebeneinander her, ohne dass man irgendwie weiß, wie das eigentlich weitergehen soll und wie die bürgernahe Verwaltung, außer auf dem Papier zu bestehen, auch wirklich zu den Bürgerinnen und Bürgern kommt.
Eine weiteres Beispiel ist der Umgang mit den Kleingärtnern! Im Wahlkampf heißt es ordentlich hofieren, loben für wichtige Integrationsfunktion in der Gesellschaft. Nun sollen 700 Kleingärten plattgemacht werden. Das ist ganz egal! Das bürgerschaftliche Engagement hat mit all dem überhaupt nichts zu tun. Das loben wir hier in den Sonntagsreden. Na ja, vielleicht nehmen Sie wenigstens in dieser Kleingartenfrage noch Vernunft an.
Das letzte Beispiel, das sich vielleicht in Bremen noch nicht so herumgesprochen hat, möchte ich jetzt trotzdem noch nennen, das betrifft den Umgang des Senats mit dem Verein Grenzenlos. Grenzenlos bietet Hilfe im Abschiebegewahrsam und versucht dort verzweifelt, Menschen, die abgeschoben werden, die Angst haben, die nicht wissen, wie es weitergeht, rechtliche und psychologische Hilfe zu geben. Seit Jahren kämpft diese Initiative um das Überleben. Seit Jahren weist sie darauf hin, dass sie nicht die Sozialarbeit im Abschiebegewahrsam übernehmen kann. Der Abschiebegewahrsam sagt, wir brauchen so etwas, sonst läuft uns hier das Fass über. Diese Initiative wird für Befriedungsfunktionen benutzt im Interesse des Staates, und sie bekommt nicht die entsprechende Hilfe und wird mit Versprechungen Jahre hingehalten.
Ihr Handeln im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement ist, weiß Gott, nicht auf der Höhe der Zeit. Nein, das habe ich hier, glaube ich, auch ausführlich dargelegt, schlimmer noch, mit diesen Beispielen behindern Sie es geradezu, weil Sie nämlich Leute entmutigen, sich hier wirklich einzusetzen.